3888/J XXVI. GP

Eingelangt am 03.07.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, GenossInnen
an
die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus betreffend Zu hoher Wildbiss wegen Trophäenjagd

Es ist kein Geheimnis, dass der Klimawandel den heimischen Wäldern durch Trockenheit, Windbruch und Borkenkäferbefall stark zusetzt. Zusätzlich dazu kommt, dass Baumarten, welche dem Klimawandel (insb. Buche, Tanne, Eiche) standhalten würden, so stark von Wildtieren verbissen und verfegt werden, dass sie über weite Strecken des Landes komplett ausfallen werden und mit ihnen die Zukunft des Waldes. Von dieser Entwicklung sind beängstigender Weise immer öfter auch Schutzwälder betroffen. Die Folge: enorme Probleme und hohe Kosten für die Allgemeinheit.

Der Grund dafür ist eine künstlich hochgehaltene Population an Wildtieren (insbesondere Reh- und Rotwild) zum Zweck der „Trophäenjagd“, durch mit auffälligen Gelüsten ausgestattete „Jäger“.

Gemäß wissenschaftlichen Studien wird bei einer anhaltenden Überpopulation und Fütterung der Wildtiere („Freiland-Massentierhaltung von Jagdtieren“) in wenigen Jahrzehnten von gesunden, klimafitten Wäldern nicht viel übrigbleiben. Der Wald kann sich nicht mehr selbst verjüngen und wird letztlich aussterben.

Mittlerweile scheint die Situation rund um den Wildverbiss auch bundesweit zu eskalieren. So appellierte der Präsident des Umweltdachverbandes, Franz Maier, Anfang Juni 2019 an Jäger und Jägerinnen, „endlich Verantwortung zu übernehmen".[1] Gemeint damit ist der Umstand, dass ein ökologisch nachhaltiger und klimafitter Waldbestand nur durch eine behördlich vorgegebene Abschusszahl und eine Reduktion der Wildfütterung erreicht werden kann.

Dagegen versuchen weniger an der Natur als an der Tötung von Lebewesen interessierte Personen zu argumentieren, dass ein „Gemetzel im Wald“ drohe.[2] In Einhaltung der aktuellen Abschusspläne müsste auf alles, was irgendwie hinter einem Baum hervorschaue, geschossen werden. Tatsächlich werden Abschusspläne für Wildtiere unter Berücksichtigung des Wohles des Waldes erstellt.

Fakt ist jedenfalls, dass der Wildbestand und in Folge der Wildverbiss seit Jahrzehnten, auch im internationalen Vergleich, viel zu hoch ist. Das belegen Untersuchungen des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) auf Basis eines Wildeinflussmonitorings. Diese statistisch gesicherten Daten über den Wildeinfluss zeigen für die Untersuchungsperiode 2016 bis 2018 einen enorm hohen Wildverbiss auf.[3]

Ein ernüchterndes Fazit des aktuellen Berichts des BFW zog sogar der ehemalige Landesjägermeister Ferdinand Gorton mit den Worten: „Nachhaltig wird sich die Situation aber erst verbessern, wenn der Wildeinfluss über mehrere Perioden deutlich sinkt, anstatt hin und her zu schwanken.“[4]

Wird also seitens der Jagd-Verantwortlichen nicht schnellstens eingelenkt und eine zügige Reduktion der Wildstände forciert, muss man sich die Frage nach der Verantwortung für das Zusammenbrechen der Wälder stellen, so der Präsident des Umweltdachverbandes.[5]

Ein erster Schritt wurde bereits in der Steiermark gemacht, wonach es zur einer Änderung des steiermärkischen Jagdgesetzes unter § 56 (3d) kam. Die Änderung sieht einen Mindestabschuss bei weiblichen Stücken an Rot-, Reh- und Muffelwild sowie Böcken der Klasse III vor.

Vertreter der steirischen Landeskammer bejubeln diese Änderung, die eine „unbürokratische, periodisch notwendige Erhöhung der Abschusszahlen für das erfolgreiche Aufwachsen von Eiche und Co.“ ermöglicht.[6]

Aber nicht nur Umweltschützer bekommen die hohe Wildpopulation zu spüren, auch Autofahrer sehen sich vermehrt mit Wildwechsel konfrontiert. So nehmen Unfälle mit Wildtieren stark zu. Allein im Bezirk Harberg-Fürstenfeld kam es 2018/19 zu 1.333 Unfällen. Während einer Fronleichnamsprozession im Jahr 2016 kam es im Marchfeld zu einem -glücklicherweise glimpflichen - Unfall, bei dem eine Frau von einem Reh gerammt wurde, welches möglicherweise durch die laute Musik aufgeschreckt wurde. Die Frau erlitt eine Platzwunde, das Reh verschwand wieder in den Wald[7]. Aber auch Rad- und Motorradfahrer sind zunehmend gefährdet.[8] Im Juni 2019 kollidierte beispielsweise ein Motorradfahrer im Bezirk Vöcklabruck in Steinbach am Attersee mit einem Hirsch und verstarb aufgrund der Schwere seiner Verletzungen noch an der Unfallstelle. Dem Hirsch wurde bei diesem Zusammenprall das Geweih abgerissen[9]. Es handelt sich sehr oft um eine für Mensch und Tier außerordentlich gefährliche bis lebensbedrohliche Situation. Die Gesundheit von Menschen und Tieren müssen eindeutig Vorrang haben. Alles andere wäre grob fahrlässig.

Die einzigen, welche Nutznießer der dramatischen Situation sind, sind jene verantwortungslosen „Jägerlnnen“, welche feudale Privilegien auf Kosten der Allgemeinheit ausleben. Der Schutz des Waldes wird ignoriert, stattdessen sollen unansehnliche Geweihe Häuser schmücken. „Trophäenjagd“ wird in zivilisierten Gesellschaften, mittlerweile zurecht, als besonderes Zeichen von Dekadenz und Sonderlichkeit empfunden.

Wie aufgrund der gestiegenen Anzahl an Unfällen jedes Jahr ersichtlich ist, geht diese Trophäenjagd auch zulasten der Gesundheit der Tiere und der Menschen. Selbstverständlich ist es gut und für ein gesundes Ökosystem unverzichtbar, dass Jägerlnnen und auch die Jagd vorhanden sind und in geregelten Verhältnissen die Überpopulation reduzieren. Die notwendigen gesetzlichen Regelungen wurden aus gutem Grunde geschaffen. Hinter diesen Regelungen steht die Sozialdemokratie vollinhaltlich und unterstützt sie nachdrücklich. Wenn aber Tötungsleidenschaft und die Freude an unansehnlichen Teilen toter Tiere an Hauswänden, statt Umweltverständnis sowie Hege und Pflege im Vordergrund stehen, muss derartigen Fehlentwicklungen schon im öffentlichen Interesse mit gebotener Festigkeit entgegengetreten werden.

Für den Stand der Jägerschaft wäre ein Selbstreinigungsprozess wünschenswert, damit schwarze Schafe dem verantwortungsvollen Teil der Jägerinnen und Jäger Platz machen.

Die unterzeichnenden Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus nachstehende

Anfrage

1.     Bitte um genaue Angabe der Fläche der Wälder, welche borkenkäfergefährdet oder nicht klimafit sind?

a.         Ist eine Wiederaufforstung mit jagdlichen Maßnahmen oder Schutzmaßnahmen geplant?

b.        Wenn ja, wann?

2.     Bitte um genaue Angabe der Fläche der Wälder, die aufgrund des zu hohen Wildstandes derzeit in Österreich gezäunt sind (eine Waldwirtschaft hinter Gitter)?

3.     Bitte um genaue Angabe der Fläche der Wälder, deren Wildeinfluss so hoch ist, dass eine Mischwaldbegründung (Aufforstung oder Naturverjüngung) ohne Schutzmaßnahmen nicht möglich ist?

4.     Bitte um genaue Angabe des prozentuellen Anteils jener Schutzwälder, wo eine Verjüngung dringend erforderlich und ohne Schutzmaßnahmen nicht möglich ist?


 

5.    Wie hoch sind die anfallenden Kosten für technische Wildbach- und Lawinenverbauung, welche aufgrund fehlender schutzwirksamer Wälder pro Jahr in Österreich erforderlich sind (insb. im Bereich der Bundesforste!)?

6.    Wie hoch ist die Anzahl der ausgewiesenen, rotwildfreien Gebiete mit jagdlichen Maßnahmen z.B. ganzjähriger Abschuss von männlichen und nicht führenden weiblichen Tieren?

7.    Wie hoch ist die Anzahl der Naturverjüngungsflächen mit behördlichen, verfügten Freihaltezonen, d.h. ganzjähriger Abschuss?

8.    Wie hoch ist die Anzahl der behördlich verfügten Abschuss - Ersatzvornahmen durch auswärtige Jägerlnnen?

9.     Wie hoch ist der prozentuelle Anteil der behördlich bekannten Waldverwüstungsflächen und die Anzahl der Waldverwüstungsverfahren, bundesländerweise getrennt?

10.  Wie hoch ist die Anzahl der Wildunfälle auf Österreichs Straßen, der dadurch entstandene Schaden (Personenschaden, Sachschaden) und die daraus resultierenden, behördlich verfügten, jagdlichen Maßnahmen? Bitte auch die Angabe im zeitlichen Verlauf.

11.  Was sind die Ergebnisse des Wildeinfluss - Monitorings des BFW und die daraus resultierenden behördlichen Maßnahmen?

12.  Gibt               es nennenswerte Maßnahmen zur Wiederansiedelung von natürlichen Feinden wie z.B. von Luchspopulationen?

a.       Wenn ja: Welche?

b.      Wenn nein: Warum nicht?

13.  Gibt               es reale Wildbestandserfassungen (z.B. durch Drohnenbefliegung) bzw. sind solche geplant?

a.     Wenn nein, warum nicht?

14.  Wie viele als „Heimunfälle“ deklarierte Unfälle mit Jagdwaffen gab es bundesweit in den Jahren 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019?

a.       Wie viele dieser Unfälle endeten tödlich?

b.      Wie viele mit Schwerverletzten?

15.   In wie vielen Fällen wurde bundesweit in den Jahren 2016, 2017, 2018 und 2019 der Jagdschein abgenommen?

a.       Aus welchen Gründen?'

b.      Gibt es wiederkehrende Überprüfung der Jagdtauglichkeit (Sehleistung, Konzentration, Psychozustand?

16.   Gibt auch nach Ablegung der Jagdprüfung Schulungen im Bereich Ökolgogie und Tiergerechtheit?


 

17.   Bestehen Promilleobergrenze für Jägerlnnen? Bestehen Obergrenzen für Drogen? Ist eine Überprüfung der Jäger auf Alkohol- bzw. Drogeneinwirkung vorgesehen?

a.              Wenn ja, wie viele gab es? In welchen Bundesländern?

b.             Wenn ja, wie viele wurden positiv getestet? Welche Sanktionen wurden verhängt?

18.          Unterstützen Sie die automatische Abnahme des Jagdscheines bei Personen, denen der

Führerschein wegen Alkohol- oder Drogenmissbrauch entzogen wurde



[1]  Landwirtschaftliche Mitteilungen 13/2019, Seite 6

[2]   Landwirtschaftliche Mitteilungen 13/2019, Seite 6

[3] https://bfw.ac.at/cms_stamm/050/PDF/BFW_Praxisinformation48_WEM_KL_FERTIG.pdf

[4] Landwirtschaftliche Mitteilungen 13/2019, Seite 6

[5] Landwirtschaftliche Mitteilungen 13/2019, Seite 6

[6] Landwirtschaftliche Mitteilungen 13/2019, Seite 3.

[7] https://www.krone.at/512088

[8] https://www.krone.at/512088

[9] https://kurier.at/chronik/oberoesterreich/ooe-motorradfahrer-prallte-mit-hirsch-zusammen-und-       starb/400532965