3215/J XXVI. GP

Eingelangt am 28.03.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Jarolim, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend „Langjährige Verbrechen um Zistersdorf und der Unwille/Unfähigkeit zur Klärung“

Seit Jahren werden im Raum Gänserndorf unzählige streng geschützte Greifvögel und andere Tiere durch ungehindert ausgelegte Köder vergiftet. Im Volksmund werden diese Verbrechen sogenannten örtlichen „Vergiftungsjägern“ zugeordnet, welche aufgrund auffälliger Unfähigkeit oder Unwilligkeit der örtlichen Polizei und Jagdverbände seit vielen Jahren ihr Unwesen treiben können.

Das verwendete Gift Carbofuran wirkt auf die Tiere derart, dass sie über lange Zeit andauernde Krämpfe bekommen. Durch eine anschließende Lähmung der Beine und Flügel werden die Vögel flugunfähig und sterben nach einem stundenlangen Todeskampf qualvoll und unter großen Schmerzen. Auch der Einsatz des ebenfalls verwendeten Gifts Furadan führt zu intensiven Schmerzen, da auch die glatte Muskulatur des Darmtraktes betroffen ist. Die Todesfolge wird erst langsam durch die Lähmung der Atemmuskulatur bewirkt. Und auch hier sterben die Tiere nach langen überaus qualvollen Krampfzuständen.

Alleine seit 2016 wurden bis dato nachweislich 36 Vögel umgebracht, die Dunkelziffer wird massiv höher geschätzt.

Bereits im Sommer 2018 gab BirdLife Österreich bekannt, dass „trotz Anzeigen, Polizeiermittlungen und Aufklärungsarbeit das Morden der streng geschützten Tiere munter weitergeht.“

Trotz bereits seit längerem geführter Gespräche mit Naturschutz- und Jagdbehörden sowie in der Politik waren die bisher gesetzten Schritte leider wirkungslos.

In der Bevölkerung wird seit längerem gemutmaßt, dass es der in das Geschehen vor Ort eingeweihten Jägerschaft bei ernst zu nehmender Bemühung - sogar mit Unterstützung durch die örtliche Exekutive (!) - ein Leichtes sein müsste, umgehend aufzuklären, wer die Serie massiver Verbrechen zu verantworten hat. Es wird daher naheliegender Weise auch ebenso gemutmaßt, dass die kriminellen Aktivitäten aus der Jägerschaft selbst stammen oder zumindest unterstützt werden und auch die zum Einsatz gelangenden Mitglieder der Exekutive offenbar nicht mit bestechender Fähigkeit oder entsprechender Intention ausgestattet sind.

Und auch BirdLife Österreich teilte mit, dass „die lokalen Jagdaufsichtsorgane sich zumeist unwissend geben würden und die Kooperationsbereitschaft gering wäre. Vielmehr müssten sie - aufgrund ihrer Erfahrungen aus der Vergangenheit - vermuten, dass die Täter aus den Reihen der Jägerschaft kommen.“

Dass sich die Situation der Greifvögel über die vielen Jahre wenig bis kaum verbessert hat, beweist auch die bereits eingebrachte Anfrage 14036/J vom 6. September 2017, welche am 6. November 2017 vom damaligen Innenminister Sobotka beantwortet wurde (13213/AB). Auf meine Frage „Welche Maßnahmen bzw. Sondermaßnahmen gedenken Sie angesichts der extrem gehäuften kriminellen Aktivitäten durch Vergiftung von streng geschützten Greifvögel und sonstigen Tieren rund um Gänserndorf zu setzen und wann, falls keine warum nicht?“ wurde vom damaligen Innenminister mit auffallendem Unverständnis auf groteske und tatsachenwidrige Weise „beantwortet“: „Zunächst ist festzuhalten, dass keine extreme Häufung in Bezug auf die Tötung von Wildvögeln durch präparierte Köder und die Verwendung des Pestizids Carbofuran gegeben ist.“

Als Sondermaßnahme gab Innenminister Sobotka im November 2017 in der Anfragebeantwortung lediglich an: „Eine entsprechende Kooperation zwischen Polizei und Jagdleitern sowie Jagdaufsehern der betroffenen Reviere, damit unter anderem alle in Frage kommenden Funde von Greifvögeln sowie verdächtige Wahrnehmungen sofort bei der Polizei angezeigt werden“. Diese Antwort lässt die klare Vermutung des Verfassers erkennen, dass hier offensichtlich eine Aufklärung vor Ort nicht angestrebt wird.

Sowohl der WWF als auch die Umweltanwaltschaft forderten im März 2019 richtigerweise die Einsetzung einer externen Jagdaufsicht.

Der WWF dazu: „Die Jagdaufsicht sei in solchen Problemgebieten oft ungeeignet, wie die Vergangenheit gezeigt habe. Daher wären unabhängige Kontrollen dringend notwendig, etwa über befugte Naturwacheorgane oder über eine externe übergeordnete Jagdaufsicht.“

Die Selbstkontrolle durch das Jagdaufsichtssystem rund um den Bezirk Gänserndorf ist - gelinde gesagt - nicht ausreichend, um im Kampf gegen die „Vergiftungsjäger“ wieder Herr der Lage zu werden. Nicht nur wird die grauenvolle Tierquälerei weiterhin nicht ausreichend verfolgt, auch werden Biologen, welche sich intensiv mit den Tieren beschäftigen und beträchtliche Summen an Aufzuchtkosten und Forschungskosten investieren, vom Geschehen ferngehalten. Aus finanzieller Sicht kommen letztlich die österreichischen Steuerzahlerlnnen für die tierquälerischen Taten der Verbrecher um Zistersdorf auf.

Erfreulicherweise gibt die Judikatur des Obersten Gerichtshofes der öffentlichen Hand auch die Möglichkeit „Vergiftungsjäger“ nicht nur zu beträchtlichen Strafen zu verurteilen, sondern ihnen gegenüber auch die Kosten für die durch ihre kriminellen Aktivitäten entstandenen Schäden bei laufenden Aufzuchtprogrammen einbringlich zu machen.

Eine intensive Zusammenarbeit der mäßig aufklärungswilligen örtlichen Jägerschaft mit der Exekutive könnte daher ermittlungstechnische Anhaltspunkte zur Aufdeckung der kriminellen Aktivitäten geben. Erwähnt sei hier, dass bereits der Einsatz von spezialisierten Hunden (also Gifthunde und Hunde, welche Kadaver jeder Tierart und jeden Erhaltungszustandes anzeigen) helfen würde. In Spanien gibt es für diesen Zweck bereits eine eigene Polizeieinheit. Auch werden dort mittels forensischer Methoden die Täter erfolgreich ausgeforscht. Die spanische Spezialeinheit wird bereits in anderen Ländern Europas angefragt und um eine Schulung gebeten. Bei den neuerlichen Vergiftungen in Zistersdorf kamen bereits ausländische Spürhunde zum Einsatz.

Auf Anfrage bestätigte BirdLife, dass auch die Sperre der Bejagung überaus effektiv wäre. Dies wird bereits in Spanien praktiziert; dort sogar über mehrere Jagdperioden! Die befristeten Verbote der Ausübung der Jagd könnte auch in Fällen wie im Bezirk Gänserndorf realisierbar sein; umgekehrt ist es auch möglich Abschüsse gegen den Willen der Jagdaufsicht zu erzwingen, beispielsweise bei drohenden Forstschäden durch Verbiss.

Erforderlich ist jedoch die intensive, ernsthafte Zusammenarbeit zum Wohle der Tiere mittels klassischer Kommunikations- und Erhebungsmittel, damit auch der Widerstand von Teilen der Jägerschaft gegen die Aufklärung der Kriminalakte überwunden werden kann.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher nachstehende


Anfrage

 

1.     Wie viele Fälle von Tötungen von Wildvögeln durch präparierte Köder in Österreich sind Ihnen bzw. Dem BMI je nach Bundesland bekannt? (Bitte um genaue Auflistung!)

a.     Wie oft wurde das Pestizid Carbofuran eingesetzt?

b.     Wie oft wurde das Pestizid Furadan eingesetzt?

2.     Welche ermittlungstechnischen Maßnahmen wurden durch die Exekutivkräfte bei der Begehung derartiger Strafen bis dato eingesetzt und wodurch konnten die erfolgreichsten Zugriffe gesetzt werden? (Bitte um genaue Auflistung!)

3.     Welche Maßnahmen bzw. Sondermaßnahmen gedenken Sie angesichts der mittlerweile gehäuften kriminellen Aktivitäten durch die Vergiftung von streng geschützten Greifvögeln und sonstigen Tieren rund um Gänserndorf zu setzen?

a.    Wann werden die notwendigen Maßnahmen bzw. Sondermaßnahmen gesetzt? (Bitte um genaue Angaben!)

b.    Wenn keine Maßnahmen bzw. Sondermaßnahmen gesetzt werden, bitte um eine ausführliche Antwort, weshalb nicht!

4.     Wurden Ermittlungsverfahren gegen Verdächtige aufgenommen?

a.    Wenn ja, wie viele?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

c.    In wie vielen Fällen wurde ein Jagdschein entzogen?

5.     Ist angedacht eine externe, von der Jägerschaft neutrale, Jagdaufsicht einzusetzen, welche effektiv einen rechtskonformen Zustand herstellen kann?

a.    Wenn ja, wann soll die Einsetzung einer Jagdaufsicht erfolgen und wie?

b.    Wenn nein, wieso nicht?

6.     Ist angedacht Hunde, welche geeignet sind vergiftete Wildtiere und in der Folge auch das Gift selbst zu finden, als Maßnahme gegen die kriminellen Aktivitäten im Bezirk Gänserndorf einzusetzen, aufgrund der Erfolge in Spanien und Ungarn?

a.    Wenn ja, wie viele Hunde werden eingesetzt?

b.    Wenn es zum Einsatz von Hunden kommt, ist angedacht finanziell die Ausbildungskurse der Hundebesitzer zu fördern, bedingt durch die lange und zeitintensive Ausbildung zum Wohle der Gemeinschaft?

c.    Wenn nein, warum nicht?

7.     Ist angedacht eine befristete Sperre der Jagd oder wie in Spanien die Sperre mehrerer Jagdperioden als Maßnahme gegen die kriminellen Aktivitäten im Bezirk Gänserndorf einzusetzen?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?


8.     Ist angedacht die spanischen Behörden, welche Vorreiter im Kampf gegen Vergiftungen von Greifvögeln sind, als ExpertInnen hinzuzuziehen, um so rasch und effektiv wie möglich Greifvögel in Österreich zu schützen?

a.      Wenn ja, wann?

b.      Wenn nein, warum nicht?