3563/J XXVI. GP

Eingelangt am 15.05.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Freundinnen und Freunde
an den
Bundesminister für Inneres

betreffend „Verdacht des Verrats der Hausdurchsuchung an Martin Sellner"

Begründung

Am 14. Mai 2019 wurde durch Medienberichte bekannt, dass der mutmaßliche Christchurch- Attentäter Brenton Tarrant und der Sprecher der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) Martin Sellner in regem Mailkontakt standen. So habe sich nach der Spende des Christchurch- Attentäters in der Höhe von EUR 1.500,-- an Martin Sellner ein aus mehreren E-Mails bestehender Austausch zwischen dem 6. und 10. Jänner 2018 entwickelt. Sellners Dankesschreiben vom 6.1.2018 an den Christchurch-Attentäter lautet wie folgt:

„Danke dir Brenton, ich möchte dir persönlich für deine unglaubliche Spende danken. Das ist meine persönliche Email-Adresse. Du kannst mich unter dieser Adresse erreichen, wenn du möchtest."

Brenton Tarrant antwortet:

„Es ist eine kleine Summe im Vergleich zu der vielen Arbeit, die du leistest. Es wird ein langer Weg zum Sieg sein, aber unsere Leute werden jeden Tag stärker."

Wenige Tage später werden wieder E-Mails ausgetauscht. Brenton T.s Worte gäben Sellner „wirklich Energie und Motivation."[1] In diesen bietet Sellner dem Attentäter an:

„Wenn du jemals nach Wien kommst, müssen wir auf einen Kaffee oder ein Bier gehen.“

Und Brenton Tarrant erwidert:

„Das Gleiche gilt für dich, wenn du jemals nach Australien oder Neuseeland kommst. Wir haben Menschen in beiden Ländern, die dich gerne in ihrem Haus aufnehmen würden."[2]

Brenton Tarrant beendet sein Mail mit dem Aufruf:

„Keep on fighting the good fight!"

Sellner antwortet:

„It's great to see our unity in this time of danger."

Nach diesen E-Mails tauschten sich Sellner und Brenton Tarrant auch über andere Rechtsextreme aus und Sellner soll für seinen YouTube Kanal geworben haben. Der Christchurch-Attentäter antwortet darauf in Deutsch: „Fantastisch“

Der letzte bekannte E-Mail Verkehr zwischen Sellner und dem Christchurch-Attentäter fand im Juli 2018 statt. Sellner bedankt sich in dieser Nachricht noch einmal bei Brenton T. für seine Spende. Einen Tag danach bucht der mutmaßliche Attentäter Mietwagen und Unterkünfte in Österreich.[3]

Mehr als ein Jahr liegen die Mails auf Sellners Account auf seinem MacBook. Am 23. März 2019 um 12.19 Uhr speichert Sellner plötzlich diese Mails als Screenshots und löscht sie von seinem Account. Um 13.00 Uhr beginnen Beamte des BVT im Auftrag der StA Graz mit der Hausdurchsuchung in Sellners Privatwohnung in Wien.

Zwei Tage später bestätigt Sellner in seiner Einvernahme die Löschung der Mails kurz vor der Haus­durchsuchung.

Das BVT ermittelt nun, ob es noch weitere gelöschte E-Mails gibt und ob es persönliche Treffen zwi­schen Sellner und dem Christchurch-Attentäter gab. Laut Anlassbericht des BVT vom 4. April 2019 ist Sellner „dringend tatverdächtig, nach gegenwärtigem Ermittlungsstand, Mitglied eines bis dato nicht näher verifizierbaren international agierenden rechtsextremen Netzwerkes zu sein“.[4]

Dass der Sprecher der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich die ihn belastenden E-Mails so kurz vor der Hausdurchsuchung gelöscht hat, wirft die Frage eines möglichen Verrats der Haus­durchsuchung an Martin Sellner auf.

Daher stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgende

Anfrage:

1.              Ist es richtig, dass Sellner den Mailverkehr aus dem Jänner 2018 zwischen ihm und Tarrant ca. 40 Minuten vor der Hausdurchsuchung von seinem Account gelöscht hat?

2.             Seit wann ist Ihnen bzw. Ihrem Generalsekretär der Umstand dieser kurzfristigen Löschung in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung bekannt?

3.              Was ist Sellners Begründung für die kurzfristige Löschung der Mails nach deren langer Aufbe­wahrung?

4.              Sind Untersuchungen über einen möglichen Verrat der bevorstehenden Hausdurchsuchung im BMI eingeleitet worden?

a.       Falls ja, welche Abteilungen und Dienststellen sowie sonstige Organisationseinheiten sind mit diesen Ermittlungen betraut?

b.       Falls ja, wurde das BVT mit diesen Ermittlungen betraut bzw. ist das BVT eingebun­den? (Bitte um Angabe der konkreten Abteilung im BVT.)

c.        Falls ja, welche konkreten Ermittlungsschritte wurden gesetzt?

d.       Falls ja, welche konkreten (Zwischen-)Ergebnisse liegen vor?

e.        Falls nein, weshalb nicht?

5.             Wer im BMI steht in Bezug auf einen möglichen Verrat der bevorstehenden Hausdurchsuchung im Gelegenheitsverhältnis?

6.             Sind nur diese Mails oder auch weitere Mails gelöscht worden?

7.             Gibt es in diesem Zusammenhang Hinweise auf weitere von Sellner gelöschte Mails?

8.             Gibt es Hinweise auf die Empfänger dieser Mails?

a.    Wenn ja, welche?

9.             Wann ist die HD von der StA Graz angeordnet worden?

10.          Wann sind die damit beauftragten Beamten des BVT über die bevorstehende Hausdurchsu­chung bei Sellner informiert worden?

11.          Wann ist Ihr Generalsekretär über die bevorstehende Hausdurchsuchung bei Sellner informiert worden?

12.          Wann sind welche Mitglieder Ihres Kabinetts über die bevorstehende Hausdurchsuchung bei Sellner informiert worden?

13.          Wann sind Sie als Bundesminister über die bevorstehende Hausdurchsuchung bei Sellner in­formiert worden?

14.          Wie viele und welche Personen in Ihrem Vollzugsbereich wussten im Vorfeld von der bevor­stehenden Hausdurchsuchung bei Martin Sellner?

a.    Wann und warum wurden diese Personen informiert?

15.          Waren Sie, Angehörige Ihrer politischen Büros oder andere Bedienstete in ihrem Vollzugsbe­reich bereits vor dem Erscheinen der diesbezüglichen Medienberichte am 14.5.2019 über den möglichen Verrat der Hausdurchsuchung an Martin Sellner informiert?

a.      Falls ja, von wem und wann wurden die entsprechenden Personen informiert?

b.      Falls ja, welche konkreten Maßnahmen haben Sie aufgrund dieser Informationen ge­setzt?

c.       Falls nein, weshalb nicht?

16.          Warum ist Sellner bis heute nicht zum Grund der kurzfristigen Löschung der Mails befragt worden?

17.          Ist die StA Graz über den Verdacht des Verrats der Hausdurchsuchung informiert worden?

a.      Wenn ja, wann und von wem?

b.      Wenn nein, warum nicht?

18.          Gibt es - über das zeitliche Naheverhältnis zwischen dem der Zeitpunkt der Löschung und der Hausdurchsuchung hinausgehend - weitere Hinweise auf den möglichen Verrat der Haus­durchsuchung an Martin Sellner oder Personen aus seinem Umfeld?

19.          Haben Sie in Bezug auf den möglichen Verrat der Hausdurchsuchung die Anruf- und Chatpro­tokolle sowie sonstige Kommunikationskanäle von Martin Sellner und ihm nahestehenden Per­sonen, insbesondere seiner Verlobten Brittany Pettibone, dahingehend überprüft, ob Bedienstete aus Ihrem Vollzugsbereich im Vorfeld der Hausdurchsuchung Kontakte zu den oben genannten Personen hatten?

a.     Falls ja, was war das Ergebnis dieser Überprüfung?

b.     Falls ja, welche Personen hatten wann Kontakt mit Martin Sellner oder ihm nahestehenden Personen?

c.      Falls nein, weshalb nicht?

20.          Welche konkreten Schritte haben Sie bisher gesetzt, damit Personen in Ihrem Vollzugsbereich, insbesondere Bedienstete der Polizei und des BVT, von denen Erkenntnisse vorliegen, dass die­se Mitglieder der rechtsextremen IBÖ sind oder waren bzw. Verbindungen und Kontakte zur IBÖ haben oder hatten, keinen Zugang zu Informationen betreffend die Ermittlungen gegen die rechtsextreme IBÖ und mit ihr in Verbindung stehenden Personen haben?

21.          Welche konkreten Maßnahmen haben Sie bisher gesetzt, um zu verhindern, dass Informatio­nen über die einschlägigen Ermittlungsverfahren an Martin Sellner und/oder die rechtsextre­me IBÖ abfließen?

22.          Welche konkreten Maßnahmen werden Sie in Zukunft setzen, um zu verhindern, dass Informa­tionen über die einschlägigen Ermittlungsverfahren an Martin Sellner und/oder die rechtsext­reme IBÖ abfließen?

23.          Lassen sich auf den bei der Hausdurchsuchung sichergestellten elektronischen Geräten sonsti­ge auffällige Nutzeraktivitäten in den 48 Stunden vor der Hausdurchsuchung feststellen?

a. Falls ja, welche?

24.          Wer trägt die politische Verantwortung für einen möglichen Verrat der Hausdurchsuchung an Identitären-Chef Sellner?


 



[1] https://derstandard.at/2000103145053/Sellner-koennte-doch-mehr-mit-Christchurch-Attentaeter-zu-tun- gehabt?ref=article&fbclid=lwAR23o646dQCrcsaifl4rt0quDnUQl-bo4FYvssgBLXPuHKLS0UvCMLEoLos (15.5.2019).

[2] ZIB 2 vom 14.5.2019.

[3] ZIB 2 vom 14.5.2019.

[4] ZIB 2 vom 14.5.2019.