3239/J XXVI. GP

Eingelangt am 03.04.2019
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak‚ MA, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für EU‚ Kunst‚ Kultur und Medien

betreffend Unabhängigkeit der Statistik Austria

 

Der Standard berichtete am 12.02.2018, dass die Statistik Austria umgebaut und enger in das Bundeskanzleramt eingebunden werden soll. Dem Bericht zufolge wurde im türkis geführten Kanzleramt unter Leitung des Generalsekretärs Dieter Kandlhofer eine Reformgruppe eingerichtet. Sie soll in den kommenden Monaten das Bundesstatistikgesetz überarbeiten und die Weichen für eine Neuorganisation der Statistik stellen. Künftig soll die Außenkommunikation der Statistik vom Kanzleramt aus koordiniert werden. Nach Einschätzung des Standard ist das "Teil der türkis-blauen Message-Control: Die Regierung will im Zuge der Strategie früh an Informationen gelangen, um diese in der Öffentlichkeit selbst interpretieren und präsentieren zu können." Dies ist aus demokratiepolitischer Sicht äußerst bedenklich. Es kann nicht sein, dass das Bundeskanzleramt bestimmt, wann welche Zahlen und Daten berichtet werden. 

Als fix gilt, dass es an der Spitze der Statistik zu einem Wechsel kommen wird: Der Vertrag von Generaldirektor Konrad Pesendorfer endet Ende 2019 und soll nach Informationen, die dem Standard vorliegen, nicht verlängert werden. Pesendorfer wurde nicht in die Reformgruppe integriert, dafür sitzt die zweite Generaldirektorin der Statistik, Gabriela Petrovic, die für alle kaufmännischen Angelegenheiten des Hauses zuständig ist, in der Reformgruppe. Auch deren Vertrag läuft Ende 2019 aus. Laut dem Standard sollen als erste Maßnahme Abteilungen auf Anordnung von Petrovic umgebaut oder aufgelöst werden. Betroffen von den Änderungen ist unter anderem die Presseabteilung: Dort kümmern sich derzeit acht Mitarbeiter um den öffentlichen Auftritt der Statistik Austria. Künftig sollen es nur noch zwei sein. Zu Kündigungen soll es aber nicht kommen.

Als Teil der internen Umbauarbeiten soll dem Bericht des Standard zufolge außerdem die Abteilung für Analyse aufgelöst werden. Das sorgt auch extern für Debatten: Die Analyseabteilung ist schließlich für die Zusammenarbeit mit externen Einrichtungen verantwortlich, organisiert also die Datenweitergabe an Universitäten und Forschungsinstitute wie das IHS und das Wifo. Für evidenzbasierte Politik, braucht es eine leistungsfähige Forschung zu den Maßnahmen der Politik – die gibt es derzeit aber nicht.

Bei mehr als 50 Millionen Euro jährlich und mehr als 700 Mitarbeiter_innen, die für die Sammlung, Auswertung, Publikation und Speicherung von Statistikdaten herangezogen werden, gäbe es aber auch potential für einen besseren Zugang der Wissenschaft zu statistischen Daten in Österreich, der vergleichweise schlecht ausgestaltet ist. Daten werden zwar gesammelt, aber nur in einem geringen Ausmaß für wissenschaftliche Zwecke und evidenzbasierte Politikberatung verwendet. Nun soll anscheinend das BKA über diese Daten verfügen. Evidenzbasierte Wirtschaftspolitik auf einem wissenschaftlichen Fundament ist oftmals deshalb nicht möglich, weil die österreichische Gesetzeslage hinsichtlich der wissenschaftlichen Nutzung von Statistikdaten sehr restriktiv ist. Daran ändert auch die Zwischenschaltung des BKA nichts. Ganz im Gegenteil. Eine mögliche Lösung dieses Problems wäre viel einfacher und liegt, in Form eines Initiativantrags (60/A XXVI. GP), seit längerem im Parlament vor: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00060/fname_679810.pdf Mit diesem Lösungsvorschlag werden die Voraussetzungen für eine nationale Forschungsinfrastruktur geschaffen, die einen entscheidenden Mehrwert für Politik, Gesellschaft und den Forschungsstandort ermöglichen sollen.

Inzwischen sind weitere Details bekannt geworden, etwa, dass Dr. Pesendorfer den Projektgruppen zur Reform der Statistik Austria gar nicht angehört oder auch die drastische Verkleinerung der Presseabteilung. (https://derstandard.at/2000100035180/Kampf-um-Statistik-Austria-eskaliert)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Warum wird die Stabstelle für Analyse geschlossen und damit 33 momentan laufende Reformprojekte gestoppt?

2.    Eines der gestoppten Projekte befasste sich mit dem Aufbau eines Data Warehouse, das essentiell für den Austausch zwischen den Abteilungen ist und auch zukünftig wichtig für den Zugang zu Daten für die Forschung ist. Wird dieses Projekt nun völlig auf Eis gelegt oder wird es fortgeführt?

3.    Wie sehen Sie die zukünftige Rolle der Statistik Austria als Agentur, die verstärkt Daten für die Wissenschaft bereitstellen soll?

4.    Halten Sie die Verkleinerung der Presseabteilung von acht auf zwei Personen im Sinne der Kommunikation nach außen für sinnvoll?

5.    Wie ist die Projektbeschreibung, konkret dass Dr. Pesendorfer nicht den Projektgruppen angehört, mit §38(4) Bundesstatistikgesetz vereinbar?

6.    Weswegen ist hingegen die kaufmännische Leiterin der Statistik Austria, Gabriela Petrovic, in den Reformgruppen vertreten?

7.    Ist das BKA überhaupt befugt, Reformprojekte dieser Art anzustoßen? Die Zuständigkeiten zur Aufsicht sind in §53 geregelt.