4108/J XXVI. GP

Eingelangt am 23.08.2019
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Budgeteinnahmen aus außergerichtlichen Vergleichen gemäß § 33 TP 20 Abs 1 lit a bzw lit b GebG

 

Mit der "Protokollierung eines geschlossenen Vergleichs" ist in Österreich der sogenannte Schiedsvergleich gemeint, also ein Vergleich, der vor einem Schiedsgericht abgeschlossen wird, ohne dass ein Schiedsspruch erlassen wird. Ein derartiger Vergleich ist gemäß österreichischem Recht ein vollstreckbarer Titel (§ 1 Z 16 EO).

Wird ein Schiedsvergleich vor einem österreichischen Schiedsgericht abgeschlossen, so entsteht nach Auffassung der Finanzverwaltung eine Gebührenpflicht für Rechtsgeschäfte gemäß § 33 TP 20 Abs 1 lit a GebG. Danach sind Vergleiche, ausgenommen Vergleiche vor einem "Gericht", zu vergebühren und die Gebühr ist an das zuständige Finanzamt abzuliefern.

Trotz gegenteiliger Ansicht in der Literatur[1] hat der VwGH die Rechtsansicht der österreichischen Finanzverwaltung bestätigt.[2] Diese Auffassung wird damit begründet, dass ein Schiedsgericht kein "ordentliches Gericht" iSd § 1 JN sei und die Ausnahme nur für Vergleiche gelte, die vor ordentlichen Gerichten abgeschlossen werden.

Die Entscheidung des VwGH wird in der Literatur kritisiert[3]. Offen ist, ob die Gebührenpflicht auch gilt, wenn ein Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut erlassen wird. Für die Ausnahme von der Gebührenpflicht spricht, dass auch § 605 ZPO zwischen der Protokollierung eines Vergleichs durch das Schiedsgericht einerseits (Z1) und der Erlassung eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut durch das Schiedsgericht andererseits (Z2) un-terscheidet.

Ob sich die Finanzverwaltung und letztendlich der VwGH dieser Ansicht anschließen, bleibt abzuwarten. Was die Höhe der Gebühr betrifft, beträgt diese 1% von der Vergleichssumme, wenn der Vergleich über anhängige Rechtsstreitigkeiten getroffen wird, ansonsten 2%. Ob auch vor "Schiedsgerichten" anhängige Rechtstreitigkeiten als "anhängig" iS dieser Bestimmung gelten, ist umstritten.[4]

Von den Anwendern wird eine "Gebühr" auf die einvernehmlich herbeigeführte Konfliktlösung vielfach als "Bestrafung" empfunden. Sie kann einvernehmliche Lösungen erschweren, begünstigt sie jedenfalls nicht. Einvernehmliche Lösungen sind aber im Sinne des Rechtsfriedens anzustreben.

Um beurteilen zu können, ob fiskalische Interessen gegen eine gesetzliche Klarstellung sprechen könnten, wonach Vergleiche vor Schiedsgerichten und Schiedssprüche mit vereinbartem Inhalt nicht der Vergleichsgebühr unterliegen, ist es notwendig zu klären, wie hoch die Einnahmen aus derartigen Vergleichsgebühren sind.

[1]     Arnold/Arnold, Rechtsgebühren9 § 33 TP 20 GebG Rz 9; aA Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren10 408.

[2]     VwGH 18.03.2013, 2011/16/2014; laut Erkenntnis des VwGH haben die Streitparteien im Anlassfall "eine Vergleichsvereinbarung iSd § 1380 ABGB" abgeschlossen; es ist ausdrücklich nicht von einem Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut die Rede.

[3]     Vgl. Prochaska, AnwBl 2013/8353; Pepelnik/Stradinger, ecolex 2013/229.

[4]     Gem. Rz 1005 (mit Verweis auf Rz 998) der Gebührenrichtlinien des Bundesministeriums für Finanzen sind Rechtstreitigkeiten vor Schiedsgerichten nicht vor einem "Gericht" anhängig, so dass 2% fällig wären; aA Twardosz, GebG-ON6.01 § 33 TP 20 Rz 25, sowie Arnold/Arnold, Rechtsgebühren9 § 33 TP 20 Rz 13a.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

Für die einzelnen Jahre 2015-2019 wird um folgende Angaben ersucht:

1.    Wie viele Rechtsgeschäfte gemäß § 33 TP 20 Abs 1 lit a GebG wurden in den jeweiligen Jahren bei Finanzämtern vergebührt?

2.    Wie viele Rechtsgeschäfte gemäß § 33 TP 20 Abs 1 lit b GebG wurden in den jeweiligen Jahren bei Finanzämtern vergebührt?

3.    Wie hoch waren in den einzelnen Jahren in Summe die Budgeteinnahmen aus außergerichtlichen Vergleichen gemäß § 33 TP 20 Abs 1 lit a GebG?

4.    Wie hoch waren in den einzelnen Jahren in Summe die Budgeteinnahmen aus außergerichtlichen Vergleichen gemäß § 33 TP 20 Abs 1 lit b GebG?