4197/J XXVI. GP

Eingelangt am 25.09.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Peter Haubner
Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend

Effektivitätskontrolle des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG)

Um einen fairen Wettbewerb zwischen den Unternehmen zu ermöglichen, wurde das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG - BGBl I. Nr. 44/2016) beschlossen. Es trat am
1.1.2017 in Kraft.

Nicht nur österreichische Arbeitgeber, sondern auch ausländische Arbeitgeber, deren Firmensitz
nicht in Österreich ist und die Arbeitnehmer nach Österreich entsenden oder überlassen,
unterliegen dem LSD-BG. In den letzten Jahren haben Entsendungen von Arbeitskräften aus dem Ausland nach Österreich enorm zugenommen. So stieg die Anzahl der Meldungen von 67.000 im
Jahr 2016 auf 118.500 im Jahr 2017. Das ist ein Anstieg von beinahe 80 Prozent. In diesem Zusammenhang sind die Verwaltungsstrafen gem. LSD-BG in Bezug auf aus dem Ausland nach Österreich entsendete Arbeitskräfte stark angestiegen.

Neben den bisher zur Verfügung stehenden Instrumenten bietet das mit 1.1.2017 eingeführte IT- gestützte „Binnenmarkinformationssystem bzw. Internal Market Informationsnetz (IM I)“ österreichischen Behörden eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit mit ausländischen
Behörden zu kommunizieren, um z.B. die Vollstreckbarkeit von Verwaltungsstrafen zu
vereinfachen.

Gleichzeitig wurde auf EU-Ebene mit der europäischen Plattform EESSI (Electronic Exchange of
Social Security Data) der elektronische Austausch von Sozialversicherungsdaten wesentlich
vereinfacht. Österreich ist hier das erste Land, das eine Freigabe der EU-Kommission zur Nutzung erhielt. Durch EESSI können die Behörden Zeit und Kosten sparen. Unternehmen profitieren
durch die sauberen digitalen Entsendungen, zusätzlich wird durch EESSI der faire internationale Wettbewerb gestärkt.

Trotz des Vorhandenseins zahlreicher elektronischer Instrumente, die eine Effektivitätskontrolle
des LSD-BG in Bezug auf die Gewährleistung des fairen Wettbewerbes ermöglichen würden, sind
eine effektive Kontrolle und Vollziehung sowie regelmäßige Evaluierungsergebnisse nicht
vorhanden bzw. nicht öffentlich verfügbar. Ebenso nicht vorhanden bzw. nicht öffentlich verfügbar
ist die Anzahl der rechtskräftigen Entscheidungen, die gegen ausländische Unternehmen
tatsächlich vollstreckt werden bzw. die Summe der eingehobenen Strafen.

Daher stellt sich die Frage, ob die gesetzlichen Regelungen des LSD-BG bzw. die umfassenden

Möglichkeiten des elektronischen Datenaustausches überhaupt ihren

Zweck erfüllen bzw. erfüllen können, nämlich die Schaffung eines fairen Wettbewerbs

zwischen in- und ausländischen Unternehmen am Wirtschaftsstandort

Österreich.

Denn leider ist es inzwischen gängige Praxis, dass mit Hilfe von Entsendungen österreichische Ausländerbeschäftigungsregelungen umgangen werden, indem z.B. serbische Arbeiter über
polnische Betriebe oder bosnische Arbeiter über slowenische Betriebe nach Österreich entsendet werden. Einerseits erspart man sich so die Erfüllung der strengen österreichischen Ausländerbeschäftigungsregelungen und andererseits Sozialversicherungsbeiträge, weil Länder

wie Slowenien einen „Entsendebonus“ gewähren oder als Beitragsgrundlage lediglich der z.B. polnische oder ungarische Durchschnittslohn anstatt des tatsächlich in Österreich bezahlten
Lohns herangezogen wird.

Zur Klärung der aktuellen Lage stellen die unterzeichnenden Abgeordneten daher an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz folgende

Anfrage

1)      Wie viele Arbeitskräfte wurden in den Jahren 2017 und 2018 - aufgeschlüsselt nach
Ländern, in denen sich der Firmensitz des entsendenden Unternehmens befindet - nach Österreich entsendet?

2)      Wie viele Drittstaatsangehörige wurden in den Jahren 2017 und 2018 - aufgeschlüsselt
nach Ländern, in denen sich der Firmensitz des entsendenden Unternehmens befindet -
nach Österreich entsendet?

3)      In wie vielen Fällen wurde bei nach Österreich aus dem EU-Ausland entsandten Drittstaatsangehörigen die Gültigkeit bzw. Korrektheit ihrer Arbeitsbewilligung für das Entsendeland beanstandet?

4)      Wie viele nach Österreich entsendete Arbeitskräfte wurde in weiterer Folge im Rahmen
einer Arbeitskräfteüberlassung an andere Betriebe überlassen?

5)      Wie viele Strafen wegen Verstöße gegen das LSD-BG wurden in den Jahren 2017 und
2018 - aufgeschlüsselt nach Ländern, in denen sich der Firmensitz des Unternehmens
befindet - angezeigt?

6)      Wie viele dieser angezeigten Strafen - aufgeschlüsselt nach Ländern, in denen sich der Firmensitz des Unternehmens befindet - wurden auch tatsächlich verhängt?

7)      Wie viele der verhängten Strafen - aufgeschlüsselt nach Ländern, in denen sich der
Firmensitz des Unternehmens befindet - wurden auch tatsächlich vollstreckt?

8)      Welche gewerberechtlichen Sanktionen werden verhängt und tatsächlich vollstreckt?

9)      In wie vielen Fällen wurde hierzu das mit 1.1.2017 eingeführte IMI-System genutzt?

10)  Erfüllt das IMI-System seinen Zweck in der praktischen Anwendung und gibt es Zahlen,
wie viele Strafen durch dieses System mehr vollstreckt werden konnten, als vor der
Einführung von IMI?

11)  Falls für eine oder mehrere der Fragen 1 bis 6 keine Zahlen vorliegen: Warum werden
diese Zahlen nicht erhoben und ist geplant diese in Zukunft zu erheben?

12)  Falls für eine oder mehrere der Fragen 1 bis 6 keine Zahlen vorliegen: Wie wird eine Effektivitätskontrolle des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) in
Bezug auf die Gewährleistung des fairen Wettbewerb stattdessen sichergestellt?

13)  Wem fließen die aus vollstreckten Strafen gem. LSD-BG lukrierten finanziellen Mittel zu
und wie werden diese verwendet? Sind diese Mittel zweckgebunden?

14)  Zu welchen Ergebnissen kam die in der Anfragebeantwortung 12742/AB für 2018 angekündigte intensive Überprüfung hinsichtlich der Durchsetzung österreichischer Sanktionen gegenüber ausländischen Arbeitgebern?

15)  Wenn Strafen im Ausland nicht vollständig vollstreckt werden: Inwieweit kann dem bei inländischen Unternehmen entstehenden Eindruck, die Regeln gelten nur am Papier für
alle gleich, aber nicht in der Vollzugspraxis, entgegengetreten werden?

16)  Aufgrund einer aktuellen Entscheidung des EuGH ist die Einhebung von
Sicherheitsleistungen von ausländischen Unternehmen im Zusammenhang mit Verstößen
gegen das LSD-BG unzulässig. Welche konkreten Schritte sind seither unternommen worden/werden unternommen, um die effektive Vollstreckung gegenüber ausländischen Unternehmen zu gewährleisten/zu verbessern?

17)  Kann im Sinne der Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs mit Hilfe des EESSI oder
eines anderen Instruments seitens der österreichischen Behörden überprüft werden, ob
und in welcher Höhe für aus dem Ausland nach Österreich entsandte Arbeitskräfte Sozialversicherungsabgaben im Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebieter normalerweise
arbeitet, tatsächlich abgeführt werden?

18)  Welche Maßnahmen werden seitens der Bundesministerin für Arbeit, Soziales,

Gesundheit und Konsumentenschutz ergriffen, wenn die Art und Weise der Festlegung
der Sozialversicherungsbeitragsgrundlage anderer EU-Mitgliedsstaaten dazu geeignet ist,
einen im Sinne des EU-Rechts wettbewerbsverzerrenden Zustand zu erzeugen - Stichwort Entsendebonus Slowenien?

19)  Im Moment findet ein Datenaustausch mit Hilfe des EESSI lediglich zwischen Österreich
und Slowenien statt. Wann werden weitere EU-Länder folgen und welche? Welche Schritte
werden seitens der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und
Konsumentenschutz gesetzt, um eine schnelle Einbindung anderer EU-Mitgliedsstaaten voranzutreiben, damit ein EU-weiter Datenaustausch gewährleistet wird?