3507/J XXVI. GP

Eingelangt am 09.05.2019
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Anfrage

der Abgeordneten Univ.-Prof. Dr. Alfred J. NolI, Kolleginnen und Kollegen, an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend Fehlleistungen von gerichtlich bestellten Sachverständigen und die daraus gezogenen Konsequenzen

Im Rahmen strafrechtlicher Ermittlung (132 BAZ 1391/10k) der Staatsanwaltschaft Wien und im Rahmen von zwei Zivilprozessen zur Amtshaftung der Stadt Wien als Krankenhausträger und der Republik Österreich (14 R 16/16z und 14 R 11/16i des OLG Wien) für Schadenersatzansprüche der Mutter und der Schwester eines im Kaiser Franz Josefspitals verstorbenen jungen Mannes mussten ganze neun medizinische Sachverständige (!) aufgeboten werden, um die Todesursache aufzuklären.

Im Berufungsverfahren führte das Gericht eine ergänzende Beweisaufnahme durch ein ausführliches und akribisches Gutachten des Sachverständigen Ao. Univ.- Prof. Dr. med. G. Z. und dessen Erörterung mit zwei Sachverständigen aus dem erstinstanzlichen Verfahren bzw den strafrechtlichen Ermittlungen durch. In seinem Gutachten übt SV Dr. Z. massive Kritik an den zuvor eingeholten Gutachten in den Erstverfahren bzw im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. So hätten die SV H. (Erstverfahren) und N. (Erstverfahren) gutachterliche Aussagen getätigt, die keineswegs in Ihr Fachgebiet gefallen sind.

Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren hatten die SV P. und R. einen ärztlichen Kunstfehler ausdrücklich verneint und die verabreichten Medikamente als lege artis gefunden. Insbesondere der SV R. ging mangels des Vorliegens von Laborwerten in der Krankengeschichte - was der SV Z. ebenfalls als Kunstfehler einstuft - fälschlich davon aus, dass keine Überdosierung von Substitol stattgefunden habe. Er konnte - trotz Hinweisen in der Krankengeschichte - keine Hinweise auf einen Atemstillstand (als Todesursache) feststellen. Schließlich vertrat er auch - tatsachenwidrig - die Auffassung, dass eine Rückrechnung der Morphinwerte bei der Obduktion bis zur Verabreichung nicht möglich sei.

Der SV N. (Erstverfahren) ging in seinem Gutachten nicht auf die empfohlene Dosierung von Substitol und auch nicht auf die Gewöhnung an Opioide ein. Der SV B. diagnostizierte in seinem Gutachten in der Zusammenfassung apodiktisch einen Herzinfarkt und einen Herzklappenfehler als Ursache. Eine Überdosierung von Substitol schloss er - mangels Laborwerten - aus.

Infolge der Minderleistungen der medizinischen Sachverständigen wurden die strafrechtlichen Ermittlungen eingestellt und dauerten die Zivilverfahren ab 2010 ganze neun Jahre. Neun Jahre musste die Mutter des Verstorbenen bei Gericht darum kämpfen, damit ein Verschulden der Ärzte des Spitals letztlich doch erwiesen werden konnte.

 

In diesem besonderen Einzelfall kam es letztlich dazu, dass die Mutter der Stadt Wien bzw der Republik Österreich sogar erheblichen Prozesskostenersatz leisten muss, da zum einen überklagt und zum anderen ein Ersturteil mangels finanzieller Mittel nicht weiter angefochten werden konnte. Der Fall hat - durch die Berichterstattung im ORF und in Printmedien - öffentliche Aufmerksamkeit erzielt und die Skepsis gegenüber der Arbeit mancher gerichtlicher Gutachter (siehe auch Franz Fluch, Schwarzbuch Versicherungen [2015]) bestärkt. Die Öffentlichkeit fragt sich insbesondere, welche Konsequenzen seitens der Gerichte bzw des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz aus offensichtlichen falschen Gutachten gezogen werden.

Es wird daher hiermit an den zuständigen Bundesminister im Hinblick auf seine im StAG und BMG vorgesehene Aufsichtszuständigkeit in der oben bezeichneten Rechtssache die folgende

Anfrage

gerichtet:

1)    Welche Konsequenzen wurde seitens des Ministers bzw der Gerichte im Hinblick auf die massive Kritik an medizinischen Gutachten von einer Reihe von Sachverständigen im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu 132 BAZ 1391/10k der Staatsanwaltschaft Wien und den zivilrechtlichen Verfahren zu 14 R 16/16z und 14 R 11/16i des OLG Wien gezogen?

2)    Wurden die zu 1) kritisierten Sachverständigen aus der Liste der gerichtlich beeideten Sachverständigen gestrichen?

a. Wenn nein: Weshalb nicht?

3)    Welche Maßnahmen wurden gesetzt oder sind geplant, um in Zukunft neuerliche Falschgutachten zu verhindern?

4)    Wurden bzw werden die Ermittlungen zu 132 BAZ 1391/10k der Staatsanwaltschaft Wien wieder aufgenommen?