Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Der vorliegende Entwurf beinhaltet die Umsetzung folgender Richtlinien:

–      2010/64/EU über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren (in der Folge: Richtlinie Dolmetsch), ABl. Nr. L 280 vom 26.10.2010 S. 1,

–      2012/13/EU über das Recht auf Belehrung und Unterrichtung in Strafverfahren (in der Folge: Richtlinie Rechtsbelehrung), ABl. Nr. L 142 vom 01.06.2012 S. 1,

–      2013/48/EU über das Recht auf Zugang zu einem Rechtsbeistand in Strafverfahren und in Verfahren zur Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls sowie über das Recht auf Benachrichtigung eines Dritten bei Freiheitsentzug und das Recht auf Kommunikation mit Dritten und mit Konsularbehörden während des Freiheitsentzugs (in der Folge: Richtlinie Rechtsbeistand), ABl. Nr. L 294 vom 06. 11.2013 S. 1,

–      2016/343/EU über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren (in der Folge: Richtlinie Unschuldsvermutung), ABl. Nr. L 65 vom 11.3.2016 S. 1,

–      2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (in der Folge: Richtlinie EEA), ABl. Nr. L 130 vom 1.5.2014 S. 1; L 143 vom 9.6.2015 S. 16.

Mit der Richtlinie Dolmetsch, der Richtlinie Rechtsbelehrung, der Richtlinie Rechtsbeistand und der Richtlinie Unschuldsvermutung sollen unionsweit einheitliche Mindeststandards auf dem Gebiet der Verfahrensrechte von Beschuldigten geschaffen werden.

Durch die Umsetzung der Richtlinie Dolmetsch werden die Rechte von Beschuldigten, die die Verhandlungssprache des Gerichts weder sprechen noch verstehen, gestärkt. Die Richtlinie unterscheidet zwischen Dolmetschleistungen (mündlich) und Übersetzungen (schriftlich), wobei von den Mitgliedstaaten sicherzustellen ist, dass einem Beschuldigten, der die deutsche Sprache nicht spricht oder versteht, ohne Verzögerung (mündliche) Dolmetschleistungen während des Verfahrens, zB bei Beweisaufnahmen und Verhandlungen, an denen der Beschuldigte teilnimmt, zur Verfügung gestellt werden und dass ihm wesentliche Aktenstücke schriftlich zu übersetzen sind. Diese Übersetzungshilfe ist durch Beistellung eines Dolmetschers und Übersetzers zu gewähren, soweit dies zur Wahrung der Verteidigungsrechte und eines fairen Verfahrens erforderlich ist.

Die Richtlinie Rechtsbelehrung sieht das Recht des Beschuldigten auf Rechtsbelehrung und auf Information über den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf vor. Durch die Richtlinie Rechtsbelehrung bestehen nunmehr unionsweit einheitliche Regelungen über die Rechtsbelehrung des Beschuldigten.

Durch die Richtlinie Rechtsbeistand ist zur Sicherstellung eines fairen Verfahrens die Gewährleistung des Zugangs zu einem Rechtsbeistand für einen Verdächtigen oder Beschuldigten zum frühesten geeigneten Zeitpunkt in einem Strafverfahren vorgesehen. Darüber hinaus soll garantiert werden, dass ein Verdächtiger oder Beschuldigter, dem die Freiheit entzogen wurde, über sein Recht belehrt wird, eine Person, beispielsweise einen Angehörigen oder Arbeitgeber, über den Freiheitsentzug zu informieren, und im Fall der Festnahme in einem anderen Mitgliedstaat darüber hinaus auch die zuständigen Konsularbehörden von dem Freiheitsentzug zu verständigen.

Der Anwendungsbereich der Richtlinien Dolmetsch, Rechtsbelehrung und Rechtsbeistand beschränkt sich in Bezug auf geringfügige Zuwiderhandlungen ausschließlich auf das gerichtliche Verfahren (vgl. Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie Dolmetsch, Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie Rechtsbelehrung und Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie Rechtsbeistand). Der Entwurf sieht sowohl Änderungen im verwaltungsgerichtlichen als auch im verwaltungsbehördlichen Verfahren vor; in Übereinstimmung mit der Richtlinie sind bei geringfügigen Verwaltungsübertretungen einzelne Verfahrensrechte erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden. Unter geringfügigen Verwaltungsübertretungen sind solche Verwaltungsübertretungen zu verstehen, die mit einer Geldstrafe von bis zu 7 500 Euro und keiner Freiheitsstrafe bedroht sind oder wegen denen bereits ein Verfahren nach den Bestimmungen des 4. Abschnittes durchgeführt worden ist.

Der Entwurf dient auch der Umsetzung des Art. 4 der Richtlinie Unschuldsvermutung (Information der Medien über die von den Verwaltungsbehörden geführten Ermittlungsverfahren).

Darüber hinaus soll durch den Entwurf die Richtlinie EEA für den Verwaltungsstrafrechtsbereich umgesetzt werden. Die Umsetzung für den Bereich des gerichtlichen Strafrechts erfolgt im Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, und für den Bereich des Finanzstrafrechts im Bundesgesetz über die Zusammenarbeit in Finanzstrafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-FinStrZG), BGBl. I Nr. 105/2014.

Die Richtlinie EEA schafft auf der Grundlage des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung Regelungen für die justizielle strafrechtliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Bereich der grenzüberschreitenden Beweiserhebung.

Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von justiziellen Entscheidungen in Strafsachen innerhalb der Europäischen Union geht auf die Sondertagung des Europäischen Rates vom Oktober 1999 im finnischen Tampere zurück und wurde seitdem stetig ausgebaut. Mit Art. 82 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) wurde der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung ausdrücklich im Primärrecht der Union verankert. Auf diese Rechtsgrundlage stützt sich die Richtlinie EEA.

Die Richtlinie EEA ist von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, mit Ausnahme von Irland und dem Königreich Dänemark (siehe Erwägungsgründe 44 und 45 der Richtlinie EEA), anzuwenden und ersetzt im Rechtshilfeverkehr zwischen den Mitgliedstaaten das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959, BGBl. Nr. 41/1969 (EuRHÜ 1959), teilweise in der Fassung des Zusatzprotokolls zu diesem Übereinkommen, BGBl. Nr. 296/1983, und die nach Art. 26 EuRHÜ 1959 geschlossenen zweiseitigen Vereinbarungen, das Schengener Durchführungsübereinkommen vom 19. Juni 1990, BGBl. III Nr. 90/1997, und das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 65/2005 (EU-RHÜ 2000), samt dem dazugehörigen Protokoll, BGBl. III Nr. 66/2005, in Bezug auf Rechtshilfeersuchen, die die Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen in einem anderen Mitgliedstaat zur Erlangung von Beweisen zum Gegenstand haben (vgl. Art. 1 Abs. 1 und Art. 34 Abs. 1 Richtlinie EEA).

Ziel der Richtlinie EEA ist eine Vereinfachung und Beschleunigung der grenzüberschreitenden Beweiserhebung in Strafsachen innerhalb der Europäischen Union. Vorgesehen ist ein einheitliches Verfahren unter Vorgabe von Fristen und unter Verwendung von Formularen. Die Richtlinie EEA ist auch im Bereich des Verwaltungsstrafrechts anzuwenden; so ordnet Art. 4 der Richtlinie EEA an, dass eine Europäische Ermittlungsanordnung (dh. eine Entscheidung zur Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen in einem anderen Mitgliedstaat zur Erlangung von Beweisen gemäß der Richtlinie EEA) auch in Verfahren erlassen werden kann, die Verwaltungsbehörden (Justizbehörden) wegen Handlungen eingeleitet haben, die nach dem nationalen Recht des Ausstellungsstaates als Zuwiderhandlung gegen Rechtsvorschriften geahndet werden können, sofern gegen die Entscheidung ein insbesondere in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann. Ist die Behörde, die eine Ermittlungsmaßnahme anordnen möchte, keine Justiz-, sondern eine Verwaltungsbehörde, so ordnet die Richtlinie EEA darüber hinaus an, dass die Entscheidung der Verwaltungsbehörde vor ihrer Übermittlung von einem Richter, einem Gericht, einem Ermittlungsrichter oder einem Staatsanwalt validiert werden muss (vgl. Art. 2 lit. c der Richtlinie EEA).

In Österreich soll die Validierung (dh. die Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Erlass der Europäischen Ermittlungsanordnung nach der Richtlinie EEA eingehalten worden sind) durch die Verwaltungsgerichte vorgenommen werden. Dies erfordert eine verfassungsrechtliche Grundlage.

Das Verfahren zur Erlassung einer Europäischen Ermittlungsanordnung und deren Vollstreckung (wobei unter dem Begriff Vollstreckung nicht die zwangsweise Durchsetzung der durch individuelle Normen begründeten Pflichten zu verstehen ist, sondern die Durchsetzung der Europäischen Ermittlungsanordnung, also des Ersuchens um Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen oder die Aufnahme von Beweisen in einem anderen Mitgliedstaat oder Übermittlung von Ermittlungsergebnissen oder Beweismitteln) soll für den Bereich des Verwaltungsstrafrechts in einem eigenen Bundesgesetz, dem Bundesgesetz über die Europäische Ermittlungsanordnung in Verwaltungsstrafsachen – EAO-VStS, geregelt werden.

Das Verfahren nach der Richtlinie EEA stellt sich im Grundsatz wie folgt dar:

Die zuständige Behörde im Ausstellungsstaat erlässt unter Beachtung der erforderlichen Voraussetzungen sowie unter Verwendung der vorgesehenen Formblätter eine Europäische Ermittlungsanordnung und übermittelt diese dem Vollstreckungsstaat. Die zuständigen Behörden im Vollstreckungsstaat sind grundsätzlich verpflichtet, die Europäische Ermittlungsanordnung innerhalb von bestimmten Fristen (Art. 12 der Richtlinie EEA) und unter Beachtung der von der Ausstellungsbehörde erbetenen Verfahrens- und Formvorschriften (Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie EEA) anzuerkennen und zu vollstrecken, sofern die Richtlinie EEA keine Zurückweisung ermöglicht. Andere Zurückweisungsmöglichkeiten als die, die in der Richtlinie EEA ausdrücklich zugelassen sind, darf der Vollstreckungsstaat nicht geltend machen. Die Vollstreckung erfolgt in derselben Weise und nach demselben Verfahren, als wenn die in der Europäischen Ermittlungsanordnung bezeichnete Ermittlungsmaßnahme von einer Behörde des Vollstreckungsstaates angeordnet worden wäre (Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie EEA). Greift ein Zurückweisungsgrund, kann der Vollstreckungsstaat die Anerkennung oder die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung versagen. Darüber hinaus kann der Vollstreckungsstaat unter bestimmten Umständen auf eine andere als die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebene Ermittlungshandlung zurückgreifen (Art. 10 der Richtlinie EEA) oder die Anerkennung und Vollstreckung aufschieben (Art. 15 der Richtlinie EEA). Wird die Europäische Ermittlungsanordnung anerkannt und vollstreckt, sind erlangte Beweismittel vom Vollstreckungsstaat grundsätzlich unverzüglich an den Ausstellungsstaat zu übermitteln (Art. 13 Abs. 1). In Bezug auf die in der Europäischen Ermittlungsanordnung bezeichneten Ermittlungsmaßnahmen stehen die Rechtsbehelfe zur Verfügung, die in der nationalen Rechtsordnung des jeweiligen Vollstreckungsstaates für einen vergleichbaren innerstaatlichen Fall vorgesehen sind.

Da die Möglichkeit einer audiovisuellen Einvernahme derzeit ausschließlich im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten besteht (vgl. § 25 Abs. 6a des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013), sieht der Entwurf auch für das behördliche Verfahren in bestimmten Fällen die Möglichkeit einer Einvernahme unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung vor.

Kompetenzgrundlage

Die Zuständigkeit zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 1 B-VG („Verwaltungsgerichtsbarkeit“ und „Bundesverfassung“) und aus Art. 11 Abs. 2 B-VG („Verwaltungsverfahren“).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Gemäß Art. 136 Abs. 2 B-VG wird das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen durch ein besonderes Bundesgesetz einheitlich geregelt. Der Bund hat den Ländern Gelegenheit zu geben, an der Vorbereitung solcher Gesetzesvorhaben mitzuwirken. Dies ist im Rahmen einer Bund-Länder Arbeitsgruppe im Hinblick auf Art. 3 (Änderung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes) erfolgt.

Die im Entwurf enthaltenen Verfassungsbestimmungen (Art. 4 § 3 Abs. 2 EAO-VStS) können gemäß Art. 44 Abs. 1 B-VG vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991):

Zu Z 1 (§ 51a samt Überschrift):

Die Möglichkeit einer Einvernahme unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung besteht für die Verwaltungsgerichte bereits seit 1. Jänner 2017 (§ 25 Abs. 6a VwGVG). Diese Möglichkeit soll auf das behördliche Verfahren erstreckt werden, wenn das persönliche Erscheinen nicht erforderlich ist und eine audiovisuelle Einvernahme aufgrund der Besonderheit des Falles geboten erscheint (zB ein Erscheinen ist wegen Alters, Krankheit oder Gebrechlichkeit nicht möglich, oder es liegen andere erhebliche Gründe vor). Ein persönliches Erscheinen kann etwa dann erforderlich sein, wenn Urkunden oder physische Beweismittel vorzulegen sind (vgl. die Erläuterungen zur Vorbildbestimmung – auch des § 25 Abs. 6a VwGVG – des § 277 ZPO: „umfangreiche Vorhalte von Urkunden und physischen Augenscheinsgegenständen“; RV 981 BlgNR 24. GP zu Artikel 38 Z 9). Somit kann auch einem Ersuchen einer ausländischen Behörde, Beschuldigte, Zeugen oder Sachverständige unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung einzuvernehmen, nachgekommen werden (vgl. dazu Art. 24 der Richtlinie EEA und § 14 EAO-VStS).

Zu Artikel 2 (Änderung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991):

Zu Z 1 (§ 32a):

Gemäß Art. 3 der Richtlinie Rechtsbeistand ist verdächtigen und beschuldigten Personen das Recht auf Zugang zu einem Verteidiger zu gewähren. Dies ist bereits nach geltender Rechtslage durch § 24 iVm. § 10 AVG gewährleistet. § 32a soll dazu ergänzend anordnen, dass der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens das Recht hat, mit einem Verteidiger (das sind die in § 48 Abs. 1 Z 5 der Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975, genannten Personen) Kontakt aufzunehmen, ihn zu bevollmächtigen und sich mit ihm zu besprechen, ohne dabei überwacht zu werden; dadurch soll Art. 3 Abs. 3 lit. a und Art. 4 der Richtlinie Rechtsbelehrung, der eine Vertraulichkeit des Verkehrs des Beschuldigten mit dem Verteidiger verlangt, entsprochen werden. Beschränkungen dieses Rechts sind nur ausnahmsweise zulässig (vgl. etwa den vorgeschlagenen § 36 Abs. 1).

Zu Z 2 (Überschrift vor § 33) und Z 4 (Überschrift vor § 34):

Die §§ 33 und 34 sollen eine Überschrift erhalten.

Zu Z 3 (§ 33 Abs. 2 und 3):

§ 33 Abs. 2 dient der Umsetzung der Richtlinie Rechtsbelehrung (vgl. Art. 3 und 8) und der Richtlinie Rechtsbeistand (Art. 9).

Wie schon bisher in § 36 Abs. 1 geregelt, ist der Beschuldigte, soweit dies erforderlich ist (also soweit andernfalls keine ausreichende Verständigung gewährleistet ist), durch Beiziehung eines Dolmetschers (bei Bedarf auch durch Beiziehung von Dolmetschern für die Gebärdensprache) in einer für ihn verständlichen Sprache über die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen (und allenfalls auch über Änderungen der Anschuldigungen) zu belehren. Darüber hinaus ist er über sein Recht, die Aussage zu verweigern, und über sein Recht, einen Verteidiger beizuziehen (also mit diesem Kontakt aufzunehmen und zu bevollmächtigen), zu belehren. Der Umstand der Belehrung ist schriftlich zu dokumentieren. Der Beschuldigte kann auf die Beigabe eines Verteidigers verzichten; dieser Verzicht ist schriftlich festzuhalten (vgl. Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie Rechtsbeistand). Dass der Verzicht jederzeit widerrufen werden kann (vgl. Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie Rechtsbeistand), ergibt sich aus dem Fehlen einer Bestimmung über eine Bindung an den Verzicht.

Der vorgeschlagene § 33 Abs. 3 soll an die Stelle der bisherigen Abs. 3 und 4 des § 33 treten; die Formulierung dieser Bestimmung folgt § 84 Abs. 4 des Finanzstrafgesetzes – FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958.

Dass der Vernehmung selbst ein Dolmetscher beizuziehen ist, wenn der Beschuldigte der Verhandlungssprache nicht hinreichend kundig, gehörlos, hochgradig hörbehindert oder stumm ist (vgl. § 84 Abs. 5 FinStrG), ergibt sich für das Verwaltungsstrafverfahren bereits aus § 24 iVm. § 39a AVG.

Zu Z 5 (§ 34a samt Überschrift):

Art. 6 Abs. 2 EMRK, der auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet, verbietet Äußerungen nicht nur von Gerichten und Verwaltungsbehörden, sondern auch von anderen staatlichen Stellen, die zum Ausdruck bringen, dass eine bestimmte Person eine strafbare Handlung begangen habe, noch bevor ihre Schuld gerichtlich festgestellt wurde. Zwar kann die Öffentlichkeit grundsätzlich über anhängige Ermittlungs- oder Strafverfahren informiert und etwa auch der Name der verdächtigen Person genannt werden; es darf aber dabei aber nicht der Eindruck entstehen, dass die Täterschaft bereits feststeht (vgl. Fuchs, in Raschauer/Wessely [Hrsg], Kommentar zum VStG2, Grundrechte Rz 109, mwN auf die Rechtsprechung des EGMR). In diesem Sinn ordnet Art. 4 der Richtlinie Unschuldsvermutung an, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass solange die Schuld eines Verdächtigen oder einer beschuldigten Person nicht rechtsförmlich nachgewiesen wurde, in öffentlichen Erklärungen von Behörden und in nicht die Frage der Schuld betreffenden gerichtlichen Entscheidungen nicht so auf die betreffende Person Bezug genommen wird, als sei sie schuldig.

Der vorgeschlagene § 34a ist jener des § 35b des Staatsanwaltschaftsgesetzes – StAG, BGBl. Nr. 164/1986 idF des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes 2014, BGBl. I Nr. 71/2014, nachgebildet und regelt, in welcher Weise und in welchem Umfang die Behörden Medien über „für die Öffentlichkeit bedeutsame Ermittlungsverfahren“ zu informieren haben (vgl. die Erläuterungen zu § 35b StAG, RV 181 BlgNR 25. GP).

Zu Z 6 (§ 36 Abs. 1), Z 7 (§ 36 Abs. 3), Z 8 (§ 36 Abs. 4 erster Satz), Z 10 (§ 40 Abs. 2) und Z 16 (§ 53c Abs. 5):

Der zweite Satz des § 36 Abs. 1 und der letzte Satzteil des ersten Satzes in § 36 Abs. 3 können im Hinblick auf den neu geschaffenen § 36a entfallen.

Auf Grund der Verpflichtung gemäß Art. 3 Abs. 3 lit. b der Richtlinie Rechtsbeistand, die Anwesenheit eines Verteidigers sicherzustellen, ist bei der Vernehmung festgenommener Beschuldigter bis zum Eintreffen des Verteidigers zuzuwarten, es sei denn, dass auf Grund besonderer Umstände eine sofortige Vernehmung unbedingt notwendig ist, um eine erhebliche Gefährdung der Ermittlungen oder eine Beeinträchtigung von Beweismitteln zu verhindern (vgl. dazu Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie Rechtsbeistand). Eine Beschränkung des Rechts auf Beiziehung eines Verteidigers ist schriftlich festzuhalten, um eine nachträgliche Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu ermöglichen und ein faires Verfahren nicht zu beeinträchtigen. Eine entsprechende Zuwarteregelung für Vernehmungen außerhalb einer Festnahme ist entbehrlich, da diesfalls durch die ohnedies erforderliche Ladung dem Beschuldigten ausreichend Zeit zur Vorbereitung und Beiziehung eines Verteidigers zur Verfügung steht.

Nach § 36 Abs. 3 hat der Festgenommene das Recht, eine Person seines Vertrauens zu verständigen. Unter „Rechtsbeistand“ ist hier nur der berufsmäßige Parteienvertreter zu verstehen (vgl. zu diesem Begriff Stöger in Raschauer/Wessely [Hrsg.], VStG2 [2016] Rz. 7 und 9 zu § 36). In § 36 Abs. 3 und 4 soll der Begriff „Rechtsbeistand“ daher durch den Begriff „Verteidiger“ (im Sinne des vorgeschlagenen § 32a) ersetzt werden; eine analoge Ersetzung soll in § 40 Abs. 2 erfolgen (vgl. den Hinweis der RV 1090 d.B. XVII. GP, 17 auf Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK, in deren deutscher Übersetzung ebenfalls vom Verteidiger die Rede ist; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5 [2014] Rz. 832).

Durch § 36 Abs. 3 zweiter Satz soll darüber hinaus klargestellt werden, dass der Beschuldigte nicht nur das Recht hat, von den konsularischen Vertretern seines Heimatstaates besucht zu werden (vgl. § 36 Abs. 4), sondern auch das Recht, diese zu verständigen. Dadurch sollen die Art. 5 bis 7 der Richtlinie Rechtsbeistand betreffend die Informations- und Kommunikationsrechte festgenommener Beschuldigter mit dritten Personen und konsularischen Vertretungen sowie mit einem Verteidiger umgesetzt werden.

Eine gesonderte Nennung der diplomatischen Vertretungen bzw. Vertreter neben den konsularischen Vertretungen bzw. Vertretern erscheint in diesem Zusammenhang nicht erforderlich, zumal ja auch Art. 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, BGBl. Nr. 318/1969, nur die konsularischen Vertretungen bzw. Konsuln nennt. Dass den konsularischen Schutz auch diplomatische Vertretungen gewähren können, die als Konsularbehörden tätig werden, wird in Erwägungsgrund 37 der Richtlinie Rechtsbeistand ausdrücklich klargestellt. § 36 Abs. 3 zweiter Satz und § 53c Abs. 5 sollen daher entsprechend angepasst werden.

Zu Z 9 (§ 36a samt Überschrift):

§ 36a samt Überschrift dient der Umsetzung des Art. 4 der Richtlinie Rechtsbelehrung, der die schriftliche Erklärung der Rechte bei der Festnahme regelt. Demnach ist der Beschuldigte über die Gründe seiner Festnahme und die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen, über sein Recht auf Akteneinsicht (§ 24 iVm. § 17 AVG), über sein Recht auf Aussageverweigerung (§ 33 Abs. 2; gemäß dem ersten Satz des § 33 Abs. 3 kann der Beschuldigte auch nicht zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen gezwungen werden), über die zulässige Höchstdauer des Freiheitsentzugs (§ 36 Abs. 1 letzter Satz), über sein Recht, einen Angehörigen, eine sonstige Person seines Vertrauens, einen Verteidiger oder seine konsularische Vertretung zu verständigen (§ 36 Abs. 3 erster und zweiter Satz), und über sein Recht auf Zugang zu dringender medizinischer Versorgung zu belehren. Es handelt sich hierbei um eine taxative Aufzählung.

Im Hinblick auf die Richtlinie Dolmetsch ist auch hier festzulegen, dass jedenfalls eine mündliche Belehrung über die Rechte in einer für den Beschuldigten verständlichen Sprache zu erfolgen hat. Die schriftliche Fassung kann erforderlichenfalls auch nachgereicht werden, insbesondere dann, wenn für die benötigte Sprache kein vorgefertigtes Formblatt aufliegt, sondern erst unter Beiziehung eines Dolmetschers hergestellt werden muss.

Der Umstand der Belehrung ist ebenfalls schriftlich zu dokumentieren.

Zu Z 11 (§ 43 Abs. 4):

Nach Art. 3 Abs. 3 lit. b der Richtlinie Rechtsbeistand hat der Verteidiger das Recht, bei der Vernehmung des Beschuldigten „wirksam“ anwesend zu sein. In Erwägungsgrund 25 zur Richtlinie Rechtsbeistand wird ausgeführt, dass der Rechtsbeistand bei der Vernehmung der verdächtigen oder beschuldigten Person im Einklang mit den Verfahren des nationalen Rechts unter anderem Fragen stellen, Erläuterungen verlangen und Erklärungen abgeben kann.

Zu Z 12 (§ 44 Abs. 1):

Die vorgeschlagene Z 3 des § 44 Abs. 1 dient der Umsetzung des Art. 3 Abs. 3 lit. b der Richtlinie Rechtsbeistand, wonach die Tatsache der Teilnahme eines Verteidigers schriftlich festzuhalten ist.

Zu Z 13 (§ 44b) und Z 15 (§ 46 Abs. 2):

§ 44b und § 46 Abs. 2 dienen der Umsetzung des Art. 3 Abs. 1 lit. b der Richtlinie Rechtsbelehrung, wonach der Beschuldigte entweder mündlich oder schriftlich über einen etwaigen Anspruch auf unentgeltliche Rechtsberatung und die Voraussetzungen für diese Rechtsberatung zu belehren ist. Durch den vorgeschlagenen § 46 Abs. 1a wird sichergestellt, dass die Belehrung, die Teil des Straferkenntnisses ist, in einer für den Beschuldigten verständlichen Sprache erfolgt.

Die Pflicht der Behörde den Beschuldigten über die Möglichkeit der Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers zu belehren, soll gemäß der Richtlinie Rechtsbelehrung (vgl. Art. 2 Abs. 2) nicht in Verfahren wegen geringfügigen Verwaltungsübertretungen gelten. Somit sind Verwaltungsübertretungen, die mit einer Geldstrafe von bis zu 7 500 Euro und keiner primären Freiheitsstrafe bedroht sind und Verwaltungsübertretungen, wegen denen bereits ein Verfahren nach dem 4. Abschnitt eingeleitet und in weiterer Folge ein ordentliches Verfahren durchgeführt worden ist (gemäß § 49 Abs. 2, § 49a Abs. 6 und § 50 Abs. 6 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991) vom Anwendungsbereich ausgenommen.

Zu Z 14 (§ 46 Abs. 1a):

§ 46 Abs. 1a ordnet an, dass dem Beschuldigten eine Übersetzung des Inhaltes des Straferkenntnisses anzuschließen ist, wenn der Beschuldigte der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig ist. Bei einem Adressaten mit Wohnsitz im Inland wird in der Regel davon ausgegangen werden können, dass er die deutsche Sprache versteht; bestehen Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall sein könnte, hat die Behörde diese Frage vorab zu klären. Die Übersetzung des Straferkenntnisses kann – sofern dies einem fairen Verfahren nicht entgegensteht – durch auszugsweise Darstellung des wesentlichen Inhalts ersetzt werden (vgl. Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie Dolmetsch). § 46 Abs. 1a soll – wie § 44b – nicht für Verwaltungsübertretungen gelten, die mit einer Geldstrafe von bis zu 7 500 Euro und keiner Freiheitsstrafe bedroht sind oder wegen denen bereits ein Verfahren nach dem 4. Abschnitt eingeleitet und in weiterer Folge ein ordentliches Verfahren durchgeführt worden ist (gemäß § 49 Abs. 2 VStG, § 49a Abs. 6 VStG und § 50 Abs. 6 VStG).

Durch die vorgeschlagene Regelung wird Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie Rechtsbelehrung umgesetzt. Darüber hinaus wird den Anforderungen des Art. 6 EMRK Rechnung getragen.

Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK gewährt dem Beschuldigten einen Anspruch auf unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers, wenn er „die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann“. Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK gewährt dem Beschuldigten zudem den Anspruch, in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache in allen Einzelheiten von den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen in Kenntnis gesetzt zu werden. Der in Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK verankerte Anspruch auf kostenlose Beigabe eines Dolmetschers bezieht sich nach der Judikatur auch auf diese Verständigung. Nach hA vermittelt Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK auch ein Recht auf Übersetzung aller Schriftstücke, deren Kenntnis für den Beschuldigten notwendig ist, um ein faires Verfahren zu gewährleisten. Damit wird also nicht ein Anspruch auf Übersetzung des gesamten Akteninhaltes und aller Schriftstücke gefordert, wohl aber jener schriftlichen Erledigungen, deren Kenntnis zur Wahrnehmung der Verteidigungsrechte erforderlich ist. Das Erfordernis einer schriftlichen Übersetzung wird man somit hinsichtlich jener Schriftstücke annehmen müssen, die dem Beschuldigten ohne vorherige Erörterung ihres Inhaltes mit ihm zugestellt werden. Dies gilt insbesondere für die Zustellung von Straferkenntnissen, die zuvor nicht mündlich verkündet (und dabei übersetzt) wurden. Erst dadurch wird der Beschuldigte in die Lage versetzt zu verstehen, was ihm vorgeworfen wird, wodurch ihm eine wirksame Verteidigung ermöglicht wird (vgl. Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2 [1991], 230 ff mwN; Kolonovits, Sprachenrecht in Österreich [1999], 411 ff, mwN; Fuchs in Raschauer/Wessely [Hrsg.], VStG2 [2016], Grundrechte Rz. 111 ff).

Die Kosten der Übersetzung sind gemäß § 64 Abs. 3 letzter Satz nicht vom Beschuldigten, sondern von Amts wegen zu tragen (vgl. § 24 iVm. § 76 Abs. 5 AVG). Für die Kosten hat somit jener Rechtsträger aufzukommen, in dessen Namen die Behörde in der Angelegenheit gehandelt hat.

Zu Z 17 (§ 64 Abs. 3):

Klarstellung, dass von dieser Bestimmung auch die Übersetzungsgebühren umfasst sind.

Zu Z 18 (Bezeichnungen der §§ 67, 69 und 70, Entfall des § 68) und Z 19 (§ 68 [neu] samt Überschrift):

Durch § 68 (neu) soll die Umsetzung der Richtlinie Dolmetsch, der Richtlinie Rechtsbelehrung, der Richtlinie Rechtsbeistand und der Richtlinie Unschuldsvermutung transparent dargestellt werden (vgl. Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie Dolmetsch, Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie Rechtsbelehrung, Art 15 Abs. 3 der Richtlinie Rechtsbeistand und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie Unschuldsvermutung).

Zu Artikel 3 (Änderung des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes):

Zu Z 1 und Z 2 (Inhaltsverzeichnis):

Anpassung des Inhaltsverzeichnisses.

Zu Z 3 (§ 25 Abs. 6a und § 47 Abs. 1):

Terminologische Vereinheitlichung.

Zu Z 4 (§ 31 Abs. 3) und Z 6 (§ 50 Abs. 3):

§ 50 Abs. 3 dient der Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 lit. b und Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie Rechtsbelehrung, wonach eine mündliche oder schriftliche Belehrung über einen etwaigen Anspruch auf unentgeltliche Rechtsberatung und die Voraussetzungen für diese Rechtsberatung zu erfolgen hat und die Belehrung schriftlich festzuhalten ist. Durch den in Z 4 vorgeschlagenen § 38a Abs. 3 soll darüber hinaus sichergestellt werden, dass die Belehrung, die Teil des Erkenntnisses (oder Beschlusses) ist, übersetzt wird.

Zu Z 5 (§ 38a):

Gemäß § 38 iVm. § 24 VStG, gilt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ua. § 39a des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991. Der vorgeschlagene § 38a, mit dem die Richtlinien Dolmetsch, insbesondere deren Artikel 2, 3 und 7 (siehe § 38a Abs. 1, 2, 3, 5 und 6) und Rechtsbeistand, insbesondere deren Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 (siehe § 38a Abs. 4), umgesetzt werden, sieht für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten darüber hinaus Folgendes vor:

Zu Abs. 1:

Abs. 1 ordnet an, dass ein Beschuldigter, der die deutsche Sprache nicht spricht oder versteht, das Recht auf Beiziehung eines Dolmetschers hat. Ist der Beschuldigte stumm, gehörlos oder hochgradig hörbehindert, hat er das Recht auf Beiziehung eines Dolmetschers für die Gebärdensprache, vorausgesetzt, der Beschuldigte kann sich in dieser verständigen. Das Recht auf mündliche Dolmetschleistungen gilt insbesondere für Beweisaufnahmen, an denen der Beschuldigte teilnimmt, für Verhandlungen und auf Verlangen auch für den Kontakt des Beschuldigten mit seinem Verteidiger. Hervorzuheben ist, dass die vorgeschlagene Regelung nicht bloß im Hinblick auf den Verfahrenshilfeverteidiger gilt, sondern auch die Kontakte mit Wahlverteidigern umfasst. In der Praxis wird dieser Regelung wohl am ehesten dadurch entsprochen werden können, dass dem Beschuldigten auf Antrag für eine gewisse Zeit vor und nach der Verhandlung bzw. Amtshandlung („in einem unmittelbaren Zusammenhang“) Dolmetschleistungen zur Verfügung gestellt werden.

Zu Abs. 2:

Entsprechend Art. 2 Abs. 6 der Richtlinie Dolmetsch können Dolmetschleistungen gegebenenfalls im Wege von technischen Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung (Videokonferenz oder vergleichbare technische Möglichkeiten) erbracht werden, wenn sie am Ort der Amtshandlung nicht binnen angemessener Zeit zur Verfügung gestellt werden können und die persönliche Anwesenheit des Dolmetschers für die Gewährleistung eines fairen Verfahrens nicht erforderlich ist.

Zu Abs. 3:

In Abs. 3 wird angeordnet, dass ein Beschuldigter das Recht auf schriftliche, innerhalb einer angemessenen Frist zu erteilende Übersetzung der wesentlichen Aktenstücke hat, soweit dies zur Wahrung der Verteidigungsrechte und eines fairen Verfahrens erforderlich ist. Als wesentliche Aktenstücke sollen jedenfalls die zur Beschwerde erstatteten Äußerungen, die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichts und eine gegen das Erkenntnis oder den Beschluss erhobene Revision (Art. 133 Abs. 6 Z 3 und Abs. 8 B-VG) gelten. Da während der Verhandlung ohnedies mündliche Dolmetschleistungen zu gewährleisten sind, kann eine Übersetzung der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses (oder Beschlusses) unterbleiben, wenn nach dessen Verkündung ausdrücklich auf die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und die Revision beim Verwaltungsgerichtshof verzichtet wurde; dies ist auch dadurch zu rechtfertigen, dass die Übersetzung in diesen Fällen nicht für die Wahrung der Interessen an einer effektiven Verteidigung erforderlich ist.

Dem Beschuldigten soll weiters die Möglichkeit gegeben werden, die schriftliche Übersetzung weiterer Aktenstücke zu verlangen, sofern dies im Einzelfall für die Verteidigungsrechte und eines fairen Verfahrens erforderlich ist.

Die Richtlinie erlaubt schließlich auch vereinfachte Formen der Übersetzung, was ebenfalls umgesetzt werden soll (vgl. Art. 3 Abs. 7 der Richtlinie Dolmetsch). Nicht erforderlich ist es, Passagen wesentlicher Schriftstücke zu übersetzen, die nicht dafür maßgeblich sind, dass der Beschuldigte weiß, was ihm zur Last gelegt wird (vgl. Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie Dolmetsch). Die schriftliche Übersetzung kann auch durch mündliche Übersetzung oder, wenn der Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten ist, durch mündliche Zusammenfassung ersetzt werden. Der Umfang der vom Dolmetscher zu leistenden mündlichen Zusammenfassung ist vom Leiter der jeweiligen Amtshandlung zu bestimmen.

Zu Abs. 4:

Abs. 3 dient der Umsetzung des Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie Rechtsbelehrung.

Zu Abs. 5:

Ein Verzicht des Beschuldigten auf schriftliche Übersetzung soll nur nach nachweislicher Rechtsbelehrung zulässig sein. Dieser Umstand ist schriftlich festzuhalten. Für die Belehrung ist allenfalls ein Dolmetscher beizuziehen. Damit werden Art. 3 Abs. 8 und Art. 7 der Richtlinie Dolmetsch umgesetzt.

Zu Abs. 6:

Die Entscheidung, ob ein Dolmetscher und Übersetzer beizuziehen ist, erfolgt durch verfahrensleitenden Beschluss. Gegen diese Entscheidung ist daher eine abgesonderte Revision nicht zulässig; sie kann erst in der Revision gegen das die Sache erledigende Erkenntnis angefochten werden (vgl. § 7 VwGVG). Im Rechtsmittel gegen die Entscheidung können auch die Verteidigungsrechte beeinträchtigende Mängel in der Qualität der Übersetzungshilfe geltend gemacht werden. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass gemäß § 38 VwGVG iVm. § 24 VStG und § 39a AVG vorrangig Amtsdolmetscher bzw. wenn solche nicht zur Verfügung stehen, andere geeignete Personen als Dolmetscher heranzuziehen sind, sodass im Sinne der Richtlinie Dolmetsch für Qualität gesorgt ist (vgl. Art. 2 Abs. 8, Art. 3 Abs. 9 und Art. 5 der Richtlinie Dolmetsch).

Zu Z 7 (§ 52 Abs. 3):

Klarstellung, dass von dieser Bestimmung auch die Übersetzungsgebühren umfasst sind. Sowohl die Gebühren, die dem Dolmetscher als auch dem Übersetzer zustehen, sind somit keine Barauslagen und dürfen dem Beschuldigten nicht vorgeschrieben werden. Sie sind von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit gehandelt hat (§ 17 iVm. § 24 VStG und § 76 Abs. 5 AVG).

Zu Z 9 (§ 57):

Durch § 57 soll die Umsetzung der Richtlinie Dolmetsch und der Richtlinie Rechtsbelehrung transparent dargestellt werden (vgl. dazu Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie Dolmetsch und Art. 11 der Richtlinie Rechtsbelehrung).

Zu Artikel 4 (Europäische Ermittlungsanordnung Verwaltungsstrafsachen – EAO-VStS):

Was die Systematik des Entwurfs betrifft, werden darin im ersten Abschnitt die Allgemeinen Bestimmungen angeführt, der zweite Abschnitt enthält Bestimmungen über die Erwirkung der Vollstreckung einer österreichischen Europäischen Ermittlungsanordnung in einem anderen Mitgliedstaat, – soweit diese durch österreichische Rechtsvorschriften zu regeln sind, im dritten Abschnitt werden Regelungen über die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung eines anderen Mitgliedstaates in Österreich getroffen, der vierte Abschnitt sieht Vorschriften in Bezug auf besondere Ermittlungsmaßnahmen vor und der fünfte Abschnitt enthält Schlussbestimmungen.

Nicht umzusetzen mit dem vorliegenden Entwurf sind folgende in der Richtlinie EEA enthaltenen Bestimmungen, da deren Anwendung im Bereich des Verwaltungsstrafrechts von vornherein nicht in Betracht kommen:

1.      Art. 1 Abs. 3, wonach eine Europäische Ermittlungsanordnung von einer verdächtigen oder beschuldigten Person oder in deren Namen von einem Rechtsanwalt beantragt werden kann. Da diese Regelung nicht auf eine Rechtsharmonisierung abzielt, sondern ausdrücklich auf die nationalen Rechtsvorschriften abstellt und die Möglichkeit der Stellung von Beweisanträgen im Verwaltungsstrafgesetz nicht vorgesehen ist, wird diese Regelung für den Bereich des Verwaltungsstrafrechts nicht umgesetzt;

2.      Art. 14 (Rechtsbehelfe);

3.      Art. 22 (Zeitweilige Überstellung von inhaftierten Personen an den Anordnungsstaat zum Zwecke der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme) und Art. 23 (Zeitweilige Überstellung von inhaftierten Personen an den Vollstreckungsstaat zum Zwecke der Durchführung einer Ermittlungsmaßnahme);

4.      Art. 26 (Informationen über Bank- und sonstige Finanzkonten) und Art. 27 (Informationen über Bank- und sonstige Finanzgeschäfte);

5.      Art. 28 (Ermittlungsmaßnahmen zur Erhebung von Beweismitteln in Echtzeit, fortlaufend oder über einen bestimmten Zeitraum);

6.      Art. 29 (Verdeckte Ermittlungen);

7.      Art. 30 und 31 (Überwachung des Telekommunikationsverkehrs);

8.      Art. 32 (Vorläufige Maßnahmen).

Zum ersten Abschnitt (§§ 1 und 2):

Der erste Abschnitt enthält Bestimmungen über den Anwendungsbereich und sieht Begriffsbestimmungen vor.

Zu § 1 (Anwendungsbereich):

Zu Abs. 1:

§ 1 umschreibt den Anwendungsbereich des Bundesgesetzes.

Gemäß Z 1 soll das Bundesgesetz Anwendung finden, wenn eine österreichische Verwaltungsstrafbehörde bzw. ein österreichisches Verwaltungsgericht in einem Verwaltungsstrafverfahren Ermittlungsmaßnahmen zur Erlangen von Beweisen gemäß der Richtlinie EEA durchführen möchte, die die Mitwirkung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union erfordert. Umfasst sind somit ausgehende Europäische Ermittlungsanordnungen österreichischer Verwaltungsstrafbehörden, die bisher mit einem Rechtshilfeersuchen auf der Grundlage des EuRHÜ 1959, teilweise in der Fassung des Zusatzprotokolls zu diesem Übereinkommen, BGBl. Nr. 296/1983 und die nach Art. 26 EuRHÜ 1959 geschlossenen zweiseitigen Vereinbarungen in Verbindung mit dem EU-RHÜ 2000 und des Schengener Durchführungsübereinkommens vom 19. Juni 1990, BGBl. III Nr. 90/1997, gestellt worden sind. Das aufgrund der Richtlinie EEA einzuhaltende Verfahren wird im zweiten Abschnitt näher geregelt.

Gemäß Z 2 findet das Bundesgesetz darüber hinaus Anwendung, wenn von einer Justizbehörde eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union ein Ersuchen um Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung gemäß der Richtlinie EEA gestellt wird und es sich um ein Verfahren handelt, das von einer Justiz- oder Verwaltungsbehörden wegen Handlungen eingeleitet wurde, die nach dem nationalen Recht des Ausstellungsstaates als Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften geahndet werden können, sofern gegen die Entscheidung ein insbesondere in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann. Umfasst sind somit einlangende Ersuchen um Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung, soweit im Abschnitt F der Anlage 1 (Europäische Ermittlungsanordnung) die lit. b oder die lit. c angekreuzt wurde.

Durch den Schlusssatz soll der Anwendungsbereich des Bundesgesetzes von jenem des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, und dem des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit in Finanzstrafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-FinStrZG), BGBl. I Nr. 105/2014, abgegrenzt werden. Ersuchen um Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung, die in den Anwendungsbereich der genannten Bundesgesetze fallen, sind somit vom Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgeschlossen.

Zu Abs. 2:

Ausgenommen vom Anwendungsbereich bleiben gemäß Art. 3 der Richtlinie EEA die Bildung von sog. gemeinsamen Ermittlungsgruppen sowie die Beweiserhebung innerhalb von gemeinsamen Ermittlungsgruppen (Abs. 2 Z 1). Ausgenommen sind auch die grenzüberschreitenden Observationen nach dem SDÜ (Abs. 2 Z 2); die Ausnahme stützt sich auf den Erwägungsgrund 9 der Richtlinie EEA. Auch Vernehmungen von Beschuldigten im Wege von Telefonkonferenzen fallen nicht unter den Anwendungsbereich der Richtlinie EEA und somit auch nicht in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes (Abs. 2 Z 3). Diese Ausnahme wird zwar weder im Text noch in den Erwägungsgründen der Richtlinie EEA ausdrücklich formuliert; sie ergibt sich aber mittelbar aus Art. 25 der Richtlinie EEA, der die telefonische Beschuldigtenvernehmung nicht erwähnt. Hätte die Beschuldigtenvernehmung von der Norm erfasst werden sollen, wäre das einschlägige Verfahren – neben dem Verfahren für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen – umso mehr klärungsbedürftig gewesen. Die fehlende Regelung kann deshalb nicht in dem Sinne verstanden werden, dass für die Beschuldigtenvernehmung im Wege der Telefonkonferenz die allgemeinen Bestimmungen zur Anwendung gelangen sollen.

Zu Abs. 3:

Abs. 3 enthält einen Umsetzungshinweis (vgl. Art. 36 Abs. 2 der Richtlinie EEA).

Zu § 2 (Begriffsbestimmungen):

§ 2 enthält Begriffsbestimmungen.

Zum zweiten Abschnitt (§§ 3 und 4):

Der zweite Abschnitt regelt, wie vorzugehen ist, wenn eine österreichische Verwaltungsstrafbehörde oder ein österreichisches Verwaltungsgericht in einem Verwaltungsstrafverfahren um Vollstreckung einer österreichischen Europäischen Ermittlungsanordnung in einem anderen Mitgliedstaat ersucht (insbesondere einzuhaltendes Verfahren und Formvorschriften für Ersuchen um Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen in einem anderen Mitgliedstaat zur Erlangung von Beweisen).

Zu § 3 (Vorverfahren):

Zu Abs. 1:

Die Regelung im Abs. 1 verpflichtet die zuständigen österreichischen Verwaltungsstrafbehörden bzw. das Verwaltungsgericht, für ausgehende Europäische Ermittlungsanordnungen das Formblatt aus der Anlage 1 zu verwenden. Die Vorschrift setzt Art. 5 Abs. 1 erster Satz der Richtlinie EEA um. Das Verfahren ist damit stärker formalisiert als das Verfahren der klassischen Rechtshilfe und soll sicherstellen, dass dem Vollstreckungsstaat möglichst alle Informationen vorliegen, die für eine zügige Entscheidung über das Ersuchen erforderlich sind. Sollen mehrere Ermittlungsmaßnahmen, die sich jeweils im Anwendungsbereich der Richtlinie EEA bewegen, beantragt oder sollen Maßnahmen gegen mehrere Personen ergriffen werden, kann hierfür ein einziges Formblatt Verwendung finden, es müssen also nicht mehrere Europäische Ermittlungsanordnungen erlassen werden (siehe Abschnitt C und E der Anlage 1 „Durchzuführende Ermittlungsmaßnahme(n)“, „von der Ermittlung betroffenen natürlichen oder juristischen Person(en)“).

Das Formblatt ist in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Mitgliedstaates oder in eine vom Mitgliedstaat akzeptierte Amtssprache zu übersetzen, es sei denn, der Mitgliedstaat hat die Erklärung abgegeben, die deutsche Sprache zu akzeptieren. Österreich beabsichtigt gemäß Art. 33 Abs. 1 lit. b eine Erklärung dahingehend abzugeben, dass eine Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen ist, jedoch auf der Grundlage der Gegenseitigkeit auch andere Sprachen akzeptiert werden.

Zu Abs. 2:

Die Richtlinie EEA sieht in Art. 2 vor, dass die Europäische Ermittlungsanordnung vor ihrer Übermittlung an den vollstreckenden Mitgliedstaat von einem Richter, einem Gericht, einem Ermittlungsrichter oder einem Staatsanwalt zu validieren ist, nachdem geprüft wurde, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung eingehalten worden sind.

Für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens soll diese Validierung von den Verwaltungsgerichten vorgenommen werden. Dies bedarf einer verfassungsrechtlichen Grundlage. Der vorgeschlagene Abs. 2 (Verfassungsbestimmung) sieht daher vor, dass die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, wie sie in diesem Bundesgesetz geregelt wird, (einfachgesetzlich) vorgesehen werden kann.

Da die Validierung lediglich eine Bestätigung für das Vorliegen der Voraussetzungen zum Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung darstellt, die nicht durch Erkenntnis oder Beschluss zu erteilen ist, kann die Bestätigung nicht beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden bzw. gegen die Nichterteilung der Bestätigung kein Fristsetzungsantrag beim Verwaltungsgerichtshof gestellt werden.

Kompetenzgrundlage zur Regelung des Verfahrens der Verwaltungsgerichte ist Art. 10 Abs. 1 Z 1 B‑VG („Verwaltungsgerichtsbarkeit“). Gemäß Art. 136 Abs. 2 B‑VG können durch Bundes- (oder Landes-)gesetz Regelungen über das Verfahren der Verwaltungsgerichte getroffen werden, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind. Da das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, keine verfahrensrechtlichen Bestimmungen vorsieht, die das Verfahren zur Validierung Europäischer Ermittlungsanordnungen betreffen, sind die hier getroffenen verfahrensrechtlichen Regelungen erforderlich im Sinne des Art. 136 Abs. 2 B‑VG.

Zu Abs. 3:

Zuständig zur Validierung soll – sofern die sachliche Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte gegeben ist – jenes Landesverwaltungsgericht sein, in dessen Sprengel die Verwaltungsstrafbehörde ihren Sitz hat.

Zu Abs. 4:

Abs. 4 dient zur Umsetzung von Art. 2 lit. c der Richtlinie EEA. Die unionsrechtlichen Vorgaben sehen abweichend von den bisherigen Regelungen der sonstigen Rechtshilfe vor, dass eine Europäische Ermittlungsanordnung von einer justiziellen Behörde oder einem Gericht ausgestellt oder jedenfalls bestätigt („validiert“) werden muss. Sofern ausgehende Europäische Ermittlungsanordnungen von einer Verwaltungsstrafbehörde gestellt werden, ist somit künftig vor Abgang an den Vollstreckungsstaat eine richterliche Bestätigung erforderlich. Dabei handelt es sich um eine Vorgabe für das innerstaatliche Verfahren. Davon unberührt bleibt, dass die Europäische Ermittlungsanordnung durch die Verwaltungsbehörde selbst als Ausstellungsbehörde gemäß Art. 2 lit. c Z ii der Richtlinie EEA an den anderen Mitgliedstaat übermittelt werden kann. Das Validierungsverfahren führt also nicht zur Einrichtung eines verpflichtenden Geschäftsweges über die justiziellen Stellen. Für die Bestätigung sieht das Formblatt der Anlage 1 in Abschnitt L ein eigenes Feld vor, das die validierende Stelle auszufüllen hat.

Zu Abs. 5:

Eine Bestätigung gemäß Abs. 4 darf erst erfolgen, nachdem das zuständige Verwaltungsgericht geprüft und festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung nach der Richtlinie EEA vorliegen. Diese Prüfung umfasst insbesondere die Frage, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist (Z 1) und ob die Ermittlungsmaßnahme, um die ersucht werden soll, in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen angeordnet werden könnte (Z 2). Die Vorschrift übernimmt das feste Prüfprogramm für das Bestätigungsverfahren von Art. 2 lit. c sublit. ii und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie EEA.

Zu Abs. 6:

Die Bestätigung soll vom Verwaltungsgericht binnen einer Frist von acht Wochen erteilt und der ausstellenden Behörde zur Weiterleitung an den Vollstreckungsstaat rückübermittelt werden. Gelangt das Verwaltungsgericht bei der Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für den Erlass der Europäischen Ermittlungsanordnung nicht vorliegen, teilt es der ausstellenden Verwaltungsstrafbehörde die Gründe für die Nichterteilung mit. Da es sich bei der Bestätigung um keinen selbstständig anfechtbaren Rechtsakt handelt, soll gegen die Nichterteilung bzw. gegen die nicht rechtzeitige Erteilung der Bestätigung kein Rechtsmittel erhoben werden können.

Zu § 4 (Übermittlung der Europäischen Ermittlungsanordnung):

Zu Abs. 1:

Die Europäische Ermittlungsanordnung ist von der ausstellenden Verwaltungsstrafbehörde (nach erfolgter Bestätigung durch das Verwaltungsgericht) bzw. vom ausstellenden Verwaltungsgericht an die zuständige Vollstreckungsbehörde im Ausland zu übermitteln. Der Verpflichtung, dass die Übermittlung der Europäischen Ermittlungsanordnung in einer Form zu erfolgen hat, die einen schriftlichen Nachweis unter Bedingungen ermöglicht, die dem Vollstreckungsstaat die Feststellung der Echtheit gestattet (vgl. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie EEA bzw. schon bisher Art. 6 Abs. 1 EuRHÜ 1959), wird schon dadurch entsprochen, dass für ausgehende Europäische Ermittlungsanordnungen das Formblatt der Anlage 1 zu verwenden ist und die Europäische Ermittlungsanordnung damit verschriftlicht ist.

§ 4 zweiter Satz sieht vor, dass die Verwaltungsstrafbehörde bzw. das Verwaltungsgericht die Europäische Ermittlungsanordnung über das Telekommunikationssystem des Europäischen Justiziellen Netzes in Strafsachen (EJN) übermitteln kann, das gemäß Art. 9 des Beschlusses 2008/976/JI des Rates vom 16. Dezember 2008 über das Europäische Justizielle Netz (ABl. L 348 vom 24.12.2008, S. 130) installiert ist. In Österreich ist das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz EJN-Kontaktstelle.

Ersuchen und sonstige Unterlagen können im Postweg, durch Telefax, elektronische Datenübermittlung oder durch jedes andere sichere technische Mittel übermittelt werden.

Zu Abs. 2:

Abs. 2 bestimmt, dass die Übermittlung sowie sämtliche offizielle Mitteilungen unmittelbar zwischen der ersuchenden österreichischen Verwaltungsstrafbehörde bzw. dem ersuchenden österreichischen Verwaltungsgericht und der zuständigen ausländischen Vollstreckungsbehörde erfolgen. Dies entspricht dem unmittelbaren Geschäftsverkehr, der schon bislang innerhalb der Europäischen Union im Bereich der Zusammenarbeit in Strafsachen gilt (vgl. Art. 6 Abs. 1 EuRHÜ 1959). Die zuständigen Behörden können einander – soweit erforderlich – kontaktieren, um eine effektive Vollstreckung zu gewährleisten (vgl. auch Art. 9 Abs. 6 der Richtlinie EEA).

Zu Abs. 3:

Gemäß Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie EEA haben die Mitgliedstaaten der Kommission die zuständigen Vollstreckungsbehörden mitzuteilen. Ist die zuständige Behörde trotz dieser Mitteilungspflicht unbekannt, so ist jedenfalls zu versuchen, die zuständige Behörde über die Kontaktstelle des EJN in Erfahrung zu bringen.

Zum dritten Abschnitt (§§ 5 bis 13):

Der dritte Abschnitt regelt die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung eines anderen Mitgliedstaates in Österreich, die von Justiz- oder Verwaltungsbehörden in Verfahren getroffen wurden, die nach dem nationalen Recht dieses Staates als Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften geahndet werden können, sofern gegen die Entscheidung ein insbesondere in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann. Vom dritten Abschnitt erfasst sind somit all jene Europäischen Ermittlungsanordnungen, bei denen im Abschnitt F der Anlage 1 die lit. b oder die lit. c angekreuzt wurde.

Zu § 5 (Anzuwendendes Recht):

Die Regelung des § 5 setzt Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie EEA um und sieht vor, dass für die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung das Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden sind, die für vergleichbare inländische Sachverhalte (Verfahren) gelten würden.

Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung könnte vermuten lassen, dass der Vollstreckungsstaat gehindert ist, seine eigenen Verfahrensregelungen anzuwenden, wenn ein anderer Mitgliedstaat entsprechend dem dortigen Verfahrensrecht eine (Zwangs)Maßnahme angeordnet hat. Dies ist aber unionsrechtlich ausdrücklich nicht vorgesehen (siehe auch Art. 2 lit. d der Richtlinie EEA).

Zu § 6 (Erledigung des Ersuchens):

Zu Abs. 1:

Nach Art. 5 Abs. 1 erster Satz der Richtlinie EEA hat der Ausstellungsstaat für sein Ersuchen das Formblatt aus Anhang A der Richtlinie EEA zu verwenden. § 6 Abs. 1 ordnet daher an, dass die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung nur zulässig ist, wenn der Ausstellungsstaat für sein Ersuchen das in der Anlage 1 wiedergegebene Formblatt (dieses entspricht dem Anhang A der Richtlinie EEA) verwendet. Anders als frühere Rechtsakte der Europäischen Union im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Strafsachen, die auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beruhen, kennt die Richtlinie EEA keinen ausdrücklichen Zurückweisungsgrund bei Nichtverwendung der Formblätter. Ist das Formular nicht vollständig oder unrichtig ausgefüllt, ergibt sich daraus kein Zurückweisungsgrund, sondern es werden lediglich Unterrichtungspflichten ausgelöst (vgl. § 6 Abs. 4). Allerdings ist eine Europäische Ermittlungsanordnung, die nicht von einer zuständigen Behörde erlassen oder bestätigt wurde, gemäß Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie EEA an den Ausstellungsstaat zurückzugeben. Diese obligatorische unionsrechtliche Regelung lässt es zu, im nationalen Recht eine entsprechende Zulässigkeitsvoraussetzung vorzusehen. Das Verfahren ist damit stärker formalisiert als das Verfahren der klassischen Rechtshilfe bzw. der Rechtshilfeverkehr mit Drittstaaten, wo nur ausnahmsweise besondere Formvorschriften gelten. Dies rechtfertigt sich dadurch, dass die Richtlinie EEA die Mitgliedstaaten der Europäischen Union grundsätzlich in einem höheren Maße und innerhalb von bestimmten Fristen zur Kooperation verpflichtet. Dem Vollstreckungsstaat, bei eingehenden Europäischen Ermittlungsanordnungen also der Republik Österreich, sollen möglichst alle Informationen vorliegen, die für eine zügige Entscheidung über die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung erforderlich sind.

Voraussetzung für die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung nach diesem Abschnitt ist, dass die Europäische Ermittlungsanordnung in einem Verfahren gestellt wurde, in dem nach dem nationalen Recht dieses Staates Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften geahndet werden, sofern gegen die Entscheidung ein insbesondere in Strafsachen zuständiges Gericht angerufen werden kann. Diese Europäische Ermittlungsanordnung kann gemäß Z 1 von einer justiziellen Stelle im Sinne von Art. 2 lit. c sublit. i der Richtlinie EEA (Gericht, Richter, Ermittlungsrichter sowie Staatsanwälte) ausgestellt worden sein oder von einer anderen Stelle, sofern zwei Voraussetzungen vorliegen: Erstens muss die ausstellende Stelle zuvor von dem Ausstellungsstaat gemäß Art. 33 Abs. 1 lit. a der Richtlinie EEA gegenüber der Europäischen Kommission als zuständig bezeichnet worden sein. Zweitens muss die Europäische Ermittlungsanordnung von einer justiziellen Stelle im Sinne der Z 1 bestätigt worden sein. Für die Bestätigung sieht das Formblatt gemäß der Anlage 1 unter Abschnitt L ein entsprechendes Textfeld vor.

Zu Abs. 2:

Gemäß § 6 Abs. 2 ist der Empfang einer Europäischen Ermittlungsanordnung nach Abs. 1 unverzüglich, spätestens aber eine Woche nach ihrem Einlangen bei der zuständigen Behörde von dieser zu bestätigen, indem das Muster aus Anlage 2 (diese entspricht dem Formblatt des Anhangs B der Richtlinie EEA) verwendet wird. Das Verfahren erfährt damit – in Umsetzung von Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie EEA – auch in diesem Punkt eine stärkere Formalisierung als das der bisherigen Rechtshilfe. Es gehört zu den Kernanliegen der Richtlinie EEA, die Kommunikation zwischen den beteiligten Behörden oder Gerichten im Ausstellungsstaat und im Vollstreckungsstaat zu verbessern. Damit sollen die Verfahren beschleunigt werden.

Zu Abs. 3:

Abs. 3 betrifft den Fall, dass eine Europäische Ermittlungsanordnung zunächst bei einer unzuständigen Stelle einlangt. Die unzuständige Stelle hat die Europäische Ermittlungsanordnung gemäß Art. 7 Abs. 6 und Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie EEA an die zuständige Stelle weiterzuleiten und die ersuchende Stelle unter Verwendung des Musters aus der Anlage 2 zu unterrichten. In diesem Fall erhält die ersuchende Stelle im anderen Mitgliedstaat also zwei Mitteilungen: eine von der weiterleitenden und eine von der tatsächlich zuständigen österreichischen Stelle.

Zu Abs. 4:

Durch die Regelung des § 6 Abs. 4 werden Art. 9 Abs. 3 und Art. 16 Abs. 2 lit. b der Richtlinie EEA umgesetzt. Ist die Europäische Ermittlungsanordnung nach Abs. 1 unzulässig (weil sie nicht von einer justiziellen Stelle im Sinne von Art. 2 lit. c sublit. i der Richtlinie EEA ausgestellt bzw. bestätigt wurde), unvollständig oder offensichtlich unrichtig, ist die zuständige Stelle des Ausstellungsstaates unverzüglich zu unterrichten. Die zuständige Stelle ergibt sich aus den Angaben im Formblatt. Damit soll dem Ausstellungsstaat die Möglichkeit zur Nachbesserung der Europäischen Ermittlungsanordnung gegeben werden. Die Unterrichtungspflicht greift nur, wenn ohne Ergänzungen von Seiten des Ausstellungsstaates die Vollstreckung nicht erwirkt werden kann. Ist die Europäische Ermittlungsanordnung zwar unvollständig oder offensichtlich unrichtig, ist dies aber nicht entscheidungserheblich oder sind die erforderlichen Informationen anderweitig verfügbar, kann auf eine Unterrichtung des Ausstellungsstaates verzichtet werden. Unnötige Belastungen oder Verfahrensverzögerungen werden so vermieden.

Anders als bei früheren Rechtsinstrumenten der Europäischen Union, die auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung beruhen, ergibt sich – abgesehen von dem Fall, dass eine Europäische Ermittlungsanordnung von einer unzuständigen Stelle ausgestellt wurde – aus der Unvollständigkeit nach den Vorgaben der Richtlinie EEA kein Zulässigkeitshindernis mehr. Die Unterrichtung führt allerdings zu einem faktischen Aufschub der Vollstreckung. Solange die zuständige Stelle des Ausstellungsstaates auf die Unterrichtung nicht reagiert, laufen die Fristen aus § 10 nicht.

Die Unterrichtung soll in einer Form erfolgen, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht. Dies kann beispielsweise auch eine E-Mail sein (vgl. dazu Art. 6 Abs. 1 EuRHÜ 1959 und die dazugehörige Denkschrift, in der ausgeführt wird, dass auch Fernkopien oder E-Mails von der Regelung erfasst werden).

Zu § 7 (Besondere Verfahrens- oder Formvorschriften):

Nach § 7 sind besondere Formvorschriften oder Verfahrensvorschriften, die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegeben wurden, von den zuständigen österreichischen Stellen grundsätzlich einzuhalten, es sei denn, es stehen wesentliche Grundsätze der österreichischen Rechtsordnung entgegen.

Zu den besonderen Verfahren, um die ein anderer Mitgliedstaat die Republik Österreich nach Art. 9 Abs. 5 der Richtlinie EEA ersuchen kann, gehört weiterhin auch die Teilnahme von einer oder mehreren Behörden dieses Mitgliedstaates an Amtshandlungen im österreichischen Hoheitsgebiet. Dieser Fall wird in Z 2 ausdrücklich erwähnt. Teilnahme meint dabei die bloße Anwesenheit oder unterstützende bzw. mitwirkende Tätigkeiten; die Vornahme selbständiger Ermittlungen oder Verfahrenshandlungen im Inland durch Organe des Ausstellungsstaats soll in diesem Zusammenhang weiterhin unzulässig sein. Die zuständigen österreichischen Stellen haben einer entsprechenden Europäischen Ermittlungsanordnung nach den unionsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen, sofern nicht wesentliche österreichische Rechtsgrundsätze entgegenstehen.

Inhaltlich entspricht § 7 im Wesentlichen den bisherigen Regeln der sonstigen Rechtshilfe (vgl. Art. 4 Abs. 1 des EuRHÜ 1959). Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung könnte vermuten lassen, dass der Vollstreckungsstaat vollumfänglich an die Wünsche des Ausstellungsstaates gebunden ist. Dies ist aber unionsrechtlich nicht vorgesehen. Art. 9 Abs. 2 und 4 der Richtlinie EEA lässt insbesondere den Vorbehalt des nationalen Rechts ausdrücklich zu.

§ 7 zweiter Satz verpflichtet die zuständigen österreichischen Stellen, die zuständige Behörde des Ausstellungsstaates, die sich aus dem Formblatt ergibt, unverzüglich zu unterrichten, wenn die erbetenen besonderen Formvorschriften oder Verfahrensvorschriften gemäß Z 1 nicht eingehalten werden können oder die Teilnahme der Behörden des Ausstellungsstaates an der Amtshandlung gemäß Z 2 nicht gestattet werden kann. Die Unterrichtung soll in einer Form erfolgen, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht; dies ergibt sich aus dem Verweis auf § 6 Abs. 4 letzter Satz. Die Unterrichtungspflicht und die einzuhaltende Form entsprechen den unionsrechtlichen Vorgaben aus Art 16 Abs. 2 lit. c der Richtlinie EEA.

Zu § 8 (Rückgriff auf eine andere Ermittlungsmaßnahme):

Zu Abs. 1:

Gemäß § 8 Abs. 1 sind die zuständigen österreichischen Stellen verpflichtet, auf eine andere als die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebene Ermittlungsmaßnahme zurückzugreifen, wenn diese andere Maßnahme weniger einschneidend ist, sich mit ihr aber das gleiche Ermittlungsergebnis erzielen lässt. Die Regelung setzt Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie EEA um und stellt sicher, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in derselben Weise zur Anwendung gelangt wie bei reinen Inlandssachverhalten.

Zu Abs. 2:

§ 8 Abs. 2 hat eine zentrale Bedeutung für das Verfahren nach der Richtlinie EEA. Eine Ermittlungsmaßnahme, die in einem inländischen Verwaltungsstrafverfahren nicht angeordnet werden kann, darf auch auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaates nicht durchgeführt werden. Diese Vorschrift setzt Art. 10 Abs. 1 iVm. Abs. 6 der Richtlinie EEA um, der letztlich einen Versagungsgrund darstellt.

In zwei Fällen ist auf eine andere als die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebene Ermittlungsmaßnahme zurückzugreifen, sofern mit dieser anderen Ermittlungsmaßnahme das gleiche Ermittlungsergebnis erzielt werden kann wie mit der Maßnahme, um die in der Europäischen Ermittlungsanordnung gebeten wurde: Z 1 betrifft den Fall, dass die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebene Ermittlungsmaßnahme im österreichischen Recht überhaupt nicht existiert. Der Begriff „österreichisches Recht“ erfasst das für österreichische Verwaltungsstrafverfahren geltende Recht. Z 2 betrifft den Fall, dass die erbetene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zur Verfügung stünde. Von der Nichtverfügbarkeit einer Maßnahme kann beispielsweise ausgegangen werden, wenn die Voraussetzungen, die das österreichische Recht an die Durchführung dieser Maßnahme stellt, nicht vorliegen.

Zu Abs. 3:

Abs. 3 ordnet an, dass Entscheidungen nach Abs. 1 und 2 zu begründen sind.

Zu Abs. 4:

Abs. 4 enthält eine Mitteilungspflicht der zuständigen österreichischen Stelle gegenüber der – im Formblatt entsprechend benannten – zuständigen Stelle des Ausstellungsstaates, die auf Art. 16 Abs. 3 lit. a der Richtlinie EEA basiert: Vor einem Rückgriff auf eine andere Ermittlungsmaßnahme gemäß Abs. 1 und 2 ist der Ausstellungsstaat unverzüglich zu unterrichten. Dieser kann sodann gemäß Art. 10 Abs. 4 der Richtlinie EEA entscheiden, ob er das Ersuchen aufrechterhält und gegebenenfalls ergänzt. § 6 Abs. 4 letzter Satz wird für anwendbar erklärt; die Unterrichtung durch die österreichische Stelle muss also in einer Form erfolgen, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht.

Zu Abs. 5:

Die Regelung setzt Art. 10 Abs. 5 der Richtlinie EEA um und bildet in Verbindung mit Abs. 2 einen faktischen Zurückweisungsgrund: Gibt es im Fall des Abs. 2 keine andere Ermittlungsmaßnahme, die zu den gewünschten Ermittlungsergebnissen führt, ist der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaates unverzüglich mitzuteilen, dass es nicht möglich war, die erbetene Unterstützung zu leisten. Die Mitteilung muss – wie nach Abs. 4 – in einer Form erfolgen, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, da § 6 Abs. 4 letzter Satz entsprechend gilt.

Mit der Mitteilung endet das Verfahren. Weitere Verpflichtungen für Österreich als dem Vollstreckungsstaat gibt es nicht. Damit ist sichergestellt, dass die Schutzstandards des nationalen Verfahrensrechts auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gelten.

Zu Abs. 6:

Abs. 6 ordnet an, welche Ermittlungsmaßnahmen jedenfalls zur Verfügung stehen müssen. Sofern nicht ein allgemeiner Zurückweisungsgrund aus § 9 vorliegt, müssen die in Abs. 6 genannten Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt werden und es darf nicht auf eine andere Maßnahme gemäß Abs. 2 zurückgegriffen werden. Der Rückgriff auf eine weniger eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahme gemäß Abs. 1 bleibt dagegen auch hier geboten.

Tritt der Fall ein, dass eine erbetene Maßnahme in Abs. 6 genannt ist, im Einzelfall aber unverhältnismäßig ist, kann das Ersuchen gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 zurückgewiesen werden.

Zu den in Abs. 6 genannten Ermittlungsmaßnahmen zählen:

-       die Übermittlung von Ermittlungsergebnissen oder Beweismitteln, die in einem inländischen Verwaltungsstrafverfahren gewonnen oder aufgenommen wurden;

-       die Erlangung von Informationen, die in Datenbanken enthalten sind und zu denen die österreichische Verwaltungsstrafbehörde im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens unmittelbar Zugang hat;

-       die Vernehmung eines Zeugen, eines Sachverständigen, eines Opfers, einer Partei in Österreich. Gemäß § 5 bleiben aber die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften für die Vernehmung von Zeugen anwendbar. Die Anwendung von nationalen Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrechten ist zusätzlich über den allgemeinen Zurückweisungsgrund aus Art. 11 Abs. 1 lit. a der Richtlinie EEA abgesichert, der mit § 9 Abs. 1 Z 1 umgesetzt wird. Für Vernehmungen im Wege von Telefon- oder Videokonferenzen gilt Abs. 3 nicht;

-       eine nicht invasive Ermittlungsmaßnahme nach Maßgabe des österreichischen Rechts. Erfasst sind Maßnahmen, die nicht mit verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt verbunden sind.

Zu § 9 (Unzulässigkeit der Vollstreckung):

Zu Abs. 1:

Nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, auf dem die Richtlinie EEA basiert, darf die Vollstreckung einer eingehenden Europäischen Ermittlungsanordnung nur abgelehnt werden, wenn die Richtlinie EEA dies ausdrücklich zulässt. Andere Zurückweisungsmöglichkeiten als die, die in der Richtlinie EEA enthalten sind, dürfen nicht geltend gemacht werden. Die zu beachtenden Zulässigkeitshindernisse sind abschließend geregelt. Greift eines der Hindernisse ein, ist die Europäische Ermittlungsanordnung nicht vollstreckungsfähig. Zulässigkeitsvoraussetzungen sind in jedem Verfahrensstadium zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt für die Prüfung sind die Angaben des Ausstellungsstaates gemäß dem Formblatt der Anlage 1. Bestehen Zweifel an oder Fragen zu einzelnen Angaben, kann die zuständige Stelle des Ausstellungsstaates ergänzend konsultiert werden.

Durch die Z 1 wird Art. 11 Abs. 1 lit. a der Richtlinie EEA umgesetzt. Dementsprechend ist die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung unzulässig, soweit Immunitäten oder Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechte bestehen.

Z 2 setzt Art. 11 Abs. 1 lit. f der Richtlinie EEA um, der dem Vollstreckungsstaat die Zurückweisung einer Europäischen Ermittlungsanordnung bei drohenden Verstößen gegen die europäischen Grundrechte gestattet. Eine allgemeine Grundrechte- und Rechtsbindungsklausel ist bereits aus den früheren Rechtsakten der Europäischen Union im Bereich der strafrechtlichen Zusammenarbeit bekannt (siehe beispielsweise Art. 3 des Rahmenbeschusses 2005/214/JI über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen, ABl. Nr. L 76 vom 22.03.2005 S. 16). Damit wird zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass nicht nur der Ausstellungsstaat, sondern auch der Vollstreckungsstaat berechtigt und verpflichtet ist, die europäischen Grundrechte zu achten. Dies wird im Bereich der sonstigen Rechtshilfe vor allem mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit praktische Bedeutung haben, der in Art. 49 Abs. 3 und 52 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta unionsrechtlich verankert ist. Nach Art. 11 Abs. 1 lit. f der Richtlinie EEA ist die Zurückweisung einer Europäischen Ermittlungsanordnung bereits dann möglich, wenn „berechtigte Gründe für die Annahme sprechen“, dass ein Verstoß gegen die europäischen Grundrechte vorliegt. Berechtigte Gründe im Sinne der Norm dürften vorliegen, wenn sich plausible Zweifel der zuständigen österreichischen Stellen an der Grundrechtskonformität anhand der vorliegenden Informationen nicht ausräumen lassen.

Z 3 setzt den allgemeinen Zurückweisungsgrund aus Art. 11 Abs. 1 lit. c der Richtlinie EEA um. Liegt der Europäischen Ermittlungsanordnung ein Verfahren nach Art. 4 lit. b und c der Richtlinie EEA zugrunde, wurde also die Europäische Ermittlungsanordnung nach österreichischem Rechtsverständnis zur Verfolgung von Verwaltungsübertretungen gestellt, so ist die Vollstreckung zu verweigern, wenn die Ermittlungsmaßnahme nach österreichischem Recht in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall nicht zulässig wäre.

Gemäß Z 4 ist die Ablehnung der Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung möglich, wenn durch ihre Vollstreckung wesentliche Sicherheitsinteressen des Bundes oder der Länder beeinträchtigt würden. Die Norm setzt den fakultativen Zurückweisungsgrund aus Art. 11 Abs. 1 lit. b der Richtlinie EEA um.

Nach Z 5 kann die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung abgelehnt werden, wenn ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelverfolgung droht. Die Regelung setzt den Zurückweisungsgrund aus Art. 11 Abs. 1 lit. d der Richtlinie EEA (Grundsatz des „ne bis in idem“; vgl. Art. 4 des 7. ZP EMRK) um. Die Sperrwirkung tritt nach Maßgabe der grundrechtlichen Vorgaben (vgl. insbesondere auch die Ausnahme gemäß Art. 4 Abs. 2 7. ZP EMRK) ein, wenn die von den Ermittlungen betroffene Person in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ausstellungsstaat freigesprochen oder verurteilt wurde. Im Fall der Verurteilung zu einer Sanktion muss als zusätzliche Voraussetzung die verhängte Sanktion bereits vollständig vollstreckt worden sein, gerade vollstreckt werden oder nach dem Recht des Urteilsstaates nicht mehr vollstreckt werden können. Ob bereits in dem Ausstellungsstaat ein Fall des „ne bis in idem“ vorliegt, ist nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung ausschließlich von diesem selbst zu prüfen.

Z 6 setzt die sogenannte Territorialitätsklausel aus Art. 11 Abs. 1 lit. e der Richtlinie EEA um. Die Territorialitätsklausel trägt dem Vertrauen der handelnden Person in die eigene Rechtsordnung und ihrem Interesse an einer Nichtverfolgung im Ausland Rechnung, wenn eine Tat im Inland oder an einem gleichgestellten Ort begangen wurde (vgl. dazu Art. 7 Abs. 2 lit. d sublit. ii des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI, der durch § 5 Abs. 2 Z 5 des EU-Verwaltungsstrafvollstreckungsgesetzes – EU-VStVG, BGBl. I Nr. 3/2008, umgesetzt wurde).

Z 7 regelt die Zurückweisung mangels beiderseitiger Strafbarkeit.

Z 8 regelt den Fall, dass die zu vernehmende Person der Vernehmung nicht zustimmt (vgl. § 14 Abs. 2).

Zu Abs. 2:

Abs. 2 dient der Umsetzung des Art. 11 Abs. 2, der vorsieht, dass der Zurückweisungsgrund aus Art. 11 Abs. 1 lit. g nicht für die Ermittlungsmaßnahmen aus der sogenannten Positivliste in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie EEA gilt.

Zu Abs. 3:

Ist die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung unzulässig, ist die zuständige Stelle des Ausstellungsstaates, die im Formblatt der Anlage 1 angegeben ist, unverzüglich zu unterrichten. Die Vorschrift setzt Art. 16 Abs. 3 lit. a der Richtlinie EEA um. Die Unterrichtung durch die zuständigen österreichischen Stellen hat unverzüglich stattzufinden und in einer Form zu erfolgen, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht. Die Entscheidung ist von der zuständigen Stelle zu begründen.

Zu § 10 (Fristen):

Art. 12 der Richtlinie EEA sieht konkrete Fristen für die Anerkennung bzw. die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung vor, die mit § 10 umgesetzt werden. Die Fristen stellen gegenüber den bisherigen Instrumentarien der klassischen Rechtshilfe, insbesondere gegenüber dem EuRHÜ 1959, eine wesentliche verfahrensrechtliche Neuerung dar.

Zu Abs. 1:

Über die Vollstreckung soll unverzüglich, spätestens aber 30 Tage nach Einlangen der Europäischen Ermittlungsanordnung bei der zuständigen Stelle entschieden werden. Die Regelung dient der Umsetzung von Art. 12 Abs. 1 und 3 der Richtlinie EEA. Abs. 1 ist als Soll-Vorschrift gefasst. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass – unionsrechtskonform – die Möglichkeit zur Fristverlängerung besteht (siehe Art. 12 Abs. 5 der Richtlinie EEA). Zudem sieht die Richtlinie EEA keine Sanktionen für eine Fristüberschreitung vor.

Zu Abs. 2:

Die für die Vornahme der erbetenen Ermittlungshandlung zuständigen österreichischen Stellen sind aufgefordert, die Maßnahme unverzüglich, spätestens aber binnen 90 Tagen nach Erlass der Entscheidung über die Anerkennung oder Vollstreckung der Ermittlungsanordnung (vgl. Art. 12 Abs. 4 iVm. Abs. 3 Richtlinie EEA) zu setzen. Die Vorschrift setzt Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie EEA um und ist als Soll-Vorschrift gefasst (vgl. insoweit die Anmerkungen zu Abs. 1). Ausnahmen gelten, wenn ein Grund für einen Aufschub gemäß § 11 vorliegt oder wenn sich die Beweismittel, um die ersucht wird, bereits im behördlichen Besitz befinden. Im letzteren Fall sollen die Beweismittel schneller als innerhalb von 90 Tagen übermittelt werden, ohne dass die Richtlinie EEA hierfür allerdings eine konkrete Frist vorgibt.

Zu Abs. 3:

Die zuständigen österreichischen Stellen haben Wünschen, die die zuständige Behörde des Ausstellungsstaates in Bezug auf zeitliche Vorgaben äußert, möglichst weitgehend zu entsprechen. Die Vorschrift setzt Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie EEA um.

Zu Abs. 4:

Die Vorschrift enthält eine Unterrichtungspflicht, die sich auf die Regelungen in Abs. 1 und 3 bezieht. Können die dort genannte Frist bzw. besondere Wünsche nicht eingehalten werden, ist die im Formblatt der Anlage 1 entsprechend benannte zuständige Stelle des Ausstellungsstaates unverzüglich zu unterrichten. Die Gründe und die voraussichtliche Dauer der Verzögerung sind anzugeben. Die Unterrichtung soll in einer Form erfolgen, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht; hierzu erfolgt ein Verweis auf § 6 Abs. 4 letzter Satz. Zwar sieht Art. 12 Abs. 5 der Richtlinie EEA für die Unterrichtung keine besondere Form vor; aus Gründen der Einheitlichkeit und zur einfacheren Handhabung soll im nationalen Recht aber eine Formvorgabe erfolgen. Die Frist nach Abs. 1 kann um höchstens 30 Tage verlängert werden.

In Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben muss eine Unterrichtung nur stattfinden, wenn die Einhaltung der Fristen aus „praktischen Gründen“ nicht möglich ist. Ist dagegen die Einhaltung von Fristen bereits aus rechtlichen Gründen unmöglich, greift die Unterrichtungspflicht nicht ein; hier ist auch eine Fristverlängerung entbehrlich. Allerdings wäre die ersuchende Behörde auch in diesem Fall gegebenenfalls über die Sachlage zu unterrichten.

Kann die – nicht zwingende – Frist nach Abs. 1 nicht eingehalten werden, löst dies nach den unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie EEA keine Unterrichtungspflicht aus. Auch eine Möglichkeit zur Fristverlängerung gibt es hier nicht.

Zu Abs. 5:

Ist es aus praktischen Gründen nicht möglich, die Frist aus Abs. 2 einzuhalten, gilt ebenfalls eine Unterrichtungspflicht. Auch diese soll in einer Form erfolgen soll, die einen schriftlichen Nachweis ermöglicht, auch wenn Art. 12 Abs. 6 der Richtlinie EEA eine Unterrichtung in beliebiger Form ausreichen lässt. Die Gründe für die Verzögerung sind anzugeben.

Zu § 11 (Aufschub der Vollstreckung):

Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie EEA, der die Möglichkeit zum Aufschub der Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung durch den Vollstreckungsstaat regelt und damit eine Art vorläufigen Zurückweisungsgrund enthält, wird durch § 11 umgesetzt.

Abs. 1 ermöglicht einen Aufschub der Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung, wenn andernfalls laufende strafrechtliche Ermittlungen beeinträchtigt würden (Z 1) oder die erbetenen Beweismittel bereits in einem anderen Verfahren verwendet werden (Z 2). Die verwendete Formulierung „soweit“ macht zum einen deutlich, dass der Aufschub der Vollstreckung zeitlich solange erfolgt, wie dies zur Zweckerreichung erforderlich ist. Zum anderen lässt die Formulierung auch einen nur teilweisen Aufschub der Vollstreckung zu. Unter dem Begriff „Beweismittel“ sind die in Art. 15 Abs. 1 li. b der Richtlinie EEA genannten „Sachen, Schriftstücke oder Daten“ zu verstehen.

Entfällt der Grund für den Aufschub der Vollstreckung, ist unverzüglich über die Vollstreckung der Europäischen Ermittlungsanordnung zu entscheiden. Insoweit gelten die Fristen gemäß § 10. Entscheidet die zuständige Stelle, die Vollstreckung aufzuschieben, hat sie diese Entscheidung zu begründen.

Zu § 12 (Übermittlung von Beweismittel):

Wird die Europäische Ermittlungsanordnung anerkannt und vollstreckt, sind erlangte Beweismittel vom Vollstreckungsstaat grundsätzlich unverzüglich an den Ausstellungsstaat zu übermitteln (vgl. Art. 13 Abs. 1).

Nach Abs. 2 ist bei der Übermittlung des Beweismittels anzugeben, ob und gegebenenfalls binnen welcher Frist eine Rückgabe erbeten wird, wenn das Beweismittel im Ausstellungsstaat nicht mehr benötigt wird (vgl. Art. 13 Abs. 3 und 4).

Zu § 13 (Kosten):

Durch § 13 wird Art. 21 der Richtlinie EEA umgesetzt. Danach trägt grundsätzlich der Vollstreckungsstaat alle Kosten, die in seinem Hoheitsgebiet bei der Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung anfallen. Dies entspricht dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht jedoch dann, wenn die Vollstreckungsbehörde der Ansicht ist, dass die Vollstreckungskosten außergewöhnlich hoch sind; in diesem Fall kann sie die Ausstellungsbehörde konsultieren und dort eine Kostenteilung oder auch eine Änderung der Europäischen Ermittlungsanordnung anregen. Die Vollstreckungsbehörde informiert die Ausstellungsbehörde in diesem Fall vorab über den Teil der Kosten, der als außergewöhnlich hoch betrachtet wird. Die Ausstellungsbehörde kann dann die Europäische Ermittlungsanordnung ganz oder teilweise zurücknehmen oder die Europäische Ermittlungsanordnung aufrechterhalten und den Teil der Kosten, den die Vollstreckungsbehörde als außergewöhnlich hoch ansieht, selbst tragen.

Zum vierten Abschnitt (§§ 14 und 15):

Der vierte Abschnitt enthält Vorschriften über besondere Ermittlungsmaßnahmen wie die Vernehmung im Wege einer Telefon- oder Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung.

Zu § 14 (Vernehmung im Wege einer Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung):

Zu Abs. 1:

In der Europäischen Ermittlungsanordnung kann darum ersucht werden, beschuldigte Personen, Zeugen oder Sachverständige, die sich im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaats befinden, im Wege einer Videokonferenz oder sonstiger audiovisueller Übertragung zu vernehmen. Dadurch wird Art. 24 der Richtlinie EEA umgesetzt.

Zu Abs. 2:

Eine grenzüberschreitende Vernehmung unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung ist – zusätzlich zu den in § 9 genannten Gründen – unzulässig, wenn die zu vernehmende Person nicht zustimmt. Die Regelung stützt sich zunächst auf den Zurückweisungsgrund gemäß Art. 24 Abs. 2 lit. a der Richtlinie EEA, der es zulässt, eine Beschuldigtenvernehmung im Wege einer Videokonferenz von der Zustimmung der zu vernehmenden Person abhängig zu machen. Für die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen gilt dieser Zurückweisungsgrund zwar nicht. Insoweit greift aber der allgemeiner gefasste Art. 24 Abs. 2 lit. b der Richtlinie EEA, wonach eine Europäische Ermittlungsanordnung, die auf eine Vernehmung im Wege einer Videokonferenz gerichtet ist, zurückgewiesen werden kann, wenn die audiovisuelle Vernehmung gegen wesentliche Rechtsgrundsätze des Vollstreckungsstaates verstoßen würde. Da eine Vernehmung unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung unter der Leitung der zuständigen Behörde des Ausstellungsstaates und nach dessen Recht erfolgt, käme eine erzwungene Vernehmung einer Unterwerfung der zu vernehmenden Person unter das Recht des Ausstellungsstaates gleich, was wesentlichen Grundsätzen des österreichischen Rechts widerspräche. Wirken die Zeugen oder Sachverständigen dagegen freiwillig an der Vernehmung mit, bestehen gegen die Durchführung der Maßnahme keine Bedenken.

Zu Abs. 3:

Die Leitung der Vernehmung obliegt der zuständigen Stelle des Ausstellungsstaates. Die Vernehmung erfolgt auf der Grundlage des dortigen Rechts. Die Vorschrift setzt Art. 24 Abs. 5 lit. c der Richtlinie EEA um. Die zuständige österreichische Stelle ist zu einer Teilnahme an der Vernehmung und zur Feststellung der Identität der zu vernehmenden Person verpflichtet. Darüber hinaus kommt den teilnehmenden österreichischen Stellen die wichtige Aufgabe zu, auf die Einhaltung der wesentlichen österreichischen Rechtsgrundsätze (Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrechte und die entsprechenden Belehrungen) zu achten. Die Regelung setzt Art. 24 Abs. 5 lit. a der Richtlinie EEA um. Die an der Vernehmung teilnehmenden österreichischen Stellen sind verpflichtet, beschuldigte Personen bei Beginn der Vernehmung über die Rechte zu belehren, die ihnen nach dem Recht des Ausstellungsstaates und nach österreichischem Verfahrensrecht zustehen. Die Regelung setzt Art. 24 Abs. 5 lit. e der Richtlinie EEA um. Die Fälle der Aussageverweigerung und der Falschaussage richten sich nach nationalem Recht (vgl. Art. 24 Abs. 7 Richtlinie EEA).

Für die Frage, welche Beschuldigtenrechte nach dem Recht des Ausstellungsstaates gelten, werden die beteiligten österreichischen Stellen regelmäßig auf Informationen des Ausstellungsstaates angewiesen sein. Entsprechende Informationen liegen zwar nicht zwingend bereits bei Eingang einer Europäischen Ermittlungsanordnung vor, da das Formular aus der Anlage 1 dafür kein Feld vorsieht. Der erforderliche Informationsaustausch kann aber jedenfalls im Zuge der Vereinbarung erfolgen, die die beteiligten Mitgliedstaaten für die Vernehmung treffen müssen. Die Formulierung „sind zu belehren“ lässt es im Übrigen zu, dass die beteiligten österreichischen Stellen der sachleitenden Stelle die Belehrung über die Beschuldigtenrechte nach dem Recht des Ausstellungsstaates übertragen. In diesem Fall ist gegebenenfalls gemäß Art. 24 Abs. 5 lit. d der Richtlinie EEA eine Übersetzung sicherzustellen.

Eine Belehrungspflicht der teilnehmenden österreichischen Stellen besteht auch für Zeugen und Sachverständige (Abs. 3 letzter Satz).

Zu § 15 (Vernehmung im Wege einer Telefonkonferenz):

Die Vorschrift betrifft die grenzüberschreitende telefonische Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen. Hierfür gelten die Regelungen des § 14 mit Ausnahme jener, die die Beschuldigtenrechte betreffen, da der umzusetzende Art. 25 Abs. 1 und 2 der Richtlinie EEA eine telefonische Beschuldigtenvernehmung nicht vorsieht. Anders als § 14 enthält § 15 ergänzend die Voraussetzung, dass ein persönliches Erscheinen der zu vernehmenden Person im Hoheitsgebiet des Ausstellungsstaates nicht zweckmäßig oder möglich ist.

Zum fünften Abschnitt (§§ 16 bis 22):

Der fünfte Abschnitt enthält Schlussbestimmungen.

Zu § 16 (Gleichstellung von ausländischen mit inländischen Amtsträgern bei Amtshandlungen in der Republik Österreich):

Art. 17 der Richtlinie EEA regelt die strafrechtliche Verantwortlichkeit von ausländischen „Amtsträgern“ im jeweiligen Vollstreckungsstaat und sieht hierfür eine umfassende Gleichstellung von ausländischen und inländischen Amtsträgern vor. Die Gleichstellung ist beschränkt auf die Dauer des Aufenthalts der ausländischen Amtsträger. Die Gleichstellung bezieht sich auf Straftaten, die Amtsträger aus einem anderen Mitgliedstaat selbst begehen oder die gegen sie begangen werden („zu ihrem Nachteil“).

Zu § 17 (Ausgleich von Schäden):

Mit dieser Bestimmung wird Art. 18 der Richtlinie EEA umgesetzt, der Vorgaben für den Fall macht, dass Amtsträger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (Entsendemitgliedstaat) im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates (Einsatzmitgliedstaat) tätig sind und dabei Schäden verursachen.

Die Amtsträger werden hier hoheitlich tätig, weil auf ihren amtlichen Einsatz abgestellt wird. Anders als dessen Überschrift nahelegt, will Art. 18 der Richtlinie EEA nicht die zivilrechtliche Haftung regeln, der die Schadensverursacher bei einer unerlaubten Handlung unterliegen können. Für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten gelten die Rechtsnormen über die internationale Zuständigkeit der Zivilprozessordnung nicht. Geschädigte Personen haben ihre Ansprüche nach anerkanntem Völkergewohnheitsrecht regelmäßig in dem jeweiligen Entsendemitgliedstaat zu verfolgen, weil der Einsatzmitgliedstaat nicht über die Rechtmäßigkeit von Handlungen des Entsendemitgliedstaates entscheiden kann (Grundsatz der Staatenimmunität). Hieran will die Richtlinie EEA nichts ändern, denn es wird ausdrücklich nicht angeordnet, dass die Anwesenheit der Amtsträger aus dem Entsendemitgliedstaat dem Einsatzmitgliedstaat zugeordnet wird. Insoweit lässt § 17 die Ansprüche von Geschädigten oder Dritten unberührt.

Abs. 1:

Die Regelung setzt die Vorgaben aus Art. 18 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie EEA um. Nach Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie EEA muss der Einsatzmitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet Amtsträger des Entsendemitgliedstaates bei Amtshandlungen, die in einem Verfahren auf der Grundlage der Richtlinie EEA erfolgen, Dritte schädigen, diesen Schaden gegenüber den geschädigten Dritten so ersetzen, wie er ihn ersetzen müsste, wenn seine eigenen Amtsträger den Schaden verursacht hätten. Im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander haftet jedoch der Entsendemitgliedstaat, der dem Einsatzmitgliedstaat nach Art. 18 Abs. 3 der Richtlinie EEA das Geleistete erstatten muss und dabei nach Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie EEA den Rechtsvorschriften des Einsatzmitgliedstaates unterliegt.

Ist die Republik Österreich Entsendemitgliedstaat, haftet sie deshalb nach Abs. 1 für Schäden, die ihre Amtsträger bei der Vornahme von Amtshandlungen in dem jeweiligen Einsatzmitgliedstaat verursachen. Die Haftung erfolgt ausschließlich gegenüber dem Einsatzmitgliedstaat und nur für den Fall, dass der Einsatzmitgliedstaat der geschädigten Person oder deren Rechtsnachfolge den entstandenen Schaden ersetzt hat.

Der Einsatzmitgliedstaat kann den Regress von der Republik Österreich verlangen.

Die Formulierung „österreichische Amtsträger“ zielt nicht auf eine österreichische Staatsangehörigkeit der Schadensverursacher ab. Maßgeblich ist vielmehr, dass die genannten Personen nach österreichischem Recht Amtsträger sind (vgl. § 74 Abs. 1 Z 4a des Strafgesetzbuches – StGB, BGBl. Nr. 60/1974).

Der Fall, in dem Amtsträger anderer Mitgliedstaaten einen Schaden im Hoheitsgebiet der Republik Österreich verursachen und dann nach österreichischem Recht haften, ist nicht umzusetzen. Das nationale Recht kann keine Haftung für andere souveräne Staaten begründen. Die jeweiligen Mitgliedstaaten müssen selbst sicherstellen, den Vorgaben von Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie EEA nachzukommen.

Abs. 2:

Die Regelung betrifft den Fall, dass Amtsträger eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union im Zuge eines Verfahrens auf der Grundlage der Richtlinie EEA in der Republik Österreich anwesend sind und dabei einen Schaden verursachen. Die Republik Österreich muss dann im Verhältnis zu den Geschädigten den Schaden gutmachen. Die Haftung besteht nur, soweit die Republik Österreich nach österreichischem Recht haften würde, wenn ihre eigenen Amtsträger den Schaden verursacht hätten.

Die Regelung setzt Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie EEA um und beruht auf Fürsorgeaspekten: In der Republik Österreich Geschädigte sollen nicht gezwungen sein, sich für den Ersatz ihres Schadens an die Behörden des Entsendemitgliedstaates zu wenden, dessen Sprache sie möglicherweise nicht sprechen und dessen Rechtsordnung sie nicht kennen. Dies schließt aber nicht aus, dass die Geschädigten auch direkt von dem Entsendemitgliedstaat Schadensersatz nach dessen Staatshaftungsrecht verlangen.

Die Frage, inwieweit der Entsendemitgliedstaat von der Republik Österreich in Regress genommen werden kann, hängt von dessen nationalem Recht ab. Nach Art. 18 Abs. 4 der Richtlinie EEA kann ein Regress nur verlangt werden, wenn Schadensersatz an geschädigte Personen oder an deren Rechtsnachfolger geleistet wurde. Ein Regress im Hinblick auf eigene Schäden scheidet aus.

Zu § 18 (Verhältnis zu anderen Übereinkünften und Vereinbarungen):

Durch § 18 wird Art. 34 der Richtlinie EEA umgesetzt, der das Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten, Übereinkünften und Vereinbarungen regelt. Den Mitgliedstaaten wird der Abschluss oder die Anwendung von bilateralen oder multilateralen Übereinkommen mit anderen Mitgliedstaaten erlaubt, wenn diese Übereinkommen zu einer weiteren Vereinfachung der grenzüberschreitenden Beweiserhebung beitragen und sofern das in der Richtlinie EEA festgelegte Schutzniveau gewahrt ist. Ob danach insbesondere die weitere Anwendung der bilateralen Rechtshilfeergänzungsverträge zu dem Eu-RHÜ 1959 zulässig ist, wird jeweils nach diesem Maßstab zu beurteilen sein.

Zu §§ 19 bis 22 (Verweisungen, sprachliche Gleichbehandlung, Vollziehung, Inkrafttreten):

Schlussbestimmungen.