2978/J XXVI. GP

Eingelangt am 27.02.2019
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Anfrage

Der Abgeordneten Elisabeth Feichtinger, Genossinnen und Genossen an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus

betreffend Notfallzulassung von verbotenen und Bienen tötenden Neonicotinoiden

Im April 2018 hat die EU mit der Stimme Österreichs die Freilandanwendung der hochgiftigen Neonicotinoide Thiamethoxam, Clothianidin und Imidacloprid verboten, um die heimischen Bienenvölker zu schützen. Zuvor hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bestätigt, dass die drei Neonicotinoide für Honigbienen, Wildbienen und Hummeln ein hohes Gesundheitsrisiko darstellen.

Die Neubewertung der EFSA gründet sich auf eine Vielzahl aktueller Untersuchungen, die aufzeigen, dass die intensive Landwirtschaft mit ihrem Einsatz hochwirksamer Pflanzen- und Insektengifte einen erheblichen Anteil am Massensterben vieler wichtiger Insektenarten hat, aber auch für zahlreiche andere Lebewesen - darunter unsere heimischen Vogelarten - lebensgefährdend ist.

Es ist daher äußerst bedenklich, dass das der Bundesministerin unterstellte Bundesamt für Ernährungssicherheit im Dezember 2018 - also nur wenige Monate nach dem notwendigen Verbot - diese hochgefährlichen Gifte mit Hilfe einer Notfallzulassung für die Bundesländer Niederösterreich, Oberösterreich und Steiermark durch die Hintertür wieder in die österreichische Umwelt lässt.

Aus diesem Grund richten die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus folgende

Anfrage

1.    Wie viele Notfallzulassungen gab es in Österreich von 2011 bis 2019 (Stichtag:

27.02.2019)  im konventionellen Landbau (aufgelistet nach Jahr, Wirkstoff, Präparat, Einsatzgebiet, Einsatzgrund, ausgebrachter Menge, Größe der behandelten Fläche)?

2.    Wie hoch waren die Gesamtmengen der durch Notfallzulassungen in der konventionellen Landwirtschaft zugelassenen sowie ausgebrachten Pflanzenschutzmittel in den jeweiligen Jahren 2011 bis 2019 (Stichtag: 27.02.2019)?

3.    Wie viele Notfallzulassungen gab es in Österreich von 2011 bis 2019 (Stichtag:

27.02.2019)  im biologischen Landbau (aufgelistet nach Jahr, Wirkstoff, Präparat, Einsatzgebiet, Einsatzgrund, ausgebrachter Menge, Größe der behandelten Fläche)?


 

4.    Wie hoch war die Gesamtmenge der durch Notfallzulassungen in der biologischen Landwirtschaft zugelassenen sowie ausgebrachten Pflanzenschutzmittel in den jeweiligen Jahren 2011 bis 2019 (Stichtag 27.02.2019)?

5.    Wie groß waren in den jeweiligen Jahren 2011 bis 2019 (Stichtag 27.02.2019) die jeweiligen Flächen im konventionellen und im biologischen Landbau, die per Notfallzulassung mit Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden?

6.    Für welche Pflanzenschutzmittel gab es aus welchen Gründen von 2011 bis 2019 (Stichtag: 27.02.2019) im konventionellen und im biologischen Landbau mehrfach Notfallzulassungen und warum?

7.    Welche Kulturen im konventionellen und im biologischen Landbau wurden in welchem Flächenausmaß in den Jahren von 2011 bis zum Stichtag 27.02.2019 jeweils per Notfallzulassung mit welchen Pflanzenschutzmitteln behandelt?

8.    Für welche Kulturen wurden von 2011 bis zum Stichtag 27.02.2019 in aufeinander folgenden Jahren Pflanzenschutzmittel per Notfallzulassung zugelassen und aus welchem Grund?

9.    Wie viele Anträge auf Notfallzulassung im konventionellen Landbau und im biologischen Landbau wurden jeweils in den Jahren 2011 bis 2019 (Stichtag

27.02.2019)     von der zuständigen Behörde abgelehnt?

10. Wie viele Notfallzulassungen im konventionellen Landbau und im biologischen Landbau in den jeweiligen Jahren 2011 bis 2019 (Stichtag 27.02.2019) erfüllten die spezifischen Erfordernisse der Kategorie 1 (Antrag wird im Rahmen einer Ausweitung des Anwendungsumfanges gestellt (Indikationserweiterung zu einer bestehenden österr. Zulassung)?

11. Wie viele Notfallzulassungen im konventionellen Landbau und im biologischen Landbau in den jeweiligen Jahren 2011 bis 2019 (Stichtag 27.02.2019) erfüllten die spezifischen Erfordernisse der Kategorie 2 (Pflanzenschutzmittel ist in der beantragten Indikation in einem anderen EU-Mitgliedstaat

zugelassen)?

12. Wie viele Notfallzulassungen im konventionellen Landbau und im biologischen Landbau in den jeweiligen Jahren 2011 bis 2019 (Stichtag 27.02.2019) erfüllten die spezifischen Erfordernisse der Kategorie 3 (Gelistete Substanzen gemäß Anhang II der Bioverordnung 889/2011, sofern diese nicht

auch unter Kategorie 1 oder 2 fallen)?

13. Wie viele Notfallzulassungen im konventionellen Landbau und im biologischen Landbau in den jeweiligen Jahren 2011 bis 2019 (Stichtag 27.02.2019) erfüllten die spezifischen Erfordernisse der Kategorie 4 (Pflanzenschutzmittel ist in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassen, jedoch nicht in

der beantragten Indikation)?

14. Wie viele Notfallzulassungen im konventionellen Landbau und im biologischen Landbau in den jeweiligen Jahren 2011 bis 2019 (Stichtag 27.02.2019) erfüllten die spezifischen Erfordernisse der Kategorie 5 (Reguläre Zulassung des Pflanzenschutzmittels in Österreich beantragt, Zulassungsentscheidung steht noch aus (Indikation auch in keinem anderen MS zugelassen))?

15. Wie viele Notfallzulassungen im konventionellen Landbau und im biologischen Landbau in den jeweiligen Jahren 2011-2019 (Stichtag 27.02.2019) erfüllten die spezifischen Erfordernisse der Kategorie 6 (Pflanzenschutzmittel enthält einen oder mehrere Wirkstoffe der/die nicht gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 genehmigt sind)?

16. Wie viele Notfallzulassungen im konventionellen Landbau und im biologischen Landbau in den jeweiligen Jahren 2011 bis 2019 (Stichtag 27.02.2019) enthielten einen oder mehrere Wirkstoffe, deren Verwendung durch die EU zuvor explizit verboten worden waren?


 

17. Woraus ergibt sich die aktuelle Notlage, die eine Notfallzulassung und die Verwendung der verbotenen Wirkstoffe im Frühjahr 2019 begründen?

18. Wie hoch waren die Ernteverluste bei Zuckerrüben in den Jahren 2011-2018?

19. Ab welchem Zeitpunkt lässt sich mit Sicherheit feststellen, ob die Population des Rübenderbrüsslers im betreffenden Jahr eine so große Gefahr für die Zuckerrübenernte darstellen wird, dass von einer Notfallsituation gesprochen werden kann?

20. Wessen Daten und Informationen darüber, ob eine Notfallsituation vorliegt und ob bzw. welche vertretbaren Alternativen es zu dem beantragten Pflanzenschutzmittel gibt, werden von der BAES generell zur Beurteilung verwendet und wessen Daten und Informationen wurden bei den aktuellen Notfallzulassungen der Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam verwendet?

21. Welche weiteren Wirkstoffe werden zusätzlich zu den Neonicotinoiden in Österreich im gebeizten Zuckerrübensaatgut verwendet? Gibt es Labor- und/oder Freilandstudien darüber, wie diese Wirkstoffe in Kombination mit den Neonicotinoiden wirken? Falls nein, warum nicht?

22. Welcher Prozentsatz der im Zuckerrübensaatgut verwendeten Neonicotinoide wird, ihres Wissens nach, von der Pflanze aufgenommen, welcher Anteil verbleibt im Boden und wie viel wird durch Regen ausgewaschen und gelangt somit in die Umwelt?

23. Nach welchen Kriterien legen Sie fest, ob Alternativen vertretbar, bzw. nicht vertretbar sind?

a) Falls ein Kriterium die Kostendifferenz zwischen dem beantragten Pflanzenschutzmittel und der möglichen Alternative ist: ab welcher Kostendifferenz gilt die Alternative nicht mehr als vertretbar und auf welchen Daten stützt sich die Kostenberechnung?

b) Falls ein Kriterium die unterschiedliche Erntemenge ist: ab welcher negativen Differenz gilt die alternative Pflanzenschutzmethode nicht mehr als vertretbar und auf welchen Daten stützen sich die jeweiligen Ernteprognosen?

24. Parallel zu den Notfallzulassungen für die Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam soll es auch ein Bienenmonitoring geben: beschränkt sich dieses Monitoring nur auf Bienen oder werden auch die Auswirkungen auf weitere Tier- und Pflanzenarten sowie die betroffenen und umliegenden Böden und Gewässer beobachtet? Falls nein, warum nicht?

25. Fließen neben den Kosten alternativer Pflanzenschutzmethoden für die betroffenen LandwirtInnen auch solche Kosten in die Berechnung ein, die der Allgemeinheit durch das Ausbringen der beantragten Pestizide in die Umwelt entstehen (Tod von Nützlingen, Verlust der Biodiversität, Vergiftung von Luft, Wasser und Boden, Folgen für die Gesundheit)? Falls ja, wie berechnen Sie diese Kosten und auf welche Höhe belaufen sich diese Kosten bei den aktuellen Notfallzulassungen für die Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam?

26. Auf welche Ursachen waren in den Jahren 2011-2018 jeweils Verluste beim konventionellen und beim biologischen Zuckerrübenanbau zurückzuführen (Auflistung Jahr, Gesamtverlust, jeweiliger Anteil der einzelnen Ursachen wie Schädlinge und Wetterbedingungen)?

27. In welchen Jahren 2011-2018 wurden Neonicotinoide als Beize verwendet und in welcher Menge?

28. Welche Maßnahmen setzen Sie, um Alternativen zum EU-weit verbotenen Neonicotinoideinsatz zu fördern und um möglichen Anträgen auf weitere Notfallzulassungen vorzubeugen?

29. Mit welchen Mitteln unterstützen Sie die Zuckerrübenbäuerinnen und Zuckerrübenbauern, die durch den Verzicht von Pestiziden Natur und Umwelt schonen?

30. Große Agrarländer wie Deutschland und Frankreich sind bei ihrem Verbot von Neonicotinoiden im Zuckerrübenanbau geblieben und sehen offenbar keine Notfallsituation. Haben Sie sich bei ihren Kolleginnen in diesen Ländern informiert, warum sie beim Verbot bleiben und mit welchen Alternativen sie den Herausforderungen im Zuckerrübenanbau begegnen werden? Wie unterscheidet sich

die Situation in Österreich von der in Deutschland und Frankreich und warum kommen die dort vorgezogenen Alternativen zum Neonicotinoideinsatz in Österreich nicht in Frage?