3276/J XXVI. GP

Eingelangt am 05.04.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Landesverteidigung

betreffend „Unterwanderung des österreichischen Bundesheeres durch rechtsextreme Organisati­onen, insbesondere durch die Identitäre Bewegung Österreich"

Begründung

Nach der Schändung einer Moschee durch Identitäre und Rechtsextreme am 5. Mai 2016 wurden alle Mitglieder der Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) vom Abwehramt (AA) mit einem Sperrvermerk für die Miliz versehen. Durch diesen Sperrvermerk wurden die Mitglieder der rechtsextremen IBÖ von Waffenübungen des österreichischen Bundesheeres und vom Milizdienst ausgeschlossen.

Im Verfassungsschutzbericht 2017 des BVT wurde die Identitäre Bewegung als „als wesentlicher Trä­ger des modernisierten Rechtsextremismus" bezeichnet.[1] Auch das renommierte Dokumentationsar­chiv des österreichischen Widerstands (DÖW) beschreibt die IBÖ als „offen rechtsextrem“.[2] In den letzten Tagen wurde bekannt, dass ein Ermittlungsverfahren gegen die IBÖ wegen des Verdachts der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung 278b StGB) eröffnet wurde.[3] Die Identitäre Bewe­gung Österreich steht nun im Verdacht in Kontakt mit internationalen rechtsextremen Terrorzellen zu stehen.

Wie am 4. April 2019 bekannt wurde, hat das österreichische Bundesheer unlängst die interne An­weisung betreffend den Umgang mit Mitgliedern und Unterstützern der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich erheblich gelockert:

So sei am 29. Jänner 2019 eine dienstliche Weisung an die Mitarbeiter des Abwehramtes im Bun­desministerium für Landesverteidigung ergangen. Ihr Inhalt: die seit 2016 geltende Anordnung, dass Mitglieder der Identitären einen Sperrvermerk für die Miliz erhalten und daher nicht mehr an Waf­fenübungen teilnehmen dürfen, wird aufgehoben. Das bedeutet, dass SoldatInnen, die Mitglieder der Identitären Bewegung sind, seither nicht mehr automatisch mit einem Sperrvermerk oder der Entorderung zu versehen sind und wieder Zugang zu Waffen und umfassenden militärischen Infor­mationen des österreichischen Bundesheeres erhalten. [4]

 

Angesichts der jüngsten Enthüllungen über die Verbindungen des Neuseeland-Attentäters nach Ös­terreich und dessen Spende an Martin Sellner (Leiter der Identitären Bewegung Österreich) sowie über das rechtsextreme Netzwerk, das sich in geheimen Gruppenchats über den kommenden „Tag X“ austauschte, erscheint die interne Anweisung bezüglich dem Umgang mit IBÖ-Mitgliedern nicht trag­bar und stellt eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich dar.

 

Die Verbindungen des rechtsextremen Netzwerks nach Österreich sind vielfältig: So wird beispiels­weise vermutet, dass Mitglieder des „Tag X" - Netzwerks auch Mitglieder des Vereins „Milf-O" sind, welcher als wehrpolitischer Verein anerkannt ist. Wehrpolitische Vereine haben Zugang zu den Res­sourcen des Bundesheeres und dürfen zB Treffen in Kasernen abhalten. Laut Medienberichten wollte der Verein sich eigentlich schon im Jahr 2012 als wehrpolitischer Verein konstituieren, zog den An­- trag dann aber wieder zurück. Sechs Monate nach der Amtsübernahme durch Mario Kunasek erhielt der Verein am 25. Mai 2018 den Status eines wehrpolitischen Vereins.[5]

Nach wie vor ist unklar, welche Rolle die Identitäre Bewegung Österreich im sog. „Tag X"- Netzwerk spielt. Feststeht jedenfalls, dass die rechtsextreme IBÖ gute Kontakte zur FPÖ-Regierungsspitze un­terhält, insbesondere zu Vizekanzler Strache und Verteidigungsminister Kunasek: So trafen sich Stra- che und Kunasek im Jahr 2015 in Spielfeld im Lokal „Las Legas“ von Werner Legat (Identitären-Fan  und einschlägig bekannter Rechtsextremer) mit dem Leiter der Identitären Steiermark und diversen Mitgliedern.[6]

Dass der Verteidigungsminister nunmehr den Sperrvermerk für Identitäre aufheben lässt und diese ganz legal an allen Einsätzen und Waffenübungen des österreichischen Bundesheeres teilnehmen dürfen, heißt nichts anderes als:

Unter Parteiobmann-Stellvertreter Kunasek dürfen Identitäre nicht Mitglieder der FPÖ sein.

Unter Verteidigungsminister Kunasek dürfen Identitäre an Waffenübungen des Bundesheeres teil­nehmen.

 

Aus all diesen Gründen stellt sich die Frage, ob der Bundesminister für Landesverteidigung tatsäch­lich in der Lage und vor allem Willens ist, seinen Auftrag das österreichische Bundesheer vor einer rechtsextremen Unterwanderung zu schützen, zu erfüllen.

Daher richten die unterzeichnenden Abgeordneten an den Bundesminister für Landesverteidigung folgende

Anfrage:

1.              Von wem und wann wurde die Anweisung erteilt, den Sperrvermerk für Mitglieder der rechts­extremen IBÖ aufzuheben?

2.               Hat Ihr Generalsekretär Wolfgang Baumann die betreffende Weisung erteilt?

3.              Welche Personen waren in den Entscheidungsprozess, die Weisung zu erteilen, eingebunden?

4.              Waren Sie persönlich in diesen Entscheidungsprozess eingebunden?

 

5.              Wurden Sie von der betreffenden Weisung zeitnah in Kenntnis gesetzt?

a.       Falls nein, wann haben Sie von der Weisung erfahren?

b.       Falls nein, welche Konsequenzen hat dies für jene Person, die die Weisung erteilt hat?

6.              Mit welcher Begründung wurde die Weisung, den Sperrvermerk für Mitglieder der rechtsext­remen IBÖ aufzuheben, erteilt?

 

7.              Was ist der genaue Wortlaut der Weisung?

8.              Weshalb wurde eine Weisung erteilt, die im Widerspruch mit den Erkenntnissen des Verfas­sungsschutzberichts 2017 des BVT steht?

9.              Wurden, bevor die Weisung erteilt wurde, Informationen über die rechtsextreme Identitäre Bewegung vom BVT oder anderen Nachrichtendiensten und Sicherheitsbehörden eingeholt?

a.       Falls ja, bei welchen Behörden und wann wurden diese Informationen eingeholt?

b.       Falls ja, welche Informationen wurden Ihrem Ministerium über die rechtsextreme IBÖ mitgeteilt?

c.        Falls nein, weshalb nicht?

10.          Wie viele Angehörige des österreichischen Bundesheeres sind zum Stichtag 4.4.2019 mit ei­nem Sperrvermerk versehen?

a.       Wie viele Personen davon sind oder waren Mitglieder der rechtsextremen IBÖ?

b.       Wie viele Personen davon sind oder waren Mitglieder einer anderen rechtsextremen Vereinigung?

c.        Wie viele Personen davon sind aufgrund ihrer rechtsextremen Gesinnung mit einem Sperrvermerk versehen?

d.       Wie viele Personen davon sind oder waren Mitglieder einer linksextremen Vereini­gung?

e.        Wie viele Personen davon sind aufgrund ihrer linksextremen Gesinnung mit einem Sperrvermerk versehen?

f.         Wie viele Personen davon sind aufgrund einer religiös extremistischen Gesinnung mit einem Sperrvermerk versehen?

11.           Wie viele Angehörige des österreichischen Bundesheeres waren zum Stichtag der Weisung mit einem Sperrvermerk versehen?

a.       Wie viele Personen davon sind oder waren Mitglieder der rechtsextremen IBÖ?

b.       Wie viele Personen davon sind oder waren Mitglieder einer anderen rechtsextremen Vereinigung?

c.        Wie viele Personen davon sind aufgrund ihrer rechtsextremen Gesinnung mit einem Sperrvermerk versehen?

d.       Wie viele Personen davon sind oder waren Mitglieder einer linksextremen Vereini­gung?

e.        Wie viele Personen davon sind aufgrund ihrer linksextremen Gesinnung mit einem Sperrvermerk versehen?

f.         Wie viele Personen davon sind aufgrund einer religiös extremistischen Gesinnung mit einem Sperrvermerk versehen?

12.          Wie viele Mitglieder der rechtsextremen IBÖ haben seit Erteilung der Weisung wieder Dienst an der Waffe versehen?

13.           Wie viele Mitglieder der rechtsextremen IBÖ haben seit Erteilung der Weisung an militärischen Übungen teilgenommen?

14.           Wie viele Mitglieder der rechtsextremen IBÖ haben seit Erteilung der Weisung an militärischen Ausbildungen teilgenommen?

 

15.           Wie viele Mitglieder der rechtsextremen IBÖ haben seit Erteilung der Weisung Zugang zu mili­tärischen Einrichtungen erhalten?

16.           Können Sie ausschließen, dass Mitglieder der rechtsextremen IBÖ für das Abwehramt oder das Heeresnachrichtenamt arbeiten?

17.          Wie viele Vereine sind zum Stichtag 4.4.2019 als wehrpolitische Vereine anerkannt? (Bitte um Auflistung nach Anerkennungszeitpunkt und unter Anführung des Vereinsnamens samt ZVR- Nummer.)

18.          Wie viele und welche Vereine wurden während Ihrer Amtszeit als wehrpolitische Vereine an­erkannt? (Bitte um Auflistung nach Anerkennungszeitpunkt und unter Anführung des Vereins­namens samt ZVR-Nummer.)

19.          Wie vielen und welchen Vereinen wurde während Ihrer Amtszeit der Status als wehrpolitischer Verein aberkannt?

a.       Falls es Vereine gab, denen der Status als wehrpolitischer Verein aberkannt wurde: Aus welchen Gründen geschah dies? (Bitte um Auflistung nach Verein.)

20.          Welche Leistungen wurden in Ihrer Amtszeit von Seiten des Bundesheeres an wehrpolitische Vereine erbracht?

a.       Welchen monetären Wert hatten diese Leistungen?

b.       In welchem Ausmaß wurden diesen Vereinen Infrastruktur, Liegenschaften und/oder Fahrzeuge überlassen?

21.           Welche Sicherheitsüberprüfungen wurden von Seiten Ihres Ministeriums -vor Anerkennung des Vereins „Milf-O" als wehrpolitischer Verein - durchgeführt oder veranlasst?

a.       Wurden dabei alle Mitglieder des Vereins sicherheitsüberprüft?

i.      Wenn ja, was ergaben diese Sicherheitsüberprüfungen?

ii.    Wenn nein, weshalb nicht?

22.           Wurde der wehrpolitische Verein „Milf-O“ nach Bekanntwerden der Vorwürfe rund um das Netzwerk zum „Tag X" einer neuerlichen Sicherheitsüberprüfung unterzogen?

23.           Ist Ihnen bzw. dem Ministerium bekannt, ob Mitglieder des Vereins „Milf-O“ auch der rechts­extremen IBÖ angehören?

a.      Wenn ja, wie viele Mitglieder des Vereins „Milf-O“ gehören auch der IBÖ an?

b.       Wenn nein, wurden eventuelle rechtsextreme Hintergründe der Mitglieder des Ver­eins IBÖ von Seiten des Ministeriums überprüft?

24.           Wurde dem Verein „Milf-O“ zwischenzeitig der Status als wehrpolitischer Verein aberkannt?

a.       Wenn ja, wann wurde dem Verein der Status aberkannt?

b.       Wenn ja, aus welchen Gründen wurde dem Verein der Status aberkannt?

c.        Wenn nein, weshalb nicht?

 

25.           Ist - durch das Bekanntwerden der Verbindungen des globalen rechtsextremen Netzwerkes zum „Tag X" - geplant alle wehrpolitischen Vereine einer erneuten militärischen Sicherheits­überprüfung zu unterziehen?

a.       Wenn ja, wie wird diese Überprüfung von Statten gehen und welcher Zeithorizont ist vorgesehen?

b.       Wenn nein, weshalb nicht?

26.          Welche weiteren Maßnahmen werden Sie ergreifen, um das Bundesheer vor rechtsextremen Einflüssen zu schützen?


 

 



[1] https://www.bvt.gv.at/bmi_documents/2202.pdf (4.4.2019).

[2] http://www.doew.at/erkennen/rechtsextremismus/rechtsextreme-organisationen/identitaere-bewegung-oesterreich-

iboe (4.4.2019).

[3] https://derstandard.at/2000100266183/Alte-und-neue-Verfahren-gegen-Identitaere (4.4.2019).

[4] https://derstandard.at/2000100802668/Heer-sieht-identaere-Soldaten-nach-interner-Anweisung-nicht-als-Problem

(4.4.2019).

[5] https://derstandard.at/2000100056406/Mitglieder-von-Tag-X-Netzwerk-waren-in-Oesterreich-zum-Schiessen (4.4.2019).

[6] https://kontrast.at/strache-identitaere-fussi-foto/ (4.4.2019).