2869/J XXVI. GP
Eingelangt am 18.02.2019
Dieser Text ist elektronisch
textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Anfrage
des Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz
betreffend Ermittlungen gegen ÖVP und FPÖ wegen Wahlkampfkostenüberschreitung
Wie Medien[1] am 12.2.2019 berichteten, hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) mangels Anfangsverdacht kein Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der ÖVP und FPÖ wegen massiver Überschreitung der Wahlwerbungskosten im Nationalratswahlkampf 2017 eingeleitet.
Maria Stern und Peter Pilz hatten am 13. November 2018 eine Sachverhaltsdarstellung zur Überschreitung der Wahlkampfkosten von FPÖ und ÖVP an die WKStA übermittelt, nachdem Medien[2] davon berichtet hatten, dass die FPÖ für ihren Wahlkampf 10,7 Millionen Euro und die ÖVP knapp 13 Millionen Euro ausgegeben hat.
Diese bis zum Doppelten über den gesetzlichen Grenzen liegenden Wahlwerbungsausgaben durch FPÖ und ÖVP haben für Maria Stern und Peter Pilz den Verdacht begründet, dass die Verantwortlichen der mittlerweile in der Regierung sitzenden Parteien sich des Förderungsmissbrauchs nach § 153b StGB oder der Untreue nach § 153 StGB strafbar gemacht haben. Dies wurde von Rechtsanwalt Univ.-Prof. Dr. Richard Soyer rechtlich untermauert.
Bisher ist nicht bekannt, weshalb die WKStA keinen Anfangsverdacht sah, der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens begründen würde. Bekannt wurde allerdings, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gemäß § 8 Staatsanwaltschaftsgesetz (StAG) einen Vorhabensbericht an die Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA Wien) übermittelte.[3] Unklar ist, ob seitens der OStA Wien die Vorlage gemäß § 8a Abs. 2 StAG an Bundesminister Josef Moser erfolgte.
Unbekannt ist überdies, ob der Bundesminister für Justiz in dieser Sache eine Weisung erteilt hat und den Weisungsrat deshalb oder aus anderem Grund zu Rate gezogen hat (§ 29c Abs. 1 Z 1, 2 und 3 StAG).
Nach § 35a Abs. 1 StAG sind „Entscheidungen der Staatsanwaltschaften über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach dem 10. und 11. Hauptstück der StPO, soweit sie von besonderem öffentlichen Interesse sind oder besondere für die Beurteilung gleichgelagerter Verfahren bedeutsame rechtliche Ausführungen beinhalten“ in der Ediktsdatei zu veröffentlichen. Das Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist zwar keine Einstellung iSd § 35a Abs. 1 StAG, doch werden in analoger Anwendung (völlig zu Recht) auch Begründungen für das Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mangels Anfangsverdachts in der Ediktsdatei veröffentlicht, z.B. WKStA 82 St 2/16m, OStA Wien 15 OStA 306/16y, bekannt gemacht am 01.08.2017.[4]
Im vorliegenden Fall besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der Begründung der Entscheidung: Ganz abgesehen von den zahlreichen Presseberichten, kam es seitens der ÖVP und FPÖ zu ebenso unbestrittenen wie erheblichen Gesetzesverstößen. Dabei liegt nahe, dass diese wissentlich erfolgten. Die (anderen) Rechtsunterworfenen haben ein legitimes und besonderes Interesse zu erfahren, warum dies aus Sicht der Justiz bei Verantwortlichen politischer Parteien nicht einmal einen Anfangsverdacht einer Straftat darstellen soll. Jede einfache Geschäftsführerin, bei der gesetzwidrige Mehrausgaben in Millionenhöhe auch nur im Raum stehen, würde sich sehr rasch als Beschuldigte eines Ermittlungsverfahrens wiederfinden.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1. Ist Ihnen der Vorhabensbericht der WKStA an die OStA Wien in dieser Causa bekannt?
2. Wenn ja, wann und vom wem wurde Ihnen der Vorhabensbericht übermittelt?
3. Hat die OStA Wien nach Vorlage des Berichtes der WKStA von ihrem Weisungsrecht Gebrauch gemacht?
4. Wenn ja, welchen Inhalt hatte die Weisung und wann wurde sie erteilt?
5. Wie lange hat die Prüfung der Causa durch die OStA Wien gedauert?
6. Hat die OStA Wien Ihnen in dieser Causa einen Bericht gemäß § 8a Abs. 2 StAG vorgelegt?
7. Wenn ja, wann wurde der Bericht vorgelegt und welchen Inhalt hatte dieser Bericht?
8. Wenn ja, wie lange hat die Prüfung des Berichts der OStA Wien gedauert?
9. Wenn ja, haben Sie aufgrund des Berichts der OStA Weisungen oder Aufträge erteilt und welchen Inhalt hatten diese Weisungen und/oder Aufträge?
10. Haben Sie in dieser Causa den Weisungsrat befasst?
11. Wenn ja, wann?
12. Wenn ja, welche Empfehlung hat der Weisungsrat abgegeben?
13. Haben Sie, Ihr Generalsekretär, andere Mitglieder bzw. BeamtInnen des Bundesministeriums oder Mitglieder Ihres Kabinettes in der Causa „Wahlkampfkostenüberschreitung" eine Weisung erteilt?
14. Wenn ja, welchen Inhalt hatte(n) diese Weisung(en)?
15. Wenn ja, von wem und an welchem Tag wurde(n) diese Weisung(en) erteilt?
16. War die Causa „Wahlkampfkostenüberschreitung" ein Thema in Ihrem Kabinett?
17. Wenn ja, welche Personen Ihres Kabinetts waren damit befasst und welche Ergebnisse haben die Gespräche bzw. die Kommunikation gebracht?
18. Mit welcher Begründung wurde das Vorliegen eines Anfangsverdachts verneint bzw. von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen?
19. Wurde die Veröffentlichung der Begründung in der Ediktsdatei verfügt?
20. Wenn ja, wann ist mit dieser zu rechnen?
21. Wenn nein, mit welcher Begründung wurde das Vorliegen von besonderem öffentlichen Interesse verneint?
22. Wenn nein, sehen Sie ein besonderes öffentliches Interesse an der Begründung und werden Sie bzw. Ihr Bundesministerium eine Weisung zur Veröffentlichung der Begründung erteilen?
23. Werden Sie sich als Mitglied der Bundesregierung dafür einsetzen, die Geldbußen wegen eines Verstoßes gegen das Limit der Wahlwerbungskosten nach § 4 Parteiengesetz zu erhöhen?
24. Die öffentlichen Stellungnahmen des ÖVP-Parteichefs haben gezeigt, dass die derzeit geltenden Strafbestimmungen statt einer abschreckenden eher eine ermunternde Wirkung entfalten. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass durch eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen massive Überschreitungen der Wahlwerbungskosten in Zukunft auch strafrechtlich und nicht nur verwaltungsstrafrechtlich geahndet werden?
[1] Statt aller https://kurier.at/politik/inland/trotz-zu-hoher-wahlkampfkosten-keine-ermittlungen-gegen-oevp-und- fpoe/400404578.
[2] Statt vieler https://derstandard.at/2000090293391/OeVP-und-FPOe-sprengten-Kostenrahmen-bei-
Nationalratswahl-deutlich.
[3] https://diepresse.com/home/innenpolitik/5545852/Tuerkisblaue-Wahlkampfkosten_Vorhabensbericht-ergeht-an
[4] https://edikte.justiz.gv.at/edikte/ee/eeedi6.nsf/alldoc/ace71bb483c265c4c125816f003aab96!OpenDocument abgerufen am 14.02.2019.