10.48

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Re­gierungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger, die Sie dieser Feierstunde der Demokratie beiwohnen! Es ist ein berührender Moment – für mich persönlich das zweite Mal –, diese Konstituierung des Nationalrates, die In­kraftsetzung der gewählten Volksvertretung. Wir 183 Menschen haben die Verantwor­tung oder die Aufgabe, das Wohl einer Gemeinschaft von mittlerweile fast neun Mil­lionen Menschen zu leiten, Entscheidungen im Auftrag dieser fast neun Millionen Men­schen zu fällen.

Ich denke, wir alle spüren, dass damit große Verantwortung verbunden ist. Dieser Auf­bruch hat natürlich auch einen gewissen Zauber, in der Art der Festlichkeit, wie wir uns hier versammeln. Ich denke, dass wir gerade auch mit dem Singen der Bundeshym­ne – „Heimat großer Töchter und Söhne“, hoffentlich auch großer Chancen – gemein­sam zuversichtlich auf die nächsten fünf Jahre schauen.

Politik ist der Ort, an dem wir uns ausmachen, wie wir miteinander leben, wie wir gut miteinander leben. Das ist die Definition, das Verständnis von Politik, das wir uns als Bürgerinnenbewegung, als Bürgerbewegung gegeben haben. Das erste heilige Wohn­zimmer der Republik, der res publica, der öffentlichen Sache, ist das Hohe Haus. Hier wohnt die Politik, dieses Ringen um das Gemeinsame, um das Außerstreitstellen, wie wir miteinander leben wollen.

Dieses Selbstverständnis allezeit in uns zu tragen ist wichtig. Wir als Parlament sind die erste Staatsgewalt. Wir sind in Kraft gesetzt, um Gesetze zu machen, die für un­sere Gemeinschaft verbindlich sind. Das ist ein Selbstbewusstsein, das uns bis in die letzte Pore durchfahren soll und uns allezeit während dieser fünf Jahre leiten soll; nur dann können wir diese Verantwortung auch entsprechend wahrnehmen.

Ich wünsche mir ein starkes Arbeitsparlament – das ist ein Traum seit Beginn unserer Bewegung –, das natürlich nicht eine verlängerte Arbeitsbank der Regierung ist, son­dern der Regierung als erste Staatsgewalt auf Augenhöhe, aufrecht, selbstbewusst, mit aufrechtem Gang gegenübersteht, in einem Miteinander, aber auch in dem klaren Ver­ständnis, dass wir unterschiedliche Aufgaben haben: Wir sind die Gesetzgebung und die Regierung ist die Exekutive, sie hat umzusetzen, zu vollziehen. (Beifall bei den NEOS.)

Wir alle sitzen hier mit dem Anspruch, Lösungen im Sinne des Gemeinwohls voranzu­treiben, und das ist das Wesen der Demokratie. Jeder und jede von uns hat ein biss­chen eine andere Vorstellung, was unter Gemeinwohl zu verstehen ist, und das ist der Wettbewerb der besten Ideen. Deswegen gibt es den Wahlkampf. Nun, der ist vorbei, aber der Wettbewerb der besten Ideen geht weiter.

Ich möchte kurz skizzieren, was uns NEOS in den nächsten Jahren leiten wird: Wir werden ganz besonders unser Augenmerk auf die Freiheit und auf die Nachhaltigkeit – als die Balancierung von Ökonomie, Wirtschaft, Ökologie, Umwelt und Sozialem – le­gen.

Wir werden auch einen Fokus auf die Rechtsstaatlichkeit richten. In Beobachtung des­sen, was in etlichen Nachbarländern, in Mitgliedstaaten der Europäischen Union pas­siert, denken wir, dass die Zeit gekommen ist, die Rechtsstaatlichkeit in den Erwä­gungen, in den Beratungen und in den Abstimmungen der nächsten fünf Jahre ganz nach vorne zu holen.

Wir werden als Oppositionskraft in dreifacher Ausgestaltung aktiv sein, mit Ihnen und manchmal gegen manche Ihrer Vorschläge, das möchte ich auch sagen. Wir werden einerseits Oppositionskraft als Kontrollpartei sein. Wir werden entschlossen gegen strukturelle Korruption auftreten, wir werden entschlossen gegen Steuergeldverschwen­dung auftreten, wir werden entschlossen gegen jede Form der Parteibuchwirtschaft und Freunderlwirtschaft auftreten. Das ist die Opposition als Kontrollpartei.

Wir werden zweitens die Hüterin der Verfassung sein, mit der neuen Möglichkeit, die uns die Wählerinnen und Wähler gegeben haben; wir sind der Hebel zur Zweidrittel­mehrheit. Bei jedem Anflug eines Unterlaufens unserer freiheitlichen Grundwerte, bei jedem Angriff auf Bürgerrechte und Freiheitsrechte werden wir NEOS eine Stopptafel aufstellen. Wir werden sagen: Bis hierher und nicht weiter, nicht mit uns! Und ohne uns wird es diese Zweidrittelmehrheit nicht geben. Das ist die Oppositionskraft als Hüterin der Verfassung.

Wir werden in dritter Hinsicht die Oppositionskraft als Reformturbo sein. Wir haben deswegen heute bereits drei Vorschläge eingebracht. Das ist unser Verständnis: Arbei­ten von der ersten Stunde bis zur letzten Stunde. Wir werden mit unserem Zweidrit­telmehrheitshebel auch das eine oder andere an Blockadehaltung weghebeln.

Wir haben heute erstens Anträge und Lösungsvorschläge zur Abschaffung der kalten Progression eingebracht, wir wollen, dass die schleichende Steuererhöhung endlich der Vergangenheit angehört. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Hofer.) Der Griff in die Geldtaschen der Menschen in diesem Land ohne vorherige parlamentarische Bera­tung muss aufhören. Wir wissen, dafür gibt es eine Mehrheit. Wir wissen, dass die Mehrheit aus wahltaktischen Gründen nicht zustande kam. Der Wahlkampf ist vorbei, die Mehrheit kann jetzt gewähren.

Zweitens haben wir einen Vorschlag auf Senkung der Parteienfinanzierung einge­bracht. Wir wollen diese Senkung; wir wissen, Sie wollen das in der Regel, so, wie Sie hier sitzen, nicht. Wir haben die höchste Parteienfinanzierung Europas. Wir haben Menschen, die sinkende oder stagnierende Reallöhne haben, und die Parteien holen sich unersättlich jedes Jahr mehr. Als ersten Schritt – und ich glaube, das sollte mehr­heitsfähig sein – sollten wir zumindest außer Streit stellen, dass die Parteienförderung im nächsten Jahr nicht erhöht wird. Sie sehen, das ist ein kleiner Schritt, das ist pä­dagogisch wertvoll, und ich glaube, wir können das gemeinsam machen. (Beifall bei den NEOS.)

Drittens: Das Amtsgeheimnis muss weg. Wir haben 2013 in der ersten Sitzung bereits einen Antrag auf ein Informationsfreiheitsgesetz eingebracht. Wir werden mit dieser Ini­tiative jetzt wieder durchstarten. Wir sind der Meinung, dass es bei all den Vorschlä­gen, den Bürger, die Bürgerin gläsern zu machen, zu überwachen, zu tracken, zu be­obachten, vor allem darum geht, den glasklaren Staat zu haben. Wir brauchen einen gläsernen Staat und nicht den gläsernen Bürger. Auch diese Initiative liegt auf dem Tisch.

Ein Wort noch zur Wahl der drei Präsidenten: Ja, wir respektieren das Recht auf No­minierung durch die drei stärksten Fraktionen. Wir hätten gerne ein Gespräch mit der Kandidatin der ÖVP geführt. Dieses Gespräch kam trotz unserer Einladung nicht zu­stande. Wir brauchen im Sinne des von mir Ausgeführten die Gewissheit, dass dieses Amt mit großer Ernsthaftigkeit angetreten wird. Das hier ist das Hohe Haus. Das hier ist die erste Staatsgewalt. Das hier ist kein Durchhaus und kein Rangierbahnhof. Es braucht das Bekenntnis, dass dieses Amt mit voller Leidenschaft, mit sachlicher Lei­denschaft angetreten wird. Dessen konnten wir uns nicht versichern, und deswegen werden wir für die Position des Präsidenten in Würdigung seiner bisher tadellosen Amts­führung geschlossen Karlheinz Kopf wählen. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

10.57

Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Pe­ter Kolba. – Bitte.