3087/J XXVI. GP

Eingelangt am 14.03.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Sonja Hammerschmid,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend „Sprachfortschritte in den Deutschförderklassen"

Trotz massiver Bedenken von PädagogInnen und ExpertInnen führte die Bundesregierung mit Herbst eigene Klassen für jene Kinder ein, die nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen. Laut Wirkungsorientierter Folgenabschätzung sind Zielsetzungen der Gesetzesnovelle die Verbesserung der Deutschförderung für außerordentliche SchülerInnen, die zielgruppenspezifische und treffsichere Gestaltung der Deutschfördermaßnahmen, sowie die Festlegung der Deutsch-Kompetenz als Schulreifekriterium. Gerade in Hinblick auf die Verbesserung der Deutschkenntnisse liegen jedoch keine quantifizierbaren sowie vergleichbaren Zielsetzungen seitens des Ministeriums vor. Insofern ist es schwierig abzuschätzen, ob die Deutschförderklassen zu besseren Ergebnissen führen als das zuvor angewendete Fördermodell (Sprachstartgruppen & Sprachförderkurse). Umso verwunderlicher beziehungsweise wenig nachvollziehbar ist Ihre erste Reaktion als Bildungsminister zur Anzahl der SchülerInnen, die aus den Förderklassen aufgestiegen sind. In Wien kamen im Herbst 4.966 Kinder wegen mangelnder Deutschkenntnisse in eine Förderklasse. 865 wechselten im zweiten Semester in die Regelklasse, das sind rund 15 Prozent. Im Burgenland sind es sieben Prozent, in Niederösterreich konnten nur 23 von 662 Kindern ihre Deutschkenntnisse so verbessern, dass sie am normalen Unterricht teilnehmen können. In Kärnten gelang von den 300 Kindern in Deutschförderklassen keiner einzigen Schülerin und keinem einzigen Schüler der Wechsel! Das bedeutet im Umkehrschluss, dass eine überwältigende Mehrheit der Kinder sich eben nicht ausreichend verbessern konnte. Ob und warum das als Erfolg zu werten ist, geht, wie bereits erwähnt, weder aus der wirkungsorientierten Folgenabschätzung hervor, noch ist eine quantifizierbare Zielsetzung des Ministeriums dazu bekannt. ÖVP Bildungssprecher Rudolf Taschner meinte dazu in der Debatte im Rahmen des Unterrichtsausschusses lediglich, dass er davon ausgehe, dass die meisten SchülerInnen in kürzester Zeit in eine Regelklasse wechseln werden können[1] In welcher Relation dies zu dem damit verbundenen organisatorischen Mehraufwand, der sozialen Ausgrenzung der SchülerInnen und ihrer Eltern sowie den Belastungen der Sprachförderlehrkräfte im Großklassenunterricht in Relation steht, ist ebenfalls derzeit nicht messbar.

Festgelegt wurde außerdem, dass es ein standardisiertes Verfahren zur Beurteilung, ob jemand ausreichend Deutsch oder nicht kann, um den Unterricht zu folgen, geben soll. Da dieser standardisierte Test seitens des Ministeriums noch nicht vorgelegt wurde, beurteilen derzeit die jeweiligen Direktorinnen und Direktoren die Deutschkenntnisse der SchülerInnen. Damit liegt kein Diagnoseinstrument vor, das eine seriöse Unterscheidung zwischen „intensivem Sprachförderbedarf" und „begleitendem Sprachförderbedarf" bietet. Das vom Bildungsministerium entwickelte Diagnoseinstrument MIKA-D („Messinstrument zur Kompetenzanalyse - Deutsch“) wird den Direktoren erst im April - also mitten im Sommersemester zur Verfügung gestellt. Ohne entsprechendes Messinstrument bleibt aber damit natürlich für die Lehrenden auch unklar, was das Ziel dieser Klassen ist bzw. wo die Kompetenzgrenzen für "ungenügende" und "mangelhafte" Deutschkompetenzen anzusetzen sind. Hinzu kommt das Problem, dass ein schulisches Parallelsystem entsteht: Kinder bleiben in den Deutschförderklassen weitgehend isoliert (müssen bei schulstandortübergreifenden Klassen an andere Schulen ausweichen), was teilweise dazu führt, dass diese in den Regelklassen angefeindet werden. LehrerInnen berichten von sozialer Ausgrenzung und dem Gefühl der Stigmatisierung, was vor allem von betroffenen Eltern mit Besorgnis berichtet wird. Aus Sicht der Sprachförderung fehlt diesen SchülerInnen das sogenannte „Sprachbad" des Schulalltages in der deutschen Sprache weitgehend, da die Lehrkraft in der Deutschförderklasse ihr einziges deutschsprachiges Sprachvorbild ist und im Zeichen-, Werk- und Turnunterricht nur wenig sprachlicher Austausch erfolgt.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1.       Wie viele Deutschförderklassen gibt es im Schuljahr 2018/19? Wie viele davon sind schulklassenübergreifend? Wie viele davon sind schulstandortübergreifend? Bitte um Auflistung je Bundesland und Schultyp.

2.       Wie viele Lehrerplanstellen wurden vom BMBWF im Schuljahr 2018/19 für den Unterricht in Deutschförderklassen und Deutschförderkursen bereitgestellt7 Bitte um Auflistung je Bundesland und Schultyp.

3.       Wie viele SchülerInnen waren im ersten Semester des Schuljahres 2018/19 als SchülerInnen in einer Deutschförderklasse gemeldet? Bitte um Auflistung je Bundesland und Schultyp.

4.       Wie viele SchülerInnen sind nach dem ersten Semester von einer Deutschförderklasse in eine Regelklasse aufgestiegen? Bitte um Auflistung je Bundesland und Schultyp.

5.       Wie viele SchülerInnen sind nach dem ersten Semester aufgrund anderer Gründe (Um-/Wegzug, Schulwechsel, etc.) aus einer Deutschförderklasse ausgeschieden? Bitte um Auflistung je Bundesland und Schultyp.

6.       Von welcher Anzahl an Übertritten ist das Bundesministerium bei Einführung der Maßnahme ausgegangen? Bitte um Auflistung je Bundesland und Schultyp.

a.        Konnten sie diese Zielsetzungen erreichen?

b.       Wenn nein, warum nicht?

7.       Bitte um Quantifizierung der im Rahmen der WFA formulierten Zielsetzungen: Von welcher Anzahl an Übertritten geht das Bundesministerium nun nach Ende des Schuljahres aus?

8.       Plant das Ministerium eine Evaluierung der Deutschförderklassen?

a.       Wenn ja, wann sollen erste Ergebnisse dazu erscheinen?

b.       Wenn ja, an Hand welcher Kriterien wird der Status vor der Einführung gemessen?

c.        An Hand welcher Kriterien misst das Bildungsministerium, ob die Einführung erfolgreich war?

9.       Warum liegt bisher kein standardisiertes Diagnoseinstrument zur Messung der Deutschkenntnisse vor?

a.       Wann soll MIKA-D fertig sein und zur Anwendung kommen?

b.       Werden künftig für die Durchführung der MIKA-D-Testungen zusätzliche Ressourcen für die Schulstandorte zur Verfügung gestellt? Wenn ja, in welchem Umfang?

10.   Wie viele Vorschulklassen gab es in Österreich im Schuljahr 2017/18 und wie viele Vorschulklassen gibt es im Schuljahr 2018/19? Bitte um Auflistung der Schulklassen je Bundesland sowie dazu gehörige Anzahl der SchülerInnen in Vorschulklassen je Bundesland.

11.   Wie viele SchülerInnen galten im Schuljahr 2017/18 als nicht schulreif, hatten aber kein Problem mit der Unterrichtssprache und wie viele im Vergleich dazu im Schuljahr 2018/19?

a. Wie viele davon besuchten 2017/18 eine Vorschule und wie viele davon 2018/19?

12.   Klassengröße: Wie viele SchülerInnen besuchen im Durchschnitt eine Deutschförderklasse? (Darstellung je Bundesland)

a.       Bitte um Darstellung jener Klassen mit der höchsten Anzahl der SchülerInnen je Klasse in jedem Bundesland.

b.       Bitte um Darstellung der durchschnittlichen Anzahl der SchülerInnen in Deutschförderklassen in jedem Bundesland.

13.   In wie vielen Deutschförderklassen unterrichtet mehr als ein/e LehrerIn? (Darstellung je Bundesland)

14.    Über welche Zusatzqualifikationen verfügen die LehrerInnen, die derzeit eine Deutschförderklasse unterrichten?

a.       Gibt es ein verpflichtendes Qualifikationserfordernis, um in einer Deutschförderklasse unterrichten zu können?

15.   Diversität der SchülerInnen: Wie viele unterschiedliche Primärsprachen sprechen die Kinder in den Deutschförderklassen?

a.       Bitte um Angabe der durchschnittlichen, der minimalen sowie der maximalen Anzahl der Primärsprachen der SchülerInnen innerhalb einzelner Deutschförderklassen (Darstellung je Bundesland)

16.   Die Einbindung der Kinder in die Regelklasse besteht bei nur fünf gemeinsamen Unterrichtsstunden (ohne Religionsunterricht) nur mäßig. Welche Maßnahmen setzt das Ministerium derzeit, um sozialer Ausgrenzung entgegen zu wirken?

a.       Sind weitere Maßnahmen geplant?

17.   Die Einbindung der Eltern in die schuldemokratischen Foren der Regelklasse besteht nur mäßig. Welche Maßnahmen setzt das Ministerium derzeit um diesen Eltern ihre schulpartnerschaftliche Beteiligung zu sichern?

a.       Wann und in welcher Form werden Eltern betroffener SchülerInnen über die Testung, die Zuweisung und den Ablauf der Deutschförderklassen informiert?

b.      Wie werden Eltern betroffener SchülerInnen während des Deutschförderklassenbesuchs ihres Kindes schulpartnerschaftlich begleitet?

c.        Sind weitere Maßnahmen geplant?



1 https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180508_OTS0142/taschner-bessere-chancen-durch-deutschfoerderklassen-fuer-schueler-mit-deutschmaengeln