Entwurf

Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz, das Strafregistergesetz 1968 und das Tilgungsgesetz 1972 geändert werden (Strafprozess- und Jugendstrafrechtsänderungsgesetz 2019)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Inhaltsverzeichnis

           Artikel    1 Änderung der Strafprozessordnung 1975

           Artikel    2 Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988

           Artikel    3 Änderung des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

           Artikel    4 Änderung des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes

           Artikel    5 Änderung des Strafregistergesetzes 1968

           Artikel    6 Änderung des Tilgungsgesetzes 1972

Artikel 1

Änderung der Strafprozeßordnung 1975

Die Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 70/2018, wird wie folgt geändert:

1. In § 58 Abs. 4 wird die Wendung „Person, der ein Sachwalter bestellt wurde“ durch die Wendung „volljährige Person, die einen gesetzlichen Vertreter nach § 1034 Abs. 1 Z 2 und 3 ABGB hat“ ersetzt.

2. Dem § 59 wird folgender Abs. 5 angefügt:

„(5) Die Kosten für die Beiziehung eines „Verteidigers in Bereitschaft“ (Abs. 4) hat der Beschuldigte nicht zu tragen, wenn er erklärt, dazu aus den in § 61 Abs. 2 erster Satz genannten Gründen außer Stande zu sein:

           1. für die Beiziehung zu der nach § 174 Abs. 1 durchzuführenden Vernehmung;

           2. wenn es sich um einen schutzbedürftigen Beschuldigten handelt (§ 61 Abs. 2 Z 2).

Ergibt sich im weiteren Verfahren, dass die Erklärung des Beschuldigten falsch war, so ist er vom Gericht nachträglich zum Ersatz dieser Kosten zu verpflichten.“

3. In § 61 Abs. 2 erster Satz wird nach der Wortfolge „des Beschuldigten“ die Wendung „, in den Fällen der Z 2 auch nach Ermessen des Gerichts von Amts wegen,“ eingefügt.

4. § 61 Abs. 2 Z 2 lautet:

         „2. wenn der Beschuldigte schutzbedürftig ist, weil er blind, gehörlos, stumm oder in vergleichbarer Weise behindert oder aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfähigkeit nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen,“

5. In § 62 wird nach dem Abs. 2 folgender Abs. 2a eingefügt:

„(2a) Die Beigebung und Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers hat unverzüglich, jedenfalls aber vor der nächstfolgenden Vernehmung des Beschuldigten, Tatrekonstruktion (§ 149 Abs. 1 Z 2, § 150) oder Gegenüberstellung (§ 163 StPO), zu der der Beschuldigte beigezogen wird, zu erfolgen.“

6. In § 155 Abs. 1 Z 4 wird die Wortfolge „geistigen Behinderung“ durch die Wortfolge „vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit“ ersetzt.

7. In § 160 Abs. 3 wird die Wortfolge „geistig behindert“ durch die Wortfolge „vergleichbar in ihrer Entscheidungsfähigkeit beschränkt“ ersetzt.

8. In § 171 Abs. 4 Z 2 lit. a wird nach dem Klammerausdruck die Wendung „,wobei ihm auf Verlangen die Kontaktaufnahme mit einem „Verteidiger in Bereitschaft“ (§ 59 Abs. 4) zu ermöglichen ist, dessen Kosten er unter den Voraussetzungen des § 59 Abs. 5 nicht zu tragen hat“ eingefügt.

9. Dem § 514 wird folgender Abs. 41 angefügt:

„(41) § 58 Abs. 4, § 59 Abs. 5, § 61 Abs. 2, § 62 Abs. 2a, § 155 Abs. 1, § 160 Abs. 3 und § 171 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. xx/xxxx treten mit 1. November 2019 in Kraft.“

10. Dem § 516a wird folgender Abs. 11 angefügt:

„(11) § 59 Abs. 5, § 61 Abs. 2, § 62 Abs. 2a und § 171 Abs. 4 Z 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. xx/xxxx dienen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1919 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls, ABl. Nr. L 297 vom 03.11.2016, S. 1 in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 91 vom 05.04.2017, S. 40.“

Artikel 2

Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988

Das Bundesgesetz vom 20. Oktober 1988 über die Rechtspflege bei Straftaten Jugendlicher und junger Erwachsener (JGG), BGBl. Nr. 599/1988, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 154/2015, wird wie folgt geändert.

1. Der bisherige § 1 erhält die Absatzbezeichnung „(1)“, und es wird folgender Abs. 2 angefügt:

„(2) Ist zweifelhaft, ob ein Beschuldigter zur Zeit der Tat das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, so sind die für Jugendliche geltenden Verfahrensordnungen anzuwenden.“

2. In § 5 wird nach Z 11 folgende Z 12 angefügt:

„12. Eine Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßnahme darf wegen einer Jugendstraftat nur verhängt werden, wenn der Angeklagte während der Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten war (§ 39 Abs. 1 Z 5).“

3. § 30 lautet:

§ 30.  Die mit Jugendstrafsachen zu betrauenden Richter und Staatsanwälte in allen Instanzen sowie Bezirksanwälte haben über das erforderliche pädagogische Verständnis zu verfügen und entsprechende Kenntnisse auf den Gebieten der Sozialarbeit, Psychologie, Psychiatrie und Kriminologie aufzuweisen. Der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hat sicherzustellen, dass eine diesen Kriterien entsprechende Fortbildung angeboten wird, an der die mit Jugendstrafsachen betrauten Richter, Staats- und Bezirksanwälte regelmäßig teilzunehmen haben.“

4. Nach § 31 wird folgender § 31a samt Überschrift eingefügt:

„Besonderes Beschleunigungsgebot

§ 31a.  Jugendstrafsachen sind mit besonderer Beschleunigung zu führen.“

5. § 32 Abs. 3 lautet:

„(3) Die Kriminalpolizei hat der Staatsanwaltschaft auch zu berichten (§ 100 StPO):

           1. sobald ein jugendlicher Beschuldigter festgenommen (§ 171 Abs. 2 StPO) oder zur sofortigen Vernehmung vorgeführt (§ 153 Abs. 3 StPO) wurde,

           2. wenn ein Unmündiger im Verdacht steht, eine strafbare Handlung begangen zu haben.“

6. In § 32 wird nach Abs. 3 folgender Abs. 3a eingefügt:

„(3a) In einem Ermittlungsverfahren wegen eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB) hat die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft den jugendlichen Beschuldigten und den gesetzlichen Vertreter mit der Aufforderung zur Vernehmung zu laden, binnen angemessener Frist einen Verteidiger zu bevollmächtigen oder bei Gericht die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach § 39 zu beantragen. Wird kein Verteidiger bevollmächtigt, so hat die Kriminalpolizei der Staatsanwaltschaft darüber zu berichten (§ 100 StPO). Die Staatsanwaltschaft hat in beiden Fällen nach § 59 Abs. 4 StPO vorzugehen.“

7. Nach § 32 wird folgender § 32a samt Überschrift eingefügt:

„Rechtsbelehrung

§ 32a.  (1) Jeder jugendliche Beschuldigte ist durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft über die in §§ 49, 167 StPO genannten sowie folgende weiteren Rechte zu informieren:

           1. sobald der Jugendliche in Kenntnis gesetzt wird, dass gegen ihn ein Strafverfahren geführt wird (§§ 1 Abs. 2, 50 Abs. 1 StPO), über

                a. das Recht auf Benachrichtigung des gesetzlichen Vertreters und auf Begleitung durch den gesetzlichen Vertreter zu gerichtlichen Verhandlungen (§ 38),

                b. das Recht auf notwendige Verteidigung und auf Verfahrenshilfe (§ 39),

                c. das Recht auf möglichen Ausschluss der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung (§ 42) sowie auf Beschränkungen der Verbreitung von Ton- und Bildaufnahmen;

           2. soweit und sobald deren Ausübung in Betracht kommt (§ 171 Abs. 4 StPO), auch über

                a. das Recht auf obligatorische Durchführung von Jugenderhebungen (§§ 43, 48 Z 1),

                b. das Recht auf medizinische Untersuchung (§ 37a Abs. 2),

                c. das Recht auf Begrenzung des Freiheitsentzugs und auf Anwendung gelinderer Mittel (§§ 35, 35a, § 173 Abs. 5 StPO),

                d. das Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung (§ 32 Abs. 1),

                e. das Recht auf besondere Behandlung in Haft (§§ 36, 58).

(2) Gerichte haben ab der ersten Amtshandlung zu prüfen, ob den Belehrungspflichten nachgekommen wurde und gegebenenfalls Ergänzungen vorzunehmen.“

8. § 36 erhält folgende Überschrift:

„Vollzug der Untersuchungshaft“

9. Nach § 36 wird folgender § 36a samt Überschrift eingefügt:

„Vernehmung

§ 36a.  (1) Die Vernehmung eines jugendlichen Beschuldigten ist in einer Art und Weise durchzuführen, die seinem Alter und seinem Entwicklungs- und Bildungsstand Rechnung trägt.

(2) Von der Vernehmung eines jugendlichen Beschuldigten durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft ist eine Ton- und Bildaufnahme anzufertigen, soweit der jugendliche Beschuldigte keinen Verteidiger beizieht.

(3) Ist eine Ton- und Bildaufnahme aufgrund eines unüberwindbaren technischen Problems nicht möglich, so kann die Vernehmung in einem Protokoll dokumentiert (§ 96 StPO) werden, sofern angemessene Anstrengungen zur Behebung des Problems unternommen wurden und eine Verschiebung der Befragung wegen der Dringlichkeit der Ermittlungen unangemessen wäre.“

10. In § 37 Abs. 1 entfällt die Wortfolge „auf Verlangen des Jugendlichen“.

11. Nach § 37 wird folgender § 37a samt Überschrift eingefügt:

„Medizinische Untersuchung

§ 37a.  (1) Zur Bestimmung des Alters des Beschuldigten ist eine körperliche Untersuchung (§ 117 Z 4 StPO) nur zulässig, wenn die Altersbestimmung auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich aufwändiger wäre. Die körperliche Untersuchung darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache oder zu der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe stehen.

(2) Wurde ein Jugendlicher festgenommen oder in Untersuchungshaft genommen, so ist er unbeschadet der §§ 132 Abs. 5 und 153 StVG sowie § 182 Abs. 4 StPO auf sein eigenes Verlangen, das Verlangen seines gesetzlichen Vertreters oder seines Verteidigers unverzüglich von einem Arzt zu untersuchen, ob er auf Grund seiner allgemeinen geistigen und körperlichen Verfassung den Vernehmungen oder anderen Ermittlungshandlungen oder den zu seinen Lasten ergriffenen oder beabsichtigten Maßnahmen gewachsen ist.

(3) § 123 Abs. 3 und 5 bis 7 StPO sind anzuwenden. Die Ergebnisse der medizinischen Untersuchung sind schriftlich festzuhalten.“

12. In § 38 wird nach Abs. 1 folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Die Belehrungen, die der Jugendliche nach § 32a erhalten hat, sind so bald wie möglich auch dem gesetzlichen Vertreter zur Kenntnis zu bringen.“

13. In § 38 Abs. 2 werden zu Beginn die Wortfolge „Ladungen zur Vernehmung als Beschuldigter,“ und nach dem Wort „Strafantrag“ die Wortfolge „und der Antrag auf Unterbringung“eingefügt.

14. In § 38 Abs. 3 wird nach dem Wort „Anklageschrift“ die Wortfolge „oder den Antrag auf Unterbringung“, nach der Wortfolge „und alle Rechtsmittel“ die Wortfolge „und sonstigen Rechtsbehelfe“ sowie nach der Wortfolge „Erhebung von Rechtsmitteln“ die Wortfolge „und Rechtsbehelfen“ eingefügt.

15. § 38 Abs. 5 Z 1 und 2 lauten:

         „1. solange ein gesetzlicher Vertreter der Beteiligung an der strafbaren Handlung des Jugendlichen verdächtig oder überwiesen ist oder solange kein gesetzlicher Vertreter dem Jugendlichen im Strafverfahren beistehen kann;

           2. solange trotz ordnungsgemäßer Benachrichtigung zu einer Beweisaufnahme oder Verhandlung in Anwesenheit des Beschuldigten kein gesetzlicher Vertreter erschienen ist.“

16. In § 38 Abs. 6 entfällt die Wendung „im § 49 Z 10 StPO genannte“, und es wird die Wortfolge „Anträge und Rechtsmittel“ durch die Wortfolge „Anträge, Rechtsmittel und Rechtsbehelfe“ ersetzt.

17. § 39 lautet:

„Notwendige Verteidigung

§ 39.  (1) In folgenden Fällen muss ein jugendlicher Beschuldigter durch einen Verteidiger vertreten sein:

           1. wenn der Beschuldigte schutzbedürftig ist, weil er blind, gehörlos, stumm oder in vergleichbarer Weise behindert oder aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung seiner Entscheidungsfähigkeit nicht in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen,

           2. für eine Tatrekonstruktion (§ 149 Abs. 1 Z 2 StPO), eine Gegenüberstellung (§ 163 StPO) oder eine kontradiktorische Vernehmung (§ 165 StPO),

           3. im gesamten Verfahren wegen eines Verbrechens (§ 17 Abs. 1 StGB) ab dem Zeitpunkt, zu dem er über das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren, den Tatverdacht und seine Rechte zu informieren ist (§ 50 Abs. 1 StPO),

           4. in Verfahren wegen eines Vergehens, wenn in einem Ermittlungsverfahren nach Einlangen eines Abschlussberichts (§ 100 StPO) weitere Ermittlungen in Auftrag gegeben werden, oder wenn der gesetzliche Vertreter dem Jugendlichen im Strafverfahren nicht beistehen kann oder trotz ordnungsgemäßer Benachrichtigung zu Ermittlungen, Beweisaufnahmen oder Verhandlungen kein gesetzlicher Vertreter erschienen ist und dessen Abwesenheit nicht durch die Anwesenheit einer anderen geeigneten volljährigen Person hinreichend ausgeglichen werden kann,

           5. in der Hauptverhandlung bei sonstiger Nichtigkeit,

           6. für das Rechtsmittelverfahren auf Grund einer Anmeldung einer Berufung.

(2) Wenn für seine Verteidigung in den Fällen des Abs. 1 nicht anderweitig gesorgt ist, ist dem jugendlichen Beschuldigten von Amts wegen ein Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er zu tragen hat (Amtsverteidiger – § 61 Abs. 3 zweiter Satz StPO); würde die Verpflichtung zur Zahlung der Verteidigungskosten sein Fortkommen erschweren oder liegen die Voraussetzungen des § 61 Abs. 2 erster Satz StPO vor, muss dem jugendlichen Beschuldigten von Amts wegen ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben werden.

(3) Sofern der jugendliche Beschuldigte nach der Festnahme oder nach der sofortigen Vorführung nicht einen frei gewählten Verteidiger beizieht, ist ihm unverzüglich die Beiziehung eines Verteidigers in Bereitschaft (§ 59 Abs. 4 StPO) zu ermöglichen. Die Kosten dieser Beiziehung und der Beiziehung zu der nach § 174 Abs. 1 StPO durchzuführenden Vernehmung hat der jugendliche Beschuldigte unter den Voraussetzungen des Abs. 1 nicht zu tragen.

(4) Ist die Mitwirkung eines Verteidigers bei einer Vernehmung des Beschuldigten, einer Tatrekonstruktion (§ 149 Abs. 1 Z 2 StPO) oder einer Gegenüberstellung (§ 163 StPO) notwendig, ist aber kein Verteidiger anwesend, so ist diese für eine angemessene Zeit zu verschieben oder zu unterbrechen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Verteidiger ausdrücklich auf seine Anwesenheit verzichtet hat.

(5) Liegen die Voraussetzungen für eine notwendige Verteidigung vor, hat das damit befasste Gericht von Amts wegen die Beigebung zu beschließen. Ist bei Gericht noch kein Verfahren anhängig, hat die Staatsanwaltschaft die Akten dem Gericht zur Beigebung eines Verteidigers zu übermitteln. Dem jugendlichen Beschuldigten oder seinem gesetzlichen Vertreter bleibt es unbenommen, bei Gericht einen Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshelfers zu stellen.

(6) Überschreitet der Jugendliche im Laufe des Verfahrens das achtzehnte Lebensjahr, bleibt die beschlossene Beigebung eines Verteidigers aufrecht.

(7) Eine vorübergehende Begrenzung des Kontakts zu einem Verteidiger im Sinne der §§ 59 Abs. 2, 164 Abs. 2 fünfter Satz StPO vor der Vernehmung durch die Kriminalpolizei oder die Staatsanwaltschaft ist nur dann zulässig, wenn

           1. dies zur Abwehr schwerwiegender, nachteiliger Auswirkungen auf das Leben, die Freiheit oder die körperliche Unversehrtheit einer Person dringend erforderlich ist, oder

           2. sofortige Ermittlungsmaßnahmen zwingend geboten sind, um eine erhebliche Gefährdung der Aufklärung eines Verbrechens abzuwenden.“

18. § 43 Abs. 1 lautet:

„(1) Die Jugenderhebungen (§ 48 Z 1) sind von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht ehestmöglich bei der Jugendgerichtshilfe in Auftrag zu geben. Sie können ausnahmsweise unterbleiben, soweit wegen eines in Aussicht genommenen Vorgehens nach dem 11. Hauptstück der Strafprozessordnung ein näheres Eingehen auf die Person des Beschuldigten entbehrlich erscheint.“

19. In § 43 werden nach Abs. 1 folgende Abs. 1a und 1b eingefügt:

„(1a) Die Jugenderhebungen sind von qualifiziertem Personal aus den Bereichen der Sozialarbeit, Psychologie und Pädagogik im Rahmen eines multidisziplinären Vorgehens sowie soweit möglich unter Einbeziehung des Beschuldigten, seines gesetzlichen Vertreters sowie etwa seines Lehrers oder Ausbildenden durchzuführen. In Zweifelsfällen ist die Untersuchung des Beschuldigten durch einen Arzt, klinischen Psychologen oder Psychotherapeuten anzuordnen.

(1b) Liegen zum Zeitpunkt der Anklageeinbringung noch keine Jugenderhebungen vor, so kann die Anklage ausnahmsweise dennoch eingebracht werden, wenn damit keine Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung des Jugendlichen verbunden sind. In jedem Fall darf die Hauptverhandlung erst dann durchgeführt werden, wenn die Jugenderhebungen zur Verfügung stehen.“

20. In § 43 Abs. 2 wird jeweils das Wort „Beschuldigten“ durch das Wort „Angeklagten“ ersetzt.

21. In § 43 wird nach Abs. 2 folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) Kommt es zu wesentlichen Änderungen der Umstände, die den Jugenderhebungen zugrunde liegen, so sind diese von Amts wegen zu ergänzen.“

22. In § 48 Z 1 wird nach dem Wort „Jugendlichen“ die Wortfolge „samt dem wirtschaftlichen und sozialen Hintergrund“, nach der Wortfolge „Entwicklung und“ die Wortfolge „seinen Reifegrad sowie“ und nach der Wortfolge „alle anderen Umstände“ die Wortfolge „zu erheben“ eingefügt.

23. In § 48 Z 4 wird der Strichpunkt am Ende der Z 4 durch einen Punkt ersetzt, und Z 5 entfällt.

24. § 54 lautet:

§ 54.  Die mit der Behandlung von jugendlichen Gefangenen betrauten Personen haben über pädagogisches Verständnis zu verfügen und über die wichtigsten für ihre Tätigkeit in Betracht kommenden Erkenntnisse der Pädagogik, Psychologie und Psychiatrie unterrichtet zu sein. Der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hat ein diesen Kriterien entsprechendes Fortbildungsangebot sicherzustellen, an der die mit jugendlichen Gefangenen betrauten Personen regelmäßig teilzunehmen haben.“

25. In § 55 Abs. 4 wird die Wortfolge „zur Anordnung des Strafvollzugs zuständigen Gericht“ durch die Wortfolge „Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz“ ersetzt.

26. In § 63 werden folgende Absätze 12 und 13 angefügt:

„(12) §§ 1, 5, 30, 31a, 32, 32a, 36, 36a, 37, 37a, 38, 39, 43, 48, 54 und 55 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2019 treten mit 1. November 2019 in Kraft.

(13) § 30 erster Satz und § 54 erster Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2019 sind auf Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits mehr als fünf Jahre mit Jugendstrafsachen oder der Behandlung von jugendlichen Gefangenen befasst sind, nicht anzuwenden. Alle anderen Personen im Sinne dieser Bestimmungen haben ihrem Dienstgeber gegenüber ein entsprechendes Verständnis oder entsprechende Kenntnisse bis spätestens 31.12.2020 nachzuweisen, widrigenfalls sie ab 1.1.2021 nicht mehr mit Jugendstrafsachen oder der Behandlung von jugendlichen Gefangenen betraut sein dürfen.“

27. Nach § 64 wird folgender § 65 samt Überschrift eingefügt:

„Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union

§ 65.  Dieses Bundesgesetz dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/800 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind, ABl. L 2016/132, 1.“

Artikel 3

Änderung des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union

Das Bundesgesetz über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. Nr. 36/2004, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 28/2018, wird wie folgt geändert.

1. Die Überschrift zu § 16a lautet:

„Rechtsbelehrung“

2. In § 16a Abs. 1 Z 3 werden nach dem Wort „beizuziehen“ ein Beistrich und die Wendung „einschließlich des Rechts auf Kontaktaufnahme mit einem Verteidiger in Bereitschaft,“ eingefügt.

3. In § 16a Abs. 2 entfällt die Wendung „§ 16a“.

4. Dem § 16a wird wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Ist die Person, gegen die der Europäische Haftbefehl erlassen wurde, jugendlich, so ist sie über ihre Rechte in sinngemäßer Anwendung des § 32a des Jugendgerichtsgesetzes 1988, BGBl. Nr. 599/1988, zu belehren.“

5. In § 30a Abs. 2 wird die Wendung „Kontaktaufnahme mit einem „Verteidiger in Bereitschaft“ (§ 59 Abs. 3)“ durch die Wendung „Beiziehung eines Verteidigers in Bereitschaft (§ 59 Abs. 4)“ ersetzt, und nach der Wendung „eines Verteidigers“ wird die Wendung „sowie die Voraussetzungen, unter denen ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben werden kann (§ 61 Abs. 2 StPO),“ eingefügt.

6. Dem § 30a wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) Ist der Person ein Verfahrenshilfeverteidiger nach § 61 Abs. 2 StPO beigegeben, so umfasst dessen Tätigkeit erforderlichenfalls auch die Unterstützung ihres Verteidigers im Vollstreckungsstaat.“

7. In § 55c Abs. 3 lautet der letzte Satz: „Im Fall der Vernehmung ist der Einzelrichter (§ 31 Abs. 1 Z 1 StPO) zuständig.“

8. Dem § 140 wird folgender Absatz 17 angefügt:

„(17) §§ 16a Abs. 3, 18 Abs. 3, 30a Abs. 2 und 3 und 55c Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. xx/2019 treten mit 1. November 2019 in Kraft.“

9. Dem § 141 werden folgende Absätze 4 und 5 angefügt:

„(4) Die §§ 5 bis 38 dienen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1919 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls, ABl. L 2016/297, 1.

(5) Die §§ 5 bis 38 dienen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/800 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind, ABl. L 2016/132, 1.“

Artikel 4

Änderung des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes

Das Bundesgesetz vom 4. Dezember 1979 über die Auslieferung und die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl. Nr. 529/1979, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 32/2018, wird wie folgt geändert:

1. In § 9a Abs. 1, Einleitungsteil, entfällt die Wortfolge „aus einem anderen Mitgliedstaat“.

2. § 9a Abs. 1 Z 2 lautet: „in Fällen, in denen personenbezogene Daten aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union übermittelt oder zur Verfügung gestellt wurden, der Mitgliedstaat der Europäischen Union, der die personenbezogenen Daten übermittelt oder zur Verfügung gestellt hat, der Weiterleitung zugestimmt hat; und“

3. In § 9a Abs. 1 Z 3 wird vor der Wendung „getroffen hat“ die Wendung „auf Grundlage von Art. 36 Abs. 3 der Richtlinie (EU) 2016/680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, ABl. L 2016/119, 89,“ eingefügt.

4. In § 9a Abs. 2 und Abs. 4 Z 3 wird jeweils nach dem Wort „Mitgliedstaats“ die Wendung „der Europäischen Union“ eingefügt.

5. In § 29 Abs. 1 werden nach dem Wort „Untersuchungshaft“ ein Beistrich und die Wortfolge „bei Jugendlichen auch jene des Jugendgerichtsgesetzes 1988,“ eingefügt.

6. In § 29 Abs. 3 wird der Punkt am Ende des letzten Satzes durch einen Strichpunkt ersetzt, und es wird folgender Halbsatz angefügt:

„auch die Freistellung von der Tragung der Kosten eines Verteidigers in Bereitschaft (§ 59 Abs. 5 StPO) kommt der festgenommenen Person zugute.“

7. In § 29 Abs. 4 wird nach der Wendung „Auslieferungshaft verhängt,“ die Wortfolge „oder ist die Person jugendlich,“ eingefügt.

8. In § 31 Abs. 1 wird nach dem ersten Satz folgender Satz eingefügt:

„Ist die betroffene Person jugendlich, so ist dem gesetzlichen Vertreter (§ 38 Jugendgerichtsgesetz 1988) Gelegenheit zur Teilnahme an der Vernehmung und der Verhandlung zu geben, und es steht ihm das Recht der Äußerung zu.“

9. In § 58a entfällt der Klammerausdruck „(§ 9a Abs. 1 Z 2)“ und am Ende wird folgender Satz angefügt: „Betrifft das Ersuchen personenbezogene Daten, die ursprünglich von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union übermittelt oder zur Verfügung gestellt wurden, gilt § 9a Abs. 1 Z 2 sinngemäß.“

10. Die Überschrift zu § 77 lautet:

„Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen zur Stammfassung“

11. Der bisherige § 78 erhält die Paragrafenbezeichnung „§ 80.“.

12. Der Regelungsgehalt des bisherigen § 77 Abs. 4 wird als Abs. 1 in einen neuen § 78 aufgenommen, jener des bisherigen Art. XXV als Abs. 2 des neuen § 78; dieser erhält folgende Überschrift:

„Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen zu Novellen ab dem Jahr 2018“

13. Dem neuen § 78 wird folgender Absatz 3 angefügt:

„(3) §§ 9a, 29 Abs. 1, 3 und 4, 31 Abs. 1 und 58a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I. Nr. xx/2019 treten mit 1. November 2019 in Kraft.“

14. Folgender § 79 samt Überschrift wird eingefügt:

„Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Union

§ 79. (1) Die §§ 10 bis 41 dienen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/800 über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind, ABl. L 2016/132, 1.

(2) Die §§ 9a, 58a, 71a und 78 Abs. 1 und 2 dienen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, ABl. L 2016/119, 89.“

Artikel 5

Änderung des Strafregistergesetzes 1968

Das Bundesgesetz vom 3. Juli 1968 über die Evidenthaltung strafgerichtlicher Verurteilungen (Strafregistergesetz 1968), BGBl. Nr. 277/1968, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 32/2018, wird wie folgt geändert:

1. In § 9a Abs. 1 Z 1 werden die Wortfolge des persönlichen Verkehrs“ durch die Wortfolge „der persönlichen Kontakte“ und die Wortfolge „über die Sachwalterschaft“ durch die Wortfolge „in Erwachsenenschutzverfahren“ ersetzt.

2. In § 9a Abs. 2 wird das Wort „Jugendwohlfahrtsträgern“ durch die Wortfolge „Kinder- und Jugendhilfeträgern“ ersetzt.

3. § 14 wird folgender Abs. 15 angefügt:

„(14) § 9a in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. xx/xxxx, tritt mit 1. November 2019 in Kraft.“

Artikel 6

Änderung des Tilgungsgesetzes 1972

Das Bundesgesetz vom 15. Feber 1972 über die Tilgung von Verurteilungen und die Beschränkung der Auskunft (Tilgungsgesetz 1972), BGBl. Nr. 68/1972, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 29/2012, wird wie folgt geändert:

1. § 6 Abs. 1 Z 1b lautet:

       „1b. den Gerichten zum Zweck eines gerichtlichen Verfahrens, das dem Wohl von schutzberechtigten Personen dient, hinsichtlich der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und Personen, die zum gesetzlichen Vertreter bestellt werden sollen, sowie jeweils deren engen familiären Umfelds,“

2. § 9 Abs. 1 wird folgender Abs. 1k angefügt:

„(1k) § 6 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/xxxx, tritt mit 1. November 2019 in Kraft.“