3461/J XXVI. GP

Eingelangt am 03.05.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Peter Wittmann, Rudolf Plessl,

Genossinnen und Genossen

an die Bundesregierung

betreffend das Bundesheer und sein verfassungsmäßiger Auftrag

 

Ende März dieses Jahres wurde ein Positionspapier, Appell des Generalstabs zur effektiven Landesverteidigung, vom Bundesministerium für Landesverteidigung veröffentlicht. Dieses ist auch im Internet abrufbar, siehe folgenden Link:

http://www.bundesheer.at/download_archiv/pdfs/positionspapier_chgstb_2019.pdf

Gegenüber den Medien wurde mit einer Presseaussendung dieses Positionspapier wie folgt präsentiert:

Positionspapier: Appell des Generalstabs zur effektiven Landesverteidigung

Wien, 27. März 2019 - Das sicherheits- und verteidigungspolitische Risikobild Österreichs
zeigt eine erhebliche Anzahl an Risiken, die kurz-, mittel- und langfristig in unterschiedlichen Kombinationen zu umfassenden Bedrohungen für Österreich werden können.

"Neues Zeitalter der Unsicherheit"

Generalstabschef Robert Brieger meint dazu: "Ein neues Zeitalter der Unsicherheit ist
angebrochen, die Epoche des relativen Friedens ist vorbei. Auch Österreich ist von
bewaffneten Konflikten, Massenmigration, Terrorismus, Cyber-Bedrohungen, hybriden
Konflikten und Bedrohungen der Lebensgrundlagen betroffen."

Diskrepanz zwischen Auftrag, Budget und Zustand des Bundesheeres
Aus diesem Grund legt der Generalstab des Bundesheeres in Abstimmung mit
Verteidigungsminister Mario Kunasek jetzt ein Positionspapier vor, das auf die Diskrepanz
zwischen dem Verfassungsauftrag zur Landesverteidigung, der Budgetlage und dem
Realzustand des Bundesheeres aufmerksam macht.

Appell von General Brieger

General Brieger: "Als Chef des Generalstabes erachte ich es als meine Pflicht, eine
realistische Einschätzung über die Situation des Bundesheeres sowie dessen absehbare
Entwicklung unter Zugrundelegung der budgetären Rahmenbedingungen vorzunehmen. Das
Ergebnis ist sehr klar: Das Bundesheer hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten von der
eigenständigen Fähigkeit zur Landesverteidigung dramatisch entfernt."

Kernfähigkeiten gehen verloren

Ohne geeignete Gegenmaßnahmen, so der Appell, werden schon bald die wesentlichen
militärischen Kernfähigkeiten aufgrund der Überalterung nahezu aller wichtigen
Waffensysteme nicht mehr vorhanden sein. Brieger: "Das Bundesheer steht erstmalig seit
seinem Bestehen vor dem Scheideweg, ob es seine Kernaufgabe als bewaffnete Macht der
Republik Österreich überhaupt noch wahrnehmen kann, oder eben nicht."

Wenn dies nicht schon beunruhigend genug wäre, wurden am Ende der Broschüre Szenarien
gezeichnet, wie sich die sicherheitspolitische Lage der Republik Österreich entwickeln wird:

Der verfassungsmäßige Auftrag kann nicht mehr erfüllt werden. Es kommt zu einem
Fähigkeitsverlust in weiten Aufgabenbereichen. Altes Gerät wird ohne Ersatz ausgeschieden
und Infrastruktur verfällt zunehmend weiter.

Es kommt zu einem Fähigkeitsverzicht im militärischen Kernbereich. Der Kompetenzerhalt ist
nur im Zusammenwirken mit anderen Staaten in ausgewählten Bereichen möglich.

Es kommt zu einem reduzierten Bereitschaftsgrad der Soldaten v.a. durch unzureichende
Ausbildungs- und Übungsmöglichkeiten. Assistenzleistungen durch fehlendes Gerät qualitativ eingeschränkt

Eine aktive Luftraumüberwachung ist nicht mehr vorhanden da keine Flugzeuge vorhanden
sind.

Umfangreiche Reduzierung der Auslandseinsätze. Damit kommt es auch zu einer Einschränkung des strategischen Handlungsspielraums für Österreich und bei der Zusammenarbeitsfähigkeit des ÖBH. Gleichzeitig kommt es zu einem Ausschluss aus PESCO.

Evakuierung von Staatsbürgern aus Krisengebieten nur in Abhängigkeit von anderen Staaten
möglich (z.B. keine eigenen Transportflugzeuge).

Der überwiegende Teil des Budgets wird für Personal ausgegeben. Allerdings kommt es zu einem Verlust der Attraktivität des ÖBH als Arbeitgeber. Damit ergibt sich ein schleichender Personalabbau und stetig steigende Überalterung der Bediensteten.

Die Ausbildung von Grundwehr dienern erfolgt wenig gefechtsnah und hoher Anteil von Funktionssoldaten ist notwendig. Fehlendes Ausbildungsgerät und schlechte Unterkünfte prägen den Grundwehrdienst.

Der sogenannte verfassungsmäßige Auftrag ist für das österreichische Bundesheer in den
Artikeln 79 und 80 des Bundes-Verfassungsgesetzes normiert

Artikel 79. (1) Dem Bundesheer obliegt die militärische Landesverteidigung. Es ist nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten.

(2) Das Bundesheer ist, soweit die gesetzmäßige zivile Gewalt seine Mitwirkung in Anspruch
nimmt, ferner bestimmt

1.         auch über den Bereich der militärischen Landesverteidigung hinaus

a)                        zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit sowie der demokratischen Freiheiten der Einwohner

b)                       zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Inneren überhaupt;

2.        zur Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges.

(3) Weitere Aufgaben des Bundesheeres werden durch Bundesverfassungsgesetz geregelt.

(4) Welche Behörden und Organe die Mitwirkung des Bundesheeres zu den im Abs. 2
genannten Zwecken unmittelbar in Anspruch nehmen können, bestimmt das Wehrgesetz.

(5) Selbständiges militärisches Einschreiten zu den im Abs. 2 genannten Zwecken ist nur
zulässig, wenn entweder die zuständigen Behörden durch höhere Gewalt außerstande gesetzt
sind, das militärische Einschreiten herbeizuführen, und bei weiterem Zuwarten ein nicht
wieder gutzumachender Schaden für die Allgemeinheit, eintreten würde, oder wenn es sich um
die Zurückweisung eines tätlichen Angriffes oder um die Beseitigung eines gewalttätigen
Widerstandes handelt, die gegen eine Abteilung des Bundesheeres gerichtet sind.

Artikel 80. (1) Den Oberbefehl über das Bundesheer führt der Bundespräsident.

(2) Soweit nicht nach dem Wehrgesetz der Bundespräsident über das Heer verfügt, steht die Verfügung dem zuständigen Bundesminister innerhalb der ihm von der Bundesregierung
erteilten Ermächtigung zu.

(3) Die Befehlsgewalt über das Bundesheer übt der zuständige Bundesminister (Art. 76
Abs. 1) aus.

Der Bundesgesetzgeber hat in § 7 Wehrgesetz grundsätzliche militärische Angelegenheiten
bestimmt. Dazu gehören die Heeresorganisation, soweit sie nicht im Wehrgesetz ausdrücklich festgelegt ist, die Bewaffnung, die Garnisonierung sowie die Benennung der Truppen. Das Engagement der österreichischen Bundesregierung zeigt sich also auch insbesondere darin,
welche Beschlüsse und Festlegungen gemäß diesen Bestimmungen erfolgten.

Für diesen katastrophalen Zustand des Österreichischen Bundesheeres und der
österreichischen Sicherheitslage ist daher die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit zuständig,
da sie den Budgetpfad für das österreichische Bundesheer vorgibt, die wesentlichen
Entscheidungen in militärischen Angelegenheiten zu treffen hat und daher für das
Kaputtsparen des Österreichischen Bundesheeres die Verantwortung trägt.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesregierung folgende

Anfrage:

1.      Hat sich die Bundesregierung mit dem Appell des Generalstabs zur effektiven Landesverteidigung auseinandergesetzt?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, welche Ergebnisse brachten die Diskussionen in der Bundesregierung? Wann und wie werden diese veröffentlich?

2.       Hat der Bundesminister für Landesverteidigung in einer Sitzung des Ministerrates die
Mitglieder der Bundesregierung über den katastrophalen Zustand des Österreichischen Bundesheeres und der österreichischen Sicherheitslage informiert?

Wenn nein, warum hat die Bundesregierung dieses Thema nicht auf die Tagesordnung
gestellt?

Wenn ja, welche konkreten Ergebnisse hat die Bundesregierung aus ihrer Debatte über
den Appell des Generalstabs beschlossen?

Wann und wie werden diese veröffentlich?

3.       Haben die Bundesregierung bzw. der Bundesminister für Landesverteidigung den Bundesminister für Finanzen in einer Sitzung des Ministerrates auf diese Problematik aufmerksam gemacht?

4.       Wie war die Reaktion des Bundesministers für Finanzen in der Ministerratssitzung
hinsichtlich des Problems der kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Finanzierung
des Österreichischen Bundesheeres?

5.      Welche Verpflichtungen ergeben sich für die Bundesregierung nach dem Verständnis der
jetzigen Bundesregierung aus den Artikeln 79 und 80 B-VG?

6.      Teilt die Bundesregierung die Einschätzung des Generalstabes des Österreichischen
Bundesheeres hinsichtlich der Gefahr, dass das Bundesheer in Zukunft seinen
verfassungsmäßigen Auftrag nicht erfüllen kann?

Wenn nein, warum nicht, welche Gegenargumente hat die Bundesregierung zu den
Vorwürfen des Generalstabes?

7.      Aus der Verantwortung der Bundesregierung gegenüber den Soldatinnen und Soldaten
ergibt sich die Verpflichtung, dass das ihnen zur Verfügung stehende Gerät sicher sein
muss und den technischen Standards entsprechen muss. Der Generalstab sieht diese
Verpflichtung als nicht erfüllt.

Was wird die Bundesregierung unternehmen, um den Soldatinnen und Soldaten
gegenüber die Verpflichtung zur optimalen Ausrüstung umzusetzen und wann werden die
einzelnen Schritte gesetzt werden?

8.      Wann beabsichtigt die Bundesregierung die Neubeschaffung von Flugzeugen, um den
österreichischen Luftraum gemäß ihrer neutralitätsrechtlichen Verpflichtung zu schützen?

9.      Welche Geldmittel sieht die Bundesregierung in welchen Budgetjahren für die Neubeschaffung von Flugzeugen vor?

Aus welchem Budgetposten werden diese bezogen?

10.   Welche Sachverhalte wurden in der Bundesregierung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Wehrgesetz in
dieser Legislaturperiode besprochen?

11.   Welche Entscheidungen hat die Bundesregierung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Wehrgesetz in
dieser Legislaturperiode konkret getroffen und wie lauteten diese im Wortlaut?

12.   Welche Sachverhalte wurden in der Bundesregierung gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 Wehrgesetz in
dieser Legislaturperiode besprochen?

13.   Welche Entscheidungen hat die Bundesregierung gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 Wehrgesetz in
dieser Legislaturperiode konkret getroffen und wie lauteten diese im Wortlaut?

14.   Welche Sachverhalte wurden in der Bundesregierung gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 Wehrgesetz in
dieser Legislaturperiode besprochen?

15.   Welche Entscheidungen hat die Bundesregierung gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 Wehrgesetz in
dieser Legislaturperiode konkret getroffen und wie lauteten diese im Wortlaut?

16.   Welche Sachverhalte wurden in der Bundesregierung gemäß § 7 Abs. 1 Z 4 Wehrgesetz in
dieser Legislaturperiode besprochen?

17.   Welche Entscheidungen hat die Bundesregierung gemäß § 7 Abs. 1 Z 4 Wehrgesetz in
dieser Legislaturperiode konkret getroffen und wie lauteten diese im Wortlaut?