Allgemeiner Teil

1. Die Verordnung (EU) 2017/1563 über den grenzüberschreitenden Austausch von Vervielfältigungsstücken bestimmter urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände in einem barrierefreien Format zwischen der Union und Drittländern zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen (im Folgenden: „Verordnung“) und die Richtlinie (EU) 2017/1564 über bestimmte zulässige Formen der Nutzung bestimmter urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen und zur Änderung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (im Folgenden: „Richtlinie“) wurden am 20. September 2017 im Amtsblatt L 242 der Europäischen Union (S. 1 ff und 6 ff) veröffentlicht. Die Verordnung ist ab dem 12. Oktober 2018 anwendbar. Die Richtlinie ist bis zum 11. Oktober 2018 umzusetzen.

Beide Rechtsakte dienen der Umsetzung der Verpflichtungen, die sich aus der Ratifizierung des Vertrags von Marrakesch zur Erleichterung des Zugangs für blinde, sehbehinderte oder anderweitig lesebehinderte Personen zu veröffentlichten Werken (im Folgenden: „Vertrag von Marrakesch“) für die Union und ihre Mitgliedstaaten ergeben werden.

Mit Beschluss (EU) 2018/254 des Rates vom 15. Februar 2018 über den Abschluss — im Namen der europäischen Union — des Vertrags von Marrakesch zur Erleichterung des Zugangs blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen zu veröffentlichten Werken wurde der Vertrag im Namen der Union genehmigt. Die Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde wird am 12. Juli 2018 erfolgen, sodass der Vertrag gemäß seinem Art. 19 die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten mit dem Tag nach dem Ende der Umsetzungsfrist für die Richtlinie und dem Geltungsbeginn der Verordnung am 12. Oktober 2018 bindet.

2. Der Vertrag von Marrakesch legt eine Reihe internationaler Regeln fest, um sicherzustellen, dass auf nationaler Ebene Einschränkungen oder Ausnahmen in Bezug auf das Urheberrecht zugunsten von blinden, sehbehinderten oder anderweitig lesebehinderten Personen (im Folgenden kurz: seh- oder lesebehinderte Personen) bestehen und der grenzüberschreitende Austausch von Kopien veröffentlichter Werke in einem barrierefreien Format, die unter Einschränkungen oder Ausnahmen in Bezug auf das Urheberrecht erstellt wurden, ermöglicht wird. Österreich hat den Vertrag von Marrakesch bereits mit der Urheberrechts-Novelle 2015, BGBl. I Nr. 99/2015, in § 42d UrhG umgesetzt. Dabei hat der österreichische Gesetzgeber sich nicht auf eine besondere freie Werknutzung für Menschen mit den in Art. 3 des Vertrags erfassten Seh- oder Lesebehinderungen beschränkt, sondern seinen Ansatz weiterverfolgt, die freie Werknutzung für alle Behinderungen weiter auszubauen.

3. Die Richtlinie setzt die Vorgaben des Vertrags von Marrakesch durch die Einführung zwingender harmonisierter Ausnahmen von den urheberrechtlichen Verwertungsrechten um, um Menschen mit Seh- oder Lesebehinderungen den Zugang zu Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen oder anderen Schriftstücken, Notationen einschließlich von Notenblättern, und zugehöriger Illustrationen in einer beliebigen Medienform, auch in Audioformat wie Hörbüchern, und in digitaler Form in barrierefrei zugänglichen Formaten innerhalb der EU zu erleichtern. Die Verordnung dient der Umsetzung der Verpflichtungen des Vertrags über einen grenzüberschreitenden Austausch von Kopien veröffentlichter Werke in einem barrierefreien Format zugunsten von Menschen mit Seh- oder Lesebehinderungen mit Drittländern, die Vertragspartei des Vertrags von Marrakesch sind.

Die Richtlinie lässt zwar in Art. 8 im Rahmen des Art. 5 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2001/29/EG eine weitergehende Ausnahme für Menschen mit anderen Behinderungen zu, regelt aber Ausnahmen für Menschen mit Seh- oder Lesebehinderungen abschließend, sodass insofern den Mitgliedstaaten kein Umsetzungsspielraum bleibt. Vor diesem Hintergrund weicht der Text der Richtlinie doch deutlich vom Text des alle Behinderungen erfassenden § 42d UrhG ab, etwa bei den erfassten Werken und Schutzgegenständen und den erlaubten Nutzungshandlungen. Darüber hinaus verlangt die Richtlinie auch freie Nutzungen an Datenbanken, Darbietungen, Tonträgern, Filmen und Sendungen, wohingegen § 42d in die Kataloge der Verweisungsbestimmungen der verwandten Schutzrechte nicht aufgenommen wurde. Die Einbeziehung der verwandten Schutzrechte begründet der letzte Satz des Erwägungsgrundes 6 der Richtlinie damit, dass sich die nach dem Vertrag von Marrakesch erforderlichen Ausnahmen oder Beschränkungen auch auf Werke in Audioform wie Hörbücher erstrecken. Darüber hinaus sehen Richtlinie und Verordnung besondere Regeln für Nutzungshandlungen mit Auslandsbezug (also die Weitergabe an ausländische befugte Stellen oder der Bezug von Werken von ausländischen Stellen) und Beschränkungen für Vergütungsansprüche vor. Letztlich ergibt sich der Umsetzungsbedarf auch daraus, dass die Richtlinie die vertragliche Unabdingbarkeit der freien Nutzung vorgibt und über Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2001/29/EG hinausgehende Verpflichtungen für die Durchsetzung der freien Nutzung gegen technische Schutzmaßnahmen verlangt.

Besonderer Teil

Zu § 42d:

Zu Abs. 1 bis 3:

Ziel der Richtlinie ist die Verbesserung der Verfügbarkeit von Büchern, auch E-Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen und anderen Schriftstücken, Notationen einschließlich Notenblättern, und anderem gedruckten Material für Personen mit Seh- oder Lesebehinderungen. Es soll nach der Richtlinie im Wesentlichen möglich sein, dass für diese Personengruppe Vervielfältigungsstücke in einem für sie zugänglichen Format erstellt und weitergegeben werden können. Die Abs. 1 bis 3 enthalten die dafür notwendigen Begriffsdefinitionen. Darin werden die begünstigten Personen (Personen mit Seh- oder Lesebehinderung), die befugten Stellen für Seh- und Lesebehinderungen und die Vervielfältigungsstücke in einem barrierefreien Format näher umschrieben. Die Definitionen entsprechen den Begriffsbestimmungen in Art. 2 Abs. 1 bis 4 der Richtlinie. Zu den barrierefreien Formaten gehören nach dem Erwägungsgrund 7 der Richtlinie beispielsweise Formate in Braille-Schrift oder Großdruck und angepasste E-Bücher, Hörbücher und Hörfunksendungen. Dabei sind sowohl Formate umfasst, die den begünstigten Personen überhaupt erst einen Zugang ermöglichen, als auch Formate, die den begünstigten Personen einen genauso leichten und komfortablen Zugang ermöglichen, wie ihn ein Mensch ohne eine Behinderung der Seh- oder Lesefähigkeit hat.

Vor Abs. 4 und 5:

Kern der Richtlinie ist deren Art. 3 Abs. 1, der zwei Nutzungshandlungen umschreibt, die in den Mitgliedstaaten der EU zulässig sein müssen. Es geht dabei zum einen um die Herstellung barrierefreier Vervielfältigungsstücke durch eine oder zugunsten einer begünstigten Person (Art. 3 Abs. 1 lit. a) und zum anderen um die Erstellung und Weitergabe solcher Vervielfältigungsstücke durch befugte Einrichtungen an begünstigte Personen (Art. 3 Abs. 1 lit. b).

Die Richtlinie führt im einleitenden Satz des Art. 3 Abs. 1 die Rechte an, von denen Ausnahmen zugunsten von Menschen mit Seh- oder Lesebehinderungen vorzusehen sind, indem sie auf Rechte verweist, die in mehreren Richtlinien harmonisiert sind. Die Ausnahme hat sich daher auf folgende Rechte der Urheber zu beziehen:

1.      Das Recht der Vervielfältigung nach § 15 UrhG (Art. 5 der Richtlinie 96/9/EG für das Datenbankwerk, Art. 4 der Richtlinie 2009/24/EG für Computerprogramme und Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG für alle Werke),

2.      das Senderecht nach § 17 UrhG und das Recht der öffentlichen Wiedergabe nach § 18 Abs. 3 UrhG (Art. 5 der Richtlinie 96/9 für das Datenbankwerk und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG für alle Werke),

3.      das Zurverfügungstellungsrecht nach § 18a UrhG (Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG) und

4.      das Verbreitungsrecht nach § 16 UrhG (Art. 5 der Richtlinie 96/9 für das Datenbankwerk, Art. 4 der Richtlinie 2009/24/EG für Computerprogramme und Art. 4 der Richtlinie 2001/29/EG für alle Werke).

In Umsetzung des Art. 5 der Richtlinie 96/9/EG räumt § 40g UrhG dem Urheber einer Datenbank ein eigenständiges Recht der öffentlichen Wiedergabe ein, das ausdrücklich in die Aufzählung der betroffenen Rechte aufgenommen wird. Der Verweis auf Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2006/115/EG erfasst das Vermiet- und Verleihrecht. Nach österreichischem Verständnis handelt es sich dabei aber um eine besondere Form des Verbreitungsrechts, die mit der Ausnahme des Verbreitungsrechts ohnedies erfasst ist. Darüber hinaus bezieht der Entwurf aber das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht in die Ausnahmeregelung ein.

Art. 7 der Richtlinie 96/9 harmonisiert die Rechte des Datenbankherstellers auf Entnahme (in Österreich umgesetzt durch „Vervielfältigung“) und Weiterverwendung (in Österreich umgesetzt durch Verbreitung, Rundfunksendung, öffentliche Wiedergabe) von (Teilen) einer nichtkreativen Datenbank. Damit die Ausnahmen von diesen Rechten für das verwandte Schutzrecht an Datenbanken gelten, ist die Verweisungsnorm des § 76d Abs. 5 um § 42d zu ergänzen.

Art. 2 der Richtlinie 2001/29/EG betrifft auch die Vervielfältigung von Darbietungen, Tonträgern, Filmen und Sendungen. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiert die öffentliche Zurverfügungstellung auch von Darbietungen, Tonträgern, Filmen und Sendungen. Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2006/115/EG räumt Sendunternehmen das Recht der drahtlosen Weitersendung und der öffentlichen Wiedergabe ihrer Sendungen ein. Art. 9 der Richtlinie 2006/115/EG harmonisiert das Verbreitungsrecht an Darbietungen, Tonträgern, Filmen und Sendungen. Um die Ausnahme auch auf diese verwandten Schutzrechte anwenden zu können, ist daher eine Ergänzung von Verweisungsnormen erforderlich, und zwar für Darbietungen in § 71 Abs. 6, für Schallträger in § 76 Abs. 6, für Lichtbilder in § 74 Abs. 7 und für Sendungen in § 76a Abs. 6.

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie verlangt überdies, dass „keine Genehmigung …gemäß … Artikel 8 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2006/115/EG erforderlich …“ ist. Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG räumt aber kein ausschließliches Recht ein, sondern sieht zugunsten von ausübenden Künstlern und Schallträgerherstellern eine gemeinsame Vergütung für die öffentliche Wiedergabe von Schallträgern vor. Die Richtlinie dürfte daher auch die Einschränkung des Vergütungsanspruchs nach § 76 Abs. 3 UrhG verlangen.

Die Abs. 2 und 3 des Art. 3 der Richtlinie legen Einschränkungen für die nach Abs. 1 erlaubten Nutzungshandlungen fest. Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten zu gewährleisten, dass jedes Vervielfältigungsstück in einem barrierefreien Format die Unversehrtheit des Werks oder sonstigen Schutzgegenstands wahrt, wobei die Änderungen, die erforderlich sind, damit das Werk oder der sonstige Schutzgegenstand in dem alternativen Format zugänglich gemacht werden kann, gebührend berücksichtigt werden. Dieser Bestimmung wird bereits durch § 57 Abs. 1 iVm § 21 UrhG entsprochen. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie spricht darüber hinaus die – sich bereits aus internationalen und europäischen Verpflichtungen ergebende – Einhaltung des Dreistufentests für die Ausnahme an.

Zu Abs. 4 und 5:

Abs. 4 des Entwurfs setzt die Richtlinienvorgaben zur Erstellung eines barrierefreien Vervielfältigungsstücks zur ausschließlichen Nutzung durch die begünstigte Person um. Dabei kann das Stück durch die begünstigte Person selbst oder durch eine in ihrem Namen handelnde Person erstellt werden. Über den Wortlaut des § 42d hinausgehend setzt die freie Nutzung überdies voraus, dass die begünstigte Person rechtmäßigen Zugang zu dem betroffenen Schutzgegenstand hat.

Abs. 5 des Entwurfs regelt die Erstellung und die Weitergabe eines zulässigerweise erstellten Vervielfältigungsstücks in einem barrierefreien Format durch eine befugte Einrichtung. Die Bestimmung setzt damit die Ausnahme für die Vervielfältigung und die Weitergabe nach Art. 3 Abs. 1 lit. a und b der Richtlinie um.

Abs. 5 Z 1 erlaubt der befugten Stelle, ein Vervielfältigungsstück in einem barrierefreien Format herzustellen, wenn sie rechtmäßigen Zugang zu dem betroffenen Schutzgegenstand hat. Die Voraussetzung, dass dies zur ausschließlichen Nutzung einer bestimmten begünstigten Person zu erfolgen hat, wird hier nicht genannt.

Abs. 5 Z 2 regelt die Weitergabe von Vervielfältigungsstücken in einem barrierefreien Format durch die befugte Stelle und zählt explizit die erlaubten Nutzungen auf. Danach dürfen befugte Stellen zugunsten von Menschen mit Seh- oder Lesebehinderungen Vervielfältigungsstücke in einem barrierefreien Format in gemeinnütziger Weise verbreiten, durch Rundfunk senden, der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, nach § 40g öffentlich wiedergeben und zu öffentlichen Vorträgen, Aufführungen und Vorführungen nutzen.

Nach Art. 3 Abs. 1 lit. b der Richtlinie hat die Ausnahme für befugte Stellen auch die Erlaubnis zu enthalten, dass befugte Stellen Vervielfältigungsstücke in barrierefreien Formaten untereinander austauschen. Darüber hinaus erweitert Art. 4 der Richtlinie den Kreis der nach Art. 3 Abs. 1 lit. b der Richtlinie zu gestattenden Nutzungshandlungen um die Erstellung und Nutzung barrierefreier Vervielfältigungsstücke zugunsten von begünstigten Personen und befugten Stellen mit Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat. Der in Art. 4 der Richtlinie angesprochene „Bezug oder Abruf“ von einer befugten Stelle im Ausland muss mangels urheberrechtlicher Relevanz dieses Vorgangs nicht eigens angesprochen werden.

Der Austausch von Formatkopien mit begünstigten Personen und befugten Stellen aus Drittländern, die Vertragspartei des Vertrags von Marrakesch sind, richtet sich nach der Verordnung.

Zu Abs. 6 und 7:

Abs. 6 und 7 des Entwurfs übernehmen die Verpflichtungen, denen gemäß Art. 5 der Richtlinie befugte Stellen nachzukommen haben, die barrierefreie Formate grenzüberschreitend austauschen oder Nutzungshandlungen zugunsten von Menschen mit Seh- oder Lesebehinderungen in anderen Staaten der EU vornehmen.

Zu Abs. 8:

Die Richtlinie sieht in Art. 3 Abs. 6 einen fakultativen Ausgleichsanspruch für die erlaubten Nutzungshandlungen vor, der überdies nur gegen eine befugte Stelle mit Sitz im Inland vorgesehen werden darf. Nach Erwägungsgrund 14 sind für einen solchen Ausgleichsanspruch weitere einschränkende Bedingungen vorzusehen. Es sollen dabei jeweils die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Wenn einem Rechteinhaber nur ein geringfügiger Schaden entstünde, sollte sich beispielsweise keine Verpflichtung zur Zahlung eines Ausgleichs ergeben. Abs. 8 setzt diese Vorgaben um.

Zu Abs. 9:

Nach Art. 3 Abs. 5 Richtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die Ausnahme nicht per Vertrag umgangen werden kann.

Zu Abs. 10:

Abs. 10 sieht für Menschen mit anderen Behinderungen die sinngemäße Anwendung der den Vorgaben der Richtlinie angepassten freien Werknutzung vor. Andere Behinderungen außer Seh- und Lesebehinderungen waren schon vom bisherigen § 42d umfasst. Sie sollen durch die Umsetzung der Richtlinie, die auf Seh- oder Lesebehinderungen beschränkt ist, keinen Nachteil erleiden. Die aus der Richtlinie stammenden Beschränkungen auf bestimmte Werke und auf den grenzüberschreitenden Austausch mit bestimmten Staaten sollen hier nicht übernommen werden.

Zu § 71 Abs. 6, § 74 Abs. 7, § 76 Abs. 3, § 76 Abs. 6, § 76a Abs. 5, § 76d Abs. 5

Um die neue freie Werknutzung nach § 42d auch – wie von der Richtlinie vorgesehen – auf die verwandten Schutzrechte anwenden zu können, ist eine Ergänzung von Verweisungsnormen erforderlich, und zwar für Darbietungen in § 71 Abs. 6, für Lichtbilder in § 74 Abs. 7, für Schallträger in § 76 Abs. 6, für Rundfunksendungen in § 76a Abs. 6 und für Datenbanken in § 76d Abs. 5. Die Verweise umfassen jeweils auch die in § 42d Abs. 6 und 7 geregelten Verpflichtungen der befugten Stellen für Seh- und Lesebehinderungen, die dadurch auch in Hinblick auf die genutzten anderen Schutzgegenstände Anwendung finden. Darüber hinaus verlangt die Richtlinie auch eine Beschränkung des Vergütungsanspruchs nach § 76 Abs. 3 UrhG. Auf die Erläuterungen zu § 42d wird verwiesen.

Die Anpassung dieser verwandten Schutzrechte erstreckt sich auch auf die in § 42d Abs. 10 geregelten Fälle der Benutzung für Menschen mit anderen Behinderungen, die bisher in § 42d Abs. 1 bis 3 geregelt waren. Deren Rechtsposition wird damit graduell verbessert.

Zu § 90c Abs. 6 bis 8:

Art. 6 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft verpflichtet die Mitgliedstaaten zu einem Schutz gegen die Umgehung technischer Maßnahmen, die die Verletzung von Rechten verhindern sollen. Art. 7 dieser Richtlinie regelt den Schutz von Kennzeichnungen zur elektronischen Rechteverwaltung. Diese Vorgaben wurden mit der Urheberrechtsgesetz-Novelle 2003 durch die Einfügung der §§ 90c und 90d in das Urheberrechtsgesetz umgesetzt.

Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2001/29/EG regelt auch das Verhältnis zwischen technischen Schutzmaßnahmen und bestimmten Ausnahmen nach Art. 5 dieser Richtlinie. Die Richtlinie 2001/29/EG ging davon aus, dass die Rechteinhaber, die technische Schutzmaßnahmen anwenden, freiwillige Maßnahmen ergreifen, um den Begünstigten dieser Ausnahmen die Mittel zur Nutzung der betreffenden Ausnahme zur Verfügung zu stellen, soweit der betreffende Begünstigte rechtmäßig Zugang zu dem geschützten Werk oder Schutzgegenstand hat. Nur für den Fall, dass solche freiwilligen Maßnahmen nicht ergriffen werden, sah die Richtlinie 2001/29/EG vor, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen treffen müssen, um das erwähnte Ziel sicherzustellen.

Die Materialien zur Regierungsvorlage für die UrhG-Nov. 2003, (40 BlgNr 22. GP) gingen daher davon aus, dass es die Richtlinie 2001/29/EG den Mitgliedstaaten gestatte, mit einer gesetzlichen Regelung zuzuwarten, bis sich auf Grund der weiteren Entwicklung ein praktisches Bedürfnis hierfür zeige. Im Hinblick auf die Unsicherheiten der technischen Entwicklung und der sich herausbildenden Usancen in diesem Bereich entschied sich der Gesetzgeber der UrhG-Nov. 2003 für diese Lösung und sah von einer solchen Regelung ab.

Nunmehr ordnet aber Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie die teilweise Anwendung des Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2001/29 auf die Ausnahme zugunsten von Menschen mit Seh- oder Lesebehinderungen ausdrücklich an und weitet – durch die Nichtübernahme der Einschränkung des 4. Unterabs. des Art. 6 Abs. 4 – den Anwendungsbereich insofern erheblich aus, als die Berechtigung zum Zugang zu Werken und sonstigen Schutzgegenständen im Rahmen der Ausnahme auch auf solche Werke und sonstige Schutzgegenstände Anwendung findet, die der Öffentlichkeit interaktiv, also insbesondere über das Internet, zugänglich gemacht werden. Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie lässt den Mitgliedstaaten daher den Spielraum des Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie 2001/29/EG nicht und ist explizit umzusetzen. Dabei orientiert sich der Entwurf an § 95b dUrhG und hält sich eng am Wortlaut der Richtlinie 2001/29/EG.