11.22

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Ich möchte diesen heutigen Tag der konstituierenden Sitzung, diesen ersten Tag einer neuen Gesetzgebungsperiode dafür nutzen, vielleicht auch einmal ein paar grundsätzliche Überlegungen hier von diesem Pult aus an die Mandatarinnen und Mandatare zu richten, weil es ja dann oft so ist, dass insbesondere in den Wirren der Tagespolitik die Möglichkeit dazu nicht mehr in der Form besteht, wie wir es uns oft wünschen würden.

Ich möchte Sie alle, meine sehr geehrten Damen und Herren, an Folgendes erinnern: Wir alle, jeder Einzelne von uns, egal, ob es sich um einen wiedergewählten Mandatar oder um einen Neuling in diesem Haus handelt, sitzen hier aus einem einzigen Grund, und dieser einzige Grund ist, dass uns der Souverän, dass uns das Volk – ja, das Volk, das ist das Volk, von dem in der Verfassung die Rede ist, auf die wir heute angelobt worden sind – hierhergebracht hat.

Ich glaube, dass es sehr wichtig für uns alle ist, diese Nabelschnur niemals zu kappen, sondern diese Verbindung in allem, was wir tun, aufrechtzuerhalten. (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Strolz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin gern ein Mitglied des sogenannten Hohen Hauses. Es freut mich sehr, es erfüllt mich mit Stolz, und ich bin mir der Verant­wortung, die damit einhergeht, bewusst. Was ich nicht möchte, ist, dass man das Hohe Haus als so hoch interpretiert, dass es als abgehoben daherkommt. Als Freiheitliche Partei sind wir uns im Klaren darüber, dass wir gerade in den Positionen, die wir ein­nehmen, egal, ob wir hier im Plenum sitzen oder ob später der eine oder andere von uns vielleicht in einer anderen Funktion auf der Regierungsbank oder woanders Platz nehmen wird, diese Bodenhaftung und Erdung nicht verlieren dürfen. Ich halte das für ganz wesentlich. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Strolz.)

Wir haben also unsere Mandate, meine sehr geehrten Damen und Herren, aufgrund der Regeln der Demokratie und aufgrund der Regeln des Rechtsstaates erhalten, und das, genau das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Gleichheit, die uns al­le verbindet. Das ist das gemeinsame Fundament, das für mich substanzieller ist als der Unterschied in Ideologien oder in der einen oder anderen Sachfrage. Jetzt sage ich noch dazu: So viel Dialektik muss sein, dass dieses Fundament auch die Ausgangsba­sis dafür ist, dass sich diese Unterschiede überhaupt erst entfalten und ausbreiten kön­nen.

Genau aus diesem Grund, meine sehr geehrten Damen und Herren, füge ich jetzt et­was hinzu, was mir sehr wichtig ist: Für mich, für uns Freiheitliche sitzen hier in diesem Haus nur Demokraten. Hier in diesem Haus sitzen als gewählte Mandatare nur Demo­kraten. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es steht, meine sehr geehrten Damen und Herren, niemandem zu, irgendjemandem von uns diese Einstellung abzusprechen oder das infrage zu stellen. Ich halte das in al­ler Deutlichkeit fest, weil es ein wichtiger Punkt ist, der gerne von sogenannten Intel­lektuellen in ihrer Intellektualität übersehen wird. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Es sollte jenen, die vielleicht in diese Richtung nachdenken – auch von außen herein in dieses Hohe Haus –, doch auch eine Lehre sein, dass es eine Partei gibt, die in den letzten Jahren ihr Programm mehr und mehr darin gesehen hat, einer anderen Partei, die hier vertreten ist und zu den Gewinnern der letzten Wahl gehört, dieses demokra­tische Prinzip abzusprechen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ausge­rechnet jene Partei, die den moralischen Zeigefinger, der in Wahrheit ein ideologischer gewesen ist, besonders hoch gehalten hat, in diesem Hohen Haus nicht mehr vertre­ten. Das sollte all diejenigen nachdenklich machen, die glauben, vom hohen Ross he­runter über demokratische Gesinnungen entscheiden zu können und über andere den Stab zu brechen. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenruf des Abg. Noll.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich füge noch etwas hinzu, weil es genauso wichtig ist: Es gibt hier im Nationalrat nur ganze Demokraten und keine Teildemokra­ten, und es gibt hier auch nur Parteien, die als Ganzes regierungsfähig sind, und keine Parteien, die teilweise regierungsfähig sind. Das gehört zusammen, und das festzuhal­ten ist mir gerade an diesem heutigen Tag ausgesprochen wichtig. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Rossmann.) – Genau Sie, Herr Kollege da hinten in der letzten Reihe, der Sie jetzt in einer anderen Fraktion auf­tauchen, dürfen sich betroffen fühlen!

Meine Damen und Herren, die Wählerinnen und Wähler haben im Oktober gespro­chen. Manche von uns sind stärker geworden. Ich freue mich, dass auch unsere Partei zu jenen gehört, die deutlich stärker geworden sind. Ich glaube, das kann nur gut für Österreich sein.

Manche haben bei dieser Wahl stagniert. Ich möchte das vielleicht zusammenfassend so interpretieren: Es gibt eine gewisse Stagnation des Wachstums, oder vielleicht sind auch die Grenzen der Inszenierung aufgezeigt worden. Auch das ist eine mögliche Interpretation für das Ergebnis, das eine Stagnation zum Ausdruck bringt. Der Herr Kanzler hat ja heute schon in einer 180-Grad-Wendung die Bedeutung der Inszenie­rung in ein anderes Licht gerückt als noch vor wenigen Monaten. – Sehr gut, das heißt, die Lektion des Wählers hat schon gewirkt, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Manche sind weg – ich glaube, es ist auch dieser Form von Intoleranz, über die ich vorhin gesprochen habe, eine Grenze aufgezeigt worden –, manche sind neu im Natio­nalrat, und von den Neuen sind auch schon wieder manche weg. Ich glaube, dass es unangebracht ist, ausgerechnet im Zusammenhang mit Peter Pilz Wehleidigkeit an den Tag zu legen und von Medienjustiz zu sprechen. Wenn es einen Experten in Sachen Medienjustiz gibt, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann heißt er Peter Pilz! (Beifall bei FPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten der NEOS.)

Jetzt stellt man sich die Frage: Was ist ein guter Demokrat? – Ich glaube, dass ein gu­ter Demokrat derjenige ist, der nicht nur am Wahlabend, sondern auch in der darauffol­genden Legislaturperiode kein schlechter Verlierer ist, und ein guter Demokrat ist der­jenige, der nicht nur am Wahlabend, sondern in der ganzen darauffolgenden Legisla­turperiode kein überheblicher Gewinner ist. Das zeichnet gute Demokraten aus. Der Wechsel von Machtverhältnissen, der Wechsel von der Opposition auf die Regierungs­bank, der Wechsel an politischen Konstellationen ist nichts Lästiges, das ist kein Be­triebsunfall, sondern das ist die Substanz einer Demokratie. Nur so ist das demokra­tische Prinzip auch tatsächlich lebendig! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns alle einig, dass die Bevölkerung im Oktober Veränderung gewählt hat, und ich möchte ein paar Schlag­lichter auf das werfen, was wir unter Veränderung verstehen. Veränderung heißt für mich, dass wir Dinge, die aus dem Lot geraten sind, wieder geraderichten – denken Sie nur an die Frage der Massenzuwanderung, an die Problematik im Integrationsbe­reich oder an die Sicherheitsmisere! Uns ist klar, dass diese Dinge wieder ins Lot ge­bracht werden müssen.

Veränderung bedeutet für uns, dass bei Entwicklungen, bei denen schon seit Langem das Maß verloren gegangen ist, der Hausverstand endlich wieder zur Anwendung kommt. Denken Sie nur an die überbordende Schuldenpolitik: Wir haben jedes Mal wieder gehört, der Schuldenberg darf nicht größer werden, und immer sind wir mit noch mehr Schulden und noch mehr Schulden munter geworden.

Veränderung bedeutet für mich auch, um noch einen dritten Punkt zu nennen – diese Liste ist bei Weitem nicht vollständig –, dass man vorausschauend handeln muss und sich in der Politik von einer Mentalität des Hinterherreparierens verabschieden muss. Wenn ich von vorausschauender Politik rede, denke ich an das Gesundheitssystem, an die Pflege, an das Bildungssystem und auch an den Arbeitsmarkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dieser Überzeugung, die für mich mehr ist als ein neuer Stil – ein neuer Stil hat für mich einen, na ja, nennen wir es einmal etwas äußerlichen Charakter, während diese Einstellung aber aus einer inneren Über­zeugung kommt –, mit dieser Einstellung sind wir in die Koalitionsverhandlungen einge­treten, mit dieser Einstellung führen wir diese Koalitionsverhandlungen auch und mit dieser Einstellung sind wir auch als Oppositionspartei zu jenen 26 Prozent an Stimmen gekommen, die uns so stark gemacht haben, wie wir heute hier vertreten sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Tatsache, dass alle anderen Parteien freiheitliche Inhalte übernommen haben – manche mehr, manche weniger, aber alle ha­ben sich bedient –, ist die größte Anerkennung und das größte Kompliment, das sie uns für unsere Politik machen können. (Beifall bei der FPÖ.) Es gibt nur eine Partei, die ge­glaubt hat, von uns nicht abschreiben zu müssen. Sie vermissen wir heute in diesem Ple­num. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist viel von einem Miteinander gesprochen worden, es ist viel von Gemeinsamkeit gesprochen worden. Ich würde jetzt an uns alle appellieren, den Beweis dafür anzutreten. Die erste Gelegenheit haben wir bei der Wahl des neuen Nationalratspräsidiums. Es sind bereits sehr viele lobende und aner­kennende Worte für die Kandidatinnen und unseren Kandidaten gefunden worden, und ich kann mich dem nur anschließen.

Ich glaube, dass es ein entscheidender Punkt ist, dass man in dieser Funktion den Geist des Miteinander und den Geist der Gemeinschaft lebt, ohne deshalb auf die ei­gene Position zu verzichten und ohne deshalb den Versuch zu unternehmen, die Un­terschiede zu eliminieren. Es geht nicht ohne diese Dialektik. Das Ding ist nicht schwarz oder weiß, sondern es ist ein dialektisches Verhältnis, mit dem wir es hier zu tun haben.

Ich denke, dass nicht nur unser Kandidat Norbert Hofer in seiner Amtsführung bewie­sen hat, dass er dazu bestens in der Lage und geeignet ist – er hat das Amt objektiv geführt, er hat es mit Bedacht geführt, er hat es umsichtig geführt, er hat es überpartei­lich geführt, und genau das ist es, was er auch in Zukunft tun wird und was wir uns von einem Nationalratspräsidenten erwarten –, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich stehe auch nicht an, dieses Lob auch der derzeitigen Nationalratspräsidentin Doris Bures auszusprechen; sie hat es sich genauso verdient. Sie hat gezeigt, dass Aus­gleich und Zusammenhalt zu ihren großen Stärken gehören, und deshalb ist für uns klar, dass wir sie auch für eine weitere Legislaturperiode in dieser Funktion unterstüt­zen. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Frau Präsidentin, ich bin Ihnen auch gar nicht böse, wenn gerade Sie manchmal etwas strenger mit mir sind. Ich interpretiere das einfach als demokratische Form der Zunei­gung, die wir füreinander empfinden. (Heiterkeit bei der FPÖ. Präsidentin Bures wiegt den Kopf.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, und selbstverständlich bin ich auch davon überzeugt, dass Elisabeth Köstinger als Kandidatin der ÖVP diese neue Rolle an der Spitze des Nationalratspräsidiums verantwortungsbewusst, mit einer großen Spann­weite ausgestattet und mit einer ehrlichen Toleranz ausüben wird. Ich glaube, wir soll­ten ihr alle diesen Vertrauensvorschuss geben und mit der Abstimmung über das Na­tionalratspräsidium ein Zeichen setzen, dass wir alle aus den Lektionen dieses Wahl­kampfs gelernt haben. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

11.34

Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Dr.in Irm­gard Griss. – Bitte.