2971/J XXVI. GP
Eingelangt am 27.02.2019
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textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Missbrauchsverdacht bei Betriebstankstellen, Folgeanfrage
Schon in der parlamentarischen Anfrage 7298/J, XXV. GP, wurde auf die Entwicklung der heimischen Tankstellenlandschaft verwiesen, auf die stetig abnehmende Dichte des Versorgungsnetzes sowie das dynamische Wachstum des Anteils der Automatentankstellen. Konkurrenzlos billige Landestankstellen haben zeitweise zunehmend enormen Druck auf privatwirtschaftliche Tankstellenbetreiber ausgeübt. Hinzu kommt allerdings auch noch ein weiterer Trend, welcher zumindest in manchen Teilen Österreichs seit Jahren einen starken Boom erfährt, nämlich jener der sogenannten "Betriebstankstellen". Aufgrund der gegebenen, unlauteren Konkurrenz durch die günstige Treibstoffabgabe an „nicht öffentlichen Tankstellen“, nämlich z.B. an sogenannten Betriebstankstellen und "nicht öffentliche Tankstellen mit eingeschränktem Kundenkreis", ist der gewerbliche Betrieb von öffentlichen Tankstellen mittelfristig nicht mehr wirtschaftlich rentabel. Dabei ist zu betonen, dass diesen „Betriebstankstellen“ bzw. diesen „nicht öffentlichen Tankstellen mit eingeschränktem Kundenkreis“ durch ihren extrem erweiterten Kundenkreis auf alle Fälle ein wirtschaftlicher Vorteil erwachsen wird, und zwar selbst dann, wenn die Treibstoffe allenfalls sogar zum behaupteten Selbstkostenpreis abgegeben werden würden. Denn durch den gemachten Zusatzumsatz sind diese Tankstellen, deren jeweilige Infrastruktur ja aus eigenen Betriebserfordernissen bzw. -notwendigkeiten sowieso unterhalten werden muss, jedenfalls wirtschaftlicher zu führen, also ohne „quasi öffentlichen“ Zusatzumsatz.
In der Anfragebeantwortung 7060/AB, XXV GP, schildert das damalige BMWFW den Erlass zur Verordnung über brennbare Flüssigkeiten. Demnach sei eine nicht öffentliche Tankstelle „beispielsweise“ die „im Bereich von Großbaustellen befindlichen Tankstellen, die ausschließlich der Versorgung der für die Bauarbeiten erforderlichen Maschinen, Geräte und Fahrzeuge dienen“ sowie „‘Betriebstankstellen' (das sind Tankstellen eines Betriebes, die ausschließlich zum Betanken der zum Betrieb gehörenden Kraftfahrzuge verwendet werden; hier ergibt sich von vornherein eine Einschränkung auf die Betriebsfahrzeuge), die von einer ,Lagerhausgenossenschaft‘ betriebenen Tankstellen, die nur den Genossenschaftsmitgliedern zur Verfügung stehen, sowie die im 116 Abs 2 VbF angeführte Selbstbedienungstankstelle (die sogenannten ,Schlüsseltankstelle‘ bzw. ,Kreditkarten‘-oder ,Codekartentankstelle'.“)
Nach aktuell gelebter Vollzugspraxis scheint also eine Abgrenzung zwischen öffentlicher und nicht-öffentlicher Tankstelle hohe Ermessensspielräume auf Ebene der Behörden zuzulassen. Kontroll- und Sanktionsierungsmaßnahmen scheinen nicht bzw. nur unzureichend vorhanden zu sein.
Abgabe an Verbraucher
Jedoch verweist die 7060/AB, XXV. GP, in der Antwort zu Frage 3 auch auf dieses Faktum: „Sofern an einer Tankstelle auch an Verbraucher Treibstoffe verkauft werden, sind das Preisauszeichnungsgesetz (PrAG), die Verordnung betreffend Preis-auszeichnung für bestimmte Leistungen und für Treibstoffe bei Tankstellen, die Verordnung betreffend Standesregeln über den Zeitpunkt der Preisauszeichnung für Treibstoffe bei Tankstellen und die Preistransparenzverordnung Treibstoffpreise 2011 einzuhalten.“
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Die Scheier Brennstoffe und Begrünungstechnik GmbH betreibt am Standort in 6706 Bürs, Bremschlstraße 37, eine Tankstelle zur Betankung von Kraftfahrzeugen. Diese Tankstelle gehört zum Netzwerk der TK Tankstellen, das auch Privatkunden, also Verbrauchern, offensteht (siehe Bildschirmausdruck vom 07.02.2019).
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Dazu passt, dass an dieser Tankstelle nicht nur Diesel, sondern auch Benzin abgegeben wird:
Es liegt damit schon per definitionem keine „nicht öffentliche“ oder „Betriebstankstelle“ vor. Über diesen Umstand wissen die Verantwortlichen in der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaft Bludenz Bescheid.
Auf der Homepage tk-tankstellen.at wird außerdem mit dem Tankstellennetz in Deutschland und Österreich geworben, das sich den Kunden erschließt.
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„Wesensbestimmend für eine nicht öffentliche Tankstelle ist die von vornherein aus der Zweckbestimmung bestehende Beschränkung auf einen geschlossenen Benüt- zerkreis (die sich auch in einem von einer öffentlichen Tankstelle abweichenden Erscheinungsbild zeigt)“. So zu lesen im Erlass des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten zur Verordnung über die Ausstattung von Tankstellen mit Gaspendelleitungen.
An der gegenständlichen Tankstelle werden 21 verschiedene Kundenkarten aus ganz Europa akzeptiert (siehe Foto), die von unterschiedlichsten Unternehmen in verschiedenen Ländern herausgegeben werden, sodass von einem „bestimmten ausgewählten Kundenkreis“ oder einem „geschlossenen Benützerkreis" keine Rede sein kann, sondern vielmehr öffentlicher Charakter besteht. Mehrere dieser Kundenkarten sind auch für Privatkunden, also für Verbraucher, zugänglich. Auch gleicht das Erscheinungsbild - mit Ausnahme der fehlenden Preisauszeichnung - anderen öffentlichen Tankstellen. Das schließt auch das Erscheinungsbild des OnIine-Auftritts mit ein.
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Weiters ist die gegenständliche Tankstelle Teil eines 1.000 Tankstellen umfassenden Tankstellennetzes, wie auf www.dieseltankstelle.at nachgelesen werden kann:
Auch diese Tatsache, nämlich die Teilnahme an internationalen Vertriebsnetzen spricht klar gegen einen „geschlossenen Benützerkreis“. Vielmehr ist davon auszugehen, dass internationale Kundschaft aus allen möglichen Ländern diese Tankstelle nützt.
An dieser konkreten Tankstelle in Bürs sind jedoch keine Preise vorschriftsgemäß ausgezeichnet, obwohl Treibstoff auch an Verbraucher abgegeben wird. Sanktionen, wie in der Anfragebeantwortung 7060/AB, XXV. GP beschrieben, werden von der Behörde nicht verhängt. Hinweise aus der Bevölkerung werden von der zuständigen Behörde, der Bezirkshauptmannschaft Bludenz, die ihre Existenz mit der Nähe zu den Bürgern rechtfertigt, allem Anschein nach ignoriert.
Sicherheit
Das Betriebsgebiet Bremschlstraße grenzt an ein Wohngebiet. Für die Anrainer macht es einen gewaltigen Unterschied, ob sie Nachbarn einer Betriebstankstelle für einige wenige firmeneigene Fahrzeuge der Firma Scheier oder Nachbarn einer öffentlichen Tankstelle mit hoher Frequenz rund um die Uhr sind, Tatsächlich zieht der Verkehr zu dieser Tankstelle auch in der Nacht zahlreiche LKWs an.
Die Tankstelle ist laut e-control (Abfrage am 07.02.2019) von 00:00 bis 24:00 Uhr geöffnet. Aufgrund von Informationen durch die Anrainer müssen die Anfragesteller davon ausgehen, dass diese Tankstelle in Bürs, Bremschlstraße, über wesentliche Zeiträume ohne verantwortliche Aufsichtsperson vor Ort betrieben wird.
Wenn allerdings eine solche Aufsichtsperson fehlt, dürfen „ausschließlich (...) für diese Tätigkeit geeignete und mit der Bedienung und den möglichen Gefahren der Anlage vertraute Personen die Zapfsäule in Betrieb nehmen(...)“ (§ 116 Abs 2 VbF). Aufgrund des internationalen Publikums, auf das die mehrsprachige Homepage genauso hinweist wie die Zugehörigkeit zu einem europäischen Tankstellennetz mit 1.000 Partnern, ist davon auszugehen, dass die Eignung und die Vertrautheit der Personen mit der Anlage in sehr vielen Fällen fehlt.
Wenn,
so wie im gegenständlichen Fall, nur mit Chip oder Karte gezahlt werden
kann („Kreditkarten- bzw. Codekartentankstelle“), müssen die
Besitzer der Karten "spätestens bei
der Schlüssel- bzw. Kreditkarten-(Codekarten)übernahme über die
Wirkungsweise und Bedienung der Treibstoffanlage nachweislich
informiert" werden. So verlangt es der Erlass
des Ministeriums, wobei auf die Textierung „der Treibstoffanlage" -
nicht: „einer
Treibstoffanlage" - ausdrücklich
hingewiesen wird. Aufgrund der Verwendbarkeit von 21 z.T. internationalen
Karten, die von unterschiedlichsten Unternehmen in verschiedenen
Ländern ausgegeben werden, ist de facto ausgeschlossen, dass alle
Besitzer dieser Karten bei Übernahme über die Wirkungsweise und
Bedienung der Treibstoffanlage in 6706 Bürs, Bremschlstraße,
informiert worden
sind.
Seit vielen Jahren parken an dieser öffentlichen Tankstelle zahlreiche LKWs auch über Nacht. Weil dies, wie sich nach einer Anzeige durch die Anrainer herausgestellt hat, rechtlich nicht gedeckt war, hat die Scheier Brennstoffe und Begrünungstechnik GmbH um nachträgliche Erteilung der Baubewilligung und gewerberechtlichen Genehmigung für die Errichtung eines Lastkraftwagen-Abstellplatzes sowie zweier Container angesucht und diese mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom
11.12.2018 auch nachträglich genehmigt bekommen.
Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz hat also ein Unternehmen, von dem mehrfach rechtswidriges Verhalten bereits aktenkundig sein muss, mit der nachträglichen Sanierung eines rechtswidrigen Zustandes belohnt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Liegt für den Betriebsstandort Bremschlstraße 37, 6706 Bürs eine Gewerbeberechtigung zum Betrieb einer öffentlichen Tankstelle vor?
2. Liegt aus Sicht des Ministeriums ein „geschlossener Benützerkreis" im Sinne der geltenden Vorschriften vor, wenn jede Privatperson online einen Chip zur Nutzung der Tankstelle am Betriebsstandort Bremschlstraße 37, 6706 Bürs, erwerben kann?
3. Liegen der Behörde Informationen darüber vor, dass an diesem Betriebsstandort Treibstoff an Verbraucher abgegeben wird?
4. Wenn diese Informationen vorliegen,
a. wann wurde an diesem Betriebsstandort zuletzt die Einhaltung des PrAG kontrolliert?
b. wann wurde an diesem Betriebsstandort zuletzt die Einhaltung der Verordnung betreffend Preisauszeichnung für bestimmte Leistungen und für Treibstoffe bei Tankstellen kontrolliert?
c. wann wurde an diesem Betriebsstandort zuletzt die Einhaltung der Verordnung betreffend Standesregeln über den Zeitpunkt der Preisauszeichnung für Treibstoffe bei Tankstellen kontrolliert?
d. wann wurde für diesen Betriebsstandort zuletzt die Einhaltung der Preistransparenzverordnung Treibstoffpreise 2011 kontrolliert?
5. Unterliegt die gegenständliche Tankstelle den in Frage 4 genannten Vorschriften?
6. Wenn den Verantwortlichen in einer zuständigen Behörde (Bezirkshauptmann, Gewerberechtsabteilung) Informationen über mögliche Rechtsverstöße vorliegen, wie haben diese Mitarbeiter korrekt vorzugehen?
7. Mit welchen Konsequenzen haben solche Mitarbeiter zu rechnen, wenn sie, vom Verdacht auf Rechtsverstöße wissend, untätig bleiben?
8. Ist die Eigenschaft als „Schlüsseltankstelle", „Kreditkartentankstelle" oder „Codekartentankstelle“ mit der Abgabe von Treibstoffen an Verbraucher vereinbar?
9. Wann und wie oft wurde von der Behörde in den letzten 12 Monaten überprüft, ob an der konkreten Tankstelle eine verantwortliche Aufsichtsperson iSd § 116 VbF tätig ist?
a. Mit welchen Ergebnissen?
10. Wenn es sich nach Ansicht der Behörde um eine „Schlüsseltankstelle“ oder „Kreditkartentankstelle“ oder „Codekartentankstelle" handelt, wann wurden zuletzt die vorgeschriebenen Nachweise über die Information des geschlossenen Benutzerkreises in Bezug auf die Wirkungsweise und Bedienung der Treibstoffanlage überprüft?
a. Mit welchen Ergebnissen?
11. Wie kann die Vollständigkeit der Nachweise über die Information in Bezug auf die Wirkungsweise und Bedienung der Treibstoffanlage überprüft werden, wenn an der gegenständlichen Tankstelle 21 verschiedene Kundenkarten akzeptiert werden?
12. Liegt aus Sicht des Ministeriums ein „geschlossener Benutzerkreis“ im Sinne der geltenden Vorschriften vor, wenn 21 fremde Kundenkarten akzeptiert werden und somit ein europaweit verbundenes Netz für die Kunden von mehreren hundert Tankstellen besteht?
13. Wurden in den letzten 3 Jahren an diesem Betriebsstandort Verstöße gegen eine der in Frage 4 genannten Normen festgestellt?
14. Wurden in den letzten 3 Jahren an anderen Tankstellen im Bezirk Bludenz Verstöße gegen eine der in Frage 4 genannten Normen festgestellt?
a. Wenn ja, wie oft kam es zu Strafsanktionen?
15. Wurde an den anderen Betriebsstandorten in Österreich, die auf https://www.tk- tankstellen.at/privatkunden/tankstellennetz/uebersichtskarte.html ausgewiesen sind, in den letzten 12 Monaten die Einhaltung der in Frage 4 genannten Normen geprüft?
a. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
16. Wann plant die Ministerin, gemeinsam mit den anderen zuständigen Ministern die bereits 2018 begutachtete neue Verordnung über brennbare Flüssigkeiten in Kraft zu setzen?
17. Welche Umstände haben die zuständigen Regierungsmitglieder bisher davon abgehalten, die neue Verordnung über brennbare Flüssigkeiten in Kraft zu setzen?