3573/J XXVI. GP

Eingelangt am 16.05.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Daniela Holzinger-Vogtenhuber BA, Kolleginnen und Kollegen,

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und KonsumentInnenschutz

betreffend Pensionengerechtigkeit (für Frauen) bei Kindererziehungszeiten.

Begründung

Seit dem Inkrafttreten des Pensionsharmonisierungsgesetzes (BGBI. I Nr. 142/2004) per 1. Jänner 2005 wirken Kindererziehungszeiten als Versicherungszeiten. Pro Kind werden jenem Elternteil, welcher das Kind tatsächlich überwiegend erzogen hat, die ersten 48 Monate nach der Geburt (bei Mehrlingsgeburten 60 Monate) als Kindererziehungszeiten angerechnet.

Unabhängig davon, ob der betreuende Elternteil in dieser Zeit auch zusätzlich einer Erwerbsarbeit nachgeht oder nicht, wird eine jährlich valorisierte Beitragsgrundlage (1.864,78 Euro im Jahr 2019) im Pensionskonto den sonstigen Einkünften (bis zur Höchstbeitragsgrundlage von 73.080 € im Jahr 2019) zugeschlagen. Zeiten der Kindererziehung werden daher nicht doppelt als Versicherungszeiten gerechnet, erhöhen jedoch die Beitragsgrundlage und damit die aus den Beitragsmonaten erwachsenden Pensionsansprüche.

Die aktuelle Regelung besagt weiters, dass bei überschneidenden Kindererziehungszeiten, die Kindererziehungszeit des vorhergehenden Kindes mit dem Beginn der Kindererziehungszeit des nächstfolgenden Kindes endet. Die 48 Monate des nächstfolgenden Kindes beginnen dann von neuem, die überlappenden Zeiten des vorhergehenden Kindes gehen für die Pension verloren.

In Hinblick auf den Pensionsanspruch der betroffenen Personen ergibt sich dadurch eine Benachteiligung von erziehenden Elternteilen, deren Kinder in einem Abstand von weniger als 48 Monaten zur Welt kommen - was in der Lebensrealität der Menschen jedoch oft der Fall ist.

Gleiches gilt für Mehrlingsgeburten, die pauschal nur mit 60 Monaten Kindererziehungszeiten Berücksichtigung finden. Bei Zwillingen ergibt sich damit ein rechnerischer Verlust von bis zu 36 Beitragsmonaten, bei Drillingen sind es sogar bis zu 84 Monate.

Anhand nachstehender, fiktiver und näherungshalber Beispiele, die mit Hilfe des Pensionskontorechners der Sozialversicherung (www.pensionskontorechner.at) durchgeführt wurden, ergibt sich folgende Situation:

BEISPIEL 1 PERSONEN a/B

Geschlecht: Weiblich.

Geb.: 01.01.1985

Akademikerin, jobbte neben dem Studium, erste fixe Anstellungen 1.1.2018 mit einem Brutto­Monatsgehalt von 3.500 € (x14)

Pensionskontostand zum Stichtag 1.1.2018: 1.500 €

Wählt pauschales Kinderbetreuungsgeld i.d.H.v 33,88 €/ Tag für 12 Monate = 12.366,20 €

Geht nach jeweils einem Jahr Karenz wieder Vollzeit arbeiten.

Kinder Person A: (Im Abstand von zumindest 48 Monaten)

1.: 1.1.2022

2.: 1.1.2027

3.: 1.1.2033

Kinder Person B: (Im Abstand von 24 Monaten)

1.: 1.1.2022

2.: 1.1.2024

3.: 1.1.2026

Ergebnis A/B:

Person A erhält je nach Pensionsantritt zwischen 1.485,87 (mit 62 Jahren) und 1.776,72 € (mit 65 Jahren) netto an Pension.

Person B erhält hingegen zwischen 1.430,30 (mit 62 Jahren) und 1.708,59 € (mit 65 Jahren) netto Pension und damit um 55 bis 68 € pro Monat weniger als Person A.

BEISPIEL 2 PERSONEN C/D

Geschlecht: Weiblich.

Geb.: 01.01.1985

Lehre - Angestellte seit 2003 mit einem Brutto-Monatsgehalt von 2.000 €

Pensionskontostand zum Stichtag 1.1.2018: 7.470 €

Wählt pauschales Kinderbetreuungsgeld i.d.H.v 33,88 €/ Tag für 12 Monate = 12.366,2 €

Geht nach jeweils einem Jahr Karenz wieder arbeiten.

Kinder Person C: (Im Abstand von zumindest 48 Monaten)

1.: 1.1.2022

2.: 1.1.2027

3.: 1.1.2033

Kinder Person D: (Im Abstand von 24 Monaten)

1.: 1.1.2022

2.: 1.1.2024

3.: 1.1.2026

Ergebnis C/D:

Person C erhält je nach Pensionsantritt zwischen 1.360,65 (mit 62 Jahren) und 1.583,76 € (mit 65 Jahren) netto an Pension.

Person D erhält hingegen zwischen 1.294,58 (mit 62 Jahren) und 1.518,96 € (mit 65 Jahren) netto an Pension und damit um rd. 65 € im Monat weniger als Person C.

Resümee

Anhand der Beispiele ist ersichtlich, dass die Regelungen des Pensionsharmonisierungsgesetzes hinsichtlich der Anrechnung von Kindererziehungszeiten, jene Personen benachteiligen, die ihre Kinder in einem kürzeren Abstand als 48 Monate bekommen haben. Die nur um 25% erhöhte pauschale Anrechnungsdauer der Kindererziehungszeiten bei Mehrlingsgeburten spiegelt diese Benachteiligung ebenso wieder.

Klar ist, dass Familienplanung von einer Reihe entscheidender Faktoren abhängig ist. Die volle oder mangelnde Anrechnung von Kindererziehungszeiten zur Pension gehört dabei aber sicher nicht zu den ausschlaggebenden Überlegungen - von einem Lenkungseffekt ist also weder in der einen, noch der anderen Ausgestaltung auszugehen.

Gerade deshalb stellt sich auch umso mehr die Frage, warum es aktuell zu einer unterschiedlichen Bewertung der Kindererziehung in Hinblick auf die Pension kommt?

Nachfolgend beispielhaft dargestellte Verläufe illustrieren die Problematik:

Situation1:

Eine Frau bekommt im Abstand von jeweils 2 Jahren 3 Kinder und widmet sich während dieser Zeit voll und ganz der Kinderbetreuung/-erziehung. Sobald das Jüngste dann 2 Jahre alt ist, kehrt sie für weitere 24 Monate auf Teilzeitbasis in ihren Beruf zurück. Hat das Kind dann ein Alter von 4 Jahren erreicht, erfolgt der Wiedereinstieg in den Beruf auf Vollzeitbasis.


Im dargestellten Beispiel resultieren diese begründeten Annahmen in folgenden Zeiträumen:

Schwerpunkt Kinderbetreuung: 72 Monate.
Teilzeitbeschäftigung: 24 Monate.

Situation 2:

Eine Frau bekommt im Abstand von jeweils 48 Monaten, in Summe 3 Kinder. Wenn das jeweils jüngste Kind ein Alter von zwei Jahren erreicht hat, kehrt sie auf Teilzeitbasis in den Beruf zurück und übt diesen bis zum Beginn des Mutterschutzes des nächstfolgenden Kindes aus. Die Rückkehr in den Beruf auf Vollzeitbasis findet nach Abschluss der Kinderplanung statt, sobald das jüngste Kind ein Alter von 4 Jahren erreicht hat.


Im dargestellten Beispiel resultieren diese begründeten Annahmen in folgenden Zeiträumen:

Schwerpunkt Kinderbetreuung: 76 Monate. (+4 Monate im Vergleich zur Situation 1) Teilzeitbeschäftigung: 68 Monate. (+44 Monate im Vergleich zur Situation 1)

Insbesondere die Wahrscheinlichkeit wesentlich längerer Phasen von Erwerbsunterbrechung und/oder Teilzeitbeschäftigung von Frauen kann kein erklärtes Ziel einer Bundesregierung sein - wird doch insbesondere die sog. Teilzeitfalle oft als Grund für Altersarmut genannt.

Umso unverständlicher ist es, dass dieses Modell durch die aktuelle Regelung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten (keine doppelte Anrechnung bei überlappenden Zeiträumen) staatlich gefördert wird.

So haben entsprechend der oben dargestellten beispielhaften Daten Frauen, die sich dazu entscheiden, drei Kinder im Abstand von jeweils 2 Jahren zu bekommen, mit einem Malus bei der Pension von ca. 65 € im Monat (= rd. 900 €/ Jahr) zu rechnen.

Auf 20 Pensionsjahre gerechnet bedeutet das ein Minus von rd. 18.000 €.

Die Regelung erscheint daher einerseits gleichheitswidrig (zum Zeitpunkt des Pensionsantrittes haben beide Frauen aus den Beispielen 3 Kinder geboren) und andererseits falsche Anreize in Richtung längerer Phasen von Erwerbsunterbrechung bzw. Teilzeitarbeit zu setzen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.     Wie hoch ist der Anteil (in relativen und absoluten Zahlen) der nach dem 1.1.1955 geborenen und heute in Pension befindlichen Frauen, mit anrechenbaren Kindererziehungszeiten zum Stichtag 1.1.2019, im Vergleich zu jenen Frauen, die über keine Kindererziehungszeiten verfügen?

1.1.  Wie viele der betreffenden Frauen haben geboren:

a.       Zwei Kinder?

b.      Drei Kinder?

c.       Vier oder mehr Kinder?

1.2.  In welchem zeitlichen Abstand fanden die Geburten durchschnittlich statt?

1.3.  Wie viele Monate an Kindererziehungszeiten gingen den betreffenden Müttern mehrerer Kinder in Summe verloren, weil der Abstand zwischen den Geburten kürzer als 48 Monate bzw. 60 Monate (bei Mehrlingsgeburten) war?

1.4.  Wie oft kam es bei diesen Frauen zu Mehrlingsgeburten?

d.      Zu Zwillingen?

e.      Zu Drillingen?

1.5.  Wie viele Beitragszeiten zur Pensionsversicherung aus Teilzeitbeschäftigung wurden im Schnitt von Frauen erworben, deren Kinder im Abstand von weniger als 24 Monaten geboren wurden? (Beitragsmonate aus Teilzeit gesamt/ Anzahl der Kinder)

1.6.  Wie viele Beitragszeiten zur Pensionsversicherung aus Teilzeitbeschäftigung wurden im Schnitt von Frauen erworben, deren Kinder im Abstand von mindestens 24 Monaten und höchstens 48 Monaten geboren wurden? (Beitragsmonate aus Teilzeit gesamt/ Anzahl der Kinder)

1.7.  Wie viele Beitragszeiten zur Pensionsversicherung aus Teilzeitbeschäftigung wurden im Schnitt von Frauen erworben, deren Kinder im Abstand von mindestens 48 Monaten und höchstens 72 Monaten geboren wurden? (Beitragsmonate aus Teilzeit gesamt/ Anzahl der Kinder)

2.   Wie hoch ist der Anteil (in relativen und absoluten Zahlen) der nach dem 1.1.1955 geborenen Männer, die bereits in Pension sind bzw. voraussichtlich innerhalb der nächsten zwei Jahre in Pension gehen werden und über anrechenbare Kindererziehungszeiten verfügen?

3.   Wird die dargestellte Tatsache einer Ungleichbewertung der Kindererziehungszeiten in Abhängigkeit vom Zwischengeburtszeitraum in Ihrem Ministerium grundsätzlich als problematisch bewertet?

a.  Falls ja, warum?

b. Falls nein, warum nicht?

4.  Gibt es in Ihrem Ministerium ein Bewusstsein dahingehend, dass durch die aktuelle Regelung tendenziell längere Phasen der Teilzeitbeschäftigung gefördert werden?

a.  Falls ja, sind Maßnahmen geplant, um dem entgegen zu wirken?

b.  Falls nein, warum nicht?