2855/J XXVI. GP

Eingelangt am 15.02.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr.in Alma Zadic, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Inneres

betreffend „Völlig unzureichender Bericht des BMI zur ,Nutzung der im Rahmen der Section Control vorgesehenen Kameras durch die Sicherheitsbehörden' an den österreichischen Nationalrat"

BEGRÜNDUNG

Trotz scharfer Kritik von Rechtsanwaltskammer, Wirtschaftsverbänden und Zivilgesellschaft, sowie der gesamten Opposition, beschloss die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung am 20. April 2018 das sogenannte „Überwachungspaket". Neben vielen weiteren heftig umstrittenen Maßnahmen - wie etwa dem Bundestrojaner und der Aufweichung des Briefgeheimnisses - sieht das Überwachungspaket vor, dass die Polizei die im Rahmen der Section Control vorgesehenen Kameras für ihre Zwecke nutzen können soll (§ 54 Abs 4b SPG iVm § 98 Abs 2a StVO 1960). Durch den Ausbau dieser sogenannten „Kennzeichenerkennungssysteme" sollen auf den Straßen bei jedem Auto der Lenker, das Kennzeichen, Marke, Type und Farbe automatisch, sowie Verdachts- und anlassunabhängig erfasst werden. Bereits im Vorfeld kritisierten u.a. die GrundrechtsexpertInnen von Epicenter.Works, dass diese Maßnahme verfassungswidrig sein könnte.[1] Dabei bezogen sich die GrundrechtsexpertInnen u.a. auf ein Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofes anlässlich der Einführung der Section Control (VfSIg 19.892/2014). In diesem Erkenntnis hielt der Verfassungsgerichtshof fest, dass er die Section-Control nur deshalb für verfassungsrechtlich zulässig erachte, weil sie einerseits eine genaue Zweckbindung verfolge („Feststellung der Überschreitung einer ziffernmäßigen Höchstgeschwindigkeit"), andererseits die Löschung aller anderen Daten vorsehe. Diese Safe-Guards wurden durch das Überwachungspaket weitestgehend aufgeweicht, womit die Verfassungswidrigkeit der polizeilichen Section Control-Nutzung im Raum steht. Bezüglich einer vergleichbaren Section Control-Regelung in Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Februar 2019 festgestellt, dass die Regelung einen Grundrechtseingriff darstellt.[2] Die Karlsruher Richter hielten fest: „Die Durchführung von Kontrollen zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort ins Blaue hinein ist mit dem Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich unvereinbar".[3]

Vor dem Hintergrund dieser schwerwiegenden grundrechtlichen Bedenken, hat der Nationalrat am 20. April 2018 beschlossen,[4] dass das Innenministerium dem Nationalrat einen Bericht zur „Nutzung der im Rahmen der Section Control vorgesehenen Kameras durch die Sicherheitsbehörden" vorlegen muss. Dieser Bericht[5] ist Ende Dezember im Nationalrat eingelangt und wird am 14. Februar 2019 im Innenausschuss behandelt. Der inhaltliche Teil des Berichts umfasst genau 136 Wörter[6], bzw. eine

Viertel DIN-A4 Seite[7]. Damit ist der tatsächlich inhaltliche Berichtsteil sogar kürzer als der rein formelle Berichtsteil mit 143 Wörtern[8], der etwa Grußformel und Einleitung enthält. Wenig überraschend ist der Erkenntniswert des BMI-Berichts äußerst gering und geht kaum über das aus der medialen Berichterstattung bereits Bekannte hinaus. Wichtige Fragen werden nicht einmal im Ansatz angesprochen, geschweige denn beantwortet.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1)      Welche „neuralgischen, sowie grenz- und korridorbezogenen Punkte"[9] wurden identifiziert?

a.       Wie viele solche Punkte wurden identifiziert?

b.      Welche konkreten Merkmale konstituieren einen solchen Punkt?

c.       Wo befinden sich diese?

2)      Wie viele Pilotversuche wurden bereits begonnen?

a.       Wann wurden diese begonnen?

b.      Bis wann sollen diese dauern?

c.       Auf welchen konkreten Streckenabschnitten finden diese statt?

d.      Warum finden sie genau auf diesen Streckenabschnitten statt und wie wurden diese Streckenabschnitte ausgewählt?

e.      Gibt es Schätzungen darüber, wie viele KFZ von den Pilotversuchen voraussichtlich betroffen (erfasst) sein werden?

i.      Falls ja, wie viele (bitte um Angabe von KFZ/Tag und KFZ insgesamt)?

ii.      Falls nein, weshalb?

f.        Welche konkreten Kennzahlen konstituieren einen Erfolg/Misserfolg der Pilotversuche?

g.       Wie lautet das Verhältnis zwischen KFZ-Datenabfragen und Trefferfällen (bitte um Angabe in absoluten, sowie in relativen Zahlen)?

h.      Wie hoch ist die Fehlerquote bei den KFZ-Datenabfragen (bitte um Angabe in absoluten, sowie in relativen Zahlen)?

3)      Wie viele Pilotversuche sollen noch begonnen werden?

a.       Wann sollen diese beginnen?

b.      Bis wann sollen diese dauern?

c.       Auf welchen konkreten Streckenabschnitten sollen diese stattfinden?

d.      Warum finden sie genau auf diesen Streckenabschnitten statt und wie wurden diese Streckenabschnitte ausgewählt?

e.      Gibt es Schätzungen darüber, wie viele KFZ von den Pilotversuchen voraussichtlich betroffen (erfasst) sein werden?

i.      Falls ja, wie viele (bitte um Angabe von KFZ/Tag und KFZ insgesamt)?

ii.      Falls nein, weshalb?

f.        Welche konkreten Kennzahlen werden einen Erfolg/Misserfolg der Pilotversuche konstituieren?

4)      Wie hoch sind die gesamten Kosten für die Pilotversuche (bitte um Aufschlüsselung nach Kostenstelle und jeweiligem Pilotversuch)?

a.       Wer trägt diese, zu welchen Teilen, und aus welchen Detailbudgets?

b.      Wer wird für die Durchführung der Politversuche verantwortlich sein und wer wird diese durchführen?

5)      Wie lautet der genaue Zeitplan für den Auf- und Ausbau der sicherheitsbehördlichen Nutzung der im Rahmen der Section Control vorgesehenen Kameras?

6)      Wie viele KFZ werden (voraussichtlich) von der Maßnahme im Endausbau betroffen sein (bitte um Angabe von KFZ pro Tag und KFZ insgesamt)?

7)      Welche konkreten Maßnahmen zur Sicherung des Datenschutzes wurden getroffen?

a.    Falls keine, weshalb wurden keine getroffen?

8)      Wie hoch sind die gesamten Kosten für den Auf- und Ausbau der sicherheitsbehördlichen Nutzung der im Rahmen der Section Control vorgesehenen Kameras (bitte um Aufschlüsselung nach Kostenstelle)?

a.    Wer trägt diese Kosten, zu welchen Teilen, und aus welchen Detailbudgets?

9)      Wie hoch werden die voraussichtlichen Kosten des laufenden Betriebs der sicherheitsbehördlichen Nutzung der im Rahmen der Section Control vorgesehenen Kameras sein (bitte um Aufschlüsselung nach Kostenstelle)?

a.    Wer wird diese Kosten tragen, zu welchen Teilen, und aus welchen Detailbudgets?

10)  Auf welche konkrete technische Art und Weise erfolgt die Umrüstung der Section Control- Anlagen, damit sie von den Sicherheitsbehörden genutzt werden können?

a.       Wie viele Section Control-Anlagen sollen insgesamt umgerüstet werden?

b.      Bis wann sollen sie umgerüstet werden?

c.       Wie hoch sind die Kosten für die Umrüstung, wer trägt diese und aus welchem Detailbudget?

11)  Auf welche konkrete technische Art und Weise erfolgt die Übermittlung der Daten von der Section Control Anlage zur jeweiligen Landespolizeidirektion?

12)  Welche konkreten Maßnahmen haben Sie getroffen, um die Datensicherheit zu gewährleisten?

13)  Wurde die in der Begründung angeführte Entscheidung des deutschen Bundesverfassungs­gerichts zum Anlass genommen, die sicherheitsbehördliche Section Control-Nutzung durch das BMI juristisch zu prüfen?

14)  Wie wird sichergestellt, dass die personenbezogenen Daten nicht länger als absolut notwendig gespeichert werden?

15)   Ist geplant, die personenbezogenen Daten aus den Section Control-Anlagen auch nach § 93a SPG, der am 1. März 2019 in Kraft tritt, zu verarbeiten, insb, die Betreiber zur Speicherung von bis zu maximal 4 Wochen zu verpflichten (Abs 2)?


 



[1] https://epicenter.works/thema/ueberwachungspaket#Kennzeichenerfassung.

[2] http://www.haz.de/Mehr/Auto-Verkehr/Rechtstipp/Karlsruhe-schuetzt-Autofahrer-bei-Kennzeichen-Scan.

[3] https://www.datensicherheit.de/aktuelles/nur-in-engen-grenzen-verfassungsmaessig-automatisierte-kfz-kennzeichenkontrollen-30076.

[4] Entschließung 11/E XXVI. GP.

[5] III-234 der Beilagen XXVI. GP.

[6] Oder 945 Zeichen (ohne Leerzeichen), bzw. 1080 Zeichen (mit Leerzeichen).

[7]Times New Roman, Schriftgröße 12.

[8]  Der formelle Berichtsteil umfasst 143 Wörter oder 962 Zeichen (ohne Leerzeichen) bzw. 1106 Zeichen (mit Leerzeichen).

[9]Entschließung 11/E XXVI. GP.