4087/J XXVI. GP

Eingelangt am 05.08.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Peter Pilz, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

betreffend das System Pilnacek - das Liegenlassen von Akten in der Causa Stadterweiterungsfonds

BEGRÜNDUNG:

Die Tageszeitung „Der Standard" berichtete am 31.7.2019 über die Causa Stadterweiterungsfonds. So wurde berichtet, dass es im Juli 2015 einen Vorhabensbericht der WKStA gab, in welchem diese bekanntgab, Anklage wegen Untreue gegen den Fondschef und die drei Beamte des BMI, die Sitz und Stimme im Fondskuratorium hatten, erheben zu wollen. Der Schaden: drei Millionen Euro. Darüber hinaus sei ein Beamter wegen Amtsmissbrauches anzuklagen. Gegen vier andere beschuldigte Beamte des BMI plante die WKStA die Einstellung des Ermittlungsverfahrens.

Den Akt zurückbekommen hat die WKStA erst 22 Monate später, im Frühling 2017. Auch hier verweilte der Akt - wie bei der Causa Weinzierl - offensichtlich unbearbeitet bei der Fachaufsicht. Nun war der Akt in zwei Punkten anders: ein Teil des Anklagevorhabens der WKStA war weggefallen, da nun Spenden des Stadterweiterungsfonds, welche nach dem November 2009 getätigt wurden, nicht mehr als illegal befunden wurden. Darüber hinaus kam eine Weisung aus dem Justizministerium. Der Inhalt: die Beschuldigten seien ,,ergänzend" zu vernehmen. Begründet wurde dieses Vorgehen damit, dass sich die rechtliche Struktur und die Begründung des Vorgehens der Staatsanwaltschaft geändert hätten. Aus Gründen der Fairness und der Wahrung des rechtlichen Gehörs seien die Beschuldigten somit neuerlich zu befragen. SC Mag. Christian Pilnacek soll gesagt haben, dass es sich bei den ergänzenden Einvernahmen um eine "politische Ehrenrunde" handle, so der Standard.

Die ergänzenden Einvernahmen erfolgten Ende 2017. Aufgrund der umfangreichen Vorbringen der Beschuldigten in diesen Vernehmungen verzögerte sich das Ermittlungsverfahren weiter, ehe es im Juni 2019 zur Anklage kam.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.       War SC Mag. Christian Pilnacek in die Bearbeitung dieses Aktes involviert?

a.       Falls ja, bitte um eine genaue Auflistung, inwiefern er in diesem Akt involviert war.

2.       Die OStA Wien wollte Anfang 2016 die Weisung erteilen, dass das gesamte Verfahren einzustellen sei; aus welchen Gründen vertrat die OStA Wien diesen Standpunkt?

3.       Hat es neben der oben erwähnten Weisung noch weitere Weisungen iSd § 29 StAG in dieser Causa gegeben? Von SC Mag. Pilnacek oder anderen?

a.       Wenn ja, welche und mit welchem Inhalt?

                                                              i.      Wer erteilte diese Weisung(en)? Bitte eine genaue Auflistung von wem, wann und an wen diese Weisungen ergingen.

4.       Hat es neben der Weisung - wenn auch nur informelle - Aufforderungen zu bestimmten Handlungsweisen im Justizministerium (insbesonders von SC Mag. Pilnacek) oder in der OStA Wien gegeben?

a.       Wenn ja, welche konkret und aus welchem Grund und wieso wurde keine formelle Weisung unter Bezugnahme auf § 29 StAG verfügt?

b.      Wenn nein, wie ist eine in Erlassform erfolgte Anordnung, Teile einer Anklagebegründung betreffend der Motivlage entfernen zu müssen, zu qualifizieren?

5.       Hat es eine interne Überprüfung zu den Vorfällen rund um diese Causa gegeben?

a.       Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.      Wenn nein, warum nicht?

6.       Wurde das Vorgehen der Beamten im Justizministerium und bei der OStA Wien, die mit dieser Causa befasst waren, einer disziplinar- und strafrechtlichen Prüfung unterzogen?

a.       Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.      Wenn nein, warum nicht?

7.       Wie ist das Vorgehen des Justizministeriums - im Zusammenwirken mit der OStA Wien -, in dieser Causa einen Akt 22 Monate lang unbearbeitet liegen zu lassen, mit dem Beschleunigungsgebot nach § 9 der Strafprozessordnung zu vereinbaren?

8.       Wie ist das Vorgehen des Justizministeriums in dieser Causa, die von der WKStA beantragte Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen vier Beamte des BMI 22 Monate lang nicht zu bewilligen und trotz völliger Entscheidungsreife das diesbezügliche Einstellungsvorhaben auch im Jahr 2017 bei Erteilung der Weisung zur ergänzenden Einvernahme nicht zu genehmigen, mit dem Beschleunigungsgebot nach § 9 der Strafprozessordnung zu vereinbaren?

9.       Wurden auch ergänzende Einvernahmen bei den vier Beamten des BMI angeordnet, bei denen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens geplant war?

a.       Wenn ja, von wem und warum?

                                                              i.      Änderte eine allfällige ergänzende Einvernahme etwas an der geplanten Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen diese vier Beamten?

       aa. Wenn ja, inwiefern?

b.      Wenn nein, warum wurde die geplante Einstellung des Ermittlungsverfahrens gem. § 190 StPO nicht genehmigt?

c.       Wenn nein, wann wurde die geplante Einstellung des Ermittlungsverfahrens gem. § 190 StPO genehmigt?

10.   Wurden die Beamten des BMI durch die nicht genehmigte Einstellung des Ermittlungsverfahrens in ihren konkreten Rechten geschädigt?

a.       Wenn ja, in welchen Rechten und was sind die Konsequenzen aus dieser Schädigung?

b.      Wenn nein, warum nicht?

11.   Haben sich die Vorwürfe der WKStA gegen die nun vier Angeklagten in dieser Causa, wenn man den Vorhabensbericht der WKStA aus dem Juli 2015 mit der Anklage aus dem Juni 2019 vergleicht, geändert?

a.       Wenn ja, inwiefern?

b.      Wenn nein, warum wurden dann ergänzende Ermittlungen angeordnet?

12.   Wurde der Staat durch das Vorgehen des Justizministeriums, nicht notwendige Vernehmungen anzuordnen, in seinem Recht auf effektive Strafverfolgung verletzt?

a.       Wenn ja, wurde das Verhalten der beteiligten Personen einer disziplinar- und strafrechtlichen Prüfung unterzogen?

                                                              i.      Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

                                                            ii.      Wenn nein, warum nicht?

13.   Der Standard berichtete weiters, dass das Justizministerium die ergänzenden Einvernahmen mit der Änderung der rechtlichen Struktur und der Begründung des Vorgehens der Staatsanwaltschaft begründete; inwiefern änderten sich die rechtliche Struktur und die Begründung des Vorgehens von Seiten der Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2015 und Frühling 2017?

a.       Änderte sich etwas an den Hauptvorwürfen der Untreue und des Amtsmissbrauchs zwischen dem Vorhabensbericht aus dem Juli 2015 und der schlussendlichen Anklage?

                                                              i.      Wenn ja, inwiefern?

14.   SC Mag. Pilnacek wurde im Standard (sinngemäß) zitiert, dass durch das Vorgehen des Justizministeriums, ergänzende Einvernahmen anzuordnen, den Beschuldigten ihr Recht auf rechtliches Gehör gewährleistet wurde; wurde den Beschuldigten davor kein rechtliches Gehör zu den gegen sie gerichteten Vorwürfen gewährt?

a.       Wenn doch, warum war eine ergänzende Einvernahme der Beschuldigten indiziert?

b.      Wenn davor kein rechtliches Gehör gewährt wurde, warum nicht?

15.   Wann wurde der Weisungsrat erstmalig mit dieser Causa befasst?

16.   Wurde er mehrere Male mit dieser Causa befasst?

a.       Wenn ja, wann? Es wird um eine genaue Auflistung gebeten.

17.   Wen traf zu welchen konkreten Zeitpunkten zwischen Juli 2015 und Juni 2019 eine Bearbeitungs- und Entscheidungspflicht?

18.   Besteht aufgrund der Bestimmung des § 8a StAG eine Entscheidungspflicht des Bundesministers für Justiz?

a.       Wenn ja, wurde dieser im vorliegenden Fall entsprochen und wodurch konkret?

b.      Wenn nein, wieso nicht?

19.   Gilt für die Prüfpflichten des Bundesministers für Justiz gemäß § 8a StAG das Beschleunigungsgebot nach § 9 StPO?

20.   Wird dieses Gebot durch eine über 22 Monate andauernde Prüfungszeit verletzt?

a.       Wenn ja, wer konkret wurde dadurch geschädigt und was sind die Konsequenzen?

21.   Gibt es andere Fälle, in denen das Justizministerium ergänzende Einvernahmen anordnete?

a.       Wenn ja, welche? Es wird um eine genaue Auflistung der Causen gebeten (sollte eine solche Auslistung aufgrund einer zu aufwendigen Prüfung nicht im Detail möglich sein, mögen zumindest einige im Bundesministerium bekannte Causen genannt werden, in welchen eine solche Weisung erteilt wurde).

                                                              i.      Bei wie vielen dieser Causen war SC Mag. Pilnacek involviert? Bitte um eine genaue Auflistung, in welchen Causen SC Mag. Pilnacek involviert war und welche konkreten Maßnahmen er ergriff.

                                                            ii.      Bei wie vielen dieser Causen war der OStA Mag. Klackl involviert? Bitte um eine genaue Auflistung, in welchen Causen OStA Mag. Klackl involviert war und welche konkreten Maßnahmen er ergriff.