3034/J XXVI. GP

Eingelangt am 07.03.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Angela Lueger,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

betreffend Mitwirkung an einer verfassungsrechtlich bedenklichen und neuerlich gleichheitswidrigen Lösung betreffend das EuGH-Urteil zum Karfreitag

Den Debattenbeiträgen von Abgeordneten der beiden Regierungsfraktionen zufolge, kam es am 25. und 26. Februar zu intensiven Verhandlungen insbesondere zwischen der Regierungsspitze, den Regierungskoordinatoren sowie den zuständigen Ministern mit den Vertretern der Kirchen. Am 26. Februar wurde um 23:40 Uhr ein Lösungsvorschlag den Oppositionsfraktionen übermittelt, die Beschlussfassung im Nationalrat in 2. und 3. Lesung erfolgte bereits einen Tag später. Dieser Gesetzbeschluss des Nationalrates ist jedoch nach Ansicht von Experten sowohl verfassungsrechtlich wie auch hinsichtlich des Gleichheitssatzes bedenklich.

Es ist daher von besonderem Interesse für die Öffentlichkeit, wer an den Verhandlungen konkret teilgenommen hat, welche Ergebnisse diese brachten und welche Rechtsgutachten zugrunde gelegt wurden. So ist es von Interesse, wie die Einschätzung des Verfassungsdienstes im Verfassungsministerium lautet, wie die Experten des Sozialministeriums auf das Verhandlungsergebnis reagierten und wer für die legistische Erarbeitung verantwortlich ist. Wie das Schriftbild deutlich zeigt, dürfte der Gesetzestext in einem Ministerium, wahrscheinlich im zuständigen Sozialministerium erarbeitet worden sein.

Es ist nunmehr ein weiterer Sachverhalt, bei welchem keinerlei Transparenz im Gesetzgebungsprozess vorliegt, keine Begutachtungen eingeholt wurden und Expertinnen und Experten mit der Materie nicht befasst wurden. In diesem Fall noch schwerer wiegend, fanden sogar die Ausschussberatungen lediglich über eine Trägerrakete statt, eine Vorberatung über die tatsächliche Regelung war daher nicht möglich. Dadurch kam es zu einer Verletzung eines tragenden Prinzips unseres Parlamentarismus, nämlich einer Verletzung des Vorberatungsprinzipes.

Mit der Beschlussfassung des gesamtändernden Antrags der Abgeordneten Peter Haubner, Andrea Michaela Schartel, Kolleginnen und Kollegen zum Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz, das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996, das Feiertagsruhegesetz 1957, das Landarbeitsgesetz 1984, und das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz geändert werden (500 dB) kommt es ua. zu folgenden zwei Rechtsfolgen:

Erstens wird mit den Übergangsbestimmungen in § 33a Abs. 28 und 29 des Arbeitsruhegesetzes gesetzlich in die kollektive Rechtsgestaltung eingegriffen. Es heißt dabei insbesondere: „Bestimmungen im Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die nur für Arbeitnehmer, die den evangelischen Kirchen AB und HB, der altkatholischen Kirche oder der evangelisch-methodistischen Kirche angehören, Sonderregelungen für den Karfreitag vorsehen, sind unwirksam und künftig unzulässig. Dies gilt auch für Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 2.

Nicht geregelt wurde hingegen die Feiertagsregelung für Angehörige der israelitischen Kultusgemeinde, für die eine Feiertagsregelung hinsichtlich des Versöhnungstages Jom Kippur im Generalkollektivvertrag aus 1953 vorgesehen ist. Durch diese - wohl offensichtlich geplante - Lücke entsteht erneut eine gleichheitswidrige Situation, da Angehörige einer bestimmten Glaubensgemeinschaft rechtlich anders behandelt werden, als ihre anders- oder nicht gläubigen Kolleginnen und Kollegen.

Zum allgemeinen Eingriff des Gesetzgebers in den Generalkollektivvertrag hält der Arbeitsrechtler Franz Marhold von der WU Wien fest, dass dieser trotz des Eingreifens unverändert weitergelte. Der EuGH und auch der EGMR hätten ähnliche Pläne in der Türkei und Deutschland verurteilt. Die Sonderregelungen in den Kollektivverträgen müssen von den Kollektivvertragspartnern, also von Gewerkschaft und Wirtschaftskammer, geändert werden. Erst wenn dies scheitert, ist ein Gesetz zulässig. Auch der Arbeitsrechtler Walter Pfeil von der Universität Salzburg hält den Eingriff in die Generalkollektivverträge für verfassungswidrig. Pfeil hält weiters fest, dass das Vorgehen der Regierung bei weitem nicht die einzig mögliche Umsetzung des EuGH-Urteils gewesen wäre: Anstatt nach unten hätte man auch nach oben nivellieren und den Karfreitag für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer freigeben können. Stringenter Weise müsste dies dann auch für Jom Kippur gelten.

Zweitens wird mit § 1 Abs. 2 des Feiertagsruhegesetzes für öffentliche Dienstverhältnisse, deren Dienstverhältnis bundesgesetzlich geregelt ist, §§ 7a und 33a Abs. 29 Arbeitsruhegesetzes als sinngemäß anwendbar erklärt. Dadurch aber wird der Entfall der Karfreitagsregelung nur gegenüber Bundesbediensteten wirksam, nicht jedoch gegenüber Bediensteten der Länder und der Gemeinden, also eine dem Gleichheitssatz widersprechende Lösung geschaffen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass für die Umsetzung von Urteilen des europäischen Gerichtshofes immer der Bund die Verantwortung trägt.

Ein Blick in das Rechtsinformationssystem des Bundes zeigt, dass zum Thema Karfreitag ein Wildwuchs an Erlässen vorliegt. In keiner Weise geht der Gesetzesbeschluss des Nationalrates auf diese Problematik ein, weshalb widersprüchliche Rechtsnormen gegenwärtig in Geltung sind und bleiben werden.

Aus all diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgende

Anfrage:

1.      Waren

a.      Sie,

b.      ihr Kabinett,

c.      ihr Generalsekretariat oder

d.      andere Organisationseinheiten ihres Ressorts

jeweils in die Beratungen zur „Karfreitags-Lösung“ eingebunden?

2.      Wenn ja, von wann bis wann dauerten diese Gespräche jeweils an und in welchen Räumlichkeiten wurden Sie geführt?

3.      Wenn ja, von wann bis wann und in welchen Räumlichkeiten fanden Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern jeweils welche Religionsgemeinschaften statt?

4.      Wenn ja, mit welchen Fragen wurde der Verfassungsdienst jeweils befasst, welcher Zeitraum verblieb ihm für eine Stellungnahme dazu und wie viel diese aus?

5.      Wenn ja, welche Organisationseinheiten ihres Hauses wurden mit jeweils welchen rechtlichen Fragen befasst, welcher Zeitraum verblieb Ihnen für eine Stellungnahme und wie viel diese aus?

6.      Zunächst war als Lösung für den Karfreitag ein halber Feiertag vorgesehen. Welche Seite hat bei den Verhandlungen die nunmehr als Gesetzesbeschluss des Nationalrates vorliegende Variante eingebracht, welche Interessen haben Sie und ihr Ressort dabei vertreten?

7.      Welche Organisationseinheit welches Ressorts hat ihrem Informationsstand nach den nunmehr vorliegenden Gesetzesbeschluss legistisch formuliert?

8.      Warum wurden die Beratungen erst so spät aufgenommen, obwohl durch die
Stellungnahme des Generalanwaltes es vorhersehbar war, dass es zu dieser Aufhebung kommen wird?

9.      Welche Interessen haben die Vertreter der Wirtschaft ihnen gegenüber bzw. Ihrem Ressort gegenüber vertreten und wann fanden Gespräche mit Vertretern der Wirtschaft und Ihnen bzw. Ihrem Ressort statt?

10.    Welche Wirkungen entfalten die neuen Regeln betreffend den Karfreitag auf Personen,
die erst vor kurzem ihr Arbeitsverhältnis begonnen haben? Was bedeutet es konkret für Personen, die das Arbeitsverhältnis mit 1. April 2019 beginnen werden, im
Zusammenhang mit dem Karfreitag 2019?

11.    Wie wurde in ihrem Ressort die Karfreitagsregelung im Detail im Jahr 2018 gehandhabt
(bitte nach allen Verwendungsmöglichkeiten aufgegliedert, wie Halbtagsbeschäftigte etc.)?

12.    Wie wird in ihrem Ressort die Karfreitagsregelung im Detail im Jahr 2019 gehandhabt werden (bitte nach allen Verwendungsmöglichkeiten aufgegliedert, wie
Halbtagsbeschäftigte etc.)? Gibt es dazu schon Gespräche mit der Personalvertretung?