2760/J XXVI. GP

Eingelangt am 30.01.2019
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Mario Lindner,

Genossinnen und Genossen,

 

an die Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres

 

betreffend Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien.

 

Die russische Teilrepublik Tschetschenien sorgt weltweit seit geraumer Zeit durch Menschenrechtsverletzungen für besorgniserregende Schlagzeilen. Insbesondere LGBTI-Personen leiden nach zahlreichen Berichten unter extremer Gefahr von Gewalt und Verfolgung.

 

Das „Committee on Equality and Non-Discrimination“ der Parlamentarischen Versammlung des Europarats machte erst im Juni 2018, kurz vor dem Beginn der Männer-Fußball-Weltmeisterschaft in Russland, in einem Bericht auf die Situation in Tschetschenien aufmerksam. Dabei brachte der Europarat seine Besorgnis über “numerous reports of extreme, State-initiated discrimination and crimes against homosexuals, especially males, in the Chechen Republic (Russian Federation) – resulting in alleged detentions in camps, beatings and torture by uniformed State personnel, and disappearances – in certain cases said to be followed by executions” zum Ausdruck.[1] Gleichzeitig kritisierte der Europarat die LGBTI-feindliche Politik und Gesetzgebung der Russischen Föderation: „There will be no change if there is no strong political signal that the persecution of LGBTI people cannot be tolerated. Discrimination on the grounds of sexual orientation or gender identity contradicts the essence of equality. There is a connection between the campaign of persecution in the Chechen Republic and the anti-propaganda legislation in the whole of the Russian Federation, in the sense that the latter contributes to stigmatising LGBTI people and creating a fertile ground for hatred.“[2]

 

In der Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage 3234/J-BR/2017 durch den damaligen Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres, Sebastian Kurz, zur Verfolgung von LGBTI-Personen in Tschetschenien wurde festgehalten: „Die Bemühungen der ÖB (Österreichische Botschaft) Moskau, diese Vorfälle zu verifizieren, sind noch nicht abgeschlossen.“[3] Außerdem wurde auf die fortlaufende Abstimmung mit den EU-Partnern, beispielsweise im Rahmen der Ratsarbeitsgruppe „Menschenrechte“, hingewiesen.

 

Vor dem Hintergrund fortlaufender Berichte über Menschenrechtsverletzungen i.B. gegen LGBTI-Personen in Tschetschenien ist ein weiteres Engagement Österreichs, vor allem im Rahmen des EU-Ratsvorsitzes, in dieser Frage dringend notwendig. Erst Ende 2018 wurde ein Bericht des österreichischen Professors Wolfgang Benedek zur Situation in Russland und i.B. Tschetschenien unter dem Moskau-Mechanismus der OSZE veröffentlicht. Darin finden sich u.a. Beschreibungen wie diese: „Reports of a general practice of humiliation, inhuman treatment and torture in order to obtain confessions are confirmed by victims and witnesses, in particular with regard to certain groups like LGBTI persons, alleged drug users, Islamists and suspected terrorists, including human rights defenders and journalists. The use of electric shocks is a constant pattern which anybody picked up by the police has to expect. Cases of kidnapping and enforced disappearances exist in the context of extra-judicial killings and during the illegal detentions after which people might reappear.“[4] Gleichzeitig spricht sich Bericht auch Empfehlungen für OSZE-Staaten im Umgang mit tschetschenischen Geflüchteten aus: „Human-rights organizations in Chechnya have been forced to shut down because, the report says, ‚the harassment in recent years on human rights monitors has been so severe that it has become too risky to continue this work.’ But so little hope is there for any improvement inside Russia that three out of five of the rapporteur’s recommendations to O.S.C.E. member states concern people fleeing Chechnya, especially those of them who are L.G.B.T.I.“[5]

 

In dieser Hinsicht sind insbesondere Berichte aus dem April 2018 besorgniserregend, nach denen Asylverfahren von LGBTI-Personen aus Tschetschenien vom österreichischen BFA erstinstanzlich negativ beschieden wurden, mit der Begründung, dass sie durchaus in Moskau leben könnten – ungeachtet der Tatsache mehrerer internationaler Medienberichte, nach denen auch in Moskau auf Tschetschenen Angriffe wegen ihrer sexuellen Orientierung bzw. Geschlechtsidentität verübt wurden.[6]

 

Die unterfertigenden Abgeordneten daher folgende

 

Anfrage

 

 

1.    Welche Schritte haben Sie seit Ihrem Amtsantritt in der Frage von Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien gesetzt?

2.    Waren Menschenrechtsverletzungen Thema im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, i.B. bei Treffen der EU-AußenministerInnen?

a.    Wenn ja, im Zuge welcher Tagungen wurde diese Frage thematisiert?

b.    Wenn ja, welche Schritte wurden dabei beschlossen/besprochen?

c.    Wenn nein, warum wurde diese Frage nicht diskutiert?

3.    Welche Berichte bzw. Erkenntnisse hat die ÖB Moskau, wie im Zuge der Anfragebeantwortung Ihres Vorgängers 2997/AB-BR/2017, in der Frage von Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien seit 2017 an Ihr Ministerium übermittelt? (Bitte um detaillierte Auflistung)

4.    Welche Informationen zur Situation von LGBTI-Personen in Russland und i.B. Tschetschenien wurden seit 2017 seitens Ihres Ministeriums an das Bundesministerium für Inneres bzw. dessen Dienststellen, i.B. das BFA, weitergegeben, die den dortigen BeamtInnen als Grundlage beispielsweise für die Einschätzung der Situation in den Herkunftsländern von Asylsuchenden aus besonders vulnerablen Gruppen dienen? (Bitte um detaillierte Auflistung)

5.    War die Menschenrechtssituation in Tschetschenien Teil der Gespräche Ihrerseits im Zuge der Besuche des Präsidenten der Russischen Föderation in Österreich am 5. Juni 2018 und am 18. August 2018?

a.    Wenn ja, was wurde von wem besprochen?

b.    Wenn nein, warum sahen Sie keine Notwendigkeit, dieses Thema anzusprechen?

6.    War die Menschenrechtssituation in Tschetschenien seit Ihrem Amtsantritt Teil von Gesprächen zwischen Ihnen und dem russischen Botschafter in Österreich?

a.    Wenn ja, wann? Was wurde besprochen?

b.    Wenn nein, warum sahen Sie keine Notwendigkeit, dieses Thema anzusprechen?

7.    Wie werden Sie sich in Ihrer Rolle als Außenministerin zukünftig für das Ende von Menschenrechtsverletzungen, i.B. gegen LGBTI-Personen, in Tschetschenien einsetzen?



[1] http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-en.asp?fileid=24805&lang=en

[2] ebd.

[3] Anfrage-Beantwortung 2997/AB-BR/2017

[4] zit. nach „www.newyorker.com“, „A damning new report on L.G.B.T. persecution in Chechnya“, 21.12.2018

[5] ebd.

[6] http://www.ggg.at/2018/04/06/oesterreich-kein-asyl-fuer-schwule-fluechtlinge-aus-tschetschenien/