3023/J XXVI. GP

Eingelangt am 05.03.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim,Rudolf Plessl, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

betreffend politische Verfahren und die Rolle des Generalsekretärs des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

Seit geraumer Zeit sorgt der Umgang des BMVRDJ (in der Folge kurz „BMJ“ genannt) und dessen (nunmehriger) Generalsekretär Mag. P. mit weisungsunterworfenen Staatsanwaltschaften - auch der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) - in juristischen Fachkreisen für massives Aufsehen und Ärgernis. Dies trifft etwa auf in verschiedenen Großverfahren durch den Generalsekretär geltend gemachte „Berichtspflichten“ der untergeordneten staatsanwaltschaftlichen Behörden zu, welche aufgrund der aufwändigen Befassung der Staatsanwälte mit Berichten statt Ermittlungen zu erheblichen Verzögerungen von Verfahren führen.

Es wird bei der Gelegenheit ausdrücklich festgehalten, dass der Generalsekretär im Zusammenhang mit der Abwehr von vor allem aus dem Bundesministerium für Inneres stammenden Gesetzesvorschlägen mit schwerwiegenden Eingriffen in Grund- und Freiheitsrechte stets im Sinne dieser Grundrechte agiert. Dieser sehr positive Aspekt ändert allerdings nichts an der vielfach kritisierten anfragegegenständlichen Verhaltensweise gegenüber staatsanwaltschaftlichen Behörden. Davon betroffen sind etwa diverse Verfahren gegen die Meinl-Bank und deren Repräsentanten (welche in der Zivilgerichtsbarkeit mit erfreulicher Geschwindigkeit gelöst werden), die Causa „Eurofighter“ und - wie einem hervorragend recherchierten Artikel der Zeitschrift „Falter“ vom 20.02.2019 zu entnehmen ist - auch ein bemerkenswert zur Einstellung gebrachtes Verfahren gegen den nunmehrigen Innenminister Herbert Kickl in Kärnten.

Auch der BVT-Skandal bot für das BMJ einen als nicht unwillkommen empfundenen Anlass, um die Korruptionsstaatsanwaltschaft an die Kandare zu nehmen. Derartige in Juristenkreisen verständliche, aufsehenerregende Verhaltensweisen widersprechen allerdings den schon im Rahmen des Gesetzwerdungsverfahrens wiederholt geäußerten Intentionen, jedenfalls bei dieser spezialisierten Einheit politische Einflussnahme so weit wie möglich „draußen“ zu halten.

Die plötzliche „Überstellung“ der Causa „Eurofighter“ von der Staatsanwaltschaft an die WKStA unter „Verabschiedung“ des in der Fachwelt weithin geachteten Staatsanwalt Michael R., welcher mehr als acht Jahre mit größter Professionalität in dieser hochpolitischen Causa ermittelte und dem Vernehmen nach kurz vor Erhebung einer Anklage stand, hat das Verständnis auch Wohlgesonnener betreffend die Verhaltensweisen des BMJ und den Glauben an eine objektive Justiz massiv erschüttert. Sprachrohr des BMJ und zuständig für den Kontakt mit staatsanwaltlichen Behörden ist der Generalsekretär des BMJ, Herr Mag. Ch. P..

In der Affäre rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) wurden etwa (via Erlass der Oberstaatsanwaltschaft Wien) die Berichtspflichten verschärft und zwar offenkundig wegen einer mangelnden - gesetzlich nicht vorgesehenen (!) - Kontaktaufnahme der WKStA mit der übergeordneten OStA vor einer Hausdurchsuchung. Grund für die mangelnde (nicht verpflichtende) Verständigung war der Umstand, dass es sich bei der damaligen Leiterin der OStA und, nach kurzer Wirkensdauer, nunmehrigen Richterin (Vizepräsidentin) des Obersten Gerichtshofs um die Gattin eines hochrangigen ÖVP- Politikers im Innenministerium handelt und daher verständlicherweise Sorge um ein Bekanntwerden geplanter Schritte der WKStA gegen die verdächtigen Angehörigen des BVT bestand.

Seit Jahresbeginn muss die WKStA nun Hausdurchsuchungen drei Tage vor Durchführung an ihre Oberbehörde melden. In weiterer Folge wird dann das politisch besetzte BMJ von „bedeutenden Verfahrensschritten“ informiert Es bleibt der Fantasie jedes Einzelnen überlassen, was dies bedeuten kann, wenngleich nichts bedeuten muss. Denn die OStA ist nun auch dazu befugt, von sich aus Verdachtslagen zu prüfen und bei der Staatsanwaltschaft zu intervenieren und Informationen einzuholen. Der Handlungsspielraum der WKStA im Sinne politikferner Ermittlungen gegen staatliche Institutionen wurde damit massivst eingeschränkt.

Hinter der Gründung der WKStA stand ursprünglich das hehre Ziel, eine auf Wirtschaftsdelikte spezialisierte Einheit zu schaffen, die von sich aus unabhängig agieren kann. Aus diesem Grund wurde sie auch weitgehend von laufenden Berichtspflichten befreit, was die Verfahren deutlich beschleunigte. Diese Freiheiten sind vom BMJ und dessen Generalsekretär offenbar nicht mehr gewollt und daher ist auch die politische Einflussnahme auf die Korruptionsstaatsanwaltschaft im vermehrten Ausmaß möglich.

Für die Fachwelt wenig überraschend kam es auch Im Eurofighter­Untersuchungsausschuss (EF-UsA) zu einer Einflussnahme des BMJ. So hat die plötzliche Abberufung des Eurofighter-Staatsanwaltes Michael R. und die Übersiedelung der Causa rund um die Abfangjäger an die WKStA mit 1. Februar ohne Information an den EF-UsA medial hohe Wellen geschlagen. Ergänzend wurden laut Presseberichten gegen den bisherigen verfahrensleitenden Staatsanwalt Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs in Verbindung mit Verrat des Amtsgeheimnisses eingeleitet.

Die Beteuerung des Generalsekretärs des Justizministeriums, wonach ,,niemand etwas abdrehen wolle“ kann von Vielen sachlich nicht nachvollzogen werden. Glaubt wirklich jemand, dass ein jahrelang mit größtem Elan an einer Causa arbeitender Staatsanwalt nun plötzlich kurz vor Schluss dieser Tätigkeit (und vor einer Anklageerhebung?) von sich aus sein Amt nicht mehr ausüben will, wo in der Angelegenheit - wie in nur wenig anderen - massivste wirtschaftliche Interessen bestehen?

Wie aus Medienberichten hervorgeht, hat Dr. Peter Pilz im Dezember 2018 erfahren, dass der Generalsekretär eine Weisung gab, einzelne Dokumente zum Schutz der nationalen Sicherheit aus dem Akt zu nehmen, darunter u.a. Unterlagen wie das Eurofighter Angebot für eine Wellendichtung um stolze 83.046 EUR. Weil der nun so überraschend verschwundene Staatsanwalt den Tatbestand einer Weisung laut Dr. Pilz diesem gegenüber (ohne Offenlegung des Inhalts) an sich bestätigt haben soll, steht nun statt Eurofighter oder Airbus der Staatsanwalt selbst vor Gericht. Dass die Folgen des Verlustes eines hervorragenden und gut eingearbeiteten Staatsanwalts in einem Verfahren um die Interessen der Republik, aber auch diverse andere Interessen als schwerwiegender Schlag gegen eine zügige Objektivierung der Vorwürfe verstanden wird, dürfte nicht erstaunen.

Einflussnahmen des BMJ werden auch aus dem eingangs erwähnten Falter-Bericht erkennbar: Die Causa rund um Herbert Kickls „Ideenschmiede“ soll durch Berichtsaufträge massiv an zeitlicher Länge gewonnen haben, für so manche erschien der nunmehrige Minister Kickl auch als privilegiert. Dieser hatte als junger Parteistratege eine Firma namens „Ideenschmiede“ gegründet und Jörg Haiders Wahlkampagnen gegen Honorar abgewickelt. Er konnte sohin bei Kampagnen der eigenen Partei mitverdienen und bot darüber hinaus seine Dienste auch dem Land Kärnten an. Die Firma verrechnete dem Land Kärnten hierbei aber nicht die üblichen Marktpreise, sondern um etwa 20% überhöhte Tarife.

Mittlerweile wurden Ermittlungen gegen Kickl und seinen Strohmann Sila geführt. Der mutige Staatsanwalt wollte Kickl als Beschuldigten führen, um den Verdacht zu klären. Dafür musste aber zunächst der zuständige Justizminister zustimmen, denn Kickl war immun. Das Vorhaben misslang, da der nunmehrige Generalsekretär ein Veto gegen die Aufhebung der Immunität eingelegt haben soll!

Nach sechs langen Jahren - in welchen naheliegender Weise das Interesse an einer allfälligen Verfolgung sank - attestierte nun die WKStA, dass Kickl mit der Sache nichts zu tun hätte. Er könne als Gesellschafter für die mutmaßliche Untreue seines Geschäftsführers nämlich nichts.

Bevor man mutwillig ein sorgsam entwickeltes System zur Vermeidung politischer Einflussnahmen auf Verfahren noch zusätzlich zertrümmert, sollten unter anderem oben angeführten Punkte sorgsam reflektiert werden um eine effektiv tätige Staatsanwaltschaft - soweit dies noch möglich ist - zu erhalten.

Die unterzeichnenden Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz nachstehende

ANFRAGE

1.    Sieht das BMVRDJ die Effektivität und Kompetenz der WKStA durch die Berichtspflicht und die jüngsten Entwicklungen eingeschränkt bzw. gefährdet?

a.    Wenn ja, wie gedenkt das BMVRDJ die Effizienz und Kompetenzen der WKStA als unabhängige Strafverfolgungsbehörde zu schützen bzw. wiederherzustellen?

b. Wenn nein, warum nicht? Es ist doch für die Österreicherinnen und Österreicher äußerst unglaubwürdig, dass ein oberstes politisches Organ nicht versuchen wird, Einfluss in einer für seine Partei und/oder seinen Koalitionspartner politisch heiklen Causa, zu intervenieren

2.     Die WKStA wurde im Jahr 2011 als eine von der Berichtspflicht befreite Behörde erschaffen mit dem Ziel und Zweck bei politisch heiklen Materien unabhängig von Weisungen und Berichtspflichten ermitteln und für Aufklärung sorgen zu können. Die derzeitige Berichtspflicht von mindestens drei Tagen vor einer geplanten Hausdurchsuchung, insbesondere bei politisch heiklen Materien wie jener beim BVT, sind für die Erfüllung der Aufgaben der WKSTA maßgeblich abträglich und auch aus demokratiepolitischer Sichtweise bedenklich. Die Gefahr, dass gerade bei solchen Materien Informationen an die falschen Adressaten gespielt werden, ist nicht nur groß, sondern auch demokratiepolitisch gefährlich. Ist gewährleistet, dass geheime Informationen auch wirklich geheim bleiben?

a.    Wenn JA, welche Prinzipen und Methoden werden angewandt um eine adäquate Geheimhaltung kritischer Informationen zu gewährleisten und Einsätze nicht mutwillig und/oder fahrlässig zu gefährden?

b.    Wenn NEIN, wieso gibt es keine internen Sicherungsmaßnahmen?

c.    Wenn NEIN, ist vorgesehen entsprechende Prinzipien und Methoden zur Wahrung der Geheimhaltung kritischer Informationen schnellstmöglich in die Verfahrensabläufe zu integrieren - Wenn JA, welche sind dies und in welchem Zeitraum ist die Umsetzung vorgesehen?

d.    Wenn NEIN, ist vorgesehen künftig automatisierte Regelungen zum Schutz kritischer Information zur Anwendung zu bringen & welche Maßnahmen sind hier vorgesehen?

3.     Aus welchem Grund wurde ein Verfahren gegen den renommierten und unerschrockenen Staatsanwalt Michael R. eingeleitet?

a.    War der Grund für das eingeleitete Ermittlungsverfahren das Gespräch von Michael R. mit Peter Pilz?

b.    Wenn nein, was war dann der Grund?

c.      Wieviele Berichte (Sonstige-, Informations-, Zwischen- und/oder Vorhabensberichte) musste Staatsanwalt Michael R. an die OStA und/oder das BMVRDJ (vormals BMJ) in dieser Causa bereits erstatten? (Anzahl, Grund, wer war einsichtsberechtigt bei OStA/BMVRDJ)

4.      Hat die WKStA und die nunmehr für die EF-Vertahren zuständige Staatsanwältin in der Eurofighter-Causa bereits an ihre Oberbehörde berichten müssen oder wurde sie von jedweder Berichtspflicht befreit?

a.      Wenn JA, wer sind die zuständigen Personen betreffend der EF- Verfahren in der nun in die Verfahrensführung stärker miteinbezogenen Oberstaatsanwaltschaft?

b.      Wer war und ist im BMVRDJ (vormals BMJ) in den elektronisch geführten Akt einsichtsberechtigt und wer hat aus welchem Grund in den letzten zwei Jahren seit Beginn des Eurofighter UsA in diesen Einsicht genommen?

5.      Wurde der Präsident des Nationalrats und Obmann des Eurofighter­Untersuchungsausschusses vom BMVRDJ zeitgleich oder zeitnah nach Umsetzung der medial bekannt gewordenen Maßnahmen betreffend Staatsanwalt Michael R. über die Gründe dieser Schritte informiert?

a.      Wenn JA, bitte fügen Sie diese Informationen dieser Anfrage bei.

b.      Wenn NEIN, warum nicht?

6.      Wurden Mitglieder des EF-Untersuchungsausschusses vom BMVRDJ zeitgleich oder zeitnah nach der Umsetzung der medial bekannt gewordenen Maßnahmen betreffend Staatsanwalt Michael R. über die Gründe dieser Schritte informiert?

a.      Wenn JA, welche waren dies und welchen politischen Fraktionen gehörten diese UsA-Mitglieder an?

b.      Wenn JA, bitte fügen Sie diese Informationen dieser Anfrage bei.

c.      Wenn NEIN, warum nicht?

7.  Wie schätzen Sie aktuell die Auswirkungen der plötzlichen Verfahrensüberstellung von Staatsanwalt Michael R. an die WKStA ein?

a.       Wird es zu Verzögerungen in der Verfahrensführung kommen?

b.       Wenn JA, mit welchen Verzögerungen wird aktuell gerechnet?

c.       Wenn NEIN, wie kann dies sichergestellt werden?

8.      Plant das BMVRDJ, die Oberstaatsanwaltschaft oder die zuständige Staatsanwältin eine aktive Information der Abgeordneten im EF-UsA vorzunehmen, damit Irritationen und Fragen rund um den plötzlichen Wechsel der Verfahrensführung ausgeräumt werden können?

a.       Wenn NEIN, warum nicht?

9.      Wurden folgende Organe und Personen über die Schritte und Veranlassungen des BMVRDJ betreffend der Verfahren zur Causa Eurofighter und Abberufung von Staatsanwalt Michael R. vorab oder zeitnah im Anschluss informiert:

a.       Der Bundekanzler?

b.       Der Vizekanzler?

c.       Der Verteidigungsminister?

d.       Die Wirtschaftsministerin?

e.       Die Bundesregierung?

f.         Andere Generalsekretäre?

g.       Das Parlament?

h.       Wenn NEIN, warum nicht?

10.   Gegenüber dem Generalsekretär, der ja ebenfalls Weisungen erteilen kann, besteht ressortintern eine Berichtspflicht. Welche Akten wurden vom amtierenden Generalsekretär und Sektionschef Mag. P. und /oder bzw. dem Leiter der Weisungsabteilung über die OStA im Zeitrahmen vom 1. Juli 2016 bis 27.Februar 2019 angefordert? (Bitte nach Aktenzahl, Verfahrensinhalt, Anzahl und Zeitpunkt der Vorlage(n) auflisten)

11.   Welche Berichte wurden vom amtierenden Generalsekretär und Sektionschef P. speziell zur Causa Eurofighter seit 1. Jänner 2017 bis 27.Februar 2019 angefordert? (Bitte nach Aktenzahl, Verfahrensinhalt, Anzahl und Zeitpunkt der Vorlage(n) auflisten)

12.   Welche Schritte wurden nach Vorlage von Akten zur Causa Eurofighter vom Generalsekretär im Zeitrahmen 1. Jänner 2017 bis 27.Februar2019 veranlasst? Zu welchen Akten (Bitte Aktenzahl und Verfahrensinhalt angeben) wurde von Ihnen...

a.      ...der Justizminister informiert?

b.      ...der Bundeskanzler informiert?

c.      ...der Vizekanzler informiert?

d.      ... andere Bundesminister informiert?

e.      ...andere Generalsekretäre informiert?

f.       .. .(schriftliche oder mündliche) Weisungen erteilt?

g.      ...MitarbeiterInnen von Regierungsfraktionen informiert?

13.   Welche Vorschriften zur Geheimhaltung von Akten und Akteninhalten bestehen für das Büro des Generalsekretärs im BMVRDJ?

a.      Wie werden klassifizierte Berichte im Büro des Generalsekretärs verwahrt?

b.      Gibt es für die lokale Aufbewahrung von Akten aller Klassifizierungsstufen auch entsprechende Lagereinrichtungen (z.B. Safe, Stahlschrank etc.)?
Wenn NEIN, warum nicht?

c.      Besteht auch eine entsprechende elektronische Infrastruktur zur zeitlich beschränkten Verwahrung von klassifizierten Unterlagen im Büro des Generalsekretärs (eigner Server, mobile Festplatten mit
Zugangssicherung etc.)? Wenn NEIN, warum nicht?

14.Ist angedacht aufgrund der offensichtlichen direkten politischen Einflussnahme durch den Generalsekretär des BMVRDJ Ch P. auf die WKStA dem Generalsekretär eine/n Expertin/Experte zur Seite zu stellen, welche/r die Eurofighter-Causa mit einem objektiven Maßstab/übernimmt?

a.      Wenn ja, wer?

b.      Wenn nein, weshalb nicht?