3297/J XXVI. GP

Eingelangt am 09.04.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz
betreffend „Der Immunitätsfall Hafenecker"

Begründung

Die Staatsanwaltschaft St. Pölten hat am 27.11.2018 einen Antrag auf Aufhebung der Immunität des FPÖ Abgeordneten Christian Hafenecker gestellt, weil dieser im Verdacht steht, das Vergehen der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1 StGB) begangen zu haben. Nach Behandlung des Antrags im Im­munitätsausschuss wurde dieser in der 57. Sitzung des Nationalrates (XXVI. GP) mit Mehrheitsbe­schluss abgelehnt, weil FPÖ und ÖVP der Ansicht waren, dass ein Zusammenhang zwischen der be­haupteten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des FPÖ-Abgeordneten Christian Ha­fenecker bestehe (vgl. Nationalrat, XXVI. GP, 57. Sitzung vom 13.12.2018, TOP 27; 474 BlgNR XXVI. GP).

Inhaltlich betrifft die Strafsache folgenden Sachverhalt:

Hafenecker war laut Medienberichten Administrator einer WhatsApp-Gruppe bestehend aus rund 25 FP-Funktionären und FP-Mitgliedern aus dem Bezirk Lilienfeld. In dieser Gruppe sollen ausschließ­lich Informationen zu Straftaten und Anzeigen von Asylwerbern verschickt worden sein, weshalb Ermittlungen gegen einen in der Gruppe aktiven Polizisten wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch eingeleitet wurden.[1] Im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen wurde dem zuständigen Sachbear­beiter auch eine Whatsapp Nachricht des FPÖ-Abgeordneten Hafenecker übermittelt, welche dieser am 12.9.2018 an Herbert E. sendete:

„Hallo Herbert, was du gegen unsere Bezirksgruppe abgezogen hast, ist an Niedertracht kaum zu überbieten, da hast in mur (gemeint wohl „mir") nun einen richtigen Freund ge­funden. Ich werde mich nun gerne und intensiv, natürlich auch medial mit deinen ver­schiedenen Geschäften auseinandersetzen. LG Christian"

Herbert E. ist in der niederösterreichischen Politik kein Unbekannter. Er verfügt über ein weit ver­zweigtes Firmennetzwerk und ist einer der größten Asylquartiergeber des Bundeslandes. Zeitweise wurde sein Unternehmen, SLC-Europe/SLC-Asylcare, für die Unterbringung der Hälfte aller Grundver­sorgungsbezieher und -bezieherinnen in Niederösterreich bezahlt und beriet nebenbei Gemeinden beim Aufbau von Unterkünften für Asylwerber.[2] In diesem Zusammenhang kam es auch immer wie­der zu negativen Schlagzeilen bezüglich der von seinen Firmen betriebenen Asylquartiere.[3]

 

Herbert E. war indirekt auch in den Skandal rund um das Asylquartier in Drasenhofen verwickelt. Diese Unterkunft wurde von der „ASOB Asyl Sonderbetreuungs GmbH“ betrieben. Deren Geschäfts­führer und Alleingesellschafter (über ein ihm zuzuordnendes Unternehmen) war bis zum 14.11.2018 - also bis kurz vor Inbetriebnahme des Quartiers in Drasenhofen - Herbert E. Im November 2018 wurde die Firma von Ex-SPÖ Bürgermeister Christian Kogler übernommen, der bereits im Jänner 2016 in das Firmennetzwerk von Herbert E. einstiegen war und dort die Geschäftsführung der SLC Asylcare GmbH übernahm.[4]

Wie aus dem Artikel des FPÖ-nahen Mediums unzensuriert.at hervorgeht, war Herbert E. dem FPÖ- Abgeordneten Hafenecker aber bereits im Jahr 2015 ein Dorn im Auge. So berichtet unzensuriert.at unter dem Titel „ 'Mastermind' der NÖ-Asylindustrie: Wie man mit Problemfällen gute Geschäfte macht", dass Hafenecker schon damals „die Machenschaften" des Herbert E. in Kooperation mit dem Land Niederösterreich als „äußerst lukrativen Geschäftszweig“ aufgedeckt habe. Laut unzensuriert.at versprach Hafenecker schon im Herbst 2017 die Entwicklungen in Lilienfeld im Asylbereich genau zu beobachten und „gegebenenfalls Aktionen“ zu setzen.[5] Der Asylquartierbetreiber ist inzwischen zah­lungsunfähig.[6]

Im Rahmen der parlamentarischen Debatte über die Aufhebung der Immunität von Hafenecker hielt der FPÖ-Abgeordnete Rosenkranz in seiner Rede fest: „Es ist nur folgerichtig, dass ein politischer Zusammenhang besteht, weil es Aufgabe eines Abgeordneten ist, dass er sich intensiv und auch me­dial mit verschiedenen Geschäften auseinandersetzt, wenn es um Steuergeldmissbrauch geht. (...) Das ist die Aufgabe: politischer Zusammenhang - keine Auslieferung!" (Vgl. Nationalrat, XXVI. GP, 57. Sitzung vom 13.12.2018, TOP 27, 474 BlgNR XXVI. GP)

Festzuhalten ist daher, dass ÖVP und FPÖ einen politischen Zusammenhang zur Abgeordnetentätig­keit sehen, wenn sich ein NR-Abgeordneter in einer WhatsApp-Gruppe über Straftaten und Anzeigen von Asylwerbern informieren lässt und in diesem Zusammenhang mutmaßliche Drohungen gegen Betreiber von Asylquartieren ausspricht.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.              Hat der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker eine Anzeige gegen Herbert E. oder ein ihm zuzuordnendes Unternehmen bei der Staatsanwaltschaft eingebracht?

a.       Wenn ja, wann wurde diese Anzeige eingebracht und welchen Inhalt hatte die Anzei­ge?

b.       Wenn nein, hat der FPÖ-Abgeordnete Hafenecker der Staatsanwaltschaft dargelegt, weshalb er bezüglich dem vermutetem Steuergeldmissbrauch keine Anzeige einge-bracht, sondern sein Wissen zu seinem persönlichen Vorteil und als Druckmittel ge-gen Herbert E. eingesetzt hat?

2.              Hat der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker die Staatsanwaltschaft informiert, bei welchen konkreten Geschäften des Herbert E. er Steuergeldmissbrauch vermutet?

3.              Hat der FPÖ-Abgeordnete Walter Rosenkranz die Staatsanwaltschaft informiert, bei welchen konkreten Geschäften des Herbert E. er Steuergeldmissbrauch vermutet?

4.              Hat der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker die Staatsanwaltschaft darüber in Kenntnis gesetzt, weshalb er sich über Straftaten und Anzeigen, die ausschließlich Asylwerber betreffen, informieren lässt und in welchem Zusammenhang dies zu seiner Abgeordnetentätigkeit steht?

5.              Hat der FPÖ-Abgeordnete Christian Hafenecker die Staatsanwaltschaft darüber informiert, inwiefern der Tatbestand der gefährlichen Drohung in Zusammenhang mit der vom FPÖ- Abgeordneten Rosenkranz geltend gemachten Kontrollfunktion des Parlaments steht?

6.              Wurden andere Anzeigen gegen Herbert E. oder ein ihm zuzuordnendes Unternehmen bei der Staatsanwaltschaft eingebracht?

a.       Wenn ja: Wurden diese Anzeigen nach dem 12.9.2018 eingebracht?

b.       Wenn ja: Wurden diese Anzeigen von anderen Mitgliedern der FPÖ Niederösterreich eingebracht?

c.       Wenn ja: Wurden diese Anzeigen von anderen Mitgliedern der Bezirksgruppe Lilien­feld eingebracht?

d.       Wenn ja: Welchen Inhalt hatten diese Anzeigen?

e.       Wenn ja: Welchen Zeitraum decken die in den Anzeigen geschilderten Sachverhalte ab?

f.        Wenn ja: Was ist der Stand der Ermittlungen?

g.       Wenn ja: Wurde der Abgeordnete Hafenecker in Bezug auf diese Ermittlungen be­reits einvernommen?

7.              Was ist der Stand der Ermittlungen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauches gegen den oben erwähnten Polizisten?

a.       Wurde der Abgeordnete Hafenecker im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen be­reits einvernommen?

i.      Wenn ja: Was war das Ergebnis seiner Einvernahme?

ii.     Wenn nein: Weshalb nicht?

b.       Wurden andere Mitglieder der oben erwähnten WhatsApp Gruppe bereits einver­nommen?

i.      Wenn ja: Was war das Ergebnis der jeweiligen Einvernahmen?

ii.      Wenn nein: Weshalb nicht?

 



[1] Vgl. Heute: Handy aus Asyl-Handy-Gruppe der FPÖ konfisziert. Unter:

https://m.heute.at/oesterreich/niederoesterreich/story/58773540 (2.4.2019).

[2] Vgl. Puchner, Johannes: Der Landesrat für Desintegration. In asyl aktuell 2/2018, 8.

[3] Vgl. NÖN: Region Herzogenburg, Heimat für 1.000 Flüchtlinge. Unter:

https://www.noen.at/herzogenburg/region-herzogenburg-heimat-fuer-1-000-fluechtlinge-asyl-biomin-gelaende-125481302 (2.4.2019); NÖN: Heftige Kritik der Situation der Flüchtlingsunterkunft. Unter: https://www.noen.at/amstetten/mauer-heftige-kritik-der-situation-der-fluechtlingsunterkunft-fluechtlingsunterkunft-mauer-anton-ebner-christian-kogler-slc-europe-bruno-weber-72864201 (2.4.2019).

[4] Vgl. Kurier, Bürgermeister wird zu Manger. Unter:

https://kurier.at/chronik/niederoesterreich/buergermeister-wird-zu-manager/168.617.169 (2.4.2019).

[5] https://unzensuriert.de/content/0026055-IVIastermind-der-NOe-Asvlindustrie-Wie-man-mit-Problemfaellen-gute-Geschaefte-macht (2.4.2019).

[6] Vgl etwa der Standard, Niederösterreichischer Asylquartierbetreiber mit 56 Standorten pleite: https://derstandard.at/2000098331078/Niederoesterreichischer-Asylquartierbetreiber-mit-56-Standorten-pleite (2.4.2019).