4092/J XXVI. GP

Eingelangt am 07.08.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Peter Pilz, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

betreffend das System Pilnacek - das Abdrehen des Verfahrens Chalet N in Lech am  Arlberg

BEGRÜNDUNG:

Am 1.8.2019 berichtete die Investigativplattform „Dossier" über Ungereimtheiten, die beim Kauf eines Hotels in Lech am Arlberg zutage traten. So wurde eine geplante Anklage in der Causa Lech am Arlberg (AZ: 16 St 5/15s) im Jahr 2016 der WKStA per Weisung der OStA Wien unter OStA Michael Klackl abgedreht. Es ging um Bestechlichkeit, Bestechung, Vorteilsannahme sowie Vorteilszuwendung. Beschuldigte waren u.a. der Bürgermeister Lech am Arlbergs sowie der Unternehmer Rene Benko. Die rechtsfreundliche Vertretung Rene Benkos übernahm der ehemalige Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer. SC Mag. Christian Pilnacek ist laut eigener Aussage mit dessen Kanzleipartner Rüdiger Schender befreundet und versteht sich mit Dr. Böhmdorfer gut:[1]

  Pilnacek: Böhmdorfer, der ja Wert darauf legt, nie FPÖ-Mitglied gewesen zu sein, war einer der Minister, die die stärkste Abgrenzung zwischen dem politischen   Amt und der Fachebene hatten. Bei ihm durften Kabinettsmitarbeiter nie persönlich einen Sektionschef anrufen oder etwas fragen. Das hat er immer  selbst gemacht Er hat auch meinen Vorgänger hier nie zu sich ins Büro geholt, sondern ist zum Sektionschef in dessen Büro gegangen. Böhmdorfer hatte bei den Beamten intern einen guten Ruf, weil er nichts zugelassen hat, was sie hätte denken lassen, dass sie etwas Politisches umsetzen oder für Parteizwecke verwendet werden. Und ja, ich habe noch ein gutes Verhältnis zu ihm, mit Schender bin ich befreundet.

RA Dr. Böhmdorfer übernimmt auch die rechtsfreundliche Vertretung SC Mag. Pilnaceks.

Laut der Pressesprecherin der WKStA, OStA Elisabeth Täubl, sei die Weisung der Einstellung des Verfahrens der OStA Wien aus Beweisgründen ergangen. Der Pressesprecher der OStA Wien, OStA Mag. Michael Klackl, wurde mit folgenden Worten zitiert: „Eine strafbare Handlung des Beschuldigten Benko war nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachweisbar".

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.       Handelte es sich bei dieser Causa um eine berichtspflichtige Sache iSd § 8 StAG?

a.       Wenn ja, aus welchem Grund?

                                                              i.      Welche Berichte wurden an die OStA Wien bzw. das Justizministerium erstattet?

                                                            ii.      Welche Vorhaben hat die WKStA berichtet?

2.       Bestand die Berichtspflicht der WKStA gegenüber der OStA Wien und dem Justizministerium von Anfang des Ermittlungsverfahrens an?

a.       Wenn nein, ab wann bestand diese und wer forderte diese ein?

                                                              i.      Gab es eine interne Überprüfung dazu, dass die Berichtspflicht in diesem Verfahren erst auf Grund einer Intervention des RA Rene Benkos bei SC Mag. Pilnacek begann?

3.       War OStA Mag. Michael Klackl in die Bearbeitung dieses Aktes involviert?

a.       Wenn ja, bitte um eine genaue Auflistung, inwiefern er in diesem Akt involviert war?

4.       War SC Mag. Christian Pilnacek in die Bearbeitung dieses Aktes involviert?

a.       Falls ja, bitte um eine genaue Auflistung, inwiefern er in diesem Akt involviert war.

b.      Falls ja, hat sich SC Mag. Pilnacek an der Bearbeitung dieser Causa mit Hinblick auf § 47 StPO und seine Nähe zu RA Dr. Böhmdorfer für befangen erklärt?

                                                              i.      Wenn nein, warum nicht?

                                                            ii.      Wenn nein, wird das Verhalten SC Mag. Pilnaceks in dieser Hinsicht einer straf- und disziplinarrechtlichen Prüfung unterzogen?

1.       Wenn ja, gibt es bereits ein Ergebnis?

2.       Wenn nein, warum nicht?

5.       Wurde eine Weisung zur Einstellung der Ermittlungen erteilt, wie dem Bericht zum Dossier vom 1.8.2019[2] zu entnehmen ist?

a.       Wenn ja, von wem wurde diese Weisung erteilt?

b.      Wenn ja, was war der Grund für solch eine Weisung?

6.       Wurde in der Weisung berücksichtigt, dass einer der Beschuldigten, Rene Benko, wegen eines einschlägigen Deliktes, verbotene Intervention gem. § 308 StGB, vorbestraft war und diese Tathandlung genauso wie im gegenständlichen Vorwurf auf eine beschleunigte Verfahrensbeendigung abzielte?

7.       Hat es neben der oben erwähnten Weisung noch weitere Weisungen iSd § 29 StAG in dieser Causa gegeben? Von SC Mag. Pilnacek oder anderen?

a.       Wenn ja, welche und mit welchem Inhalt?

                                                              i.      Wer erteilte diese Weisung(en)? Bitte eine genaue Auflistung, von wem, wann und an wen diese Weisungen ergingen.

8.       Hat es neben der Weisung - wenn auch nur informelle - Aufforderungen zu bestimmten Handlungsweisen im Justizministerium (insbesondere von SC Mag. Pilnacek) oder in der OStA Wien (insbesondere OStA Mag. Michael Klackl oder Eva Marek) gegeben?

a.       Wenn ja, welche konkret und aus welchem Grund und wieso wurde keine formelle Weisung unter Bezugnahme auf § 29 StAG verfügt?

b.      Wenn nein, wie ist eine in Erlassform erfolgte Anordnung, Teile einer Anklagebegründung betreffend der Motivlage entfernen zu müssen, zu qualifizieren?

9.       Gab es Dienstbesprechungen zu dieser Causa?

a.       Wenn ja, wie viele und mit welchem Ergebnis? Es wird um eine genaue Auflistung gebeten.

10.   Hat es eine interne Überprüfung zu den Vorfällen rund um diese Causa gegeben?

a.       Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.      Wenn nein, warum nicht?

11.   Wurde das Vorgehen der Beamten im Justizministerium und bei der OStA Wien, die mit dieser Causa befasst waren, einer disziplinar- und strafrechtlichen Prüfung unterzogen?

a.       Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.      Wenn nein, warum nicht?

12.   Wurde der Weisungsrat mit dieser Causa befasst?

a.       Wenn ja, wurde er mehrere Male befasst?

                                                              i.      Wenn ja, wann? Es wird um eine genaue Auflistung gebeten.

b.      Wenn nein, warum nicht?

13.   Besteht aufgrund der Bestimmung des § 8a StAG eine Entscheidungspflicht des Bundesministers für Justiz?

a.       Wenn ja, wurde dieser im vorliegenden Fall entsprochen und wodurch konkret?

b.      Wenn nein, wieso nicht?

14.   Gibt es andere Fälle, in denen das Justizministerium oder die OStA Wien mittels Weisungen Ermittlungsverfahren gegen Personen, denen eine Nähe zu politischen Parteien nachgesagt wird, abdrehte?

a.       Wenn ja, welche? Es wird um eine genaue Auflistung der Causen gebeten (sollte eine solche Auslistung aufgrund einer zu aufwendigen Prüfung nicht im Detail möglich sein, mögen zumindest einige im Bundesministerium bekannte Causen genannt werden, in welchen eine solche Weisung erteilt wurde).

                                                              i.      Bei wie vielen dieser Causen war SC Mag. Pilnacek involviert? Bitte um eine genaue Auflistung, in welchen Causen SC Mag. Pilnacek involviert war und welche konkreten Maßnahmen er ergriff.

                                                            ii.      Bei wie vielen dieser Causen war OStA Mag. Klackl involviert? Bitte um eine genaue Auflistung, in welchen Causen OStA Mag. Klackl involviert war und welche konkreten Maßnahmen er ergriff.

15.   Gem. § 35a StAG sind Einstellungen von Ermittlungsverfahren, die von besonderem öffentlichem Interesse sind oder besondere für die Beurteilung gleichgelagerter Verfahren bedeutsame rechtliche Ausführungen beinhalten, in der Ediktsdatei zu veröffentlichen. Die Einstellung erfolgte am 14.10.2016, die Veröffentlichung erfolgte am 5.8.2019; warum wurde die Veröffentlichung erst nach rund 34 Monaten vorgenommen?

16.   Wurde die Veröffentlichung der Einstellung von der OStA Wien oder vom Justizministerium aufgrund der Medienberichterstattung der letzten Tage und des Umstands, dass bis dato die Veröffentlichung gesetzwidrig unterblieben ist, vorgenommen?

17.   War das öffentliche Interesse und damit die Voraussetzungen des § 35a StAG schon damals, im Jahr 2016, erfüllt?

a.       Wenn ja, warum wurde damals von einer Veröffentlichung abgesehen und wer trägt dafür die Verantwortung?

b.      Wenn nein, warum nicht?

18.   Wer war für die Veröffentlichung in der Ediktsdatei und die Anordnung, eine solche vorzunehmen, im konkreten Fall verantwortlich?

19.   Wurde das Unterlassen der Veröffentlichung in der Ediktsdatei einer straf- und disziplinarrechtlichen Untersuchung der beteiligten Personen unterzogen?

a.       Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.      Wenn nein, warum nicht?

20.   In der Einstellungsbegründung führt die OStA Wien zum Beeinflussungsversuch von Seiten Rene Benkos u.a. aus, dass die Zeugenaussagen keinen Aufschluss darüber geben, in welchen konkreten Verfahren die Gemeinde Lech beeinflusst werden sollte. Wurde von Seiten der OStA Wien überprüft, ob sich der Beschuldigte in mehreren Verfahren mit der Gemeinde Lech befand?

21.   In der Einstellungsbegründung führt die OStA Wien weiters (sinngemäß) aus, dass wenn die von der Gemeinde geforderte Ablösesumme für den Verzicht auf das Vorkaufsrecht schon vor dem 6.9.2011 feststand, die Aussage des Beschuldigten, er wollte lediglich ein Splitting vereinbaren, nicht widerlegbar sei. Wurde der Umstand, ob es diese Vereinbarung vor dem 6.9.2011 gegeben hatte, ermittelt?

a.       Wenn nein, warum nicht?

22.   Die OStA Wien merkte weiters an, dass nach dem Vorhabensbericht der WKStA eine Stellungnahme mit zahlreichen Unterlagen des Beschuldigten Rene Benko einlangte, sie berücksichtigte diese Beweismittel; wurde die Stellungnahme der WKStA zur weiteren Bearbeitung übermittelt?

a.       Wenn ja, änderte die WKStA die in ihrem Vorhabensbericht beabsichtigte Anklage?

b.      Wenn nein, warum nicht?

c.       Wenn nein, wie ist der Umstand zu bewerten, dass die OStA Wien eine Würdigung der Beweismittel vornahm - ist das nicht Aufgabe der fallführenden StA, in dem Fall der WKStA?

23.   Wird diese Causa in Hinblick auf die Aussagen, die der ehem. Vizekanzler Heinz-Christian Strache in dem sog „Ibiza-Video" tätigte, einer neuerlichen rechtlichen Würdigung in Bezug auf eine mögliche Wiederaufnahme gem. § 193 StPO unterzogen?

a.       Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.      Wenn nein, warum nicht?



[1]   https://www.derstandard.at/story/2000079125699/christian-piInacek-revolutionen-haben-nie-wirklich- funktioniert .

[2]  https://www.dossier.at/dossiers/empfehlungen/benkos-offene-hotelrechnung/.