3433/J XXVI. GP

Eingelangt am 25.04.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Rudolf Plessl, Peter Wittmann und GenossInnen
an den
Bundesminister für Landesverteidigung
betreffend Anleitung zur Spionage?

Auf der Homepage des Bundesheers wurde am 27. März 2019 der „Appell des Generalstabs zur
effektiven Landesverteidigung“ veröffentlicht und praktischerweise auch der Link zum Download[1] der umfassenden Hochglanzbroschüre des Generalstabschefs bereitgestellt.

Aus dem Vorwort von General BRIEGER:

"Als Chef des Generalstabes erachte ich es als meine Pflicht, eine realistische Einschätzung über die
Situation des Bundesheeres sowie dessen absehbare Entwicklung unter Zugrundelegung der
budgetären Rahmenbedingungen vorzunehmen. Das Ergebnis ist sehr klar: Das Bundesheer hat sich
in den letzten beiden Jahrzehnten von der eigenständigen Fähigkeit zur Landesverteidigung
dramatisch entfernt."

Ohne geeignete Gegenmaßnahmen, so der Appell, werden schon bald die wesentlichen militärischen Kernfähigkeiten aufgrund der Überalterung nahezu aller wichtigen Waffensysteme nicht mehr
vorhanden sein. Brieger:
"Das Bundesheer steht erstmalig seit seinem Bestehen vor dem Scheideweg,
ob es seine Kernaufgabe als bewaffnete Macht der Republik Österreich überhaupt noch wahrnehmen
kann, oder eben nicht."

 

In dieser Broschüre werden zahlreiche militärische Geheimnisse „verraten“, die weit über das Wissen
und die mögliche Informationsweitergabe des 2018 enttarnten „Oberst Redl“, der sich derzeit übrigens noch immer in U-Haft befindet, deutlich hinausgehen. Die in diesem Appell offengelegten
Informationen, wurden und werden in anderen Staaten durchaus kritischer bewertet und oftmals als Staatsgeheimnis eingestuft. Dort können dann solch umfassende Informationen bestenfalls nur durch gezielte Spionagetätigkeiten ausländischer Nachrichtendienste gesammelt werden. Aber Österreich
agiert hier unter Türkis-Blau offensichtlich anders.

Fast könnte der Eindruck entstehen, dass diese bestens aufbereitete und gezielte Weitergabe von sensiblen militärischen Informationen ein ,,Geschenk(?)“ des amtierenden freiheitlichen Verteidigungsministers an der FPÖ nahestehende Staatsparteien anderer Staaten ist. Noch

erschreckender ist aber, dass auch die bestehenden Schwächen des ÖBH im Falle von Terror- und Krisenfällen ALLEN möglichen Interessenten schonungslos offengelegt werden!

Nachdem dieser Apell gemäß Homepageeintrag und Broschüre in Abstimmung mit dem amtierenden
BM Mario KUNASEK verfasst wurde, richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister
für Landesverteidigung nachstehende

Anfrage:

1.       Welche Kosten sind für die Vorbereitung dieser spannenden Broschüre von General
BRIEGER betreffend bestehender bzw. bereits absehbarer Schwächen des Österreichischen Bundesheers angefallen?

a.       Wie hoch ist die gedruckte Auflage dieses Übersichtswerks?

b.      Waren externe Firmen (Druck, Layout etc.) in die Herstellung eingebunden?

i.       Wenn JA, welche waren dies?

ii.     Wenn NEIN, welche internen Stellen des ÖBH waren mit der Herstellung befasst?

2.       In welchem Umfang war BM KUNASEK in die Vorbereitung dieser Broschüre eingebunden?

a.        Wurde von ihm auch eine abschließende Freigabe zur Veröffentlichung eingeholt/gegeben ?

b.       Wenn NEIN, warum nicht?

3.       In welchem Umfang war GS BAUMANN in die Vorbereitung dieser Broschüre eingebunden?

a.        Wurde von ihm auch eine abschließende Freigabe zur Veröffentlichung eingeholt/gegeben?

b.       Wenn NEIN, warum nicht?

4.        Wurde vor der Veröffentlichung dieses Apells auch eine intensivere Prüfung der veröffentlichen Inhalte, insbesondere in Hinblick auf die „Verletzung militärischer Geheimhaltungspflichten“ durchgeführt?

a.        Wenn JA, wann wurde diese Prüfung durchgeführt und wie lange hat sie gedauert?

b.       Wenn JA, was war das Ergebnis dieser Prüfung?

c.        Wenn JA, von welcher Abteilung wurde diese Prüfung durchgeführt?

d.       Wenn JA, wer ist für diese Abteilung verantwortlich?

e.        Wenn NEIN, warum nicht?

5.        Ende 2018 wurde - dank einem Tipp aus Großbritannien - ein langjähriger Spitzel im BMLV enttarnt. Dieser „Oberst REDL 2018“ befindet sich aktuell noch immer in U-Haft, da die Staatsanwaltschaft von "einer dringenden Verdachtslage in Richtung des Vergehens des geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs (§ 256 StGB), des Verrats von Staatsgeheimnissen (§ 252 Abs 1 StGB) sowie der vorsätzlichen Preisgabe eines militärischen Geheimnisses (§26 Abs 2 Militärstrafgesetz) ausgeht“[2].

In Hinblick auf die vom amtierenden Chef des Generalstabs kürzlich veröffentlichen, durchaus brisanten Informationen, stellen sich folgende Fragen:

a.       Wurden und werden im Rahmen dieser Appell-Broschüre nicht ebenfalls Staatsgeheimnisse verraten?

b.       Liegt durch die Veröffentlichung und die aktuell bestehende Download-Möglichkeit dieser Apell-Broschüre nicht ebenfalls eine vorsätzliche Preisgabe militärischer Geheimnisse vor?

c.        Wurde bereits von Amts wegen - gem. Offizialprinzip - vom BMLV eine Sachverhaltsdarstellung an die zuständige Staatsanwaltschaft übermittelt?

                                                           i.            Wenn NEIN, warum nicht?

d.       Warum wurde und wird die Download-Möglichkeit dieser Broschüre nicht umgehend von der Homepage des ÖBH entfernt?

e.        Wer trägt für die auf der Homepage des ÖBH veröffentlichten Informationen und Dokumente die Verantwortung?

6.        Aus diesem Appell des amtierenden Generalstabschefs lassen sich die Schwächen des ÖBH - insbesondere im Terror-Krisenfall - offen wie nie zuvor herauslesen. Daher stellen sich
folgende Fragen:

a.        Erfolgte diese schonungslose Darstellung des Zustands des ÖBH im Auftrag/ auf Weisung des Herrn Bundesministers?

b.       Erfolgte diese schonungslose Darstellung des Zustands des ÖBH im Auftrag/ auf Weisung des Herrn Generalsekretärs?

c.        Oder beruht diese schonungslose Darstellung des Zustands des ÖBH tatsächlich auf
der überschießenden Eigeninitiative bzw. dem Geltungsdrang des ChdGStb?

d.       Ist eine Abberufung und Neubestellung der Funktion des ChdGStb vorgesehen?

i.      Wenn JA, bis wann wird diese erfolgen?

ii.       Wenn JA, wurde bereits der notwendige Ausschreibungsprozess gestartet?

iii.      Wenn JA, wurden geeignete Maßnahmen ergriffen, um diese Funktion auch Frauen zugänglich zu machen?

iv.     Wenn NEIN, warum nicht?

7.        Wie kann mit der nunmehrigen schonungslosen Weitergabe aller kurz, mittel- und langfristigen Schwächen des ÖBH der verfassungsrechtliche Auftrag der „umfassenden Landesverteidigung“[3] aufrechterhalten und auch zukünftig sichergestellt werden?



[1] Siehe: http://www.bundesheer.at/download_archiv/pdfs/positionspapier_chgstb_2019.pdf (letzter Aufruf
25/4/19)

[2] Vgl. https://derstandard.at/2000091157817/Staatsanwaltschaft-beantragte-U-Haft-ueher-Ex-Oberst (letzter Aufruf 24/04/19)

[3] Vgl. BVG §9a: Österreich bekennt sich zur umfassenden Landesverteidigung. Ihre Aufgabe ist es, die
Unabhängigkeit nach außen sowie die Unverletzlichkeit und Einheit des Bundesgebietes zu bewahren,

insbesondere zur Aufrechterhaltung und Verteidigung der immerwährenden Neutralität. Hiebei sind auch die verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihre Handlungsfähigkeit sowie die demokratischen Freiheiten der
Einwohner vor gewaltsamen Angriffen von außen zu schützen und zu verteidigen.