3316/J XXVI. GP

Eingelangt am 11.04.2019
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Verfassung‚ Reformen‚ Deregulierung und Justiz

betreffend Einstellung von Strafverfahren wegen Falschaussagen vor dem BVT-Untersuchungsausschuss

 

Anlässlich der Befragung der Auskunftsperson OStA Mag. Wolfgang Handler am 2. April 2019 durch den "BVT-Untersuchungsausschuss" machte die Erstanfragestellerin die Tatsache bekannt, dass die Strafverfahren wegen Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuss (§ 288 Abs 1 und 4 StGB) gegen GS Mag. Peter Goldgruber, Dr. Udo Lett, StA Mag. Ursula Schmudermayer, OStA Mag. Wolfgang Handler sowie die drei Hauptbelastungszeugen im Verfahren 6 St 2/18f der WKStA gemäß § 35c StAG auf Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien eingestellt wurden. Die Oberstaatsanwaltschaft leitete nicht einmal das Ersuchen der Staatsanwaltschaft an die Parlamentsdirektion um Übermittlung der Protokolle weiter. Es wurden daher nicht einmal die Protokolle der Befragungen beigeschafft (https://diepresse.com/home/innenpolitik/5606059/BVT_Keine-Ermittlungen-gegen-Goldgruber-Lett-Schmudermayer).

Gegenüber der "Presse" begründete der Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft Wien diese Vorgehensweise wie folgt: "Die anonyme Anzeige beruht auf der bloßen pauschalen Bezichtigung, dass diese Personen gelogen haben. Worin sich das zeigt, wurde nicht weiter ausgeführt.“ 

Gemäß § 35c StAG darf von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen werden, wenn kein Anfangsverdacht besteht. § 2 StPO regelt das Prinzip der Amtswegigkeit (Offizialprinzip), also die Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden zur Aufklärung von zur Kenntnis gelangter Anfangsverdachtslagen.

Die Nicht-Annahme eines Anfangsverdachtes im konkreten Fall ist nicht nachvollziehbar. Auch wenn die Anzeige, wie seitens der Oberstaatsanwaltschaft Wien vorgebracht wurde, lediglich pauschale Bezichtigungen beinhalten möge, so kann von den Strafverfolgungsbehörden doch erwartet werden, dass zumindest die (sehr intensive!) Medienberichterstattung zum Thema Widersprüche im BVT-Verfahren beobachtet wird.

Medial besonders intensiv wurde zu den Widersprüchlichkeiten zwischen den Aussagen von GS Goldgruber im Rahmen seiner Befragungen durch den Untersuchungsausschuss und den Aufzeichnungen der fallführenden Staatsanwältin in ihrem Tagebuch berichtet. Während die Staatsanwältin in letzterem vermerkte, GS Goldgruber habe ihr gegenüber u.a. angegeben, er habe von BM Kickl den Auftrag im BM.I "aufzuräumen", bestritt der Generalsekretär des BM.I im Untersuchungsausschuss dazu befragt vehement, eine solche Aussage jemals getätigt zu haben (https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/1000344-Habe-nie-den-Auftrag-erhalten-irgendwo-aufzuraeumen.html). 

Aber auch in zahlreichen anderen Fällen gab es medial breit diskutierte Widersprüchlichkeiten zwischen Aktenlagen bzw. den Aussagen verschiedener Auskunftspersonen. 

So listet etwa die Presse in ihrem Artikel "Wo sich in der Causa BVT Widersprüche finden lassen" vom 14.11.2018 nicht weniger als 24 exemplarische Widersprüche zwischen Akten, Anfragebeantwortungen und Aussagen von Auskunftspersonen auf (https://diepresse.com/home/5529755/Wo-sich-in-der-Causa-BVT-Widersprueche-finden-lassen).

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Welchen Inhalt hatte die anonyme Anzeige wegen Falschaussagen vor dem Untersuchungsausschuss hinsichtlich welcher die OStA Wien die Weisung erteilte, von der Einleitung eines Verfahrens nach § 35 StAG abzusehen? (um möglichst detaillierte Wiedergabe wird gebeten!)

2.    Wann langte diese Anzeige bei der Staatsanwaltschaft ein?

3.    Gegen welche Personen richtete sich diese Anzeige?

4.    Wurde seitens der ermittelnden Staatsanwaltschaft die Beischaffung der Protokolle der medienöffentlichen Sitzungen des BVT-Untersuchungsausschusses in die Wege geleitet?

a.    Wenn nein: warum wurde davon Abstand genommen?

5.    Wurden seitens der ermittelnden Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang irgendwelche sonstigen Ermittlungshandlungen gesetzt?

a.    Wenn ja: welche zu jeweils welchem Zeitpunkt?

b.    Wenn nein: warum nicht?

6.    Gab es weitere Anzeigen in Zusammenhang mit Falschaussagen vor dem BVT-Untersuchungsausschuss?

a.    Wenn ja: vom wem stammten diese, welchen Inhalt hatten diese, wann langten sie bei der Staatsanwaltschaft ein und welche Ermittlungsschritte wurden bisher gesetzt?

7.    Welche Schritte setzten die Strafverfolgungsbehörden in Zusammenhang mit den zahlreichen Medienberichten zum offenen Widerspruch zwischen Vermerken der Staatsanwältin in ihrem Tagebuch und den Aussagen von GS Goldgruber im Rahmen seiner Befragung durch den BVT-Untersuchungsausschuss (Goldgruber bestritt u.a., von BM Kickl den Auftrag erhalten zu haben, im BM.I "aufzuräumen")?


8.    Welche Schritte setzten die Strafverfolgungsbehörden in Zusammenhang mit den zahlreichen Medienberichten zu Widersprüchlichkeiten zwischen den Aussagen von GS Goldgruber und anderen Auskunftspersonen in Zusammenhang mit Fragen des Generalsekretärs zum Einsatz verdeckter Ermittler im rechtsextremen Milieu?

9.    Welche Schritte setzten die Strafverfolgungsbehörden in Zusammenhang mit dem Artikel in der Tageszeitung "Die Presse" vom 14.11.2018 mit dem Titel "Wo sich in der Causa BVT Widersprüche finden lassen", in welchem 24 Widersprüche aufgezählt sind?