Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Im Berufsrecht der Rechtsanwälte bedürfen für den Fall, dass das Vereinigte Königreich mit Ablauf des 29. März 2019 ohne verbindlich gewordenes Austritts-Abkommen aus der Europäischen Union ausscheiden sollte, jene Konstellationen einer Regelung, in denen ein Staatsangehöriger des Vereinigten Königreichs vor dessen Austritt aus der Europäischen Union

- in die Liste der Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen worden ist oder

- in Ausschöpfung der durch die Richtlinien 98/5/EG und 2005/36/EG sowie das EIRAG eingeräumten Möglichkeiten einen Antrag auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach dreijähriger effektiver und regelmäßiger Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Österreich oder nach Ablegung einer Eignungsprüfung gestellt hat.

Der Vorschlag sieht dazu vor, dass der Betreffende (nur) in den genannten Fällen und unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit auch nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich (bzw. zu einer Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter) befugt sein soll, dies gegebenenfalls mit den sich aus dem 3. Teil des EIRAG ergebenden Besonderheiten und Einschränkungen.

Im Bereich der Regelungen über die Ausübung der Rechtsanwaltschaft in einer Gesellschaft wird vorgesehen, dass eine in die Liste der Rechtsanwalts-Gesellschaften eingetragene, britischem Recht unterliegende Gesellschaft zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft ebenso wie eine Rechtsanwalts-Kommanditgesellschaft, an der als einziger Komplementär eine Gesellschaft beteiligt ist, die dem Recht des Vereinigten Königreichs unterliegt, auch nach dem Zeitpunkt des effektiven Wirksamwerdens des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich berechtigt sein soll, dies jedoch nur für einen Zeitraum von einem Jahr ab dem genannten Zeitpunkt. Eine entsprechende Regelung wird im Bereich des EIRAG auch für Zweigniederlassungen von Rechtsanwalts-Gesellschaften mit Hauptsitz im Vereinigten Königreich vorgeschlagen.

Zu sämtlichen der nach dem Vorschlag in Ansehung von Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs in der RAO (wie auch im EIRAG) vorgeschlagenen Maßnahmen ist festzuhalten, dass damit ausschließlich der ganz besonderen Situation Rechnung getragen werden soll, in der sich britische Staatsangehörige aufgrund des Austritts ihres Staates aus der Europäischen Union doch weitgehend unvermittelt befinden. Sie sind somit einzig Resultat der bisherigen EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs und der in deren Rahmen britischen Staatsangehörigen bislang zustehenden Rechte, auf die bei der Gestaltung der künftigen Beziehungen in angemessener Weise Bedacht zu nehmen ist. Wie immer geartete Rückschlüsse auf die Staatsangehörigen sonstiger (Dritt-)Staaten in Österreich im Bereich der sog. „legal services“ zustehenden Rechte und Befugnisse können daraus nicht gezogen werden; auch die Berufung auf eine von der Republik Österreich in einem internationalen Handelsabkommen oder einem gleichartigen völkerrechtlichen Instrument gegebenenfalls eingeräumte Meistbegünstigungsklausel ist in diesem Zusammenhang ausgeschlossen.

Im Gesellschaftsrecht soll durch ein spezielles, bis Ende 2020 geltendes Bundesgesetz bewirkt werden, dass Gesellschaften, die im Vereinigten Königreich registriert sind, aber ihren Verwaltungssitz in Österreich haben, kollisionsrechtlich vorläufig weiter so behandelt werden, als wäre das Vereinigte Königreich noch ein Mitgliedstaat der Europäischen Union.

Der vorliegende Entwurf soll in weiterer Folge mit den in den Bereichen der anderen Bundesministerien für den Fall des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ohne verbindlich gewordenes Austrittsabkommen gemäß Art. 50 Abs. 2 EUV vorgeschlagenen gesetzlichen Maßnahmen zu einem gemeinsamen Legislativvorschlag zusammengeführt werden. Auf dieses konsolidierte „Brexit-Begleitgesetz 2019“ wird in den Übergangsbestimmungen des vorliegenden Entwurfs bereits jetzt Bezug genommen.

Besonderer Teil

Zu Art. X1 (Änderung der RAO)

Die Zuständigkeit des Bundes für die im Bereich des rechtsanwaltlichen Berufsrechts (RAO und EIRAG) vorgeschlagenen Bestimmungen ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (Angelegenheiten ua. der Rechtsanwälte).

Eines der Erfordernisse für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte ist nach § 1 Abs. 2 lit. a RAO die österreichische Staatsbürgerschaft; dieser ist nach § 1 Abs. 3 RAO die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft gleichzuhalten. Entsprechendes gilt zufolge § 30 Abs. 1 RAO für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte. Der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft bzw. der Staatsangehörigkeit zu einem EU-/EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz führt nach § 34 Abs. 1 Z 1 und 5 RAO zum Erlöschen der Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft bzw. gemäß § 34 Abs. 4 und 5 RAO zur Löschung aus der Liste der Rechtsanwaltsanwärter.

Diese Rechtsfolge sollte bei Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs, die vor dem effektiven Wirksamwerden des Austritts aus der Europäischen Union in die Liste der Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen worden sind, dann vermieden werden, wenn und soweit in einer entsprechenden Konstellation auch österreichischen Staatsangehörigen im Vereinigten Königreich weiterhin die Ausübung der Rechtsanwaltschaft (bzw. die Tätigkeit in einem rechtsanwaltlichen Ausbildungsverhältnis) möglich ist.

Das für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter in § 1 RAO vorgesehene Staatsangehörigkeitserfordernis soll unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit nach dem Vorschlag daher auch dann erfüllt sein (und bleiben), wenn der Eintragungsbewerber vor dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union in die Liste der Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter eingetragen worden ist. Ist dies bei einem Rechtsanwaltsanwärter der Fall, so soll dieser auch noch die Möglichkeit haben, bei Erfüllung der Erfordernisse des § 1 Abs. 2 RAO die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte zu erwirken, sofern er längstens drei Jahre nach der Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärter seine Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte beantragt.

Das Staatsangehörigkeitserfordernis für die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte soll ferner dann entsprechend erfüllt sein, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a EIRAG vorliegen. Hat daher ein im Vereinigten Königreich zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs berechtigter britischer Staatsangehöriger vor dem effektiven Wirksamwerden des EU-Austritts seines Staates einen Antrag auf Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach dreijähriger effektiver und regelmäßiger Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Österreich oder nach Ablegung einer Eignungsprüfung gestellt, so sollen auf solche Bewerber die Bestimmungen des 3. Teils des EIRAG weiterhin anwendbar sein, damit die bereits eingeleitete „Vollintegration“ des betreffenden Rechtsanwalts abgeschlossen werden kann.

Einer gesonderten ausdrücklichen Regelung im vorliegenden Kontext bedarf es auch im Bereich der Bestimmungen über die Ausübung der Rechtsanwaltschaft in einer Gesellschaft, und zwar für Rechtsanwalts-Gesellschaften, die (bzw. deren Komplementär-Gesellschaft) in einer dem Recht des Vereinigten Königreichs unterliegenden Rechtsform gegründet wurden bzw. diesem Recht unterliegen. Solche Gesellschaften sollen für einen Zeitraum von einem Jahr nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union weiterhin zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft berechtigt sein, wenn sie zum Austrittszeitpunkt (bzw. zum Ende eines entsprechenden Übergangszeitraums) in die Liste der Rechtsanwalts-Gesellschaften eingetragen sind.

Gleichzeitig sind bei solchen Gesellschaften aber auch die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zu beachten und einzuhalten. Hier kann die im Rahmen des vorliegenden Entwurfs ebenfalls vorgeschlagene Regelung besondere Bedeutung erlangen, wonach das Vereinigte Königreich für britische Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz in Österreich haben, ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union oder des Ablaufs eines entsprechenden Übergangszeitraums, längstens aber bis zum 31. Dezember 2020 weiterhin als EU-Mitgliedstaat zu betrachten ist. Das bedeutet, dass bei allen solchen Gesellschaften bis Ende 2020 gegebenenfalls für die Einbringung in eine neugegründete Rechtsanwalts-Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder für die Verschmelzung mit einer solchen vorzukehren oder eine sonstige gesellschaftsrechtliche Lösung anzustreben ist; danach steht eine solche gesellschaftsrechtliche Konstruktion in Österreich generell – und damit auch zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft – nicht mehr zur Verfügung.

Zu Art. X2 (Änderung des EIRAG)

Hier darf zunächst auf die zu den Änderungen der RAO gemachten Ausführungen verwiesen werden. Auch an dieser Stelle sei nochmals klargestellt, dass die im vorgeschlagenen § 1 Abs. 1a EIRAG vorgesehene weitere Anwendbarkeit des – die Niederlassung regelnden – 3. Teils des EIRAG auf solche zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs im Vereinigten Königreich befugte Personen mit aufrechter Staatsangehörigkeit zum Vereinigten Königreich beschränkt ist, die zum Austrittszeitpunkt bereits die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach dreijähriger effektiver und regelmäßiger Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Österreich oder nach Ablegung einer Eignungsprüfung zumindest beantragt haben. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so finden die in den §§ 9 ff. EIRAG rund um die Niederlassung europäischer Rechtsanwälte (vgl. § 1 Abs. 1 EIRAG) in Österreich getroffenen Regelungen auf diese Personen bis zu deren „Vollintegration“ weiterhin Anwendung.

Für Rechtsanwälte mit Staatsangehörigkeit zum Vereinigten Königreich nach dem EU-Austritt in Österreich generell nicht mehr möglich sein wird dagegen ein Tätigwerden als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt im Sinn des 2. Teils des EIRAG. Die Zulässigkeit der Erbringung entsprechender Rechtsdienstleistungen durch solche Personen in Österreich wird dann vielmehr (einzig) nach dem 5. Teil des EIRAG zu beurteilen sein.

Ebenso wie in der RAO (vgl. den vorgeschlagenen § 1a Abs. 7 RAO) bedarf es im vorliegenden Kontext auch im EIRAG einer Regelung im Bereich der Bestimmungen über die Ausübung der Rechtsanwaltschaft in einer Gesellschaft, konkret in Bezug auf Zweigniederlassungen einer Rechtsanwalts-Gesellschaft mit Hauptsitz im Vereinigten Königreich. Parallel zu dem in der RAO vorgeschlagenen Regime soll nach dem neuen § 16 Abs. 5 EIRAG die Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich durch eine solche Zweigniederlassung, der ein die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a EIRAG erfüllender Rechtsanwalt angehört, für einen Zeitraum von einem Jahr nach dem sog. „Brexit“ weiterhin möglich und zulässig sein, wenn die Eintragung der Zweigniederlassung in das Firmenbuch vor dem effektiven Wirksamwerden des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union erfolgt ist.

Ausdrücklich klargestellt sei in diesem Zusammenhang noch, dass auch solchen Zweigniederlassungen gemäß § 16 Abs. 2 erster Satz EIRAG nur Personen im Sinn des § 21c RAO angehören dürfen. Britische Rechtsanwälte, die nicht schon zum Zeitpunkt des effektiven Wirksamwerdens des „Brexit“ in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen sind oder die Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte nach dreijähriger effektiver und regelmäßiger Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Österreich oder nach Ablegung einer Eignungsprüfung (zumindest) beantragt haben, können somit nicht Gesellschafter einer solchen Zweigniederlassung sein oder werden.

Zu Art. X3 (BG zur kollisionsrechtlichen Beurteilung von im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland registrierten Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Österreich):

Der Brexit wird für jene im österreichischen Firmenbuch als Zweigniederlassungen aufscheinenden Gesellschaften aus dem Vereinigten Königreich (VK) ein Problem darstellen, die ihren Verwaltungssitz nicht im Staat ihres registermäßigen Sitzes, sondern in Österreich haben. Dasselbe gilt für VK-Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Österreich, die nicht einmal mit einer inländischen Zweigniederlassung im Firmenbuch eingetragen sind.

Bei solchen Gesellschaften ist die österreichische „Zweigniederlassung“ eigentlich die Hauptniederlassung bzw. der tatsächliche Sitz der Hauptverwaltung, sodass es sich gemäß § 10 IPRG um österreichische Gesellschaften handeln würde. Dass sie in Österreich dennoch als VK-Gesellschaften anerkannt werden, beruht auf der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit, die nach dem Brexit bzw. nach Ablauf einer möglichen Übergangsfrist auf das Vereinigte Königreich aber nicht mehr anwendbar sein wird.

Mit dem Wegfall der Niederlassungsfreiheit droht daher insbesondere im VK registrierten limited liability companies mit inländischem Verwaltungssitz das Ende der Anerkennung als ausländische juristische Personen und damit unter Umständen auch eine persönliche Haftung der Gesellschafter.

Um das zu verhindern, bestehen unterschiedliche Möglichkeiten: So könnten VK-Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Österreich ihren Betrieb in eine inländische GmbH oder AG einbringen. Auch eine grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine österreichische Kapitalgesellschaft oder eine nach der EuGH-Judikatur zuzulassende grenzüberschreitende Verlegung des Satzungssitzes ist möglich.

Damit den Gesellschaften für derartige Maßnahmen auch dann ausreichend Zeit bleibt, wenn es beim Brexit kein Austrittsabkommen mit einer entsprechenden Übergangsfrist gibt, erscheint es zweckmäßig, für die betreffenden Gesellschaften durch ein eigenes Bundesgesetz bis Ende 2020 zu fingieren, dass das VK noch EU-Mitgliedstaat ist.

Die österreichischen Zweigniederlassungen von „echten“ VK-Gesellschaften werden hingegen auch nach dem Brexit ohne weiteres im Firmenbuch eingetragen bleiben können, weil auch die dann wieder maßgebliche Anwendung des § 10 IPRG zum Ergebnis führt, dass es sich um VK-Gesellschaften handelt.