3518/J XXVI. GP

Eingelangt am 10.05.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Bruno Rossmann, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

betreffend Ermittlungsverfahren und Auszahlungen beim „Cum-Ex“-Betrug

BEGRÜNDUNG

Die Cum-Ex-Deals rund um den Dividendenstichtag bei Aktiengeschäften sind einer der größten Finanzskandale in der EU. Besonders betroffen war Deutschland. Bei den Cum-Ex- Deals wird eine nur einmal bezahlte Kapitalertragsteuer doppelt rückerstattet, obwohl der Rückerstattungsanspruch tatsächlich nur einmal besteht. Cum-Ex-Deals gab es aber auch in Österreich.

Im Finanzausschuss am 14. März 2019 gab Finanzminister Hartwig Löger bekannt, dass ein Gesamtschaden von 183 Millionen Euro entstanden sei, wovon 75 Millionen Euro bereits verjährt wären. Die restlichen 108 Millionen Euro sind Fällen zwischen 2011 und 2013 zuzurechnen, die neu aufgerollt wurden und der Finanzprokuratur sowie der Staatsanwaltschaft zur Weiterverfolgung übergeben wurden. Davor hieß es von Seiten des Finanzministers lange Zeit, es sei „kein Schaden evident“.

Diese Aussage ist, abgesehen davon, dass sie ohnehin von Anfang an nicht haltbar war und offenbar der Geringhaltung des öffentlichen Interesses dienen sollte, im Licht der aktuellen Ereignisse von besonderem Interesse. Im Zuge einer Welle an medialer Berichterstattung am 9. April 2019 ist es insbesondere der Beitrag des Ö1-Mittagsjournals[1], der für gravierende Widersprüche zu vergangenen Aussagen sorgt. Der Beitrag erwähnt Ermittlungen gegen 8 Verdächtige, die seit 2014 laufen sollen. Dabei handle es sich um Rückforderungsversuche von 23 Millionen Euro, wobei 5 Millionen Euro damals tatsächlich ausbezahlt worden seien.

Wer die Causa über die letzten Jahre verfolgt hat, dem sind die genannten 23 Millionen Euro (je nach Rundung wurden auch 22,5 oder 22,63 Millionen Euro genannt) nicht unbekannt. Bereits im Oktober 2016 bestätigte mir der damalige Justizminister Dr. Wolfgang Brandstetter in der Anfragebeantwortung 9634/AB (XXV.GP), dass „seit Anfang 2013 bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption ein Ermittlungsverfahren anhängig“ sei. Weiters heißt es dort: „Im Ermittlungsverfahren werden Rückerstattungsbeträge zur KESt des Jahres 2012 in der Höhe von ca. 22,5 Millionen Euro geprüft. Es ist jedoch zu keiner Auszahlung durch das Finanzamt gekommen. Das zeugt davon, dass die zuständigen Behörden mit der nötigen Aufmerksamkeit agierten."

Es sei also zu keiner Auszahlung gekommen. Das gleiche hat das BMF offenbar im Zuge der von mir initiierten Prüfung der Cum-Ex-Deals dem Rechnungshof mitgeteilt: „Einen konkreten Betrugsverdacht hatte das FA BEO bereits Mitte 2012 in verbundenen Fällen (TZ 14), zu denen seit Anfang 2013 bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Betrugs nach dem Strafgesetzbuch (StGB) sowie der Abgabenhinterziehung und des Abgabenbetrugs nach dem Finanzstrafgesetz (FinStrG) anhängig war; dieses Verfahren war zum Ende der Gebarungsüberprüfung noch nicht abgeschlossen. Die Anträge wurden 2012 und 2013 gestellt; die nicht anerkannten Erstattungssummen beliefen sich auf 22,63 Mio. EUR.“[2]

Auch in der Anfragebeantwortung 2064/AB vom Dezember 2018 behauptet Finanzminister Löger weiterhin, dass bei diesen konkreten Fällen „keine Beträge ausbezahlt wurden". Sollte es also stimmen, dass in diesem Ermittlungsverfahren sehr wohl auch Fälle enthalten sind, bei denen tatsächlich Rückforderungen in Höhe von 5 Millionen Euro ausbezahlt wurden, dann ist davon auszugehen, dass dies bereits zwischen 2016 und 2018 bekannt war. Die Schlussfolgerung daraus wäre, dass hier, bezogen auf das laufende Verfahren über die 23 Millionen Euro, vom BMF sowohl in parlamentarischen Anfragen als auch gegenüber dem Rechnungshof bewusst falsche Tatsachen behauptet wurden. Es würde aber auch bedeuten, dass mit der Aussage, es wäre „kein Schaden evident“, nicht nur eine Verharmlosung der Situation stattfand, sondern schlichtweg die Unwahrheit verbreitet wurde.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.    Sind in jenem laufenden Ermittlungsverfahren (Gesamthöhe rund 23 Millionen Euro), auf das sowohl im Rechnungshof-Bericht, als auch in diversen Anfragebeantwortungen (z.B. 2064/AB) referenziert wird, Fälle enthalten, bei denen es tatsächlich zu einer Auszahlung der Rückforderungen kam?

a.     Falls ja, wie hoch ist die Summe dieser Auszahlungen?

b.     Falls ja, sind diese Auszahlungen eine Teilmenge der bisher kolportierten 23 Millionen Euro, oder handelt es sich um einen zusätzlichen Betrag?

c.     Falls ja, seit wann ist Ihnen bekannt, dass es dabei zu Auszahlungen gekommen ist?

d.     Falls ja, wie passt das mit der bisher immer behaupteten Aussage zusammen, dass in den Fällen, die dieses Verfahren betreffen, alle Auszahlungen verhindert werden konnten?

2.    Wie ist der aktuelle Stand des Ermittlungsverfahrens aus Frage 1?

a.    Wann ist mit einem Abschluss zu rechnen?

b.     Gegen wie viele Täter aus welchen Staaten wird dabei tatsächlich ermittelt?

In der Anfragebeantwortung 1465/AB durch Justizminister Dr. Josef Moser heißt es, konkretere Angaben zu dem Verfahren wären nicht möglich, um „den Fortgang und Zweck dieser laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden“.

3.    Wie ist es möglich, dass nun dennoch in der medialen Berichterstattung entsprechende Details bekanntgeworden sind?

Aus über 250 neu aufgerollten Fällen wurden meinem Kenntnisstand nach 106 betrügerische Anträge mit insgesamt 108 Millionen Euro an Rückerstattungen für die Jahre 2011 bis 2013 identifiziert. Diese Anträge wurden Mitte März 2019 der Finanzprokuratur und der Staatsanwaltschaft zur weiteren Verfolgung übergeben.

4.     Wie ist der Stand in diesen Fällen?

Im Finanzausschuss vom 14. März erschien noch unsicher, welcher Rechtsweg für die Rückforderung der geeignetste wäre.

5.     Konnten Sie diese Frage bereits klären und für welchen Rechtsweg haben Sie bzw. die Finanzprokuratur und die Staatsanwaltschaft sich entschieden?

6.     Inwiefern unterscheiden sich die nun aufgerollten und übergebenen Fälle von jenen, bei denen bereits seit 2013 das Ermittlungsverfahren läuft?

a.     Weshalb hat sich dort die Frage des Rechtsweges nicht gestellt?

7.     Sind aus den übergebenen Fällen bereits neue Verfahren entstanden?

a.     Falls ja, wie viele und in welcher Gesamtschadenshöhe?

b.     Falls nein, weshalb nicht?

c.     Falls nein, wann ist damit zu rechnen?

8.    Mit wie vielen weiteren Strafverfahren in welcher Gesamtschadenshöhe rechnen Sie?

Im Finanzausschuss sowie in der medialen Berichterstattung war davon die Rede, dass mit diesen Verfahren „juristisches Neuland“ betreten werde. Finanzminister Löger hielt dabei fest, dass eine Ausweitung der Rechtslage angedacht sei. Der BAO müsse ein Rückforderungstatbestand hinzugefügt werden.

9.     Gibt es bereits Fortschritte bei diesen Überlegungen?

a.     Falls ja, welche?

10.  Wann ist mit einer Konkretisierung bzw. einem Gesetzesentwurf zu rechnen?



[1]  https://oe1.orf.at/player/20190409/549653.

[2]  https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Kapitalertragsteuer.pdf.