3135/J XXVI. GP

Eingelangt am 22.03.2019
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Verfassung‚ Reformen‚ Deregulierung und Justiz

betreffend Strafrechtliche Vermögensabschöpfung

 

In seinem jüngsten Bericht (Reihe Bund 2019/7) zeigte der Rechnungshof große Probleme bei der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung auf. Es zeigt sich insbesondere, dass der Bund hier sinnbildlich bares Geld auf der Straße liegen lässt.

Der RH überprüfte von August bis Oktober 2017 beim Bundesministerium für Inneres und beim Bundesministerium für Justiz die strafrechtliche Vermögensabschöpfung. Der Schwerpunkt der Gebarungsüberprüfung lag beim Bundesministerium für Justiz. In diesem Zusammenhang überprüfte der RH die strafrechtliche Vermögensabschöpfung am Beispiel der Staatsanwaltschaften Graz und Wien; zudem überprüfte er die Verwahrung und Verwertung von Vermögenswerten am Beispiel der Verwahrungsabteilungen bei den Oberlandesgerichten Graz und Wien sowie der Verwahrungsstellen der Landesgerichte für Strafsachen Graz und Wien.

Entsprechend dem Grundsatz „Straftaten sollen sich nicht lohnen“ soll kriminell erwirtschaftetes Vermögen dem Staatshaushalt zufließen. Gemäß § 20 Strafgesetzbuch hat das Gericht zu diesem Zweck Vermögenswerte, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden, für verfallen zu erklären, also „abzuschöpfen“.

Im überprüften Zeitraum stand dem Büro Vermögenssicherung im Innenministerium jedoch zeitweise die Hälfte der Bediensteten nicht zur Verfügung, weil sie entweder karenziert oder in Sonderkommissionen eingesetzt waren. Darüber hinaus waren die zur Verfügung stehenden Bediensteten der Vermögenssicherung in den Landeskriminalämtern zum Teil mit Wirtschaftsermittlungen beschäftigt. Personal fehlte sowohl im Bundeskriminalamt als auch in den Landeskriminalämtern.

Um die Effizienz der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung zu steigern, bildete das Justizministerium im Jahr 2011 die Arbeitsgruppe „Vermögensrechtliche Anordnungen“. Als Ergebnis der Beratungen in der Arbeitsgruppe richtete es ab 1. März 2014 im Probebetrieb „Sonderreferate für vermögensrechtliche Maßnahmen“ bei den Staatsanwaltschaften Graz, Innsbruck, Linz und Wien sowie bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption ein. Mit 1. Jänner 2017 wurde der Probebetrieb in den Regelbetrieb übergeführt; das Justizministerium berücksichtigte dabei jedoch die im Probebetrieb aufgetretenen Mängel und Problemfelder nicht. Weiters verfügte das Justizministerium im überprüften Zeitraum und zur Zeit der Gebarungsüberprüfung über keine Strategien oder konkreten Zielvorgaben für die strafrechtliche Vermögensabschöpfung.

Während im überprüften Zeitraum im Innenministerium die Anzahl der Sicherstellungen zur Sicherung von vermögensrechtlichen Anordnungen von 2.431 im Jahr 2013 auf 2.882 im Jahr 2017 und damit um rd. 19 % stieg, verzeichnete das Justizministerium im selben Zeitraum einen Anstieg bei den vermögensrechtlichen Anordnungen um 132 %.

Im überprüften Zeitraum stiegen bundesweit die für verfallen erklärten Vermögenswerte von rd. 1,70 Mio. EUR (2013) auf rd. 13,84 Mio. EUR (2017); die Einnahmen aus verfallenen Vermögenswerten stiegen von rd. 0,77 Mio. EUR (2013) auf rd. 1,95 Mio. EUR (2017). Die für verfallen erklärten Vermögenswerten (Urteilsdaten) und die tatsächlichen Einnahmen aus verfallenen Vermögenswerten wichen stark voneinander ab:

So betrugen z.B. im Jahr 2015 die für verfallen erklärten Vermögenswerte zwar rd. 10,05 Mio. EUR, jedoch waren nur rd. 0,91 Mio. EUR als Einnahmen aus verfallenen Vermögenswerten verbucht. Die Einbringungsquote liegt somit bei unter 10%. Erst im Zuge der Gebarungsüberprüfung durch den RH stellte das Justizministerium fest, dass teilweise die Einnahmen aus strafrechtlichen Verfallsentscheidungen nicht korrekt verbucht waren. Die verbuchten Einnahmen bildeten jedoch die Grundlage für den 20%–Anteil des Innenministeriums an den für verfallen erklärten Vermögenswerten. Dessen ordnungsgemäße Berechnung war damit aufgrund der Fehlbuchungen nicht sichergestellt.

Bei der Verwahrung von Vermögenswerten zeigte sich, dass die überprüften Verwahrungsabteilungen und –stellen für die Führung der Bücher und Aufzeichnungen zum Teil selbst entwickelte EDV–Anwendungen einsetzten. Da solche „Insellösungen“ auch Probleme, wie beispielsweise in Bezug auf IT–Sicherheit, Datenspeicherung sowie Kompatibilität mit IT–Systemen der Justiz, mit sich bringen können, befasste sich das Justizministerium zur Zeit der Gebarungsüberprüfung mit einem IT–Projekt, dessen Ziel u.a. das Zusammenführen von „Insellösungen“ im Bereich der Verwahrung war. Die gesetzlichen Regelungen sahen ausreichende Kontrollen der Gebarung der Verwahrungsabteilungen und –stellen vor. Die überprüften Verwahrungsabteilungen und –stellen führten die gesetzlich vorgesehenen Kontrollen im überprüften Zeitraum jedoch nicht lückenlos durch.

Auch bei der Verwertung der für verfallen erklärten Vermögensgegenstände zeigten sich Missstände: Das Landesgericht für Strafsachen Wien beauftragte u.a. die österreichweit einzige Auktionshalle, die Auktionshalle des Bezirksgerichts Donaustadt, mit der Durchführung der Verwertung; die Erlöse aus Versteigerungen deckten nur in einem von fünf Jahren die Kosten der Auktionshalle. Die überprüften Landesgerichte für Strafsachen beauftragten nur eine geringe Anzahl an Unternehmen (zumeist nur eines) mit der Verwertung der Vermögensgegenstände. Es lagen zudem keine schriftlichen Rahmenvereinbarungen vor, wie beispielsweise zu den Versteigerungskonditionen. Seit März 2015 übernahm das Kompetenzzentrum Justiz–Auktionen am Oberlandesgericht Innsbruck für ganz Österreich die technische Abwicklung von Versteigerungen über die Justiz–Internetversteigerungsplattform www.justiz­auktion.at; die Erlöse des Kompetenzzentrums Justiz–Auktionen stiegen von rd.116.000 EUR (2015) auf rd. 397.000 EUR (2017).

Die Einbringungsstelle am Oberlandesgericht Wien war österreichweit für alle gerichtlichen Einbringungen im Wege der gerichtlichen Zwangsvollstreckung zuständig. Das jeweilige Gericht hatte der Einbringungsstelle gleichzeitig mit dem vollstreckbaren Zahlungsauftrag bekanntzugeben, über welches Einkommen bzw. Vermögen die bzw. der Zahlungspflichtige verfügte. In der Praxis war dies jedoch nicht sichergestellt. Zudem bestand zwischen der EDV–Anwendung der Einbringungsstelle und dem EDV–Programm HV–SAP keine direkte technische Schnittstelle. Dadurch waren manuelle Eingaben notwendig, die ein erhöhtes Fehlerrisiko mit sich brachten.

Auf Basis seiner Feststellungen hob der RH folgende Empfehlungen an das Justizministerium hervor:

1.    Das Justizministerium sollte hinsichtlich der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung konkrete Strategien und Ziele definieren.

2.    Es sollte den Regelbetrieb zu den Sonderreferaten für vermögensrechtliche Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf die im Probebetrieb aufgezeigten Mängel und Problemfelder, evaluieren.

3.    Es sollte die Abweichungen der für verfallen erklärten Vermögenswerte (Urteilsdaten) von den tatsächlichen Einnahmen aus verfallenen Vermögenswerten analysieren und gegebenenfalls Steuerungsmaßnahmen für eine effektivere strafrechtliche Vermögensabschöpfung setzen.

4.    Es sollte die Zusammenführung der EDV–Anwendungen bei den Verwahrungsabteilungen und –stellen vorantreiben und diesen ein den Aufgaben entsprechendes Verwaltungssystem zur Verfügung stellen.

5.    Es sollte sicherstellen, dass der Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien mit dem vollstreckbaren Zahlungsauftrag alle relevanten Unterlagen zu den sichergestellten bzw. beschlagnahmten Vermögenswerten zur Verfügung gestellt werden.

Um in Erfahrung zu bringen, wie das Ministerium mit den Empfehlungen des Rechnungshofes umgeht, stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgende

Anfrage:

 

1.    Wurden (werden) die vom Rechnungshof geforderten konkreten Strategien und Ziele für die strafrechtliche Vermögensabschöpfung erarbeitet?

a.    Wenn ja, mit welchem Inhalt?

b.    Wenn nein, warum nicht?

2.    Welche Maßnahmen wurden (werden) getroffen, um sicherzustellen, dass die für verfallen erklärten Vermögenswerte auch tatsächlich hereingebracht werden können?

3.    Welche Maßnahmen wurden (werden) getroffen, um Fehlbuchungen bei der Verbuchung der Einnahmen aus strafrechtlichen Verfallsentscheidungen zu vermeiden?

4.    Welche Maßnahmen wurden (werden) getroffen, um die IT-Infrastruktur der Verwahrungsabteilungen und –stellen zu vereinheitlichen?

5.    Welche Maßnahmen wurden (werden) getroffen, um sicherzustellen, dass die Gerichte der Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien alle relevanten Unterlagen zu sichergestellten und beschlagnahmten Vermögenswerten zur Verfügung stellen?

6.    In wie vielen Fällen und in welcher Höhe wurden 2017 und 2018 vermögenssichernde Anordnungen iSd § 110 Abs 1 Z 3 StPO von den Staatsanwaltschaften zur Sicherung des Verfalls getroffen? (Um Aufschlüsselung nach OLG Sprengel wird ersucht.)

7.    In wie vielen Fällen und in welcher Höhe wurden 2017 und 2018 Vermögenswerte gem § 20 Strafgesetzbuch für verfallen erklärt? (Um Aufschlüsselung nach OLG Sprengel wird ersucht.)

8.    In wie vielen Fällen und in welcher Höhe wurden 2017 und 2018 für verfallen erklärte Vermögenswerte zugunsten des Bundes hereingebracht? (Um Aufschlüsselung nach OLG Sprengel wird ersucht.)

9.    Welche Maßnahmen, insbesondere auch in Bezug auf die Personalausstattung, wurden (werden) getroffen, um die Vermögenssicherung durch das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter zu verbessern?

10. Führte (führt) Ihr Ministerium Gespräche mit dem Innenministerium in Bezug auf die Verbesserung der Effizienz der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung insbesondere in Bezug auf eine bessere Vermögenssicherung durch die Kriminalämter?

a.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?