2690/J XXVI. GP

Eingelangt am 25.01.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr.in Alma Zadic, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr.in Karin Kneissl

betreffend die Menschenrechtssituation in der Türkei

BEGRÜNDUNG

Am 23. Mai 2018 veröffentlichte Amnesty International unter dem Titel „Amnesty International Report 2017/18 - zur weltweiten Lage der Menschenrechte" folgenden Bericht über die Türkei: „Vor dem Hintergrund des andauernden Ausnahmezustands kam es zu Menschenrechtsverletzungen. Abweichende Meinungen wurden rigoros unterdrückt, davon waren u.a. Journalisten, politische Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger betroffen. Es wurden weiterhin Fälle von Folter bekannt, doch in geringerer Zahl als in den Wochen nach dem Putschversuch vom Juli 2016. Die weitverbreitete Straflosigkeit verhinderte die wirksame Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen, die von Angehörigen der Behörden verübt wurden. Es kam auch 2017 zu Menschenrechtsverstößen durch bewaffnete Gruppen; im Januar wurden zwei Anschläge verübt. Doch Bombenanschläge gegen die Bevölkerung, die in den Vorjahren regelmäßig stattfanden, gab es im Jahr 2017 nicht. Für die Lage der im Südosten des Landes vertriebenen Menschen wurde keine Lösung gefunden. Im Jahr 2017 blieb die Türkei weiterhin eines der weltweit größten Aufnahmeländer für Flüchtlinge, u.a. für mehr als 3 Mio. registrierte syrische Staatsangehörige. Das Risiko, abgeschoben zu werden, bestand jedoch nach wie vor. "[1]

Der Jahresbericht von Human Rights Watch zeichnet ein ähnlich dramatisches Bild: Während des zweijährigen Ausnahmezustandes kam es zu Massenentlassungen von schätzungsweise mehr als 150.000 Staatsangestellten in der Armee, Polizei, Justiz und im Bildungswesen. Es kam zu Massenverhaftungen von ca. 160.000 Personen. Etwa 64.000 Personen sollen wegen Terrorismus zu Haftstrafen verurteilt worden sein. Mehr als 150 Journalisten befinden sich in Haft. Zudem hat die Türkei über 3.5 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Der Zugang zu Arbeit und Ausbildung ist allerdings erschwert.[2] Die Venedig-Kommission des Europarats verurteilte die Maßnahmen während des Ausnahmezustands und die Verfassungsreform von 2017, die zu einer wesentlichen Bündelung der Macht in der Person des Präsidenten geführt hatte, stark.[3]

Zahlreiche weitere Berichte von UN, Europarat und Menschenrechtsexperten stellten ebenfalls schwerwiegende Einschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit fest[4]

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.         Wie schätzen Sie als Außenministerin die Menschenrechtssituation in der Türkei ein?

a.         Welche Quellen dienen Ihnen zur Information?

b. Welche (schweren und/oder weitverbreiteten) Menschenrechtsverletzungen in der Türkei sind Ihnen bekannt?

2.       Welche konkreten Handlungen setzt Ihr Ressort auf bilateraler Ebene, um auf die Einhaltung der Menschenrechte in der Türkei nachhaltig hinzuwirken?

a.       Wurden bereits Gespräche mit der türkischen Regierung bezüglich der herrschenden Menschenrechtsverletzungen in der Türkei geführt?

b.      Wenn ja, in welchem Rahmen, wann, mit welchen VertreterInnen und was war der Inhalt dieser Gespräche?

c.       Wenn nein, warum nicht?

3.       Sind (weitere) Gespräche mit der türkischen Regierung bezüglich der herrschenden Menschenrechtsverletzungen in der Türkei geplant?

a.         Wenn ja, in welchem Rahmen, mit wem und zu welchen (Menschenrechts-)Themen?

b.      Wann werden diese genannten Gespräche stattfinden?

4.       Welche konkreten Handlungen setzt das BMEIA innerhalb der Europäischen Union, um auf eine nachhaltige Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei hinzuwirken?

a.       Welche Handlungsoptionen hat Österreich innerhalb der Europäischen Union?

b.      Wie steht das BMEIA in diesem Zusammenhang zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei?

c.       Wie steht das BMEIA in diesem Zusammenhang zu einer verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen EU und der Türkei?

d.      Welche Handlungsoptionen hatte Österreich in diesem Zusammenhang während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft und wie wurden diese genützt?

e.      Wie wollen Sie in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit in der Europäischen Union stärken?

5.       Welche Handlungsoptionen hat Österreich im Europarat, um auf eine nachhaltige Verbesserung der Menschenrechtslage in der Türkei hinzuwirken, und wie wurden und werden diese genützt?

6.       Welche Rolle wird Österreich in Bezug auf die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei im UN Menschenrechtsrat einnehmen?

a.       Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie bis zu welchem Zeitpunkt in diesem Zusammenhang umsetzen?

b.      Wie wollen Sie in diesem Zusammenhang die internationale Zusammenarbeit stärken, und wie soll diese aussehen?

7.       Welchen Beitrag leistet Österreich (auf bi- und multilateraler Ebene), um die Zivilgesellschaft (JournalistInnen, Wissenschafterlnnen, MenschenrechtsaktivistInnen etc.) in der Türkei zu unterstützen und ihre Sicherheit zu gewährleisten?

8.      Steht Österreich im regelmäßigen, direkten Austausch mit der Zivilgesellschaft in der Türkei?

a.       Wenn ja, mit welchen VertreterInnen, seit wann, und zu welchen (Menschenrechts-) Themen?

b.      Wenn nein, warum nicht?

c.       Ist ein (weiterer) direkter, regelmäßiger Austausch mit der türkischen Zivilgesellschaft geplant? Wenn ja, mit welchen VertreterInnen, für welchen Zeitraum, und zu welchen (Menschrechts-)Themen?

9.       Welchen Beitrag leistet Österreich (auf bi- und multilateraler Ebene), um die Menschenrechte der kurdischen Minderheit in der Türkei zu schützen?

10.   Welchen Beitrag leistet Österreich (auf bi- und multilateraler Ebene), um die rechtsstaatlichen Strukturen in der Türkei zu fördern?

11.   Welchen Beitrag leistet Österreich (auf bi- und multilateraler Ebene), um die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in der Türkei zu stärken?

12.   Welchen Beitrag leistet Österreich (auf bi- und multilateraler Ebene), um die Menschenrechte in Justiz und Strafvollzug in der Türkei zu gewährleisten?

13.   Welchen finanziellen Beitrag leistet Österreich, um die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei nachhaltig einzudämmen?

a.       Für welche konkreten Maßnahmen und in welchem Zeitraum werden diese finanziellen Beiträge eingesetzt (bitte um genaue Auflistung nach Maßnahme, Zeitraum, beteiligten Akteuren, Höhe des finanziellen Beitrags und Topf (Detailbudget), aus dem der Beitrag geleistet wird)?

b.      Falls keine finanziellen Beiträge geleistet werden, weshalb nicht?



[1] https//www.amnesty.org/download/Documents/POL10670020 l8GERMAN.PDF.

[2] https://www.hrw.org/world-report/2018/country-chapters/turkey#73fccc.

[3] ttps://ww.venice.coe.int/webforms/documents/?pdf=CDL-AD(2017)007-e; und https://www.venice.coe.int/webforms/documents/?pdf=CDL-AD(2017)005-e .

[4] https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewslD-22853.