Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Die Präsidentinnen und Präsidenten der Verwaltungsgerichte haben in einer gemeinsamen Stellungnahme (3/SN-202/ME XXV. GP) zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geändert wird, folgende Forderung erhoben:

„Es erschiene sinnvoll, auch im VwGVG eine dem § 193 ZPO entsprechende Bestimmung betreffend das Schließen der Verhandlung einzuführen. Dies mit der Konsequenz, dass, nachdem die Verhandlung geschlossen wurde, nur noch neues Vorbringen erstattet werden kann, welches ohne Verschulden der Parteien nicht bereits vor bzw in der Verhandlung vorgebracht wurde. Gerade in aufwändigen Verfahren, bei denen oft die Verkündung des Erkenntnisses aufgrund des umfangreichen Sachverhaltes sowie der zu lösenden Rechtsfrage nicht sogleich erfolgen kann, wird das Verfahren von Parteien immer wieder durch neue Eingaben, die weitere Ermittlungsschritte bzw Abklärungen erfordern, in die Länge gezogen. Dem könnte durch eine entsprechende Regelung für die Verhandlungen in Administrativverfahren begegnet werden.“

Im Zuge der Beratungen der entsprechenden Regierungsvorlage (1255 d.B. XXV. GP) hat der Nationalrat folgende Entschließung betreffend Maßnahmen zur Verhinderung der Verfahrensverschleppung (186/E XXV. GP) angenommen:

„Der Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien wird aufgefordert, unter Einbeziehung der davon betroffenen Rechtsschutz-Institutionen, einen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten, mit dem Ziel eine Vorschrift zu schaffen, die sicherstellt, dass die Parteien des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht und den Verwaltungsgerichten der Länder dazu verhalten werden, Tatsachen und Beweise möglichst vor Schluss der Verhandlung vorzubringen.“

Der Verfassungsdienst hat in Entsprechung dieser Entschließung den Verwaltungsgerichtshof, die Länder, das Bundesverwaltungsgericht und die Verwaltungsgerichte der Länder ersucht, die Ursachen für Verfahrensverschleppungen zu benennen und zu möglichen Implikationen einer Beschränkung der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung hat vorgeschlagen, Maßnahmen bereits im Verwaltungsverfahren zu treffen, die auch für das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts und der Verwaltungsgerichte der Länder gelten. Dieser Vorschlag liegt dem vorliegenden Gesetzentwurf zu Grunde, welcher jedoch auf Grund des vorzeitigen Endes der XXV. Gesetzgebungsperiode nicht mehr zur Begutachtung versendet wurde.

Auch das Regierungsprogramm 2017-2022 sieht in „Staat und Europa. Verwaltungsreform und Verfassung“ unter der Überschrift „Schlanker Staat“ vor, dass das (verwaltungsgerichtliche) Ermittlungsverfahren mit Schluss der Verhandlung auch formell beendet werden können soll. Der Verfassungsdienst hat daher den vorliegenden Gesetzentwurf abermals in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe beraten, wobei ein Konsens über die vorgeschlagene Regelungstechnik erzielt werden konnte.

Der Verfassungsgerichtshof ist in seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 2016, G 662/2015, zur Auffassung gelangt, dass ein Aussagebefreiungsrecht, das im Strafprozess einem ehemaligen Ehegatten bzw. eingetragenen Partner zukommt, auch ehemaligen Lebensgefährten zukommen müsse. Dies ist auch für das Verwaltungsverfahren relevant. Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 soll daher entsprechend angepasst werden.

Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung eines dem Gesetzentwurf entsprechenden Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 11 Abs. 2 B‑VG („Verwaltungsverfahren …“, „Verwaltungsstrafverfahren …“).

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991):

Zu Z 1 (§ 13 Abs. 8) und Z 3 (§ 39 Abs. 3 bis 5):

Gemäß dem geltenden § 39 Abs. 3 AVG kann die Behörde das Ermittlungsverfahren für geschlossen zu erklären, wenn die Sache zu Entscheidung reif ist. Dies hat zur Folge, dass neue Tatsachen und Beweismittel von ihr nur zu berücksichtigen sind, wenn sie eine anderslautende Entscheidung der Sache herbeiführen könnten.

Im Gegensatz zur geltenden Rechtslage (vgl. Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz II [2005] § 39 AVG Rz. 45) soll die Schließung des Ermittlungsverfahrens nach dem vorgeschlagenen § 39 Abs. 3 künftig zur Folge haben, dass die Behörde den Bescheid auf Grund des ihr im Zeitpunkt des Schlusses des Ermittlungsverfahrens vorliegenden Sachverhalts erlassen kann.

Die Schließung des Ermittlungsverfahrens soll durch Verfahrensanordnung (§ 63 Abs. 2 AVG) erfolgen. Eine „abgesonderte Berufung“ (oder Beschwerde beim Verwaltungsgericht) ist gegen eine solche Verfahrensanordnung voraussetzungsgemäß nicht zulässig.

Um Verfahrensverschleppungen durch Parteien zu vermeiden, soll nach dem vorgeschlagenen § 39 Abs. 4 ein einmal geschlossenes Ermittlungsverfahren auf Antrag einer Partei nur mehr unter besonderen Voraussetzungen fortzusetzen sein. Diese Voraussetzungen entsprechen jenen der Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG. Die Schließung des Ermittlungsverfahrens enthebt die Behörde umgekehrt nicht von ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen festzustellen; sie selbst kann das Ermittlungsverfahren daher jederzeit fortsetzen, wenn sie es zu diesem Zweck für erforderlich erachtet.

Der vorgeschlagene § 39 Abs. 5 soll Vorkehrungen dagegen treffen, dass zwischen dem Schluss des Ermittlungsverfahrens und der Erlassung des Bescheides ein allzu langer Zeitraum verstreicht. Wird der Bescheid nicht binnen acht Wochen zumindest gegenüber einer Partei erlassen, soll das Ermittlungsverfahren nicht (mehr) als geschlossen gelten. Dies verpflichtet die Behörde freilich als solches nicht, vor der Erlassung des Bescheides das Ermittlungsverfahren fortzusetzen bzw. zu ergänzen.

Gemäß § 13 Abs. 8 AVG kann der verfahrenseinleitende Antrag in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Änderungen des verfahrenseinleitenden Antrages nach einer Schließung des Ermittlungsverfahrens könnten allerdings dem Zweck dieser Anordnung zuwiderlaufen. Nach der vorgeschlagenen neuen Fassung des § 13 Abs. 8 sollen solche Änderungen daher nur mehr bis zu einer allfälligen Schließung des Ermittlungsverfahrens zulässig sein. Gilt das Ermittlungsverfahren nicht (mehr) als geschlossen (§ 39 Abs. 5), kann auch der verfahrenseinleitende Antrag wieder geändert werden.

Die vorgeschlagenen Bestimmungen sind gemäß § 17 VwGVG im Verfahren der Verwaltungsgerichte sinngemäß anzuwenden; auch das Verwaltungsgericht kann daher das von ihm durchzuführende Ermittlungsverfahren schließen.

Zu Z 2 (§ 36a Abs. 2 und 3):

Mit dem Erkenntnis VfGH 10.10.2016, G 662/2015 ua., hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge „, wobei die durch eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft begründete Eigenschaft einer Person als Angehöriger für die Beurteilung der Berechtigung zur Aussageverweigerung aufrecht bleibt, auch wenn die Ehe oder eingetragene Partnerschaft nicht mehr besteht“ in § 156 Abs. 1 Z 1 der Strafprozeßordnung 1975 – StPO, BGBl. Nr. 631/1975, als verfassungswidrig aufgehoben. Begründend führte er dazu aus, dass keine Gründe ersichtlich seien, die es zum Schutz des Grundsatzes der materiellen Wahrheitsforschung erforderlich machen, das Aussagebefreiungsrecht ehemaliger Lebensgefährten anders zu regeln als für Personen, deren Ehe bzw. eingetragene Partnerschaft nicht mehr aufrecht sei. Dies ist auch für das Verwaltungsverfahren relevant. In § 36a sollen daher die ehemaligen Lebensgefährten den ehemaligen Ehegatten bzw. eingetragenen Partnern gleichgestellt werden.

Zu Z 4 (§ 82):

Inkrafttretensbestimmung.

Zu Artikel 2 (Änderung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991):

Zu Z 1 (§ 24):

Ebenso wie nach geltender Rechtslage soll eine Schließung des Ermittlungsverfahrens im Verwaltungsstrafverfahren nicht zulässig sein.

Zu Z 2 (§ 66b):

Inkrafttretensbestimmung.