3390/J XXVI. GP

Eingelangt am 24.04.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betreffend Meldegesetz und die App "Digitales Amt"

Die App "Digitales Amt" für Smartphones und Tablets soll den Nutzern Amtswege beim Bund erleichtern. Eine durchaus unterstützenswerte Maßnahme, die dabei hel-fen kann, Bürokratierückbau zu betreiben und im Endeffekt das Leben von Bürgern und Bürgerinnen erleichtert. Bundesministerin Schramböck äußerte sich dazu bei der Auftaktveranstaltung wie folgt: [1]

Auf Bundes-, Länder- oder Gemeindeebene gibt es oftmals sehr unterschiedliche Rege­lungen und technische Voraussetzungen. Wir wollen aus diesem Fleckerlteppich ein einheitliches Muster bauen, um die Verwaltung innovativer, serviceorientierter und bürgernäher zu gestalten. Um Österreich zu einer der führenden Digital-Nations in Europa zu machen, braucht es den Reformprozess „Digitales Amt". Digitalisierung ist die Revolution unseres Jahrhunderts. Sie vereinfacht unser tägliches Leben, beschleu­nigt Abläufe und schafft Innovationen.

So stehen etwa für Wohnsitzänderungen schon die ersten Funktionen bereit. Ohne Besuch am Meldeamt ist es möglich, den Hauptwohnsitz ab- bzw. neu anzumelden. Leider wurde im Rahmen der Implementierung nicht an alle Eventualitäten gedacht, obwohl in den Stellungnahmen zum Entwurf des GZ BMDW-61.002/001 0- 111/4/2018 bereits auf mögliche Problematiken hingewiesen wurde:

So schrieb in etwa die Volksanwaltschaft: [2]

Die Verordnung des Bundesministers für Inneres über die Durchführung des Meldege­setzes (Meldegesetz-Durchführungsverordnung - MeldeV) in der geltenden Fassung BGBl II Nr. 104/2018 enthält derzeit in § 18 nur für die Abmeldung unter Verwendung der Funktion der Bürgerkarte Bestimmungen, nicht jedoch für die Anmeldung oder Ummeldung.

Der Volksanwaltschaft sind in jüngerer Vergangenheit mehrere Fälle bekannt gewor­den, in denen sich Personen ohne Wissen und Willen des Haus- bzw. Wohnungseigen­tümers angemeldet haben. Aufgefallen sind diese Meldungen erst durch Zufälle, etwa durch die Zustellung behördlicher Schriftstücke oder Vorsprachen der Haus- bzw. Wohnungseigentümer bei der Meldehörde, um eine melderechtliche Änderung (in ei-gener Sache) vornehmen zu lassen.

Weiter heißt es:

Die Anmeldung einer unberechtigten Person kann für den Haus- bzw. Wohnungseigen­tümer unangenehme Folgen haben, die von der Zustellung unerwünschter (auch be­hördlicher) Post über Exekutionsversuche von Gerichten bis zu Polizeieinsätzen rei-
chen können.

Bereits die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen können somit nicht gänzlich ver­hindern, dass sich eine unberechtigte Person an einer Unterkunft anmeldet. Umso kri­tikwürdiger ist daher die nunmehr vorgesehene Ergänzung in § 3 Abs. 2 Meldegesetz 1991. Sie weitet nämlich die Möglichkeit, ohne fundierten Nachweis der Haus- bzw. Wohnungseigentümer eine Anmeldung vorzunehmen, noch aus.

Es bedarf bei einer Anmeldung über die Bürgerkarte nicht einmal mehr einer Unter­schrift, da an die Stelle der Urkundenvorlage sowie der Bestätigung des Meldepflichti­gen "die eindeutige Identifikation und die elektronische Signatur unter Verwendung
der Funktion Bürgerkarte" tritt.

Die Erläuternden Bemerkungen halten dazu fest, dass "anstelle der Urkunden vorlage und de rphysischen Unterschrift des Unterkunftnehmers, die im Falle einer elektroni­schen An- und Ummeldung gemäß Abs. 1 a naturgemäß nicht erforderlich sind, [...]
die elektronische Identifikation und Signatur des Meldepflichtigen unter Verwendung der Funktion Bürgerkarte (§ 4 ff E-GovG in der Fassung des Bundesgesetzes BGB/. I Nr. 40/2017) treten [soll].

Sollte der Bundesminister für Inneres die Möglichkeit der An- und Ummeldung per Verordnung einräumen, wäre somit eine An- bzw. Ummeldung gänzlich oh­ne Nachweis des Haus- bzw. Wohnungseigentümers möglich. Der Aspekt der Rechtssicherheit wird bei diesem Vorhaben, Behördenwege zunehmend zu digitali­sieren, außer Acht gelassen. Vielmehr wird die Möglichkeit für unbefugte Personen An- bzw. Ummeldungen vorzunehmen, noch ausgeweitet.

Auch das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung sah Handlungsbe­darf: [3]

Grundsätzlich wird ein vollständiges elektronisches Meldesystem und somit der Weg-fall der persönlichen Vorsprache bei der Meldebehörde begrüßt. Jedoch ist zu beden-ken, dass auch die Bestätigung durch den Unterkunftgeber, welcher bisher eine gewisse Kontrollfunktion ausgeübt hat, entfällt. Es sollten daher dringend Datenanalysemaßnahmen vorgesehen werden, um einen etwaigen Missbrauch zu erkennen bzw. zu verhindern. Diese könnten eine Plausibilitätsprüfüng, wie viele Personen an einer Adresse gemeldet werden/wurden oder die Erkennung der Häufigkeit der Ummeldung einer bestimmten Person umfassen.

Nach dem App-Launch steht fest: Die Befürchtungen bezüglich des Missbrauchspotentials haben sich im Endeffekt bewahrheitet. Das zeigt auch der Selbstversuch des Erstanfragestellers, der die Thematik sichtbar macht. Zur Erinnerung: Den Befürchtungen und Hinweisen folgend, hat der Erstanfragesteller beschlossen, die App "Digitales Amt" zu testen und seinen Wohnsitz kurzerhand ins BMDW zu verlegen. Erstaunt musste er feststellen, dass dies auch ohne weitere Hürde und ohne weitere Prüfung einfach durchgeführt wurde. Mittlerweile wissen wir, dass sogar die Wohn­sitzmeldung an Adressen ohne Top-Nummer und Adressen, die eigentlich gar keine Wohnsitze beinhalten (Ministerien, Rathaus, Fußballstadien, ...), möglich sind.

Es steht daher außer Frage, dass ein zusätzlicher Prüfschritt erfolgen muss, soll das Meldewesen auch weiterhin über die App "Digitales Amt" abgewickelt werden und tatsächlich Vereinfachung für Bürger und Gemeinden bringen. Städtebund­Generalsekretär Thomas Weniniger weist in diesem Zusammenhag im Ö1 Morgen­journal (08.04.2019) darauf hin, dass

[es plötzlich passieren kann], dass bei jemanden 10 Personen gemeldet sind, ohne des­sen Wissen. Mit dem Wohnsitz sind allerdings Leistungen, wie das Parkpickerl oder gewisse Förderungen verbunden. Auch Rechnungsbetrug im Falle von Onlinebestel- lungen ist somit Tür und Tor geöffnet.

Auch Gemeinebundpräsident Riedl verweist im Ö1-Morgenjournal vom 08.04.2019 darauf, dass schon in der Begutachtung angemerkt worden sei, dass es offene Fra­gen "über die Nachvollziehbarkeit des Unterkunftgebers" gibt und, "dass es hier elektronische Prüfungen geben soll. Weiters konstantiert er in diesem Zusammen­hang "Anfangsschwierigkeiten". Die Tatsache, dass bei einer Wohnsitzmeldung in einem Mehrparteienwohnhaus keine Türnummer angegeben werden muss, ist laut Gemeindebundpräsident Riedl ebenfalls "nachzujustieren." Und er nehme an, dass auch nachjustiert werde. Auf Nachfrage der Redakteurin bestätigt Riedl, dass er die Ministerin überzeugen wolle, dass die App noch sicherer werden müsse. Auch aus der Stadt Vöcklabruck erfährt Ö1, dass Scheinanmeldungen "Tür und Tor“ geöffnet seien.

Leider wurde durch vermeidbare Fehler damit eine große Chance für eine funktionie­rende App und Erleichterung für die Bürger und Bürgerinnen vergeben. In diesem Zusammenhang ist auch der Kostenpunkt für die Entwicklung der App (rund 5,8 Mil­lionen Euro) erwähnenswert. Im Praxistext fiel die App nämlich, abgesehen von den Problemen im Meldewesen, weitgehend durch. Eine durchschnittliche Bewertung von 2,2 bei 429 Bewertungen im Google Play-Store (Stand: 09.04.) spricht eine eindeutige Sprache. Das Ö1 Morgenjournal berichtet zudem in der Sendung vom 08.04.2019, dass es beim Meldeamt Linz bei 37 Online-Anmeldungen zu bereits 24 Fehlern gekommen ist.

Ein weiterer Ausbau der App ist geplant. Wie "Die Presse" am 16.01.2018 berichtete (https://diepresse.com/home/innenpolitik/5354473/Schramboeck_Wir-bekommen- alle-eine-digitale-ldentitaet). sollen die zehn häufigsten Behördenwege digital durch­führbar werden.

[1] https://www.bmdw.gv.at/Presse/AktuellePresseMeldungen/Seiten/Schramboeck- Auftakt-zu-erstem-Bund-Laender-Gemeinde-Dialog-Das-Digitale-Amt.aspx

[2] parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/SNME/SNME_02853/imfname_716838.pdf

[3] parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/SNME/SNME_03349/imfname_721031.pdf

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Sind derzeit weitere Fälle von nicht korrekten Wohnsitzmeldungen über die App "Digitales Amt" bekannt und wenn ja, wie viele?

a.    Welche Maßnahmen sollen gesetzt werden, um Fälle aufzudecken und zu korrigieren?

b.    Welche Kosten enstehen dadurch?

2.    Warum wurden die Bedenken (siehe Begründung) im Rahmen der Entwicklungs­phase nicht ernst genommen?

3.    Wurde die Möglichkeit einer doppelten Freigabe durch einerseits den Meldepflich­tigen und andererseits den Unterkunftgeber als Voraussetzung für die Ummel­dung geprüft?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Wenn ja, mit welchen Überlegungen wurde ein solches Modell verworfen?

4.    Wurde angedacht, Unterkunftgeber über die Ummeldung zu informieren?

a.    Wenn ja, wie?

b.    Wenn nein, welche Maßnahmen wurden getroffen, um Unterkunftgeber vor Missbrauch zu schützen?

5.    Wie geht das BMDW mit den Vorschlägen des Amts der Niederösterreichischen Landesregierung (Plausibilitätsprüfung, Prüfung der Häufigkeit der Ummeldung) um?

6.    Wie geht das BMDW mit dem Vorschlag um, eine Bestätigung mit digitaler Signa­tur durch den Unterkunftgeber vorauszusetzen, um?

7.    Welche Aspekte der Rechtsicherheit sieht das Ministerium durch die App "Digita­les Amt" noch gefährdet?

8.    Welche technischen Probleme mit der App "Digitales Amt" sind dem Ministerium bekannt?

9.    Wie setzen sich die Kosten für die Entwicklung der App "Digitales Amt" (rund 5,8 Millionen Euro) genau zusammen?

10. Gab es vor dem Launch der App "Digitales Amt" Beta-Tests?

a.    Wenn ja, wie sahen diese aus und welche Resultate gab es?

b.    Wenn nein warum nicht?

11. Wie sah die Koordination mit dem BMI bezüglich etwaiger Sicherheitslücken und deren Auswirkungen aus?

12. Wie soll in Zukunft sichergestellt werden, dass im Grunde "gute" Projekte nicht an der Umsetzung scheitern?

13. Wie begegnet das BMDW den "Anfangsschwierigkeiten", die Gemeindebundprä- sident Riedl konstatiert?

14. Werden "Nachjustierungen" erfolgen, wie von Gemeindebundpräsident Rield ver­langt?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Wenn ja, welche?

15. Welche weiteren Behördenwege sollen in der App "Digitales Amt" durchführbar sein?

16. Bis wann soll die Implementierung dieser zusätzlichen Behördenwege im "Digita­len Amt" erfolgt sein?