2567/J XXVI. GP

Eingelangt am 10.01.2019
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesministerin für Arbeit‚ Soziales‚ Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend Folgeanfrage CBD-Erlass

 

Im Erlass des BMASGK zu GZ BMASGK-75100/0020-IX/B/16a/2018 („CBD-Verbot“) trifft das Ministerium im Wesentlichen die Unterscheidung von betroffenen Produkten in drei Kategorien

1.    Arzneimittel (Abs. 3)

2.    Cannabinoid-haltige Extrakte als solche oder in Lebensmitteln (Abs. 4)

3.    Cannabis und daraus hergestellte Extrakte in kosmetischen Mitteln (Abs 5.)

Hinsichtlich der 1. Gruppe wird auf die Zuständigkeit des Landeshauptmannes verwiesen.

Hinsichtlich der 2. Gruppe wird eine Zuordnung zu neuartigen Lebensmitteln iSd Verordnung (EU) 2015/2283 („Novel food Verordnung“) postuliert und ein Verbot des Inverkehrbringens abgeleitet.

Dadurch, dass für solche Produkte in anderen EU-Mitgliedsstaaten kein solches Verbot gilt, können die Konsumenten auf grenznahe Verkaufsstellen beispielsweise in Lindau, Freilassing oder Passau ausweichen. Sie können aber auch die von ihnen nachgefragten CBD-Produkte im Internet bei online-Shops mit Sitz in solchen EU-Mitgliedsstaaten bestellen. Beide Vorgänge sind vom BMASGK nicht zu kontrollieren. Es ist damit evident, dass der Erlass dem vorgeblichen Ziel, den Vertrieb von CBD-Produkten auf Arzneimittelhandel durch Apotheken einzuschränken, nicht einmal theoretisch wirksam dienen kann. Was jedenfalls eintritt, ist eine massive Schädigung der österreichischen Marktteilnehmer auf der Angebotsseite gegenüber deren Mitbewerbern in anderen EU-Mitgliedsstaaten.

Produkte aus Cannabis sativa Pflanzenarten, die einen natürlichen CBD-Gehalt aufweisen (jedenfalls wohl bis rund 3%) sind allerdings – und damit fängt der juristische Pfusch bereits an – nicht neuartig, weil diese Produkte schon vor 1997 in der EU in Verkehr waren. Insofern ist der Erlass inhaltlich fehlerhaft.

Der Novel food catalogue der Europäischen Kommission führt für Cannabis (Hanf) aus: „Without prejudice to other legal requirements concerning the consumption of hemp (Cannabis sativa) and hemp products EC No. 258/97 is not applicable to most foods and food ingredients from this plant. (…) Most varieties contain cannabinol and cannabinin. See also Cannabidiol.
Die Europäische Kommission geht also davon aus, dass Cannabis sativa kein neuartiges Lebensmittel ist.
D.h. es müssen der Europäischen Kommission Informationen vorliegen, die beweisen, dass diese Zutat bereits vor dem 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang in der EU als Lebensmittel verwendet wurde und deshalb nicht unter die Novel-Food-Verordnung fällt.[1]

Laut dem Novel food catalogue der Kommission (http://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/index.cfm) ist eine Sicherheitsbewertung von Produkten, die CBD (Cannabidiol) enthalten, nach folgender Definition erforderlich: „Extracts of Canabis sativa L in which cannabidiol (CBD) levels are higher than the CBD levels in the source Canabis sativa L are novel in food. Cannabidiol (CBD) is one of the cannabinoids in Cannabis sativa plant. In the European Union, the cultivation of Cannabis sativa L. varieties is granted provided they are registered in the EU’s ‘Common Catalogue of Varieties of Agricultural Plant Species’ and the tetrahydrocannabinol (THC) content does not exceed 0.2 % of the plant.

Also ausschließlich dann, wenn der CBD-Gehalt im Extrakt höher ist als in der Pflanze, kann nach den Regeln der Europäischen Union überhaupt novel food vorliegen. Dem widerspricht der gegenständliche Erlass in seiner generellen Weise, in der er unabhängig vom CBD-Gehalt alle Produkte gleich behandelt und dem Verbot unterwirft.

Andere EU-Mitgliedsländer

In der sogenannten BELFRIT-Liste haben die Länder Belgien, Frankreich, Italien sich auf eine Positivliste von zulässigen Zutaten von Nahrungsergänzungsmitteln verständigt. Auch hier findet sich die Zutat Cannabis sativa ohne Einschränkungen. Somit bestätigen bereits drei Mitgliedsstaaten die Verkehrsfähigkeit der Zutat ohne Einschränkung im Hinblick auf eine Höchstmengenbegrenzung oder einen Höchstgehalt an darin enthaltenen Cannabidiolen.
Da es sich um die zulässige Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln handelt, folgt hieraus auch, dass gerade die Verwendung in Extrakten hiervon umfasst ist.

In einer Stoffliste des Deutschen Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) findet sich für Cannabis sativa, Hanfsamen, der Eintrag „Lebensmittel“. Eine Einstufung als Novel Food erfolgt dagegen nicht. Ferner heißt es dort: „ Eine Verarbeitung in der Lebensmittel-Herstellung sowie der Vertrieb von Erzeugnissen, die unter Verwendung von Cannabis-Samen hergestellt wurden, sind somit aus betäubungsmittelrechtlicher Sicht zulässig.“ Der Vertrieb als Nahrungsergänzungsmittel setzt nach deutscher NemV voraus, dass es sich um ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung handelt und es in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen in abgemessenen kleinen Mengen in den Verkehr gebracht wird. Die Verwendung eines Extraktes ist somit gerade die klassische Zweckbestimmung eines Nahrungsergänzungsmittels.[2]

Aus den Positivlisten der genannten Länder ergibt sich, dass die zuständigen Gesundheitsbehörden dieser europäischen Mitgliedsstaaten eine wissenschaftliche Bewerbung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit vorgenommen haben. Findet sich der entsprechende Stoff somit in einer Positivliste eines europäischen Mitgliedsstaats, bestätigt sich die erfahrungsgemäße Unbedenklichkeit im Sinne des Art. 1 Abs. 2 e) VO 258/97/EG.

Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass es somit ausreichenden Nachweis dafür gibt, dass Cannabis sativa-Extrakte bereits in nennenswertem Umfang vor dem 15. Mai 1997 als Lebensmittel in der EU verwendet wurden. Ebenfalls liegen ausreichende Nachweise dafür vor, dass diese Zutaten erfahrungsgemäß unbedenklich sind.

Im Lichte dessen, dass der Verordnungsgeber den freien Verkehr mit Lebensmitteln nicht behindern und stattdessen gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleisten will, dürfen an den Begriff „in nennenswertem Umfang“ quantitativ nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden.

Grundsätzlich ist wohl die Behörde dafür beweispflichtig, dass das Produkt die Tatbestandsvoraussetzungen eines neuartigen Lebensmittels erfüllt. Es können dabei nur solche Bedenken relevant sein, die an konkrete Anhaltspunkte anknüpfen.[3] Der Ausspruch eines Vertriebsverbotes greift nicht nur in das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit (Art 6 StGG) ein. Es beschränkt auch den freien Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union, wobei die Frage offen bleibt, wie das Ministerium innergemeinschaftlichen Warenverkehr zu unterbinden gedenkt, um dem selbst ausgesprochenen Verbot zum Durchbruch zu verhelfen. Bei Eingriffen in Grundrechte ist besondere Sorgfalt und Zurückhaltung an den Tag zu legen, was der gegenständliche Erlass allerdings missen lässt.

Hinsichtlich der 3. Gruppe werden über CBD hinaus ganz generell alle aus Cannabis hergestellten Extrakte in kosmetischen Mitteln erfasst. Unter Bezugnahme auf Art. 14 Abs 1 lit. A in Verbindung mit Anhang 2 Nr. 306 der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 („Kosmetikverordnung“) werden diese Extrakte von der Erlassautorin schlicht zu den „natürlichen und synthetischen Betäubungsmitteln“ gezählt. Das sei jeder Stoff, der „in den Tabellen I und II des UN-Einheitsübereinkommens über Suchtmittel (ESK 1961) aufgezählt“ sei. Ein Inverkehrbringen sei daher nicht zulässig, wird geschlossen.

Der Erlass geht also davon aus, dass sämtliche Extrakte aus Cannabis einem Verbot unterlägen, weil es ein Verbot zur Verwendung von Betäubungsmitteln gibt. Nicht berücksichtigt wird die wissenschaftlich unstrittige Tatsache, dass es sich bei CBD um eine Substanz handelt, die eben nicht psychoaktiv ist, also keinerlei berauschende oder betäubende Wirkung hat. Nicht berücksichtigt wird ebenfalls, dass Art 1 Abs 1 b des Einheitsübereinkommens sich auf die „Blüten- und Fruchtstände“ von Hanfkrautpflanzen bezieht, die üblicherweise zur Erzeugung von Rauschmitteln verwendet werden. Ausdrücklich ausgenommen sind Produkte aus den Samen dieser Pflanzen und die nicht mit solchen Ständen vermengten Blätter.

 

[1] Büttner in „Rechtsgutachten Novel Food“, Seite 8

[2] Büttner, a.a.O., Seite 10

[3] Büttner, a.a.O., Seite 11; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht Bd.III, C 150, Rz 44b)

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende


Anfrage:

1.    War die Sektion V in die Ausarbeitung dieses Erlasses mit einbezogen?

a.    Wenn ja, in welcher Form, in welchem Ausmaß und in welchem Stadium der Erarbeitung des Erlasses?

b.    Wenn nein, welche Sektion, Abteilung, Gruppe hat die europarelevanten Aspekte des Erlasses inhaltlich erarbeitet und geprüft?

2.    Welche Konsequenzen hat der Erlass für Konsumenten, die jene Produkte, die nunmehr in Österreich einem Verkaufsverbot unterliegen, stattdessen in Lindau, Freilassing oder Passau einkaufen?

3.    Welche Konsequenzen hat der Erlass für Konsumenten, die jene Produkte, die nunmehr in Österreich einem Verkaufsverbot unterliegen, stattdessen online in jenen EU-Mitgliedsstaaten erwerben, in denen kein analoges Verbot existiert?

4.    Welche Möglichkeiten haben die österreichischen Behörden, das von Ihnen per Erlass verhängte Verbot auch für den Onlinehandel durchzusetzen?

5.    Wie stellen Sie sicher, dass für angebotsseitige Marktteilnehmer, also Hersteller und Verkäufer von CBD-Produkten, mit Sitz in Österreich dieselben Regeln gelten und die gleich guten Marktchancen bestehen wie für angebotsseitige Marktteilnehmer mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedsstaat?

Ad Gruppe 2:

1.    Gehen Sie davon aus, dass Cannabis sativa Pflanzenarten generell als novel food zu qualifizieren sind?

a.    Wenn ja, auf Basis welcher Daten nehmen Sie das erste Auftreten an?

2.    Gehen Sie davon aus, dass CBD-Extrakte aus Cannabis sativa Pflanzenarten unabhängig von ihrem CBD-Gehalt als novel food zu qualifizieren sind?

a.    Wenn ja, auf Basis welcher Daten nehmen Sie das erste Auftreten dieses „neuartigen“ Produkts an?

3.    Wie bringen Sie rechtlich das vom Erlass ausgesprochene generelle Verbot des Inverkehrsbringens von CBD-Extrakten mit dem Novel food catalogue der EU-Kommission in Einklang, wonach Neuartigkeit nur vorliegt, wenn der CBD-Gehalt im Extrakt den natürlichen Gehalt übersteigt?

4.    Wie beurteilen Sie die Rechtslage in anderen EU-Mitgliedsstaaten?

5.    Wie stellen Sie sicher, dass der gegenständliche Erlass mit dem freien Warenverkehr innerhalb der EU kompatibel ist?

Ad Gruppe 3:

1.    Auf welche wissenschaftliche Evidenz stützt das BMASGK die Annahme, dass es sich beim Wirkstoff Cannabidiol um ein natürliches oder synthetisches „Betäubungsmittel“ iSd Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 handle?

2.    Auf welche rechtliche Argumentation stützt das BMASGK die Annahme, dass es sich beim Wirkstoff Cannabidiol um ein natürliches oder synthetisches „Betäubungsmittel“ iSd UN-Einheitsübereinkommens über Betäubungsmitteln handle?

3.    Auf welche wissenschaftliche Evidenz stützt das BMASGK die Annahme, dass es sich beim Wirkstoff Cannabidiol um ein natürliches oder synthetisches „Betäubungsmittel“ iSd UN-Einheitsübereinkommens über Betäubungsmitteln handle?

4.    Sieht das BMASGK im genannten UN-Übereinkommen eine Ausnahme für Produkte aus Samen und Blättern der Hanfkrautpflanze?

a.    Wenn nein, wie interpretieren Sie den Übereinkommenstextteil „Der Ausdruck «Cannabis» bezeichnet die Blüten- oder Fruchtstände der Hanfkrautpflanze (ausgenommen die Samen und die nicht mit solchen Ständen vermengten Blätter), denen das Harz nicht entzogen worden ist, gleichgültig, wofür sie verwendet werden

b.    Wenn ja, gilt diese Ausnahme auch für die vom gegenständlichen Erlass erfassten Produkte?