3232/J XXVI. GP

Eingelangt am 02.04.2019
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Umsatzsteuerentgang der Republik im Postmarkt

 

Die von der EU via Richtlinie geregelte Öffnung der Postmärkte verpflichtete die Republik Österreich, nationale Regelungen des Postwesens zu erlassen. Das ist in Form des Postmarktgesetzes 2009 auf nationaler Ebene auch geschehen. Darin sind unter anderem die Zuordnung der Sendungen zum Universaldienst enthalten. Dieser Zugang zum Universaldienst soll dem Konsumenten einen günstigen Versand von Postsendungen ermöglichen. Daher ist für Universaldienstsendungen keine Umsatzsteuer zu entrichten. Solche Regelungen finden sich in anderen EU Staaten in ähnlicher Form.

Konkret hat der EuGH im April 2009 eine Entscheidung zur Mehrwertsteuerpflicht von Postdienstleistungen gefällt.

Der österreichische Gesetzgeber hat sich dem Umfang des begünstigten Leistungsspektrums dazu entscheiden, unmittelbar auf Art 3. Abs. 4 der EU PostRL zu verweisen.

Nach § 6 Abs. 2 Postmarktgesetz umfasst der Universaldienst folgende Leistungen:

·        Abholung, Sortierung, Transport und Zustellung von Postsendungen bis 2 kg

·        Abholung, Sortierung, Transport und Zustellung von Postpaketen bis 10 kg

·        Dienste für Einschreib- und Wertsendungen

In den Erläuterungen zu § 6 Abs. 3 des Postmarktgesetzes wird ausgeführt (319 Blg. NR XXIV. GP), dass zum Universaldienst die Leistungen gemäß Abs. 2 nur dann zählen, wenn die Postsendungen bzw. die Pakete bei einer Post-Geschäftsstelle bzw. bei einem "Mobilen Postamt" oder bei einem Landzusteller aufgegeben oder in einen Postbriefkasten eingeworfen wurden.

Damit gelten alle Sendungen, die bei Verteilzentren eingeliefert werden, jedenfalls nicht als Universaldienstleistungen; dazu zählen Massensendungen und dergleichen. Ausdrücklich ausgenommen wurden Zeitungen und Zeitschriften. Diese fallen jedenfalls unter den Universaldienst.

Daraus ergibt sich, dass die bei Verteilzentren eingelieferten Sendungen (ausgenommen Zeitungen und Zeitschriften, soweit deren Bedingungen nicht individuell ausgehandelt worden sind) ab 1.1.2011 generell nicht unter die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 10 lit. b UStG 1994 fallen und daher grundsätzlich steuerpflichtig sind. Dies gilt unabhängig davon, wer der Einlieferer (Auftraggeber) ist (vorsteuerabzugsberechtigter oder nicht vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer; öffentliche Hand; Verein, etc.).

Analog dazu eine Stellungnahme des BMVIT aus dem Jahre 2010 bezugnehmend auf die Frage, welche Dienste gemeint sind, wenn das PMG in § 31 und § 32 Abs. 4 auf „Dienste im Universaldienstbereich" verweist (https://www.bmvit.gv.at/telekommunikation/post/recht/downloads/erlass_begriffe.pdf - Seite 4; letzter Absatz - abgerufen am 20.3.2019): "Bei verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes kommt man zum Ergebnis, dass damit nur Dienste gemäß § 6 Abs. 3 gemeint sein können, also Individualsendungen, die an einem bestimmten Zugangspunkt übergeben werden (C2C). Andere Sendungen (B2B, B2C), wie insbesondere etwa Briefsendungen von Großkunden („Massensendungen") oder Paket-sendungen, die in einem Verteilzentrum eingeliefert oder beim Kunden abgeholt werden, fallen somit nicht unter den Begriff 'Dienste im Universaldienstbereich'."

Folglich soll der Universaldienst gemäß EU-Richtlinie dem Bürger die Umsatzsteuer einsparen und nicht dem Großkunden. Somit wurde es verpflichtend, Umsatzsteuer mit 1.1.2011 für alle Sendungen im B2B und B2C Bereich abzuführen.

Fazit des Ganzen: Gewerbliche Versender sind seit 2011 in der EU umsatzsteuerpflichtig. Eine Auslieferung im Universaldienst dürfte daher von der Österreichischen Post AG nicht angenommen werden, da die steuerfreie Auslieferung im Universaldienst Bürgern vorbehalten ist.

Tatsache ist jedoch, dass die Österreichische Post AG (ÖPAG) im Zuge der Marktliberalisierung für nicht vorsteuerabzugsberechtigte Kunden (Finanzdienstleister, öffentliche Institutionen, NGOs) einen neuen Zugang in „Großfilialen“ (ab 2500 Stück Tagesvolumen) geschaffen hat, die dem Universaldienst zugerechnet werden. Im Übrigen müsste auch für adressierte Werbesendungen (= Info.Mail) Umsatzsteuer entrichtet werden.


Skurrilerweise liefern daher vorsteuerabzugsberechtigte Kunden - wie bisher - in den Verteilzentren ihre Sendungen auf und entrichten dafür auch die Umsatzsteuer. Nicht vorsteuerabzugsberechtigte Kunden, deren Sendungen sich zu den oben erwähnten in keiner Weise unterscheiden, werden ohne Verrechnung der Umsatzsteuer in den Großfilialen angenommen. Der Geschäftskunde kann sich somit frei aussuchen, ob er Umsatzsteuer bezahlt oder nicht, je nach Auflieferort. Die Post wäre jedoch aus den bereits genannten Gründen verpflichtet, den (nicht vorsteuerabzugsberechtigten) Kunden die Mehrwertssteuer zu verrechnen.

Hintergrund dieser Vorgangsweise ist womöglich, dass die Post im Jahr 2011 ohnehin bereits die Preise erhöhen musste (20-Gramm-Einzelbrief von bisher 55 auf 62 Cent -
https://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/636145/62-statt-55-Cent_Post-erhoeht-Porto-fuer-Einzelbrief - abgerufen am 20.3.2019), zu einem Zeitpunkt also, als sie die Richtlinie hätten umsetzten sollen.


Österreich ist damit das einzige EU-Mitglied, in dem Finanzdienstleister, öffentliche Institutionen und NGOs (zufällig all jene, die nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind) keine Mehrwertsteuer für Briefsendungen zahlen. Die Regelung, in "Großfilialen" im Universaldienst aufliefern zu können, scheint doch eindeutig eine Umgehung zu sein.

Dem Staat Österreich entgehen durch die im EU Kontext unrechtmäßig nicht abgeführte Umsatzsteuer Unsummen. Kumuliert seit 1.1.2011 betrachtet, sind das nach eigenen Berechnungen weit mehr als 250 Mio. Euro.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wie bewertet das BMF den Umstand, dass die Österreichische Post AG im Zuge der Marktliberalisierung für nicht vorsteuerabzugsberechtigte Kunden einen neuen Zugang in „Großfilialen“ geschaffen hat, die dem Universaldienst zugerechnet werden?

2.    Wie rechtfertigt das BMF dessen Untätigkeit hinsichtlich des Mehrwertsteuerentgangs auf Briefsendungen (inkl. adressierte Werbesendungen) aufgrund der Nichtverrechnung der Mehrwertsteuer an nicht vorsteuerabzugsberechtigte Kunden?

3.    Wie hoch wird von Seiten des BMF der dadurch entstandene Steuerentgang für die Republik Österreich geschätzt?

4.    Wie hoch war der geschätzte Steuerentgang seit 2011? Bitte um jährliche Auf-  listung für den Zeitraum 2011 - 2018.

5.    Wie bewertet man von Seiten des BMF diesen Missstand?

6.    Welche Schritte werden seitens des BMF gesetzt, um diesen Missstand zu beseitigen?

7.    Wie beurteilt das BMF diesen Umstand aus wettbewerbsrechtlicher Sicht vor dem Hintergrund, dass sich auch Konkurrenten der Post (sofern es welche gäbe) von der Umsatzsteuerpflicht befreien lassen können müssten, wenn sie ihre Dienstleistungen in ganz Österreich anbieten würden?

8.    Sieht das BMF einen möglichen kausalen Zusammenhang zwischen der damals im Zuge der Produktneugestaltungen zwingend notwendig gewordenen Preiserhöhung der Post AG und der Nichtumsetzung der EU-Richtlinie (diese hätte im selben Zeitraum umgesetzt werden sollen)?