3060/J XXVI. GP

Eingelangt am 07.03.2019
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Anfrage

 

der Abgeordneten Claudia Gamon‚ MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien

betreffend Umsetzung des europäischen Aktionsplans gegen Desinformation

 

Verschiedene staatliche und nicht-staatliche Akteure, die ein Interesse daran haben, demokratische Systeme in Europa und anderswo zu untergraben und zu destabilisieren, investieren bereits seit einigen Jahren intensiv in Desinformationskampagnen. Das schließt etwa die Nutzung von Desinformationsportalen, Verbreitung von Fake News, Deepfakes, Trollfabriken etc. ein.

Das prominenteste Beispiel für Medien- und Desinformationskampagnen, die darauf abzielen, das Vertrauen der europäischen Bevölkerung in Institutionen und Journalismus zu erschüttern, Verwirrung zu verbreiten und Europa zu spalten, ist das Vorgehen Russlands in diesem Bereich. So unterstütze das russische Außenamt Aussagen, die gezielt auf Social Media Plattformen verbreitet wurden, um Zweifel an den britischen Ermittlungen im Fall der Vergiftung von Sergej und Yulia Skripal zu säen (https://www.bbc.co.uk/news/world-europe-45454142). 

In einer Eurobarometer-Umfrage im November 2018 gaben 73 Prozent der Befragten an, Desinformation und Misinformation im Vorfeld der Wahlen zu fürchten. Die Problematik ist also der Bevölkerung weitgehend bekannt. Auf europäischer Ebene erstellte der Europäische Auswärtige Dienst in Reaktion auf u.a. den Fall Skripal einen Aktionsplan gegen Desinformation (http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-6647_de.htm). In diesem Plan betont der Europäische Auswärtige Dienst: "Es müssen [daher] dringend unmittelbar wirkende Maßnahmen getroffen werden, die die Union, ihre Organe und ihre Bürger for Desinformation schützen." 

Der Aktionsplan sieht 10 konkrete Maßnahmen vor, die zu einem großen Teil auch die Mitgliedstaaten betreffen. Die konkret relevanten Maßnahmen sind: 

Maßnahme 1: Im Hinblick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 und auch auf längere Sicht wird die Hohe Vertreterin in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die Task Forces für strategische Kommunikation und die Delegationen der Union durch zusätzliches Personal und neue, für die Erkennung, Untersuchung und Enthüllung von Desinformationsaktivitäten erforderliche Instrumente stärken. Auch die Mitgliedstaaten sollten ihre nationalen Kapazitäten in diesem Bereich erforderlichenfalls ausbauen und die erforderliche Aufstockung der Ressourcen für die Task Forces für strategische Kommunikation und die Delegationen der Union unterstützen.

Maßnahme 3: Bis März 2019 werden die Kommission und die Hohe Vertreterin in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ein Frühwarnsystem zur Abwehr von Desinformationskampagnen einrichten, das eng mit den bestehenden Netzen, dem Europäischen Parlament sowie der NATO und dem Rapid Response Mechanism der G7 interagiert.

Maßnahme 4: Mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament wird die Kommission in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament ihre Kommunikationsbemühungen im Hinblick auf die Werte und Strategien der Union verstärken. Auch die Mitgliedstaaten sollten ihre eigenen Anstrengungen zur Vermittlung der Werte und Strategien der Union erheblich verstärken.

Maßnahme 5: Die Kommission und die Hohe Vertreterin werden in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die strategische Kommunikation in der Nachbarschaft der Union ausbauen.

Maßnahme 7: Insbesondere im Hinblick auf die Wahlen zum Europäischen Parlament 2019, aber auch darüber hinaus veranstalten die Kommission und die Hohe Vertreterin in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten gezielte Kampagnen für die Öffentlichkeit sowie Schulungen für Medien und Meinungsbildner in der Union und ihrer Nachbarschaft, um das Bewusstsein für die negativen Auswirkungen von Desinformation zu schärfen. Um eine umfassende Antwort auf dieses Phänomen zu geben, werden die Bemühungen hinsichtlich der Unterstützung der Arbeit unabhängiger Medien und von Qualitätsjournalismus sowie der Forschung im Bereich Desinformation fortgesetzt.

Maßnahme 8: Die Mitgliedstaaten sollten in Zusammenarbeit mit der Kommission den Aufbau von Teams aus multidisziplinären unabhängigen Faktenprüfern und Forschern fördern, die über spezifische Kenntnisse des jeweiligen lokalen Informationsumfelds verfügen, um Desinformationskampagnen in den verschiedenen sozialen Netzwerken und digitalen Medien zu erkennen und zu enthüllen.

Maßnahme 9: Im Rahmen der im März 2019 stattfindenden Medienkompetenz-Woche wird die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Fachleuten im Bereich der Medienkompetenz sowie die Einführung praktischer Instrumente zur Förderung der Medienkompetenz der Öffentlichkeit fördern. Die Mitgliedstaaten sollten ferner die mit Medienkompetenz zusammenhängenden Bestimmungen der überarbeiteten Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste rasch umsetzen.

Maßnahme 10: Angesichts der bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2019 sollten die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass das Paket zu den Wahlen und insbesondere die Empfehlung wirksam weiterverfolgt wird. Die Kommission wird die Umsetzung des Pakets genau beobachten und im Bedarfsfall einschlägige Unterstützung und Beratung anbieten.

Im EU-Unterausschuss am 26. Februar 2019 gab BM Blümel betreffend Frühwarnsystem an, dass in der Sache der Einrichtung eines Frühwarnsystems für Desinformation der Büroleiter des Regierungssprechers Launsky-Tieffenthal, Sven Wagner, als Kontaktperson benannt wurde und dass dieser "eng mit dem Bundespressedienst" zusammenarbeite. Die Ausführungen waren etwas dünn und klangen, als wollte der Bundesminister sagen, Sven Wagner ist das Frühwarnsystem. 

Auch hinsichtlich der anderen Maßnahmen im Aktionsplan gab es bisher noch wenig öffentlich wirksame Kommunikation dazu, was nun konkret unternommen werden soll. Das mag einerseits der Tatsache geschuldet sein, dass der Aktionsplan erst im Dezember 2018 publiziert wurde, jedoch ist ein Umsetzungsplan notwendig. 


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Welche Maßnahmen haben Sie ergriffen, an welchen Terminen auf Österreich-Ebene haben Sie seit der Publikation des Aktionsplans gegen Desinformation teilgenommen, um zu einer schnellen Umsetzung des Plans bzw. weiterer erforderlicher Maßnahmen beizutragen?

2.    Welchen Beitrag wird Österreich zur Stärkung der relevanten Task Forces auf EU-Ebene leisten und in welchem Zeitraum soll das passieren?

3.    Welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Instrumente zur Erkennung, Untersuchung und Enthüllung von Desinformationsaktivitäten zu schaffen bzw. zu stärken und in welchem Zeitraum?

4.    Bis März 2019 sollen Kommission und Hohe Vertreterin mit den Mitgliedstaaten ein Frühwarnsystem zur Abwehr von Desinformationskampagenen einrichten. Laut Angaben von BM Blümel wurde mit Sven Wagner eine Kontaktperson ernannt. Wie genau sieht das Frühwarnsystem für Österreich aus und wie funktioniert es? 
a) Welche Rolle spielt der Bundespressedienst in dieser Hinsicht genau?
b) Ist es für österreichische Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen möglich, zu diesem Frühwarnsystem durch Meldung von Desinformation beizutragen?
c) Wenn nein, warum nicht?
d) Wenn ja, welche Schritte haben Sie unternommen oder werden Sie unternehmen, um österreichische Medien und zivilgesellschaftliche Organisationen über diese Möglichkeit zu informieren und sie zur Teilnahme zu animieren und wann sollen diese Schritte gesetzt werden?

5.    Welche Schritte haben sie gesetzt oder werden Sie setzen, um Werte und Strategien der Union (wie in Maßnahme 4 geschildert) verstärkt zu kommunizieren? 

6.    Welchen Beitrag leistet Österreich, um gemeinsam mit Kommission und Hoher Vertreterin die strategische Kommunikation in der Nachbarschaft der Union auszubauen (Maßnahme 5)?

7.    Sind seitens Ihres Ressorts Kampagnen für die Öffentlichkeit geplant, um auf die negativen Auswirkungen von Desinformation und ihrer Funktionsweise hinzuweisen?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, wird der Auftrag für diese Kampagne ausgeschrieben?
c) Wenn ja, wie hoch wird das Budget dafür ausfallen?
d) Wenn ja, wann ist Kampagnenstart?
e) Wenn ja, was sind die strategischen Ziele der Kampagne und wie soll deren Umsetzung gemessen werden?

8.    Maßnahme 7 fordert von den Mitgliedstaaten Unterstützung der Arbeit unabhängiger Medien sowie Forschung im Bereich Desinformation. Gedenkt die Bundesregierung daher, Medien wie den ORF, dessen Redakteur_innen erst kürzlich parteipolitischen Einfluss beklagten, bei seiner Arbeit zu unterstützen, statt zu versuchen, in diese einzugreifen?

9.    Wie und durch wen sollen Ihrer Auffassung nach Fachleute im Bereich der Medienkompetenz nominiert werden, die Österreich für die Umsetzung der Maßnahmen 8 und 9 einsetzt? 
a) Sollte diese Ihrer Ansicht nach durch die Bundesregierung ausgesucht werden?
b) Wenn nein, durch wen sonst?

10. Gemäß den Plänen auf europäischer Ebene sollen die Mitgliedstaaten Listen mit Medien führen, die für die Verbreitung von Desinformation verantwortlich sind und diese auf europäische Ebene rückmelden, um Warnungen zu ermöglichen. Führt Ihrer Information nach in Österreich eine solche Liste?
a) Wenn ja, handelt es sich dabei um ein staatliches Organ?
b) Wenn nein, um wen handelt es sich?
c) Nach welchen Kriterien soll eine solche Liste erstellt werden?
d) Wie soll sichergestellt werden, dass eine solche Liste missbräuchlich verwendet wird, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen?

11. Was ist Ihre Position dazu, ob der Staat eine Rolle bei der Bekämpfung von Desinformation spielen soll und wenn ja, welche soll das konkret sein?
a) Welche Position haben Sie diesbezüglich in EU-Gremien seit Jänner 2018 vertreten?

12. Aus dem E-Paper Kritische Medienkompetenz und Community Medien auf der Website erwachsenenbildung.at des Bildungsministeriums geht hervor, dass Medienkompetenz ein Thema ist, das in der Erwachsenenbildung in den letzten Jahren und aktuell noch immer sträflich vernachlässigt wurde und wird. Welchen Beitrag wird Ihr Ressort dazu leisten, dies zu ändern?

13. Haben Sie bei Terminen mit Vertreter_innen anderen Staaten, die für das Thema Desinformation eine Rolle spielen (Russland, Türkei u.a.), die Problematik Desinformation als Teil hybrider Methoden aufgebracht?
a) Wenn ja, um welche Länder handelt es sich dabei?
a) Wenn nein, warum nicht?

14. Wurden besondere Maßnahmen getroffen, um Österreich vor Manipulation und Desinformation im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament zu schützen?
a) Wenn ja, welche?
b) Wenn nein, warum nicht? 

15. Wie bewerten Sie im Zusammenhang mit Desinformationskampagnen die Rolle von Deepfakes?
a) Beschäftigt sich mit dieser Thematik jemand in Ihrem Ressort? 
b) Wenn ja, wer?
c) Wenn nein, warum nicht?
d) Welche Position vertreten Sie generell bezüglich des Umgangs mit Deepfakes? 
e) Welche Position haben Sie seit Jänner 2018 in EU-Gremien diesbezüglich vertreten?