3862/J XXVI. GP

Eingelangt am 03.07.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, GenossInnen

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

betreffend Klärungsbedürftige Entwicklungen in der Causa Dr. L

Die medial bekannte Causa rund um den überraschenden Freispruch eines steirischen Arztes und Bruder eines aktuellen ÖVP-Nationalratsabgeordneten ist um eine Facette reicher. Schon der damalige Freispruch des Dr. L. war in juristischen Fachkreisen nicht nachvollziehbar. Der Mann wurde beschuldigt, seine vier mittlerweile erwachsenen Kinder in ihrer Kindheit psychisch und körperlich gequält, sie medikamentenabhängig gemacht und mit wiederholten Selbstverstümmelungen und Selbstmorddrohungen terrorisiert zu haben.

Dass der Freispruch mit einer Reihe von als Schmähungen aufzufassenden "Ausführungen" des Richters gegenüber den Kindern ausgestattet war, erregte in Fachkreisen für Empörung. Richter Rom tat das von den Kindern geschilderte Martyrium als Folge eines "Rosenkriegs" nach der Scheidung der Eltern ab. Das Urteil war eines der öffentlich am heftigsten diskutierten der vergangenen Jahre. Darin hatte Rom unter anderem festgehalten, dass Dr. L. ein Kirchgänger und daher vertrauenswürdiger als seine Kinder sei.

Auch die Tatsache der umgehenden Berufung der Staatsanwaltschaft, mit der Begründung, dass die „Beweisergebnisse nicht ausreichend erörtert“ wurden, zeigte bereits damals die Brisanz des gegenständlichen Verfahrens auf.

Bereits die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, hat den damaligen Freispruch des Dr. L. sogar auf Basis der Welser Ethikerklärung der Richtervereinigung als verletzt erachtet. [1]

Die Kinder hatten ihrerseits Richter Rom und Staatsanwalt Christian Kroschl wegen Amtsmissbrauchs angezeigt. Sie sahen wichtige Belastungszeugen, Verschlussakten und Beweisdokumente ignoriert. Die Anzeige gegen Kroschl wurde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zurückgelegt.

Aber auch die Ermittlungen gegen Richter Rom wurden durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, mit der Begründung, dass „bestimmte Anhaltspunkte die den Schluss zulassen würden, Mag. Andreas ROM hätte im Strafverfahren gegen Dr. L des LG für Strafsachen Graz, seine Befugnisse wissentlich missbraucht, liegen nicht vor", eingestellt. Soll also heißen: Nach 17 Monaten (!) bekamen die Kinder die Mitteilung von der Staatsanwaltschaft, dass „kein Anfangsverdacht“ bestünde.

Einem Delegierungsantrag der Kinder, die das steirische Gericht auf Basis dessen für befangen hielten und das Verfahren gern in einem anderen Bundesland gesehen hätten, wurde nicht stattgegeben. Die Begründung des OGH: Ein wichtiger Grund liege nicht vor und die Befangenheit einzelner oder aller Richter eines Gerichts scheide von vorneherein als Delegierungsgrund aus.

Der neue Prozess, welcher nach wie vor am Straflandesgericht in Graz stattfindet, begann mit der Einvernahme des Beschuldigten vor einem neuen Richter. Dass das Strafverfahren im Sprengel des OLG Graz nicht ohne Beeinträchtigung des Ansehens und der Würde der Justiz fortgeführt werden kann und eine Delegierung mehr als nur erforderlich ist, steht zweifellos außer Frage.

Entgegen allen üblichen Usancen wurden nun im derzeit anhängigen Verfahren am Straflandesgericht in Graz (trotz mehrfacher Urgenzen der Privatbeteiligtenvertreter) lediglich drei von sechs Verhandlungsprotokollen den betroffenen Parteien zugestellt. Die Begründung des Zurückhaltens der anderen drei Verhandlungsprotokolle ist wenig nachvollziehbar und führt klarerweise zu offenen Fragen, die bis heute nicht zufriedenstellend beantwortet werden konnten.

Das Verhalten des neuen Richters führt in juristischen Fachkreisen ebenso zu Kopfschütteln und wirft die Frage auf, aus welchem Grund so eine Verfahrensführung an den Tag gelegt wird. Den eines ist klar: Geurteilt wird, dass was Bestandteil der Verhandlung war. Ist nur ein Protokoll Bestandteil, so wird auf Basis dessen geurteilt.

Richter und Staatsanwalt sahen offensichtlich keine Notwendigkeit die Gutachterin Dr.in K. (beisitzend?) zur Verhandlung zu laden, um sich selbst ein ausführliches Bild vom Beschuldigten zu machen. Lediglich auf Antrag der Privatbeteiligtenvertreter wurde sie zur Erläuterung ihres Gutachtens geladen. Beweismittel, wie etwa das verstörende Biervideo (hier hat der Beschuldigte seine kleinen Kinder zum Trinken von Bier animiert, bis sie vor Betrunkenheit getorkelt sind. Dies hat er mit seiner Videokamera festgehalten), wurden der Gutachterin erst gar nicht zur Beurteilung vorgelegt.

Gerade im Zusammenhang mit den Begutachtungen der Sachverständigen Dr.in K. ist diese Vorgangsweise für eine umfassende Klärung der Position der Opfer unverzichtbar.

Anhand der zugelassenen Protokolle wäre es möglich eine Überprüfung der Darlegung der Gutachterin durchzuführen. In diesem Zusammenhang wird auf die Ausführungen der Sachverständigen im damaligen Freispruch des Dr. L. verwiesen:

-         „Bei sämtlichen einvernommenen Personen, sowohl dem Angeklagten selbst als auch den Zeugen, insbesondere die Mitglieder der Familie L. betreffend, war festzustellen, dass diese allesamt eine psychisch äußerst auffällige Persönlichkeit aufweisen und zu Übertreibungen neigen.“

-           Wonach sämtliche Personen der Familie L. zu Übertreibungen neigen, nämlich dahingehend, dass diese Nebensächlichkeiten neben tatsächlich bedeutsamen Vorfallsgegebenheiten dramatisch oder dies gleichwertig darstellen.“

-         „Gegenüber dem erkennenden Gericht vermittelte der Angeklagte den Eindruck, dass er eine Person ist, welche nach heutigen Werten betrachtet, eine äußerst grundkonservative Person ist. Dieser Ausdruck konservative Person ist jedoch nicht als negativ aufzufassen, sondern ist dahingehend auszulegen, dass er mit den gegenwärtig in der Gesellschaft vertretenen Werten, nämlich Völlerei, des Angebens und Strebens nach Mehr, nach der Devise „mehr Schein als Sein“ nicht klargekommen ist bzw. klarkommt und er deshalb immer bestrebt war, seine Kinder nach den Werten seiner Eltern, nämlich Fleiß, Sparsamkeit und Ehrlichkeit zu erziehen, dies jedoch von seiner Ex-Gattin nicht geteilt wurde, bis es ihm psychisch immer schlechter gegangen ist und er deshalb seinen Ausgleich in außerehelichen sexuellen Beziehungen suchte und sich in masochistischer Weise Schmerzen zufügte, um von all dieser, für ihn empfundener Gegenwehr, abschalten zu können, obwohl dies mit seiner äußerst religiösen Einstellung nicht in Einklang zu bringen ist und er sich deshalb als Sünder sah“

-         „Die teilweise inhaltlich abweichenden Angabe des Angeklagten bei seinen Einvernahmen vor der Polizei, der Sachverständigen mit jenen in den abgeführten Hauptverhandlungen, lassen sich mit naturgemäßer Aufgeregtheit erklären, was jedoch an der Glaubhaftigkeit der Aussagen des Angeklagten in den Hauptverhandlungen und seiner Glaubwürdigkeit nichts ändert. Für eine Suchtmittelergebenheit im Sinne einer regelmäßigen, selbstverständlichen Verwendung von Rauschmitteln oder gar einer Abhängigkeit finden sich keine Grundlagen“

Dass das Tagebuch des Beschuldigten Dr. L. und die darin enthaltenen Ausführungen nicht im Verfahren vorgelegt wurde und damit auch der Sachverständigen-Begutachtung nicht verfügbar ist, macht betroffen.

Die Begründung des Richters, dass es sich hier um eine „Privatangelegenheit“ und um eine Aufzeichnung vor den beschuldigten Handlungen handle ist nicht nachvollziehbar.

Bemerkenswert ist auch, dass mehrere Zeugen angedeutet haben, dass Dr. L. über eine bevorstehende Hausdurchsuchung vorinformiert gewesen wäre. Bei einer Hausdurchsuchung bei Dr. L. wurde dann tatsächlich eine ausgebaute Festplatte seines PCs vorgefunden. Weder Richter noch anklagender Staatsanwalt haben den Beschuldigten dazu befragt bzw. sind diesen Zeugenaussagen nachgegangen.

Um eine endgültige Aufklärung bemüht richten die unterzeichnenden Abgeordneten nachstehende

Anfrage

1.    Gab es seitens des Justizministeriums eine Weisung das Verfahren gegen Mag. Andreas Rom einzustellen?

a.    Wenn ja, aus welchem Grund wurde diese Weisung erteilt?

2.    Die emotionale und psychische Belastung für die Kinder ist außergewöhnlich und bedarf jedenfalls eines besonders sensiblen Umgangs. Daher erscheint die 17-monatige Wartezeit, nur um lediglich erfahren zu müssen, dass gegen Mag. Rom nicht weiter ermittelt würde, besonders unverhältnismäßig.

Wieso dauerte es geschlagene 17 Monate, bis man zum Ergebnis kam, dass kein Anfangsverdacht bestünde?

3.    Dass Mag. Andreas Rom den Umstand, dass Dr. L. ein Kirchgänger sei als besonders vertrauenswürdig erachtet und den Kindern des Dr. L. daher keinerlei Glauben schenken mochte ist ein beispielloser Skandal und offenbart die offenkundige Befangenheit des Richters. Dennoch wurde keinerlei Befangenheit festgestellt.

Ab wann ist von einer Befangenheit die Rede, sodass ein Richter von einem Fall, noch dazu von einem mit erhöhter Brisanz, abgezogen und durch einen anderen ersetzt wird?

4.    Das erste Verfahren ist von größtmöglicher Kritik begleitet worden. Trotzdem wird auch das zweite Verfahren am selben Gericht verhandelt. Für das Ansehen der Justiz ist dies nicht förderlich.

Wieso wurde eine Verlegung des Verhandlungsortes nicht in Betracht gezogen?

5.    Wieso wurden den betroffenen Parteien lediglich drei von sechs Verhandlungsprotokollen zugestellt?

a.    Wurden die anderen drei Protokolle als irrelevant für das Verfahren erachtet?

                                          i.    Wenn ja, aus welchem Grund wurden diese Protokolle als irrelevant erachtet?

                                         ii.    Wenn nein, wieso wurden die restlichen drei Protokolle nicht zugestellt?

6.    Mit welcher Begründung wurde das Tagebuch des Beschuldigten Dr. L mitsamt seinen darin enthaltenen Ausführungen vom Richter nicht als Beweismittel akzeptiert wo es doch inhaltlich brisante Passagen enthält, welche durchaus als verhandlungsrelevant erachtet werden können?

7.    Wieso wurde der befasste Staatsanwalt (gegen den mehrere Anzeigen der Opfer vorliegen) nicht von diesem Verfahren abgezogen? Seine Behauptung („weil ich von der Schuld des Angeklagten überzeugt bin“) klingt da wenig glaubwürdig.

8.    Auf welcher Basis konnte der Staatsanwalt in der Verhandlung zu derjenigen Zeugin sagen, deren Vater durch eine Waffe von Dr. L. ums Leben gekommen ist, dass sie sich nie um ihren Vater gekümmert hatte?

Anm.: Erst ein von ihr privat beauftragte gerichtsmedizinische Stellungnahme zeigte, dass ihr Vater (entgegen der Annahme des Staatsanwaltes) nicht durch Suizid verstorben ist, sondern ganz offensichtlich ermordet wurde.



[1] http://www.kleinezeitung.at/steiermark/chronik/5327408/Oststeirischer-Arzt-freigesprochen_Neue- RichterPraesidentin-findet