4051/J XXVI. GP

Eingelangt am 25.07.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Univ.-Prof. Dr. Alfred J. NolI, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundeskanzlerin

Betreffend „Schreddern“

Am 23.5. soll ein Mitarbeiter des Altkanzlers mehrere Festplatten, unter anderem auch Laptopfestplatten, aus dem Bundeskanzleramt schreddern haben lassen. Inzwischen scheint auch die „Soko Ibiza“ in dieser Causa zu ermitteln. Nicht nur der Mitarbeiter, sondern sogar Altkanzler Kurz könnte sich strafbar gemacht haben.

Bei den auf den Festplatten gespeicherten Daten handelte es sich jedenfalls um Schriftgut iSd § 2 Z BundesarchivG iVm § 25 Abs 2 Denkmalschutzgesetz, nämlich zumindest um auf elektronischen Informationsträgern gespeicherte Aufzeichnungen über die ausgedruckten Dokumente (bei der Druckerfestplatte) iSd leg cit. Auch die Verordnung der Bundesregierung über nicht archivwürdiges Schriftgut des Bundes StF: BGBl. II Nr. 366/2002 legt nichts anderes nahe: Bei den auf der Druckerfestplatte gespeicherten Datensätzen handelt es sich jedenfalls um keinen der in der Anlage zu § 2 der VO aufgezählten und somit von der Definition des Schriftgutes ausgenommenen Fälle.

Nach § 5 Abs 1 BundesarchivG ist das gesamte Schriftgut, das bei der Erfüllung der Aufgaben anfällt und für die laufenden Aufgaben nicht mehr benötigt wird, dem Staatsarchiv anzubieten. Nur dieses entscheidet, ob angebotenes Schriftgut als Archivgut zu werten ist (vgl § 6 Abs 2). Dem Bundeskanzler oder gar etwaigen Mitarbeitern obliegt es sicher nicht zu beurteilen, ob etwas vernichtet werden darf. Im Zweifel ist ein Stück, wie etwa die auf der Druckerfestplatte gespeicherten Datensätze oder auch die Datensätze auf den anderen Festplatten, daher nach der ratio legis jedenfalls dem Staatsarchiv zumindest anzubieten.

Für das Büro des Bundeskanzlers gibt es mit § 6 Abs 3 sogar eine Sonderbestimmung bei Ausscheiden des Bundeskanzlers über Stücke, die nicht dem Nachfolger überlassen werden sollen. Dieses Schriftgut ist gesammelt dem Staatsarchiv zu übergeben. Dass Kurz befürchtete, Daten könnten nach außen treten, ist also wenig überzeugend. § 6 Abs 3 explizit: „In dieses Schriftgut darf, sofern bundesgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur mit Zustimmung des seinerzeitigen Funktionsinhabers oder einer von ihm bestimmten Person Einsicht genommen werden.“ Der Altkanzler hätte alles Schriftgut daher nur dem Staatsarchiv übergeben, und, wenn jemand anfragt, seine Zustimmung verweigern müssen.

Zur Strafbarkeit: Weder der Altkanzler, noch sein Mitarbeiter durften daher alleine über die Festplatten oder über die auf den Festplatten gespeicherten Daten verfügen (zum Folgenden etwa Kommenda/Madl SbgK § 126a Rz 30); das Staatsarchiv hatte ja die Letztentscheidung. Damit könnte sich der Mitarbeiter wohl mit der Vernichtung der Festplatten zumindest nach § 125 StGB (evt wertqualifiziert nach § 126 Abs 1 Z 7), durch die Vernichtung des Inhaltes der Festplatten nach § 126a StGB strafbar gemacht haben (zum Verhältnis Kommenda/Madl SbgK § 126a Rz 90 mwN). Altkanzler Kurz gab in Zeitungen mehrfach wieder, dass er den geschilderten Vorgang für ganz normal halte. Dies legt nahe, dass er von diesem Vorgang gewusst hatte oder ihn sogar angeordnet haben könnte. Dies wiederum legt den Verdacht nahe, dass er sich wegen Bestimmung zur Sachbeschädigung (§§ 12, 2. F, 125; evt wertqualifiziert) und Bestimmung zur Datenbeschädigung (§ 12, 2. F, 126a StGB) strafbar gemacht haben könnte. Die Bagatellgrenze für die Schädigung ist jedenfalls überschritten: Die Daten können nach dem derzeitigen Stand überhaupt nicht wiederhergestellt werden (vgl Kommenda/Madl SbgK § 126a Rz 54). Evt kommt sogar eine Strafbarkeit wegen Beweismittelunterdrückung (§ 295 StGB) sowie Bestimmung zur Beweismittelunterdrückung in Frage.

Aus diesem Grund stellen die Abgeordneten folgende Anfrage:

1.    Handelt es sich bei den og Daten um Schriftgut iSd Denkmalschutzgesetzes bzw im Sinne des Bundesarchivgesetzes?

a.    Wenn nein: Weshalb nicht?

b.    Hat das Staatsarchiv die endgültige Entscheidung darüber, ob etwas als Schriftgut bzw als Archivgut zu bewerten ist, sofern es nicht durch eine VO ausgenommen wurde?

                                          i.    Wenn nein: Weshalb nicht?

                                        ii.    Wenn nein: Wer sonst?

2.    Wie wurde sichergestellt, dass diese Daten nicht dem Bundesarchivgesetz unterliegen?

3.    Wer war im Kabinett des Altkanzlers für die Einhaltung des Bundesarchivgesetzes zuständig?

4.    Wieso wurde mit der Vernichtung der Festplatte ein Kabinettsmitarbeiter und nicht etwa die IT-Abteilung beauftragt?

5.    Welche Konsequenzen wird das Verhalten der betreffenden Mitarbeiter, soweit sie noch in einem Kabinett oder in einem Ministerium angestellt sind, für diese haben?

6.    In wessen Eigentum standen die og Festplatten?

7.    Wer ist aktuell im Kabinett der Kanzlerin für die Einhaltung des Bundesarchivgesetzes verantwortlich?

8.    Sind Ihnen weitere ähnliche Vorgänge aus dem Bundeskanzleramt, für die ihr Amtsvorgänger verantwortlich zeichnet, bekannt, bei denen Daten vernichtet wurden oder gegen die Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes verstoßen wurde?

9.    Welche Vorkehrungen treffen Sie für das im Bundeskanzleramt bzw in Ihrem Kabinett anfallende Schriftgut für den Fall Ihres Ausscheidens?

10. Werden Sie ebenfalls Festplatten außerhalb des Räumlichkeiten des Bundeskanzleramtes unter Angabe eines falschen Namens schreddern lassen?

11. Ist es üblich, Festplatten außerhalb der Räumlichkeiten des Bundeskanzleramtes unter falschem Namen schreddern zu lassen?