3839/J XXVI. GP

Eingelangt am 02.07.2019
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Anfrage

 

der Abgeordneten Stephanie Krisper, Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesministerin für Europa‚ Integration und Äußeres

betreffend Folgeanfrage zu Akkreditierung, Prüfung und Evaluierung durch den ÖIF (1170/AB)

 

Der Verein „Österreichisches Sprachdiplom Deutsch“ (im Folgenden „ÖSD“) ist seit 29.05.2018 vom Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) als Prüfungseinrichtung für die Abhaltung von Integrationsprüfungen zertifiziert. Da die Bedingungen der Zertifizierung nicht ausreichend transparent waren, stellten die unterfertigenden Abgeordneten bereits im Juni 2018 eine parlamentarische Anfrage (vgl. 1170/J vom 29.06.2018 (XXVI.GP)), die am 29.8.2018 von der Bundesministerin für Europa, Integration und Äußeres Dr. Karin Kneissl beantwortet wurde. In der Beantwortung blieben zahlreiche Fragen offen oder wurden nur zum Teil beantwortet.

Aufgrund des neuen Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes (§ 5 Absatz 7) und der Novellierung des Integrationsgesetzes 2017 ergeben sich im obigen Zusammenhang zudem zusätzlich noch weitere Fragen.

An dieser Stelle sei auch angemerkt, dass das ÖSD für den sehr langwierigen, aufwendigen und kostspieligen Entwicklungs- und Zertifizierungsprozess seiner Integrationsprüfungen sehr hohe Investitionskosten, selbstverständlich im guten Glauben auf Anerkennung, für einen längeren Zeitraum getätigt hat (das Integrationsgesetz sah eine Zertifizierung für die Dauer von 3 Jahren mit der Möglichkeit auf Verlängerung vor).

Nun haben die Entwicklungen rund um das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz und die Novellierung des Integrationsgesetzes 2017 für das ÖSD existentielle Auswirkungen und in Folge sind auch der Fortbestand des ÖSD (und damit über 60 Arbeitsplätze) sowie die weltweit ca. 450 Destinationen des ÖSD massiv gefährdet.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Betrifft die Antwort auf Frage 2 (1170/AB): Welche Qualifikationen können die „Prüfer“, also jene Expertinnen und Experten, die über die fachliche Eignung eines anderen Prüfungsanbieters entscheiden, vorweisen?  (Bitte um genauere Informationen über die Qualifikationen der Expertinnen und Experten hinsichtlich der genannten „fachlich relevanten Universitätsausbildung und Expertise“ im Bereich Fremdsprachentests, insbesondere in Hinblick auf die Expertise in den markanten Beurteilungsfragen, inwieweit die zu zertifizierenden bzw. bereits zertifizierten Prüfungen den gesetzlich geforderten Sprachniveaus A2 oder B1 des GERS entsprechen. Bezüglich der genannten Expertise bitte wir auch um Nachweis durch entsprechende Publikationslisten oder dergleichen.)

2.    Betrifft die Antwort auf Frage 3 (1170/AB):

a.    Ist es korrekt, dass weder der ÖIF noch die Integrationsprüfungen des ÖIF von ALTE akkreditiert sind, sondern lediglich der Testentwickler (telc GmbH) Mitglied bei ALTE?

b.    Ist Ihnen bewusst, dass der Anbieter ÖSD Mitherausgeber bzw. Mitverfasser grundlegender Publikationen des Europarats (wie „Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS)“ oder „Profile deutsch“) ist, welche die gesetzlich geforderten Niveaustufen definieren und auf die sich ALTE bezieht?

c.    Wie rechtfertigt das BMEIA die Tatsache, dass der ÖIF, der selbst keine internationale Akkreditierung (wie z.B. ALTE) hat, einen international anerkannten, von ALTE zertifizierten und fachlich nachweislich kompetenten Testanbieter wie den Verein ÖSD zertifiziert?

3.    Betrifft die Antwort auf Frage 4 (1170/AB):

a.    Welche Leistungen sind mit „Entwicklungskosten im Umfang von jeweils Euro 17.203,- inkl. Ust.“ gemeint,? (z.B. Entwicklungskosten für Modelltestsätze, Prüfungssätze bzw. Prüfungsteile, Sprachtests, begleitende Handbücher, Erprobungen, statistische Analysen etc.?)

                                  i.    Sind in diesem Zusammenhang noch weitere Kosten entstanden und wenn ja, wie hoch waren diese?

b.    Was bedeutet „in Zusammenarbeit mit der telc GmbH“ genau?

                                  i.    Wie gestaltet sich diese Zusammenarbeit?  Wer übernimmt welchen Teil in der Testerstellung, Vorerprobung und Kalibrierung, statistische Auswertung, Posttesting, statistische Analysen, Itembank, etc.?

c.    Werden kalibrierte Prüfungssätze bei telc „bestellt“ und in Österreich überarbeitet („austrifiziert“)?

                                  i.    Wenn ja, wie viele Prüfungssätze werden pro Jahr bei telc bestellt und wie hoch sind Kosten für die „Austrifizierung“ durch den ÖIF?

d.    Betrifft sämtliche Prüfungen des ÖIF von A1 bis B2, die bei telc zugekauft werden:

                                  i.    Wie viele Prüfungssätze wurden in den letzten 5 Jahren pro Jahr und pro Niveau (A1 bis B2) bei telc bestellt?

                                ii.    Wie hoch sind die jährlichen Kosten einerseits pro Prüfungssatz und anderseits insgesamt, d.h. inklusive allfälliger weiterer durch telc erbrachte Leistungen wie Erprobungen, Kalibrierung, statistische Analysen etc.?

                               iii.    Wie werden diese Prüfungssätze bzw. die einzelnen Testitems kalibriert, damit ein konstanter Schwierigkeitsgrad und die korrekte Niveauzuordnung sichergestellt werden (Pre- und Posttesting, statistische Analysen, Itembank, etc.)? Sind diese Analysen einsehbar?

e.    Betrifft sämtliche Prüfungen und Prüfungsteile des ÖIF von A1 bis B2, die nicht bei telc zugekauft werden, sondern vom ÖIF selbst erstellt bzw. überarbeitet (austrifiziert) werden:

                          i.    Welche und wie viele Prüfungssätze werden vom ÖIF selbst erstellt bzw. welche und wie viele Prüfungssätze werden vom ÖIF „austrifiziert“?

                         ii.    Wie hoch sind dafür die jährlichen Kosten inklusive allfälliger weiterer Leistungen wie Erprobungen, Kalibrierung, statistische Analysen, etc.?

                       iii.    Wie werden diese Prüfungssätze bzw. auch die einzelnen Testteile (wie z.B. auch Werte- und Orientierungswissen) kalibriert, damit ein konstanter Schwierigkeitsgrad und die korrekte Niveauzuordnung sichergestellt werden (Erprobung, statistische Analysen, Itembank, etc.)? Sind diese Analysen einsehbar?

                        iv.    Bitte zudem um genauere Informationen über die, mit der Testentwicklung und Zertifizierung befassten, Expertinnen und Experten, wie z.B. Nachweise für fachlich relevante Expertise durch entsprechende Publikationslisten oder dergleichen.

4.    Betrifft die Antwort auf Frage 8 (1170/AB): In den Erläuterungen zu den neuen Entwürfen des Sozialhilfe-Grundgesetzes sowie zur Novellierung des Integrationsgesetzes 2017 heißt es auf S. 11 (zu Z 13 und 14): Durch den Entfall der Zertifizierung von Prüfungseinrichtungen, welche bislang durch den Bund finanziert wurde, kommt es zudem zu einer wesentlichen Kostenersparnis.

a.    Was ist die Grundlage für diese Aussagen, wenn dafür keine eigenen Auswertungen geführt werden? Vor allem wenn das Zertifizierungsverfahren, ein einmaliger Kostenfaktor, ohnehin bereits absolviert wurde, wären neuerliche (voraussichtlich geringere) Zertifizierungskosten erst wieder in zwei Jahren notwendig (siehe ÖSD).

b.    Sind diese Zertifizierungskosten im Nachhinein gerechtfertigt, wenn die im geltenden Integrationsgesetz bzw. in der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (IV-V 2017, §9. Abs. 4) verankerte Möglichkeit auf Verlängerung der Zertifizierung per Gesetzesänderung nach kurzer Zeit wieder aufgehoben wird?

c.    Bedeutet nicht gerade diese frühzeitige Änderung eine Verschwendung von öffentlichen Geldern, da Zertifizierung und der Aufbau eines gemeinsamen Systems auch für den ÖIF mit finanziellen und personellen Aufwendungen verbunden war? 

d.    Wurde berücksichtigt, dass durch weitere zertifizierte Prüfungseinrichtungen entsprechend weniger Tests entwickelt und weniger Prüfende bezahlt werden müssen? 

5.    Betrifft die Antwort auf Frage 9 (1170/AB) und eine entsprechende Zuspitzung durch die Novellierung des Integrationsgesetzes:

a.    Sehen Sie die Gefahr, dass durch die Novellierung des Integrationsgesetzes ein Monopol für eine staatliche Einrichtung geschaffen wird?

                                  i.    Wenn ja, wie bewerten Sie diesen Verstoß gegen das Prinzip des freien Wettbewerbs und die Dienstleistungsfreiheit im Binnenmarkt?

b.    Wie rechtfertigen Sie die Grundlage für die Schaffung eines Monopols aus unionsrechtlicher und verfassungsrechtlicher Sicht und die damit einhergehende Verdrängung von Mitbewerbern?

c.    Welche unions- und verfassungsrechtlichen Probleme halten Sie aufgrund der geplanten Vorgehensweise für möglich und wie bereiten Sie sich darauf vor? 

d.    Stellt die Verdrängung nicht-staatlicher Anbieter und die mehrfache Novellierung der Integrationsgesetze (2017 und 2019) Ihrer Meinung nach einen Eingriff in wohlerworbene Rechte und einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und die Unverletzlichkeit des Eigentums dar?

6.    Betrifft ebenfalls die Antwort auf Frage 9 (1170/AB):

a.    Sind die Zahlen durch den jährlichen Rechnungsbericht mittlerweile bekannt? Wenn ja, bitte um Darlegung.

b.    Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um die zusätzliche Nachfrage aufgrund des Wegfalls anderer Anbieter ab 1.6.2019 (Sozialhilfe-Grundgesetz) bzw. ab 1.6.2021 (Ende der Zertifizierung des ÖSD für Integrationsprüfungen am 30.05.2021) abzudecken?

c.    Wie hoch schätzt der ÖIF die Nachfrage von B1-Prüfungen für Sozialhilfeempfänger ein?

d.    Wie viel zusätzliches Personal wird dafür eingestellt werden?

e.    Welche zusätzlichen Kosten entstehen dadurch?

f.      Wie wird sichergestellt, dass die notwendige Qualität geboten bzw. aufrecht gehalten wird?

7.    Zur Passage im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (§ 5 Abs. 7): Der Nachweis der ausreichenden Sprachkenntnisse ist durch (…) ein aktuelles Zertifikat des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) oder eine aktuelle Spracheinstufungsbestätigung des ÖIF (…) zu erbringen.

a.    Welchen sachlichen Grund gibt es, dass die B1 Integrationsprüfungen anderer Anbieter, die vom ÖIF als gleichwertiger Nachweis zertifiziert, für die Gewährung von Sozialhilfe nicht gelten?

b.    Wie sieht die Spracheinstufungsbestätigung des ÖIF genau aus (Inhalte, Aufbau, Kosten für Teilnehmende, etc.)?

 

8.    Spezifisch zum generellen Ausschluss des ÖSD als potentiellen Testanbieter aufgrund der Novelle des Integrationsgesetzes:

a.    Wurde mitbedacht, dass der Entzug der Prüfungsbefugnis für das ÖSD auch die Schließung von dessen ausländischen Prüfungszentren und damit auch eine extreme Schwächung der Österreich-Institute oder anderer österreichischer Sprachkursanbieter im Ausland mit sich bringen wird, weil die Inlandsprüfungen die Auslandsvertretungen mitfinanzieren?

b.    Wurde mitbedacht, dass bei Schließung von ausländischen ÖSD Prüfungszentren für Zuwanderer die Möglichkeiten extrem eingeschränkt werden, einen entsprechenden Nachweis für Deutschkenntnisse schon VOR Zuwanderung, also im Herkunftsland, zu erlangen (wie von staatlicher Seite seit Jahren gewünscht)?

c.    Wurde mitbedacht, dass mit dem Entzug der Prüfungsbefugnis für das ÖSD ca. 60 feste Arbeitsplätze in der ÖSD-Zentrale sowie Jobs von etlichen ÖSD-Prüfer/innen gefährdet sind?

 

9.    Wäre es nicht zielführender, sowohl das Know-how des ÖSD im Entwickeln und Durchführen von Sprachprüfungen als auch dessen Infrastruktur und internationale Anerkennung in das Gesamtsystem der österreichischen Sprachprüfungen einzubeziehen und vorhandene Synergien zu nutzen, anstatt ein gut funktionierendes Zusammenspiel zu stören?

 

10. Wäre es angesichts der hohen Relevanz und Bedeutsamkeit der gesetzlich verankerten Sprachprüfungen nicht notwendig, objektive Vergaberichtlinien bzw. international übliche Ausschreibungskriterien in Bezug auf die Erstellung und Durchführung der Deutschprüfungen (z.B. ALTE-Akkreditierung) sowie eine unabhängige Aufsichtsinstanz festzulegen?