3565/J XXVI. GP

Eingelangt am 16.05.2019
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Dringliche Anfrage

gem. § 93 Abs 2 GOG-NR

der Abgeordneten Mag.a Beate Meinl-Reisinger MES, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Putins Freunde in der FPÖ bedrohen unsere liberale demokratische Ordnung in Europa und die ÖVP schaut zu

Begründung

 

Die Bundesregierung steht einer der größten Bedrohungen für unsere europäischen Demokratien nicht oder im besten Fall schlecht vorbereitet gegenüber: der Manipulation von Institutionen und politischen Entscheidungsprozessen durch gezielte Desinformationskampagnen. Verstrickungen der Bundesregierung mit der Kreml-Partei und mangelhafte Vorbereitung auf mögliche Desinformationskampagnen oder Cyberanschläge gefährden die Sicherheit Österreichs. Bei allen langfristigen Maßnahmen, die in die Widerstandsfähigkeit der Gesellschaft gegen Manipulation einzahlen könnten, zeigt die Bundesregierung wenig Einsatz und wenig Verständnis für die Herausforderung, vor der Europa vor dieser Wahl und vor allen weiteren politischen Entscheidungsfindungsprozessen steht. 

Zwei Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament warnt die EU-Kommissarin für Justiz vor Manipulationen der Europawahl – insbesondere durch Russland. "Wir dürfen nicht zulassen, dass auch nur in einem Mitgliedsstaat die Wahlergebnisse durch Manipulation verfälscht werden. Nicht nur, aber auch, weil diese Wahlen Schicksalswahlen für Europa sind", sagte Jourová den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) und sprach von einem digitalen Wettrüsten in Europa. 

Gleichzeitig zeigt sich, dass es seit Jahren beste Beziehungen zwischen dem Kreml und den europäischen rechten Kräften, zum Beispiel in Italien (Lega Nord), Frankreich (Front National, mittlerweile Rassemblement National), Deutschland (AfD) und Österreich (FPÖ) gibt. Das Ziel dieser systematischem Unterstützung scheint dabei die dezidierte Förderung einer nationalistischen und europafeindlichen Haltung zu sein. In Österreich ist bekanntermaßen die FPÖ der strategische Partner der Putin-Partei Jedinaja Rossija ("Einiges Russland"). Neben besten persönlichen Kontakten von Seiten der FPÖ Führung mit Vertretern von Einiges Russland, bestehen auch gute Kontakte zu ausgewiesenen russischen Ultra-Nationalisten. Die systematische Unterstützung zeigt sich auch daran, dass zum Beispiel Vertreter der FPÖ, AfD und der Lega Nord regelmäßig an „Wahlbeobachtungsmissionen“ in Russland und auf der Krim teilgenommen haben und zu zahlreichen Konferenzen eingeladen waren, um Pro-Kremlin und Anti-EU Positionen zu vertreten. In Frankreich vergaben russische Banken Kredite an Marine Le Pens Partei. Die „Vereinbarung über Zusammenwirken und Kooperation“ zwischen der FPÖ und "Einiges Russland" war ein Jahr später auch Vorlage für einen nahezu identischen Vertrag zwischen der Lega Nord mit Putins Partei. In Deutschland ging die Zusammenarbeit zwischen Einiges Russland und AfD sogar soweit, dass das Pro-Kremlin Lager plante, mit Markus Frohnmaier, dem Sprecher von Alice Weidel, einen komplett kontrollierten Abgeordneter im Bundestag haben könnte.

Besonders zeigt die österreichische Außenministerin und mit ihr die ganze Bundesregierung ein besonders kremlfreundliches Gesicht, erinnert man sich an die Teilnahme des russischen Präsidenten an der Hochzeit der Außenministerin, die Weigerung Österreichs, nach der Skripal-Affäre im Gleichklang mit anderen EU-Staaten russische Diplomaten auszuweisen oder die grundsätzliche Offenheit Österreichs, Sanktionen gegen Russland abzubauen, ohne dafür eine Gegenleistung zu fordern und das Freundschaftsabkommen der FPÖ mit der Putin-Partei "Einiges Russland".

Diese direkte Verbindung zwischen Vertretern der FPÖ als Regierungspartei und der russischen Regierung sowie der BVT-Skandal sorgten auch dafür, dass Österreich im europäischen Informationsaustausch auf Nachrichtendienstebene abgeschnitten wurde. Österreich hat kurzfristig sogar der Ausschluss aus dem Berner Club, dem Netzwerk europäischer Geheim- und Nachrichtendienste, gedroht und bekommt weiterhin nur eingeschränkt Informationen bzw. wird von einigen anderen Mitgliedern explizit von gemeinsamen Aktionen ausgenommen. Das ist ein gravierender Schaden für Österreichs sicherheitspolitische internationale Zusammenarbeit und somit für die Sicherheit Österreichs.

Einer Eurobarometer-Umfrage im November 2018 zufolge fürchten 61 Prozent der Befragten Cyberattacken auf die europäischen Wahlen bzw. eine Beeinflussung der Wahlergebnisse dadurch. Nur 58 Prozent waren der Meinung, dass ihr Land genug tue, um das zu verhindern. 73 Prozent fürchten Desinformation und Missinformation bei den Wahlen und 83 Prozent sind der Überzeugung, dass Fake News eine Bedrohung für die europäischen Demokratien sind. 

Europäische Sicherheitsexpert_innen charakterisieren die EU-Wahlen als einen einzigartigen Test für Europa hinsichtlich der Abwehr von Manipulation von außen. Es geht um Milliarden von Postings jeden Tag in 28 Ländern und 24 offiziellen Sprachen. Allein Facebook hat in Europa mehr User als in den USA, die während der letzten US-Präsidentschaftswahlen zu einem besonderen Ziel für Einflussnahme feindselig eingestellter Gruppierungen im Ausland wurden. 

In Österreich beschränken sich die Maßnahmen gegen diese Art der Bedrohung aktuell auf Scheinmaßnahmen und zu kurzfristig gedachte Symptombekämpfung. Es ist keine Langzeitstrategie erkennbar, unsere Gesellschaft nachhaltig widerstandsfähig gegen Manipulation von außen zu machen. 

Russland als primäre Quelle von Desinformation und Cyberattacken in Europa

Als die größte Quelle von in Europa grassierenden Fake News und von Desinformation nennen Expert_innen und politische Entscheidungsträger Russland. "Es gibt starke Beweise, die darauf hinweisen, dass Russland die primäre Quelle von Desinformation in Europa ist", sagte etwa der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Andrus Ansip. "Desinformation ist ein Teil der russischen Militärdoktrin und der russischen Strategie den Westen zu spalten und zu schwächen. Russland gibt jährlich 1,1 Milliarde Euro für Pro-Kreml-Medien aus", warnte Kommissar Ansip. 

Um das Jahr 2008 herum begannen russische internationale Medien (Russia Today, Voice of Russia, Sputnik u.a.) in der rechten Szene westlicher Staaten aktiv zu werden und den Konsens der liberalen Demokratie zu untergraben, indem sie Misstrauen säten und anti-europäische Ressentiments bedienten. Sie boten rechten Parteien große Plattformen, um rassistische, homophobe, anti-europäische Positionen und Verschwörungstheorien zu teilen. Sie publizieren Artikel, die die EU als "bürokratisches Monster", als korrupt und dysfunktional porträtieren sowie den Westen als gescheiterte Idee und als instabil.

Eine Reihe von Staaten verzeichneten in den vergangenen fünf Jahren konkrete Desinformationskampagnen von russischer Seite rund um demokratische Entscheidungsprozesse. Einige Beispiele:

·        Schweiz, 2014: Russische Hacker stehlen Daten über geheime Projekte des Verteidigungsdepartements beim Schweizer Rüstungskonzern RUAG. Da dieser ein wichtiger Geschäftspartner des Bundes ist, bestehen zwischen der RUAG und dem Bund zahlreiche Informatikschnittstellen, die damit den Russen zugänglich wurden.

·        Deutschland, 2015: Russischer Cyberangriff auf den Deutschen Bundestag.

·        Großbritannien, 2016: Mehr als 150.000 russischsprachige Twitter Accounts posten zehntausende Messages auf Englisch, um die "Leave"-Kampagne zu unterstützen.

·        Deutschland, 2017: Russische Staats- und pro-Kreml-Bots verbreiteten laut Berichterstattung deutscher Medien im Netz die Botschaft, die AfD sei das Opfer von Wahlbetrug geworden. Unter dem Hashtag "Wahlbetrug" befeuerten russische und westliche Accounts der extremen Rechten die Falschmeldung, das deutsche Bundestagswahlergebnis sei gefälscht und auch zukünftige Wahlen würden vom "politischen Establishment" manipuliert werden. Russische Stakeholder versuchten die AfD mit finanziellen Mitteln und Mediensupport auszustatten, die für den Bundestag kandidierten. 

·        Frankreich, 2017: Die Macron-Kampagne im Vorfeld der französischen Präsidentschaftswahlen wurde Ziel russischer Cyberattacken. Zwei Tage vor der Stichwahl berichteten französische Medien Versuche von russischer Seite, Websiten und Mailaccounts der Kampagne lahmzulegen.

·        Spanien, 2017: Die East Stratcom Task Force und die George Washington University kamen zu dem Schluss, dass Russland eine gezielte Desinformationskampagne fuhr, um das Referendum um die Unabhängigkeit Kataloniens zu beeinflussen und die Separatisten zu stärken. Sie registrierten mehr als fünf Millionen Messages auf Social Media Plattformen, die von pro-Kreml Accounts sowie Russia Today und Sputnik gesendet wurden. 

·        Montenegro, 2017: Britische Sicherheitskräfte äußerten die Vermutung, der gescheiterte Coup gegen Montenegros Regierung sei der Versuch der Russen gewesen, den NATO-Beitritt Montenegros zu stören und zu verhindern.

·        Nordmazedonien, 2018: Amerikanische Wissenschaftler_innen, die ebenso die letzten US-Wahlen analysiert hatten, warnten vor russischer Einmischung um das Namensreferendum in Mazedonien. Sie registrierten Desinformationskampagnen und finanzielle Unterstützung durch Russland für Gegner des Namensdeals.

Meldungen von Desinformation im Vorfeld der Europäischen Wahlen

Im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament wurde in mehreren Mitgliedstaaten das Aufkommen von Desinformationskampagnen beklagt. 

Einem Bericht einer Kampagnenplattform zufolge gibt es besonders unter den französischen Gelbwesten überproportional viele Zugriffe auf Desinformationsportale. In dem Bericht heißt es, Fake News im Umfeld der Bewegung seien allein auf Facebook 105 Millionen Mal aufgerufen worden. Dabei gebe es in Frankreich nur 35 Millionen regelmäßig aktive Facebook-Nutzer. Vier Millionen Mal hätten Nutzer die Inhalte zudem geteilt, also weiterverbreitet. Besonders stark ist das russische Portal Sputnik News. 

Französische Sicherheitsbehörden bestätigen, dass Facebook-Profile, Twitter-Trolle, WhatsApp-Gruppen und verschiedene Websites in größerem Stile Fake News gegen die Europäische Union, NATO, Migrant_innen etc. verbreiten. Ein Beispiel dafür war die falsche Geschichte, dass der Notre Dame Brand von islamistischen Terroristen gelegt worden sein soll. 

Spanien nennt Desinformation und andere Cyberbedrohungen als eines der größten Sicherheitsrisikos während der Wahlen. Die spanische Regierung hat im Sicherheitsministerium eigens eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die solche Angriffe beobachten, bewerten und bewältigen soll, nachdem in Spanien die Fake News Erfahrungen rund um das Referendum in Katalonien noch in Erinnerung sind. 

In Italien wiesen Seiten von Vorfeldorganisation politischer Parteien plötzlich dieselben elektronischen Signaturen wie pro-Kreml-Websiten auf. Ein ähnliches Problem besteht in Deutschland, wo extreme politische Gruppierungen offenbar Server mitverwenden, die auch russische Hacker nutzen.

Mangelhafte Maßnahmen der Österreichischen Bundesregierung gegen Desinformation

In Österreich gibt es aktuell keine ernstzunehmende öffentliche Debatte um die Bedrohung durch gezielte Desinformationskampagnen. All jene Mitglieder der Bundesregierung, die in den Ausschüssen des Österreichischen Parlaments dazu befragt wurden, gaben vage und weitgehend allgemeine Antworten darüber, wie man die Bedrohung aktuell von Regierungsseite wahrnimmt und was dagegen zu tun ist. 

Um die Mitgliedstaaten beim Kampf gegen Desinformation zu unterstützen und auf EU-Ebene einen Konsens über die weitere Vorgehensweise zu skizzieren, veröffentliche die Europäische Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst 2018 einen Aktionsplan gegen Desinformation, der den Mitgliedstaaten bestimmte Maßnahmen vorgibt. 

Laut Anfragebeantwortungen der Bundesregierung wurden bei der Umsetzung dieser zwar kleine Schritte gesetzt, aber von einer vollständigen Umsetzung vor den EU-Wahlen kann nicht die Rede sein. So beruft sich die Regierung bei der Einrichtung einer Stelle zur Beobachtung und Meldung von Fake News fortwährend auf den Büroleiter des Regierungssprechers, Sven Wagner. Was genau diese "Stelle" tut, hat die Bundesregierung bisher nicht beantworten können. 

Entsprechende Anträge der Opposition über die Erstellung einer Strategie zur Bekämpfung von Desinformation und Deepfakes wurden im Innenausschuss vertagt, anstatt das Gesprächsangebot der Opposition anzunehmen, um gemeinsam an einer Lösung zu arbeiten. 

Nachhaltige Investition in Medienkompetenz der österreichischen Bevölkerung

Aus dem E-Paper Kritische Medienkompetenz und Community Medien auf der Website erwachsenenbildung.at geht klar hervor, dass Medienkompetenz in der Erwachsenenbildung ein Thema ist, das in den vergangenen Jahren weitgehend vernachlässigt wurde. In einer EU-weit durchgeführten Studie zu Media Literacy-Projekten in Europa wurde aufgezeigt, dass sich Bildungsangebote zum Thema Medienkompetenz in fast allen Ländern fast nur an Kinder und Jugendliche wenden und sich nur in wenigen Fällen auch an Erwachsene richten. Doch gerade heute sind alle Generationen vom Medienwandel betroffen und gerade von Erwachsenen wird erwartet, dass sie selbst verantwortungsvoll handeln und Kinder und Jugendliche dabei unterstützen, Medien kompetent zu nutzen. Laut dem E-Paper braucht es, um diese Lücke in der Auseinandersetzung zu schließen, längerfristiger Anstrengungen vieler Akteur_innen in der Erwachsenenbildung.

Einer Anfragebeantwortung der Bundesregierung zufolge, besteht hier jedoch ein gravierender Mangel an klarer Kompetenzenverteilung auf die verschiedenen Stakeholder. Wo der Bund zuständig ist, gibt die Bundesregierung drei Bereiche an, in denen sie tätig geworden ist:

1.    Das Portal der Erwachsenenbildung (EB-MOOC „Digitale Methoden und Ressourcen“) mit 2.900 registrierten Teilnehmenden und einer Abschlussquote von 64 Prozent.

2.    Der Bereich der Basisbildung: Jedoch gab es nur 260 geförderte Basisbildungsangebote für 2015-2018 in ganz Österreich.

3.    Als drittes Feld definiert die Bundesregierung Aus- und Weiterbildungsangebote von in der Erwachsenenbildung tätigen Personen durch das Bundesinstitut für Erwachsenenbildung. Was das mit Erwachsenenbildung im Bereich Medienkompetenzvermittlung zu tun hat, ist nicht klar. Hier scheint es eher um die Ausbildung der Ausbildner_innen zu gehen.

Auch über die Geldflüsse in diesem Bereich konnte die Bundesregierung keine genaue Auskunft geben. Über den diesbezüglichen Stand der Dinge in den Ländern ist die Bundesregierung nicht informiert. Das ist insgesamt eine eher bescheidene Leistung im Bereich der Medienkompetenzvermittlung bei Erwachsenen. Ernstzunehmende Überlegungen für ein Erwachsenenbildungskonto und die Förderung entsprechender Angebote scheint es nicht zu geben. 

Transparenz bei der Parteienfinanzierung

Die Regierungsparteien haben weder ein geplantes Budget für die Europawahl noch die Einnahmen und Ausgaben der letzten Nationalratswahl offengelegt. Die Parteifinanzen von ÖVP und FPÖ sind nach wie vor eine Black Box. Das ist eine Zumutung gegenüber den Bürger_innen. Nur volle Wahrheit an 365 Tagen im Jahr bringe das lückenlose Prinzip: Wer finanziert die Parteien und wen bezahlen Sie. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass keine Einflussnahme von außen durch Spenden von der europäischen Demokratie feindselig gestimmten Kräfte geschieht. 

Der Rechnungshof soll endlich Prüfrechte für Parteienfinanzen erhalten. Es braucht bereits bei der Europawahl echte Strafen für die schamlosen Überschreitungen der Wahlkampfkostenobergrenze. Es kann nicht sein, dass sich Parteien nicht an das Gesetz halten und dann ein kleines Bußgeld zahlen, das sie ohnehin eingeplant haben. Es braucht Strafzahlungen von bis zu 150 Prozent des Überschreitungsbetrages bei gleichzeitiger Senkung der Wahlkampfkostenbeschränkung auf einen Euro pro Wahlberechtigten.

Freie, starke und unabhängige Medien

Durch kritischen Qualitätsjournalismus gut informierte Unionsbürger_innen sind schwer zu täuschen und widerstandsfähig gegen Einflussnahme von außen. Die Bundesregierung bekennt sich zwar auf Nachfrage zu starken, unabhängigen Medien und will politische Einflussnahme auf diese zurückdrängen. Gleichzeitig greift eine Regierungspartei öffentlich den Österreichischen Rundfunk an und der Spitzenkandidat derselben für die Europawahl spricht sich offen für die Entlassung eines unabhängigen Journalisten aus, weil ihm die Interviewfragen nicht gepasst haben. 

Auf die Anfrage, was die Bundesregierung konkret tut, um die Medien zu stärken, antwortet der Medienminister: "Um die Rahmenbedingungen für freien Journalismus bestmöglich zu sichern, wurden auf Initiative der Bundesregierung im Rahmen der Begleitgesetze zur Umsetzung der Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) daher Medien im Hinblick auf die journalistische Tätigkeit vom Anwendungsbereich der DSGVO ausgenommen.", geradeso als wäre das ausreichend, um die Attacken seines Koalitionspartners auf die Pressefreiheit zu kompensieren. 

Stärkung der europäischen Institutionen im Bereich der Bekämpfung von Desinformation

Auch auf europäischer Ebene gibt es Handlungsfelder für die Bundesregierung. Da Desinformationsaktivitäten an Umfang und Bedeutung gewinnen und das Bewusstsein für die negativen Folgen von Desinformation geschärft werden muss, sollte das Mandat der East StratCom Task Force aufrechterhalten und das Mandat der beiden anderen Task Forces für strategische Kommunikation (Westbalkan und South) überarbeitet werden. Gleichzeitig braucht es entsprechende finanzielle Ausstattung dieser Task Forces. Dafür gilt es, sich auch von österreichischer Seite auf EU-Ebene einzusetzen. Auch dazu hat die Bundesregierung sich bisher nicht geäußert. 

Letztlich ist nur eine resiliente, also eine widerstandsfähige Gesellschaft ein Lösungsansatz für diese Herausforderung. Das bedeutet, wir brauchen einen gut auf solche Herausforderungen trainierten Sicherheitsapparat, starke Anti-Korruptionsbehörden, Transparenz bei der Parteienfinanzierung, aber auch unabhängige und finanziell stabile Medien und kritische und medienkompetente Bürger_innen. In den meisten dieser Bereiche kann die Bundesregierung aktuell keine Erfolge oder zumindest angemessene Bemühungen verzeichnen.

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Dringliche Anfrage

1.    Wurde eine umfassende Bedrohungsanalyse bezüglich Desinformationskampagnen und Cyberattacken im Vorfeld und während der EU-Wahlen 2019 beziehungsweise auch hinsichtlich zukünftiger Wahlen durchgeführt, die alle Ressorts beleuchtet?
a) Wenn ja, wann und durch welches Ministerium bzw. Amt?
b) Wenn nein, warum nicht?

2.    Andere Staaten haben bereits Auffälligkeiten im Bereich Desinformation im Vorfeld der EU-Wahl gemeldet. Gab es in Österreich diesbezüglich ähnliche Beobachtungen und Vorfälle?
a) Wenn ja, welche?
b) Wenn ja, wurde das über die Kontaktstelle Sven Wagner dem EEAS und den anderen Mitgliedstaaten gemeldet und wann?

3.    c) Wenn ja, wie wurde darauf reagiert?

4.    Die meisten Wissenschaftler_innen, die sich mit Beeinflussung von politischen Entscheidungsprozessen durch Desinformation auseinandersetzen, weisen auf hohe Aktivität von russischsprachigen Twitter- und Facebook-Accounts hin, die koordiniert ihre Botschaften anbringen. Wurde so etwas mit Relevanz für Österreich bzw. die EU-Wahlen in Österreich auch beobachtet?
a) Wenn ja, in welchem Umfang?

5.    Haben Angehörige des Bundeskanzleramts bzw. der Sicherheitsressorts an Trainings, Briefings, einem Gedankenaustausch zu konkreten Vorfällen im Bereich Desinformation in Europa teilgenommen?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, welche Personen welches Ressorts und wann?
c) Welche Maßnahmen werden getroffen, um für die diesbezügliche Fortbildung von verantwortlichen Personen auch im Büro des Regierungssprechers zu sorgen?

6.    Am Montag, den 13. Mai fand der Rat der EU-Außen- und Verteidigungsminister statt. Das Bundeskanzleramt koordiniert in der Frage der Desinformationsbekämpfung die Aktivitäten der einzelnen Ressorts. Waren die Themen Desinformation und Wahlmanipulation Ihres Wissens dort Thema? 
a) Wenn ja, welche Position vertrat Österreich in diesem Gremium?

7.    Welche konkreten Maßnahmen haben Sie gesetzt, um im Falle von gezielten Desinformationskampagnen von außerhalb Österreichs reagieren zu können?

8.    Die meisten Desinformationskampagnen, die im großen Stil Europa beeinflussen, stammen Expert_innenangaben zufolge aus Russland. Die Österreichische Bundesregierung hat sich bisher betont russlandfreundlich gezeigt. Hat Ihrer Information nach bereits ein Mitglied der Bundesregierung das Thema Wahlmanipulation und Desinformation in Gesprächen mit Ihren russischen Gegenübern angesprochen?
a) Wenn ja, bei welcher Gelegenheit und mit welchem Ergebnis?
b) Wenn nein, warum nicht?
c) Wenn nein, wann werden Sie das tun?

9.    Österreich befindet sich in einem engen Verhältnis mit den Staaten des Westbalkans, die verschiedenen Analysen zufolge besonders stark von russischen Desinformationskampagnen betroffen sind. Der Verteidigungsminister betonte während des österreichischen Ratsvorsitzes wiederholt, dass er dabei sei, die Kooperation mit den Westbalkanstaaten im Verteidigungsbereich auszubauen. Gibt es Ihrer Information nach Kooperation mit den Westbalkanstaaten im Bereich der Bekämpfung von Desinformation, Wahlmanipulation?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, wie sieht diese aus?

10. Die Bundesregierung hat auf Nachfrage von NEOS beteuert, mit der Umsetzung des Aktionsplans gegen Desinformation der Kommission und des EEAS beschäftigt zu sein. Wird der Plan Ihrer Einschätzung nach bis zu den EU-Wahlen voll umgesetzt sein?
a) Wenn nein, warum nicht?

11. Maßnahme 1 des Aktionsplans betrifft die bessere personelle und technische Ausstattung der Task Forces für strategische Kommunikation des Europäischen Auswärtigen Dienstes, insbesondere mehr Expert_innen für Datamining und Datenanalyse durch die Kommission und die Mitgliedstaaten. Welchen konkreten Beitrag leistet Österreich zur besseren Ausstattung des EEAS in diesem Bereich? Steuert Österreich Expertise bei? Wenn ja, in welchem Bereich? 

12. Maßnahme 2 betrifft die Überarbeitung der Mandate der Task Force für strategische Kommunikation Westbalkan und South durch die Hohe Vertreterin. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage der besseren finanziellen Ausstattung der East StratCom Task Force und der beiden anderen Task Forces für strategische Kommunikation (Westbalkan und South). Setzt sich Österreich in den Verhandlungen um den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen für eine bessere finanzielle Ausstattung dieser ein?
a) Wenn nein, warum nicht?

13. In Umsetzung der Maßnahme 3 des Aktionsplans gegen Desinformation wurde auf europäischer Ebene ein Frühwarnsystem gegen Desinformation
eingerichtet, durch das sich die Mitgliedstaaten der EU besser im Kampf gegen Desinformationskampagnen, die von außerhalb der EU ausgehen, austauschen können. In Österreich ist die Kontaktstelle dieses Frühwarnsystems laut Ihren Angaben der Büroleiter des Regierungssprechers, Sven Wagner. Was genau macht Sven Wagner im Bereich er Beobachtung von Desinformation?
a) Welche Quellen benutzt er und wie geht er bei seiner Recherche vor?
b) Hat das Büro des Regierungssprechers, das wohl auch einige andere Aufgaben hat, genügend Zeitressourcen für die Beobachtung von möglichen Desinformationskampagnen?
c) Wie viel Zeit verwendet Herr Wagner auf dieses Thema pro Woche?
d) Sie gaben an, seine Aufgabe sei vor allem, das Bewusstsein auf gezielte Desinformationskampagnen aus Drittstaaten zu schärfen. Welche Maßnahmen wurden diesbezüglich bisher gesetzt? Wie wird dieses Bewusstsein konkret geschärft und wie erfolgreich waren Sie dabei bereits? Gibt es irgendwelche Zielvorgaben für diese Maßnahme? Wenn ja, welche?

14. Aus dem E-Papier Kritische Medienkompetenz und Community Medien auf der Website erwachsenenbildung.at des Bildungsministeriums geht hervor, dass Medienkompetenz ein Thema ist, das in der Erwachsenenbildung in den letzten Jahren und aktuell noch immer sträflich vernachlässigt wurde und wird. Sie sagen, dieses Thema betrifft keinen Gegenstand Ihrer Vollziehung, allerdings ist das Bundeskanzleramt koordinierend und im Sinne einer Gesamtstrategie zum Thema Desinformation bzw. widerstandsfähige Gesellschaft zuständig und Medienkompetenzvermittlung ist ein konkreter Punkt des Aktionsplans gegen Desinformation. Welchen Beitrag werden Sie also leisten, um diese Situation zu verbessern?

 

 

15. Transparente Parteienfinanzierung ist ein integraler Bestandteil eines resilienten Staates. In Österreich gibt es nach wie vor nur sehr lockere Regeln diesbezüglich. Wann werden Sie sich endlich für eine gesetzliche Regelung aussprechen, die politische Parteien dazu anhält, Einnahmen und Ausnahmen zu veröffentlichen?

16. Wann werden Sie sich endlich dafür einsetzen, dass der Rechnungshof Prüfrechte für Parteifinanzen erhält?

17. Wann werden Sie sich dafür einsetzen, dass deutlich spürbare Strafzahlungen für die Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze bei gleichzeitiger Senkung der Wahlkampfkostenbeschränkung auf einen Euro pro Wahlberechtigten eingeführt werden?

18. Bundesminister Blümel antwortete auf eine Anfrage zum Thema Desinformation unter anderem: "Die Presse- und Meinungsfreiheit ist in Österreich als Grundrecht verfassungsrechtlich verankert und stellt damit einen wesentlichen Grundpfeiler unserer Demokratie und selbstverständlich auch unserer Politik dar. Insbesondere Regierungsinstitutionen und öffentliche Einrichtungen tragen eine besonders hohe Verantwortung, freien und unabhängigen Journalismus sicherzustellen. Die Bundesregierung bekennt sich daher zu einem uneingeschränkten Schutz dieses Grundrechts, stellt es doch auch den wichtigsten Grundpfeiler im Kampf gegen Desinformation dar, und tritt für eine aktive, faktenbasierte und transparente Kommunikation gegenüber den Vertreterinnen und Vertretern und internationalen Medien sowie den Bürgerinnen und Bürgern ein." Wie ist Ihre Position zu den direkt aus Ihrer Bundesregierung kommenden Attacken auf die Freiheit des Öffentlichen Rundfunks sowie den durch Ihren Koalitionspartner ausgedrückten Wunsch, einen unbequemen Journalisten des ORF zu entlassen? 
a) Bitte teilen Sie den Bürger_innen Ihre Position zu den vom Innenminister Ihrer Bundesregierung ausgegebenen Informationssperren für ihm unangenehmen Medien (explizit genannt Standard, Falter und Kurier) mit. Wie ist eine solche Vorgehensweise mit einem Bekenntnis zur Presse- und Meinungsfreiheit vereinbar?
b) Wie würde sich die Einschränkung der Arbeit von Qualitätsjournalist_innen zum Beispiel bei den oben genannten Blättern Ihrer Meinung nach auf die Bekämpfung von Desinformation und Missinformation auswirken?
c) Was werden Sie konkret unternehmen, um solche Attacken auf die Presse- und Meinungsfreiheit von höchster Stelle – also aus Ihrer Bundesregierung – in Zukunft zu verhindern?

19. Hat das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Aktivitäten gesetzt, um nachrichtendienstliche Angriffe von russischer Seite durch Desinformationen im Rahmen der EU-Wahl zu identifizieren? 

a.    Wenn ja, was war das Ergebnis dieser Aktivitäten?

b.    Welche Maßnahmen wurden in der Folge gesetzt?

20. Liegen Ihnen Informationen vor, dass Österreich vom Informationsaustausch, der zwischen Geheim- und Nachrichtendiensten Europas geschieht, zumindest teilweise ausgeschlossen ist? Wenn ja, wie planen Sie darauf zu reagieren und wann?


In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.