23/JPR XXVI. GP

Eingelangt am 11.01.2019
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Peter Pilz, Freundinnen und Freunde
an den
Präsidenten des Nationalrates
betreffend
,,Kabinettsakt Kloibmüller-Mauss"

BEGRÜNDUNG

Wie im BVT-Untersuchungsausschuss am 9.1.2019 bekannt wurde, hat der Präsident des Nationalrates Wolfgang Sobotka mindestens einmal den Kabinettsakt 24029/16 (kurz „Kabinettsakt"), welcher aus seiner Zeit als Innenminister stammt, aus dem Staatsarchiv ausheben lassen. Dieser Kabinettsakt betrifft die Zusammenarbeit der Republik Österreich mit dem deutschen Geheimagenten Mauss.

Gegen Michael Kloibmüller (BMI-Kabinettschef während der Amtszeit Sobotka) wurde in dieser Causa im Zusammenhang mit Geldflüssen der Republik Österreich an Mauss ermittelt. Um Vorwürfe, er lasse Akten verschwinden, zu entkräften, hat Kloibmüller nach eigenen Angaben bei seinem Ausscheiden aus dem Innenministerium eine Kopie des Akteninhalts angefertigt, seinem Anwalt übergeben und im Zuge seiner Beschuldigtenvernehmung der WKStA vorgelegt (Die Presse, Geheime Daten und verschwundene Akten im BVT, 9.1.2019).

Der Nationalratspräsident hat den Kabinettsakt nachweislich im Juli 2018 auf Anfrage der WKStA aus dem Staatsarchiv ausheben und zur Abholung für die Ermittler der WKStA bereit legen lassen. Außerdem besteht der Verdacht, dass Sobotka den Akt bereits vor der Anfrage der WKStA einmal ausheben hat lassen.

Bereits im Rahmen des grundsätzlichen Beweisbeschlusses wurde das Staatsarchiv als nachgeordnete Dienststelle des Bundeskanzleramtes aufgefordert, „sämtliche dem Untersuchungsgegenstand zuzuordnenden Akten und Unterlagen, unabhängig von Darstellungsform und Datenträger (...) vorzulegen'' (grundsätzlicher Beweisbeschluss gemäß § 24 Abs. 1 und 3 VO-UA vom 19.4.2018).

Im Zuge der ergänzenden Beweisanforderung vom 26.9.2018 wurde das Staatsarchiv erneut explizit aufgefordert, ,,seinen Aktenbestand anlässlich der erneuerten Judikatur des VfGH zu überprüfen und sämtliche Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands dem BVT- Untersuchungsausschuss vorzulegen" (Verlangen gemäß § 25 Abs. 2 VO-UA vom 26.9.2018).

Die im BVT-Untersuchungsausschuss vertretenen Abgeordneten der Opposition haben sich seit Beginn des Untersuchungsausschusses darüber verwundert gezeigt, weshalb bis auf wenige Ausnahmen (FBM Mikl-Leitner, FBM Fekter) keinerlei Kabinettsakten aus dem Staatsarchiv vorgelegt wurden. Allerdings haben die Abgeordneten auf die Auskunft des Nationalratspräsidenten vertraut.

Nun hat sich herausgestellt, dass es zumindest einen relevanten Kabinettsakt aus der Amtszeit von HBM Sobotka gibt, welcher dem BVT-Untersuchungsausschuss nie vorgelegt wurde. Den BVT- Untersuchungsausschuss erreichten lediglich zwei Leermeldungen aus dem Büro des Nationalratspräsidenten Sobotka. Im ersten Schreiben ließ Sobotka mitteilen, „dass sich in den Kabinettsakten aus der Amtszeit des Herrn Präsidenten Mag. Sobotka als Bundesminister für Inneres keinerlei Schriftgut zum besagten Untersuchungsgegenstand befindet" (Schreiben eingelangt am 21.06.2018). Das zweite Schreiben war inhaltlich nahezu gleichlautend: „Ich darf mitteilen, dass sich in den Kabinettsakten aus der Amtszeit des Herrn Präsidenten Mag. Sobotka als Bundesminister für Inneres keinerlei Schriftgut im Zusammenhang mit dem ,Verlangen auf ergänzende Beweisanforderung' befindet." (Schreiben eingelangt am 18.10.2018).

Diese Aussagen widersprechen eindeutig der durch die Ermittlungen der WKStA ans Tageslicht gebrachten Faktenlage und belegen, dass die Versicherungen des Nationalratspräsidenten in Bezug auf seine Kabinettsakten nicht der Wahrheit entsprechen.

Es besteht somit der dringende Verdacht, dass der Nationalratspräsident zumindest den betreffenden Kabinettsakt dem BVT-Untersuchungsausschuss absichtlich vorenthalten hat.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

I. Zum Kabinettsakt „MAUSS":

1.       Wie oft und wann haben Sie den Kabinettsakt 24029/16 (kurz „Kabinettsakt") vom Staatsarchiv

ausheben lassen? (Bitte um chronologische Auflistung unter Angabe des Datums.)

2.       Durch wen erfolgte die Aushebung des oben genannten Kabinettsaktes? (Bitte um Angabe des

genauen Datums und chronologische Auflistung im Falle von mehrmaligen Aushebungen.)

3.  Zu welchem Zweck haben Sie den Kabinettsakt ausheben lassen?

4.       Haben Sie den Kabinettsakt zu irgendeinem Zeitpunkt zur Vorbereitung des BVT-

Untersuchungsausschusses ausheben lassen?

5.  Falls ja, wofür genau?

6.  Weshalb haben Sie nicht veranlasst, dass der Kabinettsakt dem BVT-Untersuchungsausschuss übermittelt wird?

7.       Haben Sie persönlich die Anweisung erteilt, dass Ihr Büro der Parlamentsdirektion zwei Mal eine Leermeldung betreffend die in Ihre Amtszeit als Innenminister fallenden Kabinettsakten übermittelt?

8.       Wenn ja, wann und an wen haben Sie diese Anweisung erteilt? (Bitte um Angabe des Datums.)

9.       Wenn nein, wer hat die diesbezügliche Anweisung erteilt und wer ist für die Anweisung verantwortlich?

10.    Wie sind Sie zu der Entscheidung gekommen, dass eine Leermeldung betreffend die in Ihre Amtszeit fallenden Kabinettsakten an den BVT-Untersuchungsausschuss übermittelt wird?

11.    Haben Sie die in Frage 10. angesprochene Entscheidung selbst getroffen?

12.    Haben Sie sich bei der in Frage 10. angesprochenen Entscheidung beraten lassen?

13.    Wenn ja, durch wen erfolgte die Beratung?

14.    Wenn ja, haben Sie Juristen oder andere Experten in Ihre Entscheidung eingebunden?

15.    Haben Sie sich in dieser Causa mit der 2. Präsidentin (und Vorsitzenden des BVT- Untersuchungsausschusses) beraten?

16.    Haben Sie den Kabinettsakt dem Untersuchungsausschuss bewusst vorenthalten?

17.    Wenn nein, hat dieser Akt aus Ihrer Sicht nicht einmal abstrakte Relevanz für den BVT- Untersuchungsausschuss?

18.    Sofern Sie die abstrakte Relevanz bestreiten: Welche Begründung können Sie dafür anführen?

19.    Gab es zu irgendeinem Zeitpunkt im Zusammenhang mit der Aushebung des Kabinettsaktes Gespräche, Besprechungen, Vereinbarungen oder sonstige schriftliche/(fern-)mündliche Kommunikation mit Ihrem ehemaligen Kabinettschef Michael Kloibmüller?

20.    Wenn ja, wann fanden die Gespräche, Besprechungen, Vereinbarungen oder sonstige schriftliche/(fern-)mündliche Kommunikation statt?

21.    Wenn ja (Frage 19), was war der Inhalt der Gespräche, Besprechungen, Vereinbarungen oder sonstigen schriftlichen/(fern-)mündIichen Kommunikation?

22.    Wenn ja (Frage 19), welche Handlungen wurden Ihrerseits im Zusammenhang mit diesen Gesprächen, Besprechungen, Vereinbarungen oder der sonstigen schriftlichen/(fern-)mündlichen Kommunikation gesetzt?

23.    Haben Sie Herrn Mag. Kloibmüller Teile des Kabinettsaktes übermittelt, übergeben oder durch Dritte übergeben lassen?

24.    Wenn ja, wann und welche Teile waren von der Übermittlung und/oder Übergabe betroffen und durch wen erfolgte die Übermittlung und/oder Übergabe? (Bitte um Auflistung unter Angabe des Datums.)

25.    Waren Sie davon in Kenntnis, dass Ihr früherer Kabinettschef Kloibmüller laut eigenen Angaben bei Ausscheiden aus dem BMI eine Kopie für private Zwecke angefertigt hat?

26.    Sofern sich die Aussagen von Michael Kloibmüller bewahrheiten: Wer trägt die politische Verantwortung für die in Frage 25. angesprochene Aktenkopie?

27.    Gab es in Bezug auf die für den Untersuchungsgegenstand relevanten Kabinettsakten Gespräche, Besprechungen, Vereinbarungen oder sonstige schriftliche/(fern-)mündliche Kommunikation mit anderen Personen, die derzeit in einem - im Zusammenhang mit einem vom Untersuchungsgegenstand des BVT-Ausschusses erfassten Thema stehenden - Verfahren als Verdächtige oder Zeugen geführt werden?

28.    Ist Ihnen bekannt, dass mindestens zwei unterschiedliche Versionen des Kabinettsaktes existieren?

29.    Wenn ja, seit wann und woher wissen Sie, dass zwei unterschiedliche Versionen des Kabinettsaktes existieren? (Bitte um Angabe des genauen Datums.)

30.    Wenn ja, wissen Sie, warum es zwei unterschiedliche Versionen des Kabinettsaktes gibt?

31.    Wo befindet sich das Original des Kabinettsaktes derzeit?


II. Zur allgemeinen Prüfung der Kabinettsakten im Staatsarchiv:

32.    Wann und wie oft hat das Staatsarchiv mit Ihnen Kontakt aufgenommen, um die Lieferung der relevanten Kabinettsakten aus Ihrer Amtszeit als Innenminister an den BVT- Untersuchungsausschuss sicherzustellen? (Bitte um chronologische Auflistung unter Angabe des Datums.)

33.    Wie viele Kabinettsakten des Staatsarchivs, welche aus Ihrer Zeit als Innenminister stammen, haben Sie für die Vorbereitung des BVT-Untersuchungsausschusses persönlich geprüft bzw. gesichtet?

34.    Welche Kabinettsakten waren das (bitte um Angabe der Aktennummer) und welchen Inhalt haben diese Kabinettsakten?

35.    Wann fanden diese Prüfungen bzw. Sichtungen statt? (Bitte um chronologische Auflistung unter Angabe des Datums.)

36.    Welche Personen waren an der Prüfung bzw. Sichtung beteiligt? (Bitte um chronologische Auflistung unter Angabe des Datums.)

37.    Wie viele Kabinettsakten des Staatsarchivs, welche aus Ihrer Zeit als Innenminister stammen, haben Sie für die Vorbereitung des BVT-Untersuchungsausschusses ausheben lassen? (Bitte um chronologische Auflistung unter Angabe des Datums.)

38.    Welche Personen haben Sie mit der Aushebung der Kabinettsakten aus dem Staatsarchiv beauftragt?

39.    Wann haben sie diese Personen beauftragt? (Bitte um chronologische Auflistung unter Angabe des Datums.)

40.    Wann erfolgte die Aushebung? (Bitte um chronologische Auflistung unter Angabe des Datums.)

41.    Wie erfolgte die Sichtung der Kabinettsakten aus dem Staatsarchiv?

42.    Wann erfolgte die Sichtung der Kabinettsakten (bitte um Auflistung der exakten Zeitpunkte)?

43.    Weichen Personen haben Sie Zugriff auf die ausgehobenen Kabinettsakten gewährt? (Bitte um Auflistung unter Angabe des Datums.)

44.    Welche Personen hatten sonst Zugriff auf die ausgehobenen Kabinettsakten? (Bitte um Auflistung unter Angabe des Datums.)

45.    Welche Personen waren in die Sichtung der Kabinettsakten involviert? (Bitte um Auflistung unter Angabe des Datums.)

46.    Haben Sie sich im Zusammenhang mit der Sichtung bzw. Prüfung der relevanten Kabinettsakten von bestimmten Personen informieren bzw. berichten lassen?

47.    Wenn ja, wann und durch wen erfolgten diese Informationen bzw. Berichte? (Bitte um chronologische Auflistung unter Angabe des Datums.)

48.    Haben Sie sonstige für den BVT-Untersuchungsausschuss (abstrakt) relevante Akten, Schriftstücke oder andere Dokumente Personen, die derzeit in einem - im Zusammenhang mit einem vom Untersuchungsgegenstand des BVT-Ausschusses erfassten Thema stehenden - Verfahren als Verdächtige oder Zeugen geführt werden, zur Kenntnis gebracht und/oder übermittelt?

49.    Wie haben Sie sichergestellt, dass alle Kabinettsakten aus Ihrer Amtszeit als Innenminister auf deren Relevanz für den BVT-Untersuchungsausschuss geprüft wurden?

50.    Können Sie ausschließen, dass abgesehen von dem oben genannten Kabinettsakt 24029/16, für den BVT-Untersuchungsausschuss relevante Akten, Schriftstücke oder sonstige Dokumente, welche aus Ihrer Amtszeit als Innenminister stammen, dem Ausschuss vorenthalten wurden?

51.    Warum behindern Sie die Arbeit des BVT-Untersuchungsausschusses?