3110/J XXVI. GP

Eingelangt am 19.03.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Wolfgang Zinggl, Daniela Holzinger-Vogtenhuber, Kolleginnen und Kollegen,

an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend
Insektensterben: Ursachen und Maßnahmen"

Begründung

Ein schockierender Bericht in der Fachzeitschrift „Biological Conservation" kommt zu dem Schluss, dass über 40% der Insektenarten vom Aussterben bedroht sind. Der Bericht nimmt Bezug auf 73 weitere Studien und warnt eindringlich vor einem „Kollaps der Ökosysteme". Infolge des Insektensterbens käme es notgedrungen auch zum Tod zahlreicher Wirbeltiere. Langfristig könne ein biologisch komplexes System mit derartigen Verlusten nicht existieren, meint auch Franz Essl vom Department für Biodiversitätsforschung der Universität Wien.

In Deutschland sind einer Studie aus dem Jahr 2017 zufolge die Insekten in den letzten 25 Jahren um drei Viertel zurückgegangen. Die deutsche Regierung hat deshalb ein Aktionsprogramm zum Insektenschutz beschlossen. Auch hierzulande hat das Artensterben dramatische Ausmaße angenommen. Wie aus einer aktuellen Studie hervorgeht, hat Österreich in den vergangenen 30 Jahren 70 Prozent seiner Wirbeltierbestände eingebüßt.

Jeder Mensch kann sich aber auch selbst davon überzeugen, dass die Ergebnisse der aktuellen Berichte der Wahrheit entsprechen, indem man sich die eigene Windschutzscheibe nach einer Fahrt mit dem Auto in einem ländlichen Gebiet ansieht. Vor einigen Jahren fand man dort noch unzählige Insektenleichen, heute ist dies nicht mehr der Fall. Man erkennt also auch daran, dass es zu einer deutlichen Reduktion der Insekten innerhalb der letzten Jahre kam.

Das Bienen- bzw. Insektensterben hat nicht nur Auswirkungen auf die Ernährungssicherung in Österreich. Insekten bieten auch die Nahrungsgrundlage für andere Tierarten, besonders fatal ist das Insektensterben für Vögel.

Das Artensterben aufzuhalten ist eine zentrale Herausforderung und erfordert unser Handeln ‑ jetzt.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgende

Anfrage

1.         Seit wann wissen Sie um den wachsenden Verlust von Insektenpopulationen?

2.         Führt das Ministerium für Nachhaltigkeit Berichte, Statistiken oder Aufzeichnungen, die eine entsprechende Gefahr bestätigen oder dementieren?

3.         Welche Möglichkeiten sehen Sie innerhalb Ihres Wirkungsbereichs, gegen die Gefahr anzukämpfen?

4.         Welche Notwendigkeiten sehen Sie innerhalb Ihres Wirkungsbereichs für Sofortmaßnahmen, für mittelfristiges Eingreifen und für längerfristige Strategien, um dem gefährlichen Trend Einhalt zu gebieten?

5.         Gibt es seitens der Bundesregierung ein Aktionsprogramm zum Schutz von Insekten und wenn ja, welche Maßnahmen umfasst es?

6.         Welche Maßnahmen werden Sie innerhalb der EU vorschlagen oder unterstützen, die dem Insektensterben entgegen wirken?

7.         Sind Maßnahmen geplant, um die österreichischen Bürgerinnen und Bürger für dieses Thema zu sensibilisieren?

a.         Wenn ja, welche und wann sollen diese umgesetzt werden?

b.        Sind Werbeeinschaltungen (oder ähnliches) geplant, welche der Bevölkerung aufzeigen, dass den Bienen bzw. allgemein den Insekten ihr Lebensraum weggenommen wird, wenn Blumenwiesen ständig abgemäht werden?

c.         Sind Werbeeinschaltungen (oder ähnliches) geplant, welche der Bevölkerung Tipps geben, wie man den Bienen Blühflächen anbieten und ihnen geeignete Pflanzenarten zur Verfügung stellen kann?

d.        Sind Werbeeinschaltungen (oder ähnliches) geplant, welche der Bevölkerung vor Augen führen, dass ihre Insektenvernichtungsmittel schädlich für die Bienen bzw. Insekten sein können?

8.    Wann werden Sie welche Anreize für die Land- und Forstwirtschaften schaffen, um die anhaltende Bodenversiegelung einzudämmen, die den Insekten und anderen Kleintieren den Lebensraum reduziert und damit ihr Aussterben beschleunigt?

9.    Wann werden Sie dem Parlament effektive gesetzliche Regelungen vorschlagen, die den Einsatz von Pestiziden aufs absolut notwendigste Mindestmaß reduzieren und stattdessen biologisch verträglichen Pflanzenschutz stützen?

10. Welche in der Landwirtschaft verwendeten Pflanzenschutzmittel sind Ihrer Meinung nach über die EU-Vorschriften hinaus in Österreich entbehrlich, schädlich und ihr Einsatz angesichts der großen Gefahr für die Artenvielfalt daher dringend zu untersagen?

11. Auf welchen Kulturen, in welchem Ausmaß und mit welcher Begründung werden von der EU seit April 2018 untersagte Neonicotinoide in Österreich nach wie vor eingesetzt? (Bitte aufschlüsseln nach Kultur/Pflanzenschutzmittel/Menge und Begründung.)

12. Gibt es Hinweise auf die illegale (ungenehmigte) Verwendung von Neonicotinoiden in Österreich? Wenn ja, welche Kulturen sind Ihrer Information nach in welchem Ausmaß und von welchen Pflanzenschutzmitteln betroffen?

13. Für welche Saatgutbeizmittel, die die von der EU verbotenen Gifte Imidacoprid, Thiamethoxam oder Clothianidid enthalten, haben die Behörden seit 2018 Zulassungsbescheide ausgestellt?

a)    Wer hat die Notfallzulassungen beantragt? (Aufgeschlüsselt nach Antragsteller/ Pflanzenschutzmittel/Einsatzgebiet/KuItur.)

b)   Mit welchen Begründungen wurden die Zulassungen erteilt? (Aufgeschlüsselt nach Pflanzenschutzmittel/Einsatzgebiet/Kultur/Mengenbeschränkung und Begründung.)

14. Wurden diese Bescheide für eine Notfallzulassung auf ihre EU-Rechts-Konformität überprüft oder könnten sie gegen EU-Recht verstoßen? Wie beurteilen Sie die Einschätzung der Europäischen Kommission zum Missbrauch von Notfallzulassungen in diesem Zusammenhang?

15. Welche weiteren Anträge auf Notfallzulassung von Pflanzenschutzmitteln bzw. Saatgutbeizmitteln, die die Gifte Imidacoprid, Thiamethoxam oder Clothianidid enthalten, wurden (bis zum Tag der Beantwortung der Anfrage) gestellt?

16. Besteht eine Einschränkung für Notfallzulassungen im Biolandbau?

a.              Wenn ja, wie sieht diese aus?

b.             Wenn nein, ist eine Einschränkung der Notfallzulassungen im Biolandbau geplant? Wie wird diese aussehen? Kommt es zumindest zu einem Verbot von bienengefährlichen Pestiziden im Biolandbau? (Im Jahr 2018 waren drei der durch Notfallzulassungen für den Biolandbau zugelassenen Pestizide als bienengefährlich eingestuft.[I])

17. Wie werden die Auflagen zum Ausbringen der per Notverordnung zugelassenen Neonicotinoide flächendeckend kontrolliert und überprüft?

18. Warum wurde der Forderung der österreichischen Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 nach einer Offenlegung der Zulassungsbescheide für seit April 2018 verbotene Neonicotinoide nicht nachgekommen?

19. Welche Pestizide oder Insektizide werden in Österreich über Notfallzulassungen eingesetzt, die für Bienen gefährlich sind?

20. Können Sie guten Gewissens eine Notfallzulassung für Bienenkiller befürworten, die von der EU verboten wurden?

21. Welchen Zucker raten Sie Österreicherinnen und Österreichern zu kaufen: einen österreichischen, wenn er nach Behandlung der Zuckerrüben mit Neonicotinoiden in den Handel gelangt, oder einen unbehandelten aus dem Ausland?



[I] https://www.erwerbsimkerbund.at/notfallzuIassungen-biolandbau-stark-vertreten+2500+1138750.