Allgemeiner Teil

1.            Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

1. Die Bundesregierung sieht in ihrem Regierungsprogramm 2017  2022 „Zusammen. Für unser Österreich.“ im Zusammenhang mit Reformen im Strafrecht „Härtere Strafen für Sexual- und Gewaltverbrecher“ vor. Zur Umsetzung dieses Vorhabens wurde die Task Force Strafrecht eingerichtet. Es wurden zwei Kommissionen gemäß § 8 Bundesministeriengesetz 1986, BGBl. Nr. 76/1986, eingesetzt, in denen zahlreiche Expertinnen und Experten Empfehlungen nicht nur für den Bereich des Strafrechts, sondern auch zu den Themenbereichen Opferschutz und Täterarbeit erarbeiteten.

Im Wissen, dass Österreich international für sein langjähriges hohes Niveau an Standards im Bereich des Gewaltschutzes bekannt ist, ging es der Task Force um praktische Maßnahmen, Opfern und gefährdeten Personen verstärkt Schutz und Hilfestellung zu gewähren. Ziel der Arbeiten der Kommission Opferschutz und Täterarbeit war es insbesondere, die Gewaltprävention zu stärken. In diesem Zusammenhang soll eine aktive professionelle Täterarbeit eine weitere Säule bilden. Durch präventive Maßnahmen soll ein wesentlicher Beitrag zur Vermeidung eines Rückfalls geleistet werden.

Der von der Task Force aufgezeigte Handlungsbedarf wurde von der Bundesregierung in ihrer Sitzung vom 13. Februar 2019, Task Force Strafrecht, MR 45/17, aufgegriffen und ein umfassender Maßnahmenkatalog beschlossen.

2. In diesem Maßnahmenkatalog sind für den Bereich des Sicherheitspolizeirechts Vorschläge enthalten, die in den vorliegenden Entwurf einer Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes Eingang gefunden haben. Es handelt sich insbesondere um folgende Maßnahmen:

Neuregelung des Betretungsverbots

Die Neuregelung des Betretungsverbots soll eine Verbesserung des Opferschutzes bewirken, indem ein Annäherungsverbot auf fünfzig Meter eingeführt und der Vollzug vereinfacht werden soll.

Die neue Fassung des § 38a SPG soll den Schutzbereich der unmittelbaren Umgebung um die Wohnung ex lege durch Normierung einer 50-Meter-Grenze festlegen, sodass dieser nicht mehr im Einzelfall durch das einschreitende Organ konkretisiert werden muss.

Zudem soll das Betretungsverbot für den Gefährder mit dem Verbot verbunden sein, sich der gefährdeten Person auf fünfzig Meter zu nähern, unabhängig davon, wo sich die gefährdete Person gerade befindet. Der wesentliche Vorteil der Neuregelung ist, dass dieses Annäherungsverbot alle Örtlichkeiten umfasst, unabhängig davon, ob es sich um den Arbeitsplatz, den Weg zum Arbeitsplatz, eine Schule, einen Kindergarten oder etwa einen Sportplatz handelt.

Etablierung der dritten Gewaltschutzsäule

Analog zur bundesweiten Institutionalisierung der Opferschutzeinrichtungen zur Beratung und immateriellen Unterstützung von Opfern nach Fällen von Gewalt gilt es, bundesweit bewährte und geeignete Einrichtungen für opferschutzorientierte Täterarbeit nachhaltig zu etablieren (Gewaltinterventionszentren). Gefährder sollen nach einem polizeilichen Betretungs- und Annäherungsverbot nach § 38a SPG verpflichtend an einer Gewaltpräventionsberatung durch ein Gewaltinterventionszentrum teilnehmen. Die Arbeit mit den Gefährdern durch Gewaltinterventionszentren ist Teil der Interventionskette und leistet einen wesentlichen Beitrag zum Opferschutz, da sie ein möglichst frühzeitiges Durchbrechen der Gewaltspirale erzielen soll.

Sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen (High-Risk-Victims)

Es soll eine ausdrückliche Grundlage für die Sicherheitsbehörde geschaffen werden, unter bestimmten Voraussetzungen Fallkonferenzen mit den im Einzelfall erforderlichen Behörden und Einrichtungen einzuberufen. Ziel ist die einheitliche Regelung von Fallkonferenzen auf Initiative und unter der Leitung der Sicherheitsbehörden.

3. Zur Änderung im Namensänderungsgesetz:

Opfer von psychischer oder physischer Gewalt, insbesondere im sozialen Nahbereich, wollen oft ein neues Leben beginnen und sehen als einzigen Ausweg die Schaffung einer neuen Identität, um jeglichen Kontakt mit Täterinnen und Tätern zu vermeiden. Die Änderung des Namens kann hierbei eine wesentliche Erleichterung für die Betroffenen bewirken. Eine Änderung des Namens für Opfer von Delikten gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung soll im Sinne des verbesserten Opferschutzes – wie in anderen derzeit schon gesetzlich vorgesehenen Fällen – kostenlos erfolgen können.

2.            Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung eines diesem Entwurf entsprechenden Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 7 („Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ und „Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens und der Namensänderung“) des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930.

Besonderer Teil

Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes

Zu § 22 Abs. 2:

Gemäß Art. 51 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention), BGBl. III Nr. 164/2014, haben die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen zu treffen, dass eine Analyse der Gefahr für Leib und Leben und der Schwere der Situation sowie der Gefahr von wiederholter Gewalt von allen einschlägigen Behörden vorgenommen wird, um die Gefahr unter Kontrolle zu bringen und erforderlichenfalls für koordinierte Sicherheit und Unterstützung zu sorgen.

In Umsetzung der Istanbul Konvention wurde ein auf dem britischen „MARAC“-Modell (Multi-Agency-Risk Assessment Conferences) basierendes Kooperationsprojekt entwickelt und ab Februar 2011 in ausgewählten Bezirken Wiens durchgeführt. Neben der Sicherheitsbehörde nahmen insbesondere Vertreter der Interventionsstelle Wien, des Jugendamts oder des Vereins Neustart am MARAC-Projekt teil. Das MARAC-Projekt wurde 2018 evaluiert, wobei jedoch mangels Möglichkeit zum Datenaustausch mit den Teilnehmern (Amtsverschwiegenheit) nur geringe Effizienz festgestellt werden konnte. Auf Grund der Evaluierungsergebnisse wurde beschlossen, das Projekt in der ursprünglichen Form nicht weiter zu führen. Der durch das Projekt verfolgte Grundgedanke ist jedoch durchwegs positiv: Ein einheitlicher Wissensstand aller Beteiligten sorgt für eine verbesserte Einschätzungsmöglichkeit der Gesamtsituation und eine genaue Bedrohungsanalyse, sodass zielgerichtete Maßnahmen gesetzt werden können.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch die nach dem Mordfall am Wiener Brunnenmarkt im Mai 2016 eingesetzte Evaluierungskommission (Sonderkommission Brunnenmarkt). Von der Sonderkommission wurden als wesentliche Problemfelder unter anderem Defizite in der Vernetzung und bei den Informationsflüssen zwischen den verschiedenen Beteiligten erkannt, weshalb eine nur mangelhafte Zusammenführung der Informationen und Koordinierung notwendiger Maßnahmen zwischen den betroffenen Berufsgruppen und Behörden erfolgte.

Durch die Ergänzung des Abs. 2 soll nun – basierend auf den Erfahrungen des Wiener MARAC-Projekts und den Ergebnissen der Sonderkommission Brunnenmarkt – bei „High-Risk-Fällen“ eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Einberufung von „Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen“ durch die und unter Leitung der Sicherheitsbehörde etabliert werden, um gemeinsam mit erforderlichen Akteuren rasch zu einem möglichst effizienten Schutz von gefährdeten Personen beitragen und auf den Einzelfall abgestimmte Schutzmöglichkeiten im Sinne eines individuellen Risiko Managements entwickeln zu können.

Welche Teilnehmer für die effektive Durchführung einer sicherheitspolizeilichen Fallkonferenz erforderlich sind, ist von der Sicherheitsbehörde im konkreten Einzelfall zu beurteilen. Grundsätzlich kommen neben Behörden solche Einrichtungen in Frage, die mit dem Vollzug öffentlicher Aufgaben, insbesondere zum Zweck des Schutzes vor Gewalt, der Vorbeugung von Gewalt oder der Betreuung von Menschen betraut sind. Hiervon erfasst sind etwa Opferschutzeinrichtungen im Sinne des § 25 Abs. 3, Gewaltinterventionszentren gemäß § 25 Abs. 4, Frauenhäuser, Vertreter des sozialen Wohnbaus, Schulen oder Kinderbetreuungseinrichtungen.

Ein High-Risk-Fall kann dann angenommen werden, wenn konkrete Tatsachen dafür sprechen, dass von einer bestimmten Person eine besondere Gefahr für andere ausgeht. Eine besondere Gefahr in diesem Sinne liegt dann vor, wenn insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs zu befürchten ist, dass die Person eine mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlung gegen Leben, Gesundheit, Freiheit oder Sittlichkeit begehen wird. Mit beträchtlicher Strafe bedroht sind gerichtlich strafbare Handlungen, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind (§ 17). Um die sicherheitspolizeiliche Aufgabe des vorbeugenden Schutzes und damit auch die Voraussetzungen für eine sicherheitspolizeiliche Fallkonferenz zu eröffnen, muss ein solcher gefährlicher Angriff gegen die genannten Rechtsgüter wahrscheinlich sein. Es müssen Gründe vorliegen, die für das Stattfinden eines solchen gefährlichen Angriffs in absehbarer Zeit sprechen (vgl. Goliasch, Was ist ein Gefährder, SIAK-Journal 1/2019, 69, 77; Wimmer in Thanner/Vogl, SPG § 22 Anm. 24; Wiederin, Sicherheitspolizeirecht Rz. 239). Die Beurteilung des Risikos und die Identifizierung von High-Risk-Fällen kann insbesondere unter Zuhilfenahme eines bundesweit einheitlichen, standardisierten Risk Assessments erfolgen. Um Erfahrungen hinsichtlich der Effektivität und Funktionalität sicherheitspolizeilicher Fallkonferenzen zu gewinnen, sollen in einem ersten Schritt nur solche Personen erfasst sein, gegen die wegen einer solchen Straftat bereits Ermittlungen im Dienste der Strafrechtspflege eingeleitet wurden.

Sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen verfolgen das Ziel, Schutzmaßnahmen für die gefährdeten Personen möglichst effizient aufeinander abzustimmen. Die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer sicherheitspolizeilichen Fallkonferenz ist von der Sicherheitsbehörde stets im Einzelfall zu treffen, wobei die Einberufung einer sicherheitspolizeilichen Fallkonferenz auch durch Vertreter anderer Behörden bzw. der von § 22 Abs. 2 genannten Einrichtungen angeregt werden kann. Mit der Einführung von sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen werden keine neuen Maßnahmen geschaffen; vielmehr sollen die im jeweiligen (behördlichen) Wirkungsbereich zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergriffen werden.

Zu § 25 Abs. 4:

Analog der bundesweiten Institutionalisierung der Interventionsstellen zur Beratung und immateriellen Unterstützung von Opfern nach Fällen von Gewalt und beharrlicher Verfolgung sollen nunmehr bewährte geeignete Einrichtungen für opferschutzorientierte Täterarbeit (Gewaltinterventionszentren) zum Zweck der Beratung von Gefährdern im Sinne des § 38a durch den Bundesminister für Inneres vertraglich beauftragt werden können. Diese sollen Gefährder gemäß § 38a nach Ausspruch eines polizeilichen Betretungs- und Annäherungsverbots nachgehend zur Verbesserung des Opferschutzes („opferschutzorientierte Täterarbeit“) beraten (vgl. § 38a Abs. 8 und die erläuternden Bemerkungen dazu). Erklärtes Ziel einer solchen Beratung ist es, auf die Abstandnahme von (weiterer) Gewaltanwendung im Umgang mit Menschen hinzuwirken (Gewaltpräventionsberatung).

Im Rahmen des vertraglichen Auftrags sind insbesondere die Einhaltung von Standards in der opferschutzorientierten Täterarbeit sowie eine Informationspflicht der Gewaltpräventionszentren an die Sicherheitsbehörde bei Nichtkontaktaufnahme oder Nichtteilnahme an der Gewaltpräventionsberatung durch den Gefährder sicherzustellen. Die Höhe der Kosten einer Gewaltpräventionsberatung ist vertraglich festzulegen.

Zu § 35 Abs. 1 Z 8:

Es handelt sich um die erforderlichen Anpassungen an den neuen § 38a.

Zu § 38a:

Der Vorschlag bezweckt die gänzliche Neustrukturierung der Maßnahme des Betretungsverbots zum Schutz vor Gewalt und soll einen deutlichen Schritt zur Gewaltprävention insbesondere im häuslichen Zusammenhang setzen. Ganz grundsätzlich soll diese Maßnahme nicht mehr nur ein Betretungsverbot für konkrete Orte und Bereiche umfassen, sondern auch die Annäherung des Gefährders an die gefährdete Person unterbinden, was durch die neue Überschrift des § 38a klar zum Ausdruck gebracht werden soll.

Abs. 1: Durch die vorgeschlagene Änderung des Abs. 1 soll der Umfang des mit der Anordnung eines Betretungs- und (nunmehr auch) Annäherungsverbots verknüpften Schutzbereichs neu festgelegt werden. Zentraler Anknüpfungspunkt für die Maßnahme nach § 38a bleibt die von der gefährdeten Person bewohnte Wohnung. Die Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, sowie der um diese Wohnung liegende Bereich im Radius von fünfzig Metern dürfen vom Gefährder nicht betreten werden (Betretungsverbot). Dieser Umkreis soll bereits gesetzlich definiert sein, sodass künftig keine Festlegung der unmittelbaren Umgebung, welche vom Betretungsverbot erfasst sein soll, durch das einschreitende Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes mehr erfolgt.

Bislang waren neben der Wohnung und ihrem Umkreis – sofern es sich bei dem Gefährdeten um einen unmündigen Minderjährigen handelt – abschließend bezeichnete institutionelle Schul- und Betreuungseinrichtungen vom Betretungsverbot erfasst, sodass etwa mündigen Minderjährigen außerhalb der betroffenen Wohnung kein besonderer Schutz zukam. Nunmehr soll mit einem Betretungsverbot stets auch ein sogenanntes Annäherungsverbot des Gefährders an die gefährdete Person zwingend verbunden sein. Dem Gefährder soll es damit untersagt sein, sich der gefährdeten Person auf mehr als fünfzig Meter zu nähern. Dieses Annäherungsverbot soll solange gelten, wie das Betretungsverbot aufrecht ist, und ist an keine sonstige örtliche Konkretisierung gebunden. Demnach bewegt sich der gesetzliche Schutzbereich künftig stets mit der gefährdeten Person mit, gleich ob sich diese etwa in der Schule, bei der Arbeit oder auf dem Weg dorthin befindet. Durch die Neuausrichtung dieser Maßnahme als Betretungs- und Annäherungsverbot wird der örtliche Anwendungsbereich wesentlich erweitert und nicht mehr auf das Alter der gefährdeten Person abgestellt.

Abs. 2: Die Informationspflichten der einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie deren Befugnisse bei Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots gegenüber dem Gefährder werden in Abs. 2 geregelt und entsprechen im Wesentlichen der derzeitigen Rechtslage.

Durch Abs. 2 Z 2 sind die einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes schon bislang zur – nötigenfalls zwangsweisen (§ 50) – Abnahme aller in der Gewahrsame des Gefährders befindlichen Schlüssel zur vom Betretungsverbot erfassten Wohnung ermächtigt. Um die genannten Schlüssel abzunehmen, sind die Organe jedoch künftig auch ermächtigt, den Gefährder erforderlichenfalls zu durchsuchen. In sinngemäßer Anwendung des § 40 Abs. 3 und 4 gilt die Durchsuchungsbefugnis auch für das Öffnen und das Durchsuchen von Behältnissen (z. B. Koffer oder Taschen), die der Betroffene bei sich hat. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben sich auf eine Durchsuchung der Kleidung und eine Besichtigung des Körpers zu beschränken, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, der Betroffene habe den Schlüssel in seinem Körper versteckt; in solchen Fällen ist mit der Durchsuchung ein Arzt zu betrauen.

Gemäß Abs. 2 Z 4 ist der Gefährder bei Anordnung des Betretungs- und Annäherungsverbots über die neu eingeführten Verpflichtungen zur Kontaktaufnahme mit einem Gewaltinterventionszentrum (§ 25 Abs. 4) sowie zur aktiven Teilnahme an einem speziellen Aufklärungsgespräch zur Gewaltprävention (Gewaltpräventionsberatung, siehe Abs. 8 und die erläuternden Bemerkungen dazu) zu informieren und über die Rechtsfolgen seines Zuwiderhandelns (Verwaltungsübertretung gemäß § 84 Abs. 1b Z 3, Ladung zur Sicherheitsbehörde zur Ermöglichung der Durchführung einer Gewaltpräventionsberatung gemäß Abs. 8 dritter Satz). Außerdem ist er darüber zu informieren, dass er gemäß Abs. 9 bei Vorliegen zwingender wirtschaftlicher Notwendigkeit örtliche oder zeitliche Ausnahmen von dem Betretungs- und Annäherungsverbot bei der Sicherheitsbehörde beantragen kann.

Abs. 2 Z 6 normiert die bereits nach dem geltenden Recht vorgesehene Befugnis der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Wegweisung des Gefährders, wenn er sich bei Anordnung des Betretungs- und Annäherungsverbots im Verbotsbereich gemäß Abs. 1 befindet. Zur Wegweisungsbefugnis während aufrechtem Betretungs- und Annäherungsverbot siehe Abs. 5 erster Satz.

Abs. 3 entspricht grundsätzlich dem Schlussteil des geltenden Abs. 2, wobei sich Satz 2 auf alle von den Verboten gemäß Abs. 1 erfassten Bereiche bezieht.

Abs. 4 regelt die weiteren Informationsverpflichtungen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots. Satz 1 entspricht dem geltenden Abs. 4 Z 1. Darüber hinaus wurde die Informationspflicht der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zusammenhang mit Minderjährigen wesentlich erweitert, um dem besonderen Schutzbedürfnis effektiver nachkommen zu können und dem durch die Neuausgestaltung des Abs. 1 veränderten Anwendungsbereich des § 38a besser Rechnung zu tragen. Ist die gefährdete Person minderjährig, so sind all jene Menschen, in deren Obhut sich der Minderjährige regelmäßig während der aufrechten Maßnahme befinden wird, über die Anordnung des Betretungs- und Annäherungsverbots zu informieren, sofern dies erforderlich erscheint. Unter Obhut ist ein faktisches Schutz- oder Betreuungsverhältnis zu verstehen, in welchem die gefährdete Person zumindest vorübergehend der Beaufsichtigung, Betreuung oder Überwachung durch eine Person unterliegt (OGH 23.10.2008, 12 Os 139/08w). Zu informieren wären demnach nicht nur – wie bisher – die Leiter einer vom gefährdeten Minderjährigen besuchten Schule, einer institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung oder eines Horts, sondern auch Babysitter, Tagesmütter, betreuende Verwandte oder Nachbarn, Leiter eines Ferienhorts, Ausbildungsstätten oder Sportcamps, sofern dies erforderlich erscheint und die einschreitenden Beamten bei Anordnung des Betretungs- und Annäherungsverbots über die entsprechenden Personen informiert werden. Handelt es sich bei der gefährdeten Person um einen unmündigen Minderjährigen, so ist die Erforderlichkeit jedoch regelmäßig gegeben. Eine entsprechende Übermittlungsbestimmung ist in § 56 Abs. 1 Z 8 vorgesehen.

Ebenfalls über den bisherigen Umfang der Informationsverpflichtung hinaus soll gemäß Abs. 4 Z 2 künftig der örtlich zuständige Kinder- und Jugendhilfeträger immer dann unverzüglich zu informieren sein, wenn eine minderjährige Person in der vom Betretungsverbot erfassten Wohnung wohnt.

Abs. 5 erster Satz sieht eine Wegweisungsbefugnis der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Verstoß des Gefährders gegen das Betretungs- und Annäherungsverbot vor. Diese Befugnis steht unabhängig von einer Strafbarkeit nach § 84 Abs. 1b Z 1 und 2 zur Verfügung, weshalb auch strafunmündige Gefährder weggewiesen werden können. Auch wenn die Strafbarkeit aufgrund der Subsidiaritätsregelung des § 85 entfällt, weil durch die Verwaltungsübertretung zugleich auch eine gerichtlich strafbare Handlung verwirklicht wurde, kann der Gefährder nach Abs. 5 weggewiesen werden. Der zweite Satz entspricht dem geltenden Abs. 8 erster Satz, wobei der Begriff „Überprüfung“ durch den Terminus „Kontrolle“ ersetzt wird, um die Überprüfung der Einhaltung des Betretungsverbots durch die Organe deutlicher von der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung des Betretungs- und Annäherungsverbots durch die Sicherheitsbehörde gemäß Abs. 7 (vormals Abs. 6) zu unterscheiden.

Abs. 6 normiert die Dokumentationspflicht bei Anordnung des Betretungs- und Annäherungsverbots und entspricht – bis auf sprachliche Anpassungen – dem geltenden Abs. 5. Aufgrund der durch die Änderung des B-VG durch BGBl. I Nr. 14/2019 erfolgten Kompetenzverschiebung hinsichtlich der Jugendfürsorge soll der konkrete Verweis auf § 22 B-KJHG 2013 entfallen und durch eine Umschreibung der Abklärung der Gefährdung des Kindeswohls ersetzt werden. Damit erfolgt jedoch keine inhaltliche Änderung des Dokumentationsumfangs. Auch weiterhin ist bei der Dokumentation der Anordnung auf Umstände Bedacht zu nehmen, die für die Gefährdungsabklärung von Bedeutung sein können.

Abs. 7 erster Satz entspricht grundsätzlich dem geltenden Abs. 6 erster Satz und regelt die – im Sinne eines Vier-Augen-Prinzips ausgestaltete – sicherheitsbehördliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung des Betretungs- und Annäherungsverbots. Da es sich in der Praxis jedoch gezeigt hat, dass die Frist von 48 Stunden, binnen welcher die Überprüfung bislang zu erfolgen hatte, mitunter für eine eingehende Überprüfung insbesondere im ruralen Bereich oder an Wochenenden nicht ausreichend war, soll diese auf drei Tage ab der Anordnung erweitert werden. Damit kann sichergestellt werden, dass das vom einschreitenden Organ angeordnete Betretungs- und Annäherungsverbot in einem angemessenen Zeitraum behördlich überprüft wird. Auch kann dadurch vermieden werden, dass ein grundsätzlich rechtskonform angeordnetes Betretungs- und Annäherungsverbot alleine aufgrund einer verspäteten behördlichen Überprüfung nach nur 48 Stunden rechtswidrig wird – wenngleich das Betretungs- und Annäherungsverbot dessen ungeachtet rechtlich besteht und für die Organe durchsetzbar ist.

Abs. 7 zweiter und dritter Satz entsprechen grundsätzlich dem geltenden Abs. 6 zweiter Satz, wobei lediglich sprachliche Überarbeitungen ohne inhaltliche Änderungen vorgenommen wurden.

Abs. 8: Durch die Regelung des Abs. 8 soll eine neue, besondere Maßnahme zur Vorbeugung künftiger Gewalttaten durch opferschutzorientierte Täterarbeit eingeführt werden. Um nach der Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots das „window of opportunity“ zu nützen und eine rasche Beratung des Gefährders zur Deeskalation und Vorbeugung von Gewalt zu bewirken, soll eine verpflichtende Gewaltpräventionsberatung durch geeignete Gewaltinterventionszentren (§ 25 Abs. 4) eingeführt werden. Wird ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen, soll dem Gefährder künftig die Verpflichtung treffen, sich binnen fünf Tagen mit einem solchen Gewaltinterventionszentrum in Verbindung zu setzen, um einen längstens binnen 14 Tagen nach Kontaktaufnahme stattfindenden Termin für eine Gewaltpräventionsberatung zu vereinbaren. Diese Verpflichtung entfällt, wenn das Betretungs- und Annäherungsverbot im Rahmen der sicherheitsbehördlichen Überprüfung der Rechtsmäßigkeit gemäß Abs. 7 aufgehoben wird. Zuständig für diese Präventionsberatung sind jene Gewaltinterventionszentren, die gemäß § 25 Abs. 4 vom Bundesminister für Inneres vertraglich damit beauftragt werden, Gefährder im Sinne des § 38a zu beraten, um auf die Abstandnahme von weiterer Gewaltanwendung im Umgang mit Menschen hinzuwirken.

Nimmt der Gefährder jedoch nicht binnen fünf Tagen nach Anordnung des Betretungs- und Annäherungsverbots Kontakt mit dem Gewaltinterventionszentrum auf oder erscheint er nicht zum vereinbarten Termin bzw. nimmt an der Beratung nicht aktiv teil, soll das Gewaltinterventionszentrum die Sicherheitsbehörde darüber zu informieren haben. Durch die Nichtkontaktaufnahme bzw. Nichtteilnahme an einer Gewaltpräventionsberatung verwirklicht der Betroffene eine Verwaltungsübertretung gemäß § 84 Abs. 1b Z 3 und ist mit Geldstrafe bis zu 2 500 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen, zu bestrafen. Zusätzlich hat die Sicherheitsbehörde ihn zur Teilnahme an der Gewaltpräventionsberatung durch das Gewaltinterventionszentrum in die Behörde zu laden. Die Ladung hat unter Anwendung des § 19 AVG durch einfache Ladung oder durch Ladungsbescheid zu erfolgen. Die Sicherheitsbehörde trifft die Entscheidung, ob der Betroffene durch einfache Ladung, die an keine konkrete Form gebunden ist und somit etwa telefonisch, mündlich oder schriftlich ergehen kann, oder mittels Ladungsbescheid geladen wird. Ein Ladungsbescheid hat Zwangsmittel (etwa Vorführung) anzudrohen und ist dem Betroffenen zu eigenen Handen zuzustellen. Die Zustellung hat an die als Abgabestelle nach Abs. 2 Z 5 genannte Adresse zu erfolgen. Kommt der Gefährder seiner Verpflichtung weiterhin nicht nach, begeht er erneut eine Verwaltungsübertretung gemäß § 84 Abs. 1b Z 3. Die Kosten für die Gewaltpräventionsberatung hat der Gefährder zu tragen.

Im Übrigen kann bei Vorliegen der Voraussetzungen ergänzend zur Gewaltpräventionsberatung eine Meldeverpflichtung zur Normverdeutlichung gemäß § 38b durch die Sicherheitsbehörde durchgeführt werden.

Abs. 9: Die Neugestaltung des Abs. 1 soll eine Vereinfachung der Anordnung des Betretungs- und Annäherungsverbots für die einschreitenden Organe bewirken. Bereits das Gesetz legt den örtlichen Umfang des Betretungs- und Annäherungsverbots fest; es bedarf künftig keiner expliziten Festlegung im Einzelfall mehr. Um besondere Situationen, in welchen der Gefährder das vom Betretungsverbot erfasste Gebiet aus dringenden Gründen aufsuchen muss, zu berücksichtigen, sieht einerseits Abs. 3 vor, dass der Gefährder den Verbotsbereich gemäß Abs. 1 – wenn auch nur – in Gegenwart eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufsuchen darf. Darüber hinaus ermöglicht Abs. 9, dass der Gefährder bei Vorliegen zwingender Notwendigkeit, sei es etwa aus wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Gründen, örtliche oder zeitliche Ausnahmen von dem Betretungs- und Annäherungsverbot beantragen kann. Gedacht ist dabei etwa an das Betreten eines Krankenhauses, das im unmittelbaren Bereich der geschützten Wohnung liegt, zur täglichen Dialyse oder zum Betreten der eigenen Arbeitsstätte, die innerhalb des Umkreises von 50 Metern um die Wohnung liegt. Die Ausnahme kann sich stets nur auf das Annäherungsverbot und den Umkreis von fünfzig Metern um die vom Betretungsverbot erfasste Wohnung beziehen, niemals auf die Wohnung selbst – die Wohnung soll stets vollumfänglich geschützt bleiben. Um potentielle Drucksituationen auf die gefährdete Person zu verhindern, soll ihr zu ihrem eigenen Schutz kein solches Antragsrecht zukommen; die gefährdete Person ist keine Partei im gegenständlichen Verfahren. Der Antrag ist vom Gefährder zu begründen und an die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde (§ 8 f) zu richten, welche über den Antrag möglichst rasch zu entscheiden hat. Hierbei hat die Behörde einerseits zu beurteilen, ob zwingende Erfordernisse vorliegen, die eine zeitliche oder örtliche Ausnahme vom Betretungs- und Annäherungsverbot rechtfertigen würden. Andererseits ist zu prüfen, ob trotz einer solchen Notwendigkeit die schutzwürdigen Interessen der gefährdeten Person einer Ausnahme nicht entgegenstehen. In diesem Sinne hat die Behörde der gefährdeten Person auch Gelegenheit zu geben, sich zum Antrag zu äußern, und allfällige Äußerungen in ihre Entscheidungsfindung einfließen zu lassen. Ein vollinhaltlich stattgebender Bescheid bedarf keiner Begründung (§ 58 Abs. 2 AVG).

Die Entscheidung der Behörde ist auch der gefährdeten Person unverzüglich zur Kenntnis zu bringen ohne dass damit eine Rechtsmittellegitimation verbunden wäre; die Verständigung kann auch fernmündlich erfolgen.

Abs. 10 entspricht grundsätzlich dem geltenden Abs. 8 zweiter bis letzter Satz, wobei lediglich sprachliche Überarbeitungen ohne inhaltliche Änderungen vorgenommen wurden.

Abs. 11 regelt den Umgang mit den dem Gefährder gemäß Abs. 2 Z 3 abgenommenen Schlüsseln nach der Aufhebung (Abs. 7) oder Beendigung (Abs. 10) des Betretungsverbots. Während die abgenommen Schlüssel bislang gemäß Abs. 6 letzter Satz nur jener Person ausgefolgt werden durften, der sie abgenommen wurden (somit dem Gefährder), sollen sie nunmehr auch einem sonstigen Verfügungsberechtigten, etwa der gefährdeten Person, übergeben werden dürfen, wenn der Gefährder die Schlüssel trotz nachweislicher Information nicht innerhalb von zwei Wochen abholt. Insgesamt stehen zur Abholung der Schlüssel sechs Wochen ab Beendigung des Betretungsverbots zur Verfügung. Holt niemand die Schlüssel fristgerecht ab, gelten diese als verfallen. Die Bestimmungen des Verfalls sichergestellter Sachen gemäß § 43 Abs. 2 kommen sinngemäß zu Anwendung, wonach die Sache zu verwerten oder, falls dies nicht möglich oder nicht zulässig ist, zu vernichten ist. Im Falle sichergestellter Schlüssel kommt eine Verwertung regelmäßig nicht in Betracht, sodass diese in erster Linie zu vernichten sind. Damit soll künftig verhindert werden, dass Schlüssel, die weder dem Gericht zu übergeben, noch einem Berechtigten ausgefolgt werden können, dauerhaft durch die Sicherheitsbehörde verwahrt werden müssen. Der letzte Satz entspricht dem geltenden Abs. 6 letzter Satz zweiter Satzteil.

Abs. 12: Für die Fristberechnung sollen ausgewählte Bestimmungen des AVG einschlägig sein. Dies bedeutet – am Beispiel der Drei-Tages-Frist zur behördlichen Überprüfung des Betretungs- und Annäherungsverbots gemäß Abs. 7 – dargestellt: Im Sinne des § 32 Abs. 1 AVG soll bei der Berechnung der Drei-Tages-Frist der Tag, an dem das Betretungs- und Annäherungsverbot angeordnet wurde, nicht miteinzurechnen sein. Entsprechend § 33 Abs. 1 AVG sollen Beginn und Lauf der Drei-Tages-Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert werden. Die Ausnahme des § 33 Abs. 2 AVG kommt hingegen nicht zur Anwendung, sodass der Fristablauf auch nicht gehemmt wird, wenn das Ende der Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember fällt, sodass die Überprüfung in jedem Fall binnen drei Tagen zu erfolgen hat.

Die Regelungen des geltenden Abs. 9, wonach das ordentliche Gericht die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde von der Einbringung eines Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach §§ 382b und 382e EO und dessen Umfang sowie von einer allfälligen Zurückziehung unverzüglich in Kenntnis zu setzen hat, soll aus systematischen Gründen in § 395 Abs. 3 der Exekutionsordnung übernommen werden.

Zu § 56 Abs. 1 Z 3:

Es handelt sich um die erforderliche Anknüpfungsbestimmung an § 38a Abs. 8, wonach ein Gefährder verpflichtend an einer Gewaltpräventionsberatung durch ein Gewaltinterventionszentrum (§ 25 Abs. 4) teilzunehmen hat, wenn das Betretungs- und Annäherungsverbot nicht im Rahmen der sicherheitsbehördlichen Überprüfung nach Abs. 7 aufzuheben ist. Um eine effiziente Durchführung von Gewaltpräventionsberatungen sicherstellen zu können, hat die Sicherheitsbehörde unverzüglich nach der – nicht zu einer Aufhebung führenden – Überprüfung gemäß Abs. 7 ein Gewaltinterventionszentrum zu informieren. Die Übermittlungsermächtigung erfasst nur die Dokumentation gemäß § 38a Abs. 6 und die darin enthaltenen personenbezogenen Daten, wobei die Übermittlung nur zulässig ist, soweit dies zum Schutz gefährdeter Menschen bzw. zur Gewaltpräventionsberatung erforderlich ist. Auch aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgt, dass die Datenübermittlung für Zwecke der Z 3 nur im unbedingt erforderlichen Umfang erfolgen darf.

Darüber hinaus handelt es sich um die Anpassung an den neuen § 38a Abs. 6, welcher nunmehr die Dokumentation der Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots normiert.

Im Übrigen handelt es sich um eine sprachliche Anpassung an die Terminologie des § 25 Abs. 3.

Zu § 56 Abs. 1 Z 8:

Es handelt sich um die erforderliche Anpassung an § 38a Abs. 4 Z 1 und regelt die Übermittlung personenbezogener Daten an bestimmte Personen im Zusammenhang mit der Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots bei minderjährigen Gefährdeten. Erfasst von dieser Bestimmung sind etwa die Leiter einer vom gefährdeten Minderjährigen besuchten Schule, einer institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung oder eines Horts, betreuende Verwandte oder Nachbarn, Babysitter, Tagesmütter, Ferienhorte, Ausbildungsstätten oder Sportcamps.

Zu § 56 Abs. 1 Z 9 und § 84 Abs. 1 Z 2:

Um eine rasche und effektive Koordinierung im Rahmen von sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen (§ 22 Abs. 2 letzter Satz) zu bewirken, bedarf es mitunter auch der Bekanntgabe personenbezogener Daten, die mit dem Grund der Einberufung einer sicherheitspolizeilichen Fallkonferenz im Zusammenhang stehen, an die Teilnehmer dieser Konferenz. Beschränkt auf den Informationsaustausch nach § 22 Abs. 2 letzter Satz soll es gemäß der neuen Z 9 erlaubt sein, personenbezogene Daten an die jeweiligen Teilnehmer einer sicherheitspolizeilichen Fallkonferenz bekannt zu geben. Aus dem allgemein geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit (§§ 51 f) ergibt sich, dass die Datenübermittlung für Zwecke der Z 9 nur im unbedingt erforderlichen Umfang erfolgen darf. Die Teilnehmer sind, sofern sie nicht ohnedies der Amtsverschwiegenheit unterliegen, zur vertraulichen Behandlung dieser Daten verpflichtet, worüber sie zu informieren sind. Das Zuwiderhandeln gegen diese Verpflichtung stellt eine Verwaltungsübertretung gemäß § 84 Abs. 1 Z 2 (neu) dar. Eine Verletzung der Amtsverschwiegenheit unterliegt den spezifischen Bestimmungen, etwa § 310 StGB.

Im Übrigen obliegt die Information gefährdeter Personen der Sicherheitsbehörde nach Maßgabe der Bestimmungen des § 56 Abs. 1 Z 4 und 5.

Zu § 58c Abs. 3:

Die praktischen Erfahrungen seit Einführung der zentralen Gewaltschutzdatei haben gezeigt, dass sich eine einjährige Speicherfrist (insbesondere in Fällen von erneuter Gewaltanwendung im Zusammenhang mit mehreren Wohnungswechseln des Gefährders) als zu kurz erwiesen hat, um präzise Prognoseentscheidungen hinsichtlich der Gefährlichkeit einer Person zu treffen. Um Zusammenhänge von systematischen, sich zunehmend verstärkenden Gefährdungen bzw. Gewaltanwendungen bis hin zur Eskalation frühzeitig erkennen und entsprechende Präventions- und Repressionsmaßnahmen setzen zu können, soll die Speicherdauer auf drei Jahre erhöht werden.

Darüber hinaus handelt es sich um die Anpassung an den neuen § 38a.

Zu § 84 Abs. 1 und 1a:

§ 84 erklärt Verstöße gegen ausgewählte Befehle, Verordnungen und Verpflichtungen nach dem SPG zu Verwaltungsübertretungen. Hierbei handelt es sich durchwegs um Delikte, bei denen sich der Betroffene gegen konkrete, im Anlassfall ausdrücklich angeordnete Gebote widersetzt (Verstöße gegen Platzverbote nach § 36 Abs. 1, gegen die Verpflichtung zur vertraulichen Behandlung personenbezogener Daten bei sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen nach § 56 Abs. 1 Z 9, gegen außerordentliche Anordnungen gemäß § 49 Abs. 1, gegen Betretungsverbote nach § 36a, § 37 Abs. 1 oder § 49a, gegen Waffenverbotszonen nach § 36b Abs. 1 oder gegen Übermittlungsverpflichtungen nach § 53 Abs. 5). Um den Unwertgehalt der verpönten Verhaltensweisen adäquater darstellen zu können, sollen die Strafhöhen entsprechend angepasst werden.

Außerdem handelt es sich in Abs. 1 um eine terminologische Konkretisierung.

Zu § 84 Abs. 1b und 2:

Der neu geschaffene § 84 Abs. 1b soll alle Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit der Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots nach § 38a zusammenfassen und entspricht in Z 1 grundsätzlich dem geltenden § 84 Abs. 1 Z 2. Nach der neuen Z 2 soll sich der Gefährder strafbar machen, wenn er sich der gefährdeten Person weniger als 50 Meter annähert. Durch diese Formulierung ist klargestellt, dass sich der Gefährder nicht strafbar macht, wenn der Gefährdete den Gefährder aus eigenem aufsucht. Zusätzlich soll in Z 3 die Nichtkontaktaufnahme mit dem Gewaltinterventionszentrum bzw. die Nichtteilnahme an der durch das Gewaltinterventionszentrum gemäß § 38a Abs. 8 zu führenden Gewaltpräventionsberatung ebenfalls zu einer Verwaltungsübertretung erklärt werden. Einer Nichtteilnahme ist die nicht aktive Teilnahme an einer Gewaltpräventionsberatung gleichzusetzen; eine solche liegt vor, wenn der Gefährder diese etwa behindert oder stört. Die Bestimmungen des § 84 Abs. 2 sollen dabei auch für Fälle des Abs. 1b gelten.

Wesentlich soll jedoch sein, dass die strafbewährten Handlungen erst gar nicht gesetzt werden. Um den präventiven Charakter dieser Bestimmung besonders hervorzuheben, aber auch um den besonderen Unwert der inkriminierten Verhaltensweisen klar zum Ausdruck zu bringen, sollen Verwaltungsübertretungen im Zusammenhang mit der Anordnung eines Betretungs- und Annäherungsverbots nach § 38a einer erhöhten Strafdrohung unterstellt werden. Dies ist erforderlich, um ein klares Zeichen und einen effektiven Schritt gegen Gewalt, insbesondere im häuslichen Umfeld, zu setzen.

Zu § 94 Abs. 47:

Es handelt sich um die erforderlichen Inkrafttretens- und Außerkrafttretensbestimmungen.

Zu § 97 Abs. 4:

Mit BGBl. I Nr. 5/2016 wurde durch § 13a Abs. 3 eine gesetzliche Grundlage für den offenen Einsatz von Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten zum Zweck der Dokumentation von Amtshandlungen, bei denen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes Befehls- und Zwangsgewalt ausüben, geschaffen (sogenannte „Body Worn Cameras“). Um jedoch Erfahrungen hinsichtlich des sicherheitspolizeilichen Einsatzes solcher Aufzeichnungsgeräte zu gewinnen, wurde diese Rechtsgrundlage nur befristet von 1. März 2016 bis Ablauf des 31. Dezember 2019 in Kraft gesetzt (§ 97 Abs. 4).

Mit Inkrafttreten des § 13a Abs. 3 wurde bis Februar 2017 in den Landespolizeidirektionen Salzburg, Steiermark und Wien ein Probetrieb durchgeführt, welcher im Rahmen des KIRAS-Forschungsprojekts EBeCA (Evaluation & Begleitung der Einführung von Body Worn Cameras. Resonanzanalyse, Wahrnehmung, Begleitmaßnahmen und Empfehlungen), finanziert durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, wissenschaftlich begleitet wurde. Dem Probebetrieb ging ein internationaler Erfahrungsaustausch mit Deutschland und Großbritannien voraus, welche bereits Body Worn Cameras eingesetzt haben und positive Erfahrungen hinsichtlich der deeskalierenden Wirkung dieser Kameras aufweisen konnten. So wurde über einen Rückgang von körperlichen Angriffen und Aggressionen gegenüber Exekutivbediensteten berichtet. Hervorgehoben wurden auch die verbesserten Beweissicherungsmöglichkeiten durch den Einsatz der Kameras.

Beim Probebetrieb wurden zwei unterschiedliche Kamera-Systeme auf Praktikabilität, Einsatzfunktionen und Effizienz beurteilt. Die Systeme wurden dabei im Rayons- und Streifendienst und im Rahmen „Großer Sicherheitspolizeilicher Ordnungsdienste“ eingesetzt.

Die gesammelten Erfahrungswerte belegen, dass der offene – für das Gegenüber deutlich erkennbare und angekündigte – Einsatz der Body Worn Cameras sowohl von vorbeugender, deeskalierender Wirkung als auch von wesentlicher Bedeutung als (objektivierter) Videobeweis bei Amtshandlungen sein kann: Die kameraunterstützte Dokumentation polizeilicher Befehls- und Zwangsmaßnahmen bewirkt die bessere Nachvollziehbarkeit der konkreten Amtshandlung, indem die Aufnahmen – aufgrund der Tatsache, dass sie nicht manipulierbar sind – als objektives Beweismittel herangezogen werden können. Darüber hinaus kann der Einsatz der Kameras auch als Instrumentarium zum Schutz der handelnden Personen vor ungerechtfertigter Behandlung bzw. Beschuldigung dienen. Im Zuge des Probebetriebs konnte insbesondere eine präventive, beruhigende Wirkung auf die von der Amtshandlung betroffenen Personen festgestellt werden. Durch die Wahrnehmung der Kamera, die Ankündigung ihres Einsatzes und in Folge insbesondere durch die Wahrnehmung des eigenen Bildes, welches bei einem getesteten Kamera-System mittels Bildschirm für den Betroffenen sichtbar gemacht wird, konnte ein Bewusstsein für das eigene Verhalten geschaffen werden. Diese Selbstwahrnehmung bewirkte durchwegs positive Verhaltensänderungen noch während der Amtshandlung, sodass zu eskalieren drohende Amtshandlungen dennoch ordnungsgemäß fortgesetzt werden konnten.

Darüber hinaus wurde im Rahmen des Strukturprogramms „Polizei.Macht.Menschen.Rechte“ ein Fachzirkel eingerichtet, der sich unter Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen (etwa Ludwig Boltzmann Institute of Human Rights, Vienna Centre for Societal Security) und des Bundesministeriums für Inneres mit der Thematik „Body Worn Cameras“ beschäftigte. Dieser befasste sich mit menschenrechtlichen Bezugspunkten und nahm kurz nach Beginn des Probebetriebs seine Tätigkeit auf. Aufgaben waren die Feststellung der zivilgesellschaftlichen Partizipation, die Erarbeitung von qualitativen Kriterien zu Einsätzen mit „Body Worn Cameras“, der Beitrag zu Fragen des Rechtsschutzes und die Unterstützung einer menschenrechtskonformen, transparenten Polizeiarbeit. Der Fachzirkel empfahl schließlich die Etablierung von „Body Worn Cameras“ als „neutrales Instrument“ gleichermaßen zur Deeskalation von Amtshandlungen, zur Erleichterung polizeilicher Arbeit im Sinne der Objektivierung von Amtshandlungen sowie zur Steigerung der Rechenschaftspflicht von staatlichem Handeln.

Aus diesen Gründen und den gesammelten Erfahrungswerten soll die Regelung des § 13a Abs. 3 dauerhaft in den Bestand des Sicherheitspolizeigesetzes übernommen werden und die Außerkrafttretensbestimmung in § 97 entfallen.

Änderung des Namensänderungsgesetzes

Zu § 2 Abs. 1 Z 10a und Abs. 2:

Die Gruppe jener Personen, die bei einer Namensänderung von den Verwaltungsabgaben und Gebühren des Bundes befreit sind (§ 6 NÄG), soll um Personen erweitert werden, die Opfer von Delikten gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung wurden, insbesondere wenn sie psychischer oder physischer Gewalt im sozialen Nahbereich ausgesetzt wurden.

Derzeit sieht das NÄG verschiedene Gründe für eine Änderung des Familien- und Vornamens vor (§ 2 Abs. 1 NÄG). Mangels Subsumtionsmöglichkeit unter einen anderen Antragsgrund können genannte Betroffene eine Namensänderung zurzeit nur aufgrund „sonstiger Gründe“ gemäß § 2 Abs. 1 Z 11 NÄG beantragen. Im Fall einer solchen Namensänderung aus „sonstigen Gründen“ sind – im Gegensatz zu den anderen festgelegten Gründen für eine Namensänderung – Verwaltungsabgaben und Gebühren des Bundes in eklatanter Höhe zu entrichten (§ 6 NÄG). Das stellt für viele Betroffene eine große Hürde dar.

Aus diesem Grund bedarf es einer Änderung des Namensänderungsgesetzes durch Schaffung eines eigenen Antragsgrundes für eine Namensänderung für Opfer im Sinne des § 65 Z 1 lit. a StPO. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist von der antragstellenden Person glaubhaft zu machen. Dies kann insbesondere durch polizeiliche und gerichtliche Unterlagen erfolgen. Die Glaubhaftmachung anhand vorliegender Unterlagen soll verhindern, dass die antragstellende Person der für die Namensänderung zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde neuerlich von ihren Gewalterfahrungen berichten muss.

Durch die vorgesehenen Adaptierungen soll die Änderung sowohl des Familiennamens (§ 2 Abs. 1 Z 10a) als auch des Vornamens (§ 2 Abs. 2) ermöglicht werden.

Gemäß § 1 Abs. 3 und 4 können auch nicht entscheidungsfähige Personen – etwa Kinder, die in der Obsorge der antragstellenden Person stehen – von der Namensänderung kostenlos Gebrauch machen, sofern sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z 10a erfüllen.

Zu § 3 Abs. 1 Z 8:

Durch die Änderung des § 3 Abs. 1 Z 8 soll bei Fällen des § 2 Abs. 1 Z 10a auch eine wiederholte Antragstellung innerhalb von zehn Jahren zulässig sein.

Zu § 11 Abs. 9 und 10:

Es handelt sich um die erforderliche Inkrafttretensbestimmung sowie die Behebung eines redaktionellen Versehens.