3533/J XXVI. GP

Eingelangt am 13.05.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Bruno Rossmann, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Vermögen und Schulden des Staates

BEGRÜNDUNG

ln der Übersicht zur Haushaltsplanung 2019 wird der öffentliche Schuldenstand vom Finanzministerium als „größte wirtschaftspolitische Herausforderung“ bezeichnet.[1] Ökonomisch ergibt diese Einschätzung wenig Sinn. Schulden sind wie jede Verbindlichkeit daran zu bewerten, woraus sie entstehen und wofür sie eingegangen werden. So wie private Haushalte und Unternehmen auf Fremdfinanzierung zurückgreifen, um größere Investitionen zu tätigen, tut dies auch der Staat. Er tut dies, weil das Unterlassen bestimmter Investitionen höhere Kosten verursacht als die Zinsen für die dafür nötigen Schulden. Eine schlecht ausgebaute Infrastruktur geht nicht nur mit einer niedrigeren Lebensqualität einher, sondern auch mit einer reduzierten Wettbewerbsfähigkeit. Investitionen in die Infrastruktur legen daher die Basis für den Erfolg der österreichischen Wirtschaft - ihrer Arbeitgeberlnnen und Arbeitnehmerlnnen, Produzentlnnen und Konsumentlnnen.

Es ist eben diese Infrastruktur, die den Schulden daher gegengerechnet werden muss: von Abwasserkanal und Breitband über Kindergärten und Krankenhäuser bis hin zu Straßen und Schienen - die Liste wäre eine lange. Dabei ist nicht nur der Sachwert des Vermögens zu berücksichtigen, sondern auch der gesellschaftliche Nutzen, der ansonsten nicht bereitgestellt würde. Der Staat hat in seiner Bewertung daher andere Maßstäbe anzuwenden als private Unternehmen und Haushalte.

Der Staat hat überdies auch einen anderen Zeithorizont zu berücksichtigen. Da sich seine Verantwortung auch auf zukünftige Generationen erstreckt, hat er in seiner Investitionsrechnung eine unendliche Lebenserwartung zu berücksichtigen. Außerdem ist für die ökonomische Einschätzung von Investitionen und Alternativen der betriebswirtschaftliche Kostenbegriff nicht ausreichend. Stattdessen kommen in der Volkswirtschaftslehre die Opportunitätskosten zur Anwendung.

All diese Facetten scheinen in der politischen Diskussion der Staatsschulden nicht ausreichend Berücksichtigung zu finden. Überdies scheint die Aufmerksamkeit für die private Verschuldung in Österreich[2] vergleichsweise gering.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.     Was wird als optimale Höhe des öffentlichen Schuldenstandes erachtet?

2.     Woraus ergibt sich die Optimalität dieser Höhe?

3.     Auf welcher ökonomischen Theorie beruht die dargelegte Argumentation?

4.     Inwiefern unterscheidet sich die dargelegte Bestimmung der optimalen Höhe des öffentlichen Schuldenstandes von der Bestimmung des optimalen Fremdfinanzierungsanteils privater Unternehmen?

5.     Inwiefern unterscheidet sich die dargelegte Bestimmung der optimalen Höhe des öffentlichen Schuldenstandes von der Bestimmung der optimalen Verschuldung privater Haushalte?

6.     Die Staatsschuldenquote stellt die öffentliche Verschuldung im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt dar. Wie hoch liegt diese Staatsschuldenquote für Österreich per Ende 2018 und wie entwickelte sich diese in den letzten 5 Jahren?

7.     Wie hoch liegt diese Quote (Verschuldung im Vergleich zur Wertschöpfung) per Ende 2018 für private Unternehmen in Österreich und wie entwickelte sich diese in den letzten 5 Jahren?

8.     Wie hoch liegt diese Quote (Verschuldung im Vergleich zur Wertschöpfung) per Ende 2018 für private Haushalte in Österreich und wie entwickelte sich diese in den letzten 5 Jahren?

9.     Welche Bonitäten bzw. Ratings ergaben sich jeweils für den österreichischen Staat, für private Unternehmen und für private Haushalte per Ende 2018?

10.  Welche Risiken lassen sich aus diesen Bonitäten bzw. Ratings ableiten?

11.  Was ist die größte wirtschaftspolitische Herausforderung für Österreich?

12.  Sollen Investitionen zukünftig nur noch dann getätigt werden, wenn dafür keine öffentlichen Schulden aufgenommen werden?

13.  Welche Investitionen werden zurzeit zurückgehalten, um das Ziel eines sinkenden Schuldenstands zu erreichen?

14.  Wie hoch ist der aktuellste vorliegende Stand der Verbindlichkeiten des Bundes?

15.  Liegen auch Daten zum Stand der Verbindlichkeiten von Ländern und Gemeinden vor?

a.     Wenn ja, welche und was ist der aktuellste (erfasste, summierte bzw. geschätzte) Stand an Verbindlichkeiten?

b.     Wenn nein, warum nicht, und gibt es Bestrebungen, dies zu ändern?

16.  Wie hoch ist der aktuellste vorliegende Stand des Vermögens des Bundes?

17.  Liegen auch Daten zum Stand der Vermögen von Ländern und Gemeinden vor?

a.     Wenn ja, welche und was ist der aktuellste (erfasste, summierte bzw. geschätzte) Stand an Vermögen?

b.     Wenn nein, warum nicht, und gibt es Bestrebungen, dies zu ändern?

18.  Ist die Vermögensdarstellung des Bundes vollständig i.S.v beinhaltet sie das gesamte (anteilige, direkte und indirekte) Eigentum des Bundes?

a.     Wenn nein, warum nicht und was fehlt?

19.  Ist die Vermögensdarstellung für Länder und Gemeinden vollständig i.S.v. beinhaltet sie deren gesamtes (anteiliges, direktes und indirektes) Eigentum?

a.     Wenn nein, warum nicht und was fehlt?

20.  Beinhaltet diese Darstellung sowohl die Sachwerte als auch den materiell bewerteten gesellschaftlichen Nutzen und damit den Mehrwert, der ohne öffentliche Bereitstellung dieser Vermögenswerte entfallen würde?

a.     Lässt sich ohne Berücksichtigung des gesellschaftlichen Nutzens bzw. Mehrwerts eine ausreichende Einschätzung und Entscheidung über öffentliche Vermögen treffen?

b.     Gibt es Bestrebungen, dem Haushaltsrecht eine gesetzliche Bestimmung anzufügen, auf Basis derer die Berücksichtigung des gesellschaftlichen Nutzens bzw. Mehrwerts ermittelt wird?

21.  Auf welcher Basis sind die in der vorliegenden Vermögensdarstellung enthaltenen Sachwerte erfasst und bewertet?

22.  Wurde die Zielsetzung dieser Regierung zum öffentlichen Schuldenstand auf Basis einer vollständigen und allen in der Begründung dargelegten ökonomischen Kriterien genügenden Darstellung von öffentlichen Vermögen und Verbindlichkeiten festgelegt?



[1] Link zum Dokument des BMF:
https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/III/III_00203/imfname_713087.pdf.


[2] Link zum Dokument der OeNB: https://www.oenb.at/dam/jcr:7f73f5b3-99c5-4701-8169-
4f6e1d9464ab/06_statistiken_q2_2018_Aruqaj_Wiesinger.pdf.