4109/J XXVI. GP

Eingelangt am 23.08.2019
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen

an den Vizekanzler und Bundesminister für Verfassung‚ Reformen‚ Deregulierung und Justiz

betreffend Unterzeichnung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Vollstreckung internationaler Mediationsvergleiche (United Nations Convention on International Settlement Agreements resulting from Mediation) und die Förderung Österreichs als Mediationsstandort

Seit rund 60 Jahren dient das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 ("New Yorker Übereinkommen") der Förderung von grenzüberschreitenden Handelsgeschäften. Das Übereinkommen ermöglicht es, Schiedssprüche nahezu weltweit (159 Mitgliedstaaten) durchzusetzen. Dem New Yorker Übereinkommen wurde kürzlich ein Instrument zur internationalen Vollstreckung von im Weg der internationalen Wirtschaftsmediation erzielten Einigungen, das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Vollstreckung internationaler Mediationsvergleiche ("Singapurer Übereinkommen"), zur Seite gestellt. Das Singapurer Übereinkommen wird am 7. August 2019 in Singapur zur Unterzeichnung aufgelegt.

Weltweit nehmen Unternehmen verstärkt internationale Wirtschaftsmediationen in Anspruch, um schnelle, (kosten- und zeit-)effiziente und selbstbestimmte Lösungen für ihre Streitigkeiten herbeizuführen. Solcher Art getroffene Lösungen, die üblicherweise in Form von zivilrechtlichen Vereinbarungen (Vergleich) verschriftlicht werden, sind bislang nicht international vollstreckbar. Vielmehr müssen Unternehmer Gerichts- bzw. Schiedsgerichtsverfahren führen, um nicht freiwillig erfüllte Vergleiche durchzusetzen. Das Singapurer Übereinkommen ermöglicht Unternehmen, die im Weg der internationalen Wirtschaftsmediation erzielten Einigungen grenzüberschreitend durchzusetzen. "International" bedeutet, dass die Parteien ihren Sitz in unterschiedlichen Staaten haben oder in einem anderen Staat als jenem, in dem ein wesentlicher Teil der erzielten Einigung zu erfüllen ist oder zu dem der Einigungsgegenstand die engste Verbindung aufweist.

Für rein nationale Fälle stehen Unternehmen die nach den nationalen Rechtsordnungen bestehenden Vollstreckungsmöglichkeiten offen. Vom Übereinkommen erfasst sind ausschließlich Wirtschaftsmediationen, nicht anzuwenden ist das Singapurer Übereinkommen auf bestimmte Konsumentenstreitigkeiten sowie familienrechtliche, erbrechtliche oder arbeitsrechtliche Streitigkeiten.

Nationale Rechtsinstitute zur Vollstreckbarmachung (zB vollstreckbarer Notariatsakt) ermöglichen nur die Vollstreckung im jeweiligen Land, nicht jedoch international. In der Praxis hat man sich daher bislang damit beholfen, ein Schiedsverfahren einzuleiten und einen Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut zu erwirken. Die Vollstreckbarkeit solcher Schiedssprüche auf Basis des New Yorker Übereinkommens ist jedoch umstritten. Die vorherrschende Auffassung scheint zu sein, dass derartige Vergleiche, sofern sie nach Abschluss einer Schiedsvereinbarung und nach Bestellung des/der Schiedsrichter(s) zustande kommen, nach dem New Yorker Übereinkommen vollstreckbar sind. Kam der Vergleich jedoch zustande, bevor die Parteien eine Schiedsvereinbarung abgeschlossen haben oder bevor sie die Konstituierung des Schiedsgerichts nach Maßgabe einer bereits bestehenden Schiedsvereinbarung in Angriff genommen haben, soll das New Yorker Übereinkommen keine Anwendung finden. Das wird damit begründet, dass in vielen Jurisdiktionen bei der Vollstreckung von internationalen Schiedssprüchen vorausgesetzt wird, dass zumindest im Zeitpunkt der Konstituierung des Schiedsgerichts eine Streitigkeit zwischen den Parteien besteht. Dies würde auch der Wortlaut des New Yorker Übereinkommens erfordern. Im Schiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut würde über keine bestehende Streitigkeit abgesprochen, da er üblicherweise erst nach getroffener Einigung erwirkt wird. Schiedssprüche mit vereinbartem Wortlaut sind sohin immer mit dem Risiko verbunden, nicht vollstreckt zu werden. Diese Problematik wird im Anwendungsbereich des Singapurer Übereinkommens beseitigt.

Zudem wird auch der für die Vollstreckung von Schiedssprüchen vorgesehene Rechtsschutz beibehalten. Auf Basis der im Singapurer Übereinkommen genannten Gründe – welche sogar über jene des New Yorker Übereinkommens hinausgehen – kann die Vollstreckung gegebenenfalls auch versagt werden.

Aus der Unterzeichnung des Singapurer Übereinkommens ergeben sich damit folgende positive Gesichtspunkte:

·         Erstens, Österreich bietet Unternehmern sämtliche international etablierten Streitbeilegungsmethoden (Gerichtsverfahren, Schiedsverfahren, Alternative Streitbeilegung) zur Lösung von Streitigkeiten im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr.

·         Zweitens, Österreich stellt sicher, dass im Weg der Wirtschaftsmediation getroffene Vereinbarungen international durchgesetzt werden können. Unternehmen werden nicht weiter unnötigen Kosten, Risiken und juristischen Hürden ausgesetzt.

·         Drittens, Österreich stellt sicher, dass im Weg der Wirtschaftsmediation getroffene Vereinbarungen in Österreich vollstreckbar sind. Die heimischen Gerichte haben in diesem Fall die Möglichkeit, die von den Parteien getroffene Vereinbarung zu prüfen. Unterzeichnet Österreich das Singapurer Übereinkommen nicht, wird die Vollstreckung und somit auch die rechtliche Qualitätssicherung ausschließlich in die Zuständigkeit anderen Staaten (die möglicherweise nicht dem hierzulande vorherrschenden Standard entsprechend) fallen.

·         Viertens, die im Vollstreckungsverfahren anfallenden Gerichtsgebühren kommen dem österreichischen Budget zugute.

·         Fünftens, Österreich kann seine Vorreiterrolle als international hoch angesehener Standort zur internationalen Streitbeilegung (Gerichtsverfahren, Schiedsverfahren, Alternative Streitbeilegung) sichern und ausbauen.

·         Sechstens, Österreich fördert die internationale Wahrnehmung der Wirtschaftsmediation in Österreich und damit auch das Ansehen und den Wirkungskreis österreichischer Wirtschaftsmediatoren.

Die Unterzeichnung des Singapurer Übereinkommens ist zur Stärkung und Förderung Österreichs als international angesehener Standort für die Lösung von internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten, insbesondere auch in Abgrenzung zu den unmittelbaren Konkurrenzjurisdiktionen Schweiz und Deutschland, notwendig und geboten.

"Die deutsche Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat zum Übereinkommen der Vereinten Nationen (UN) über durch Mediation erzielte internationale Vergleichsvereinbarungen bereits öffentlich Stellung bezogen. Ihrer Meinung nach sollte die Bundesrepublik Deutschland das Übereinkommen zeichnen, sobald es in Singapur und später in New York zur Zeichnung aufgelegt worden sein wird, und es später auch ratifizieren. Dies stärke den Rechtsstandort Deutschland." (Quelle: https://rsw.beck.de/aktuell/meldung/brak-befuerwortet-un-uebereinkommen-ueber-durch-mediation-erzielte-internationale-vergleichsvereinbarungen)

Auch in Österreich wurde bereits öffentlich positiv für eine Ratifikation Stellung genommen (https://diepresse.com/home/recht/rechtwirtschaft/5662974/Konsensuale-Loesung-im-Streitfall-durchsetzbar).

Im August 2019 haben 46 Staaten das UN-Übereinkommen zur internationalen Vollstreckung von Mediationsergebnissen in Singapur unterzeichnet.

Weder die EU noch einzelne EU-Mitgliedstaaten gehören derzeit zu den Unterzeichnerstaaten. Es bedürfe noch der Klärung, ob die Staaten einzeln dem Übereinkommen beitreten wollen oder die EU als Ganzes beitreten kann.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Hat sich Ihr Ministerium bereits mit dem Singapurer Übereinkommen befasst?

a.    Wenn ja, welche Organisationseinheit des Ministeriums und seit wann?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

2.    Steht Ihr Ministerium in Bezug auf das Singapurer Übereinkommen in fachlichem Austausch mit dem Außenministerium? (Um detaillierte Erörterung wird ersucht.)

a.    Wenn ja, welche Organisationseinheit des Ministeriums?

b.    Wenn ja, wann und welchen Inhalt hatte der Austausch?

3.    Steht Ihr Ministerium in Bezug auf das Singapurer Übereinkommen in fachlichem Austausch mit dem Bundeskanzleramt? (Um detaillierte Erörterung wird ersucht.)

a.    Wenn ja, welche Organisationseinheit des Ministeriums?

b.    Wenn ja, wann und welchen Inhalt hatte der Austausch?

4.    Mit welchen anderen Behörden und Organisationen steht Ihr Ministerium in Bezug auf das Singapurer Übereinkommen in fachlichem Austausch? (Um detaillierte Erörterung wird ersucht.)

a.    Wenn ja, welche Organisationen, wann erfolgte der Austausch und welchen Inhalt hatte der Austausch?

b.    Wenn ja, wie äußerten sich welche Behörden und Organisationen in Bezug auf das Singapurer Übereinkommen? (Um detaillierte Erörterung wird ersucht.)

5.    Steht Ihr Ministerium in Bezug auf das Singapurer Übereinkommen in fachlichem Austausch mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union? (Um detaillierte Erörterung wird ersucht.)

a.    Wenn ja mit welchen?

b.    Wenn ja, wann erfolgte der Austausch und welchen Inhalt hatte der Austausch?

6.    Steht Ihr Ministerium in Bezug auf das Singapurer Übereinkommen in fachlichem Austausch mit der Europäischen Kommission?

a.    Wenn ja, wann erfolgte der Austausch und welchen Inhalt hatte der Austausch? (Um detaillierte Erörterung wird ersucht.)

7.    Wurde bereits der Frage nachgegangen, ob die EU-Mitgliedstaaten einzeln dem Übereinkommen beitreten wollen oder die EU als Ganzes beitreten kann?

a.    Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

8.    Ist das Ministerium in die Verhandlungen des Übereinkommens einbezogen worden? (Um detaillierte Erörterung wird ersucht.)

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

9.    Wird das Singapurer Übereinkommen von Österreich unterzeichnet und ratifiziert werden? (Um detaillierte Erörterung wird ersucht.)

a.    Wenn ja, wann wird Österreich das Singapurer Übereinkommen unterzeichnen und ratifizieren?

b.    Wenn nein, was muss unternommen werden, damit Österreich das Singapurer Übereinkommen unterzeichnen und ratifizieren kann?

10. Welche internen Bewertungen traf das Justizministerium bislang in Bezug auf das Singapurer Übereinkommen?

a.    Wird das Übereinkommen inhaltlich begrüßt?

                                  i.    Wenn ja, weshalb? (Um detaillierte Erörterung wird ersucht.)

                                ii.    Wenn nein, weshalb nicht? (Um detaillierte Erörterung wird ersucht.)

11. Wie sieht der Zeitplan bzw der Prozess für einen möglichen Beitritt zum Singapurer Übereinkommen aus? (Um detaillierte Erörterung wird ersucht.)