11.10

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Die wesentliche Frage, wenn die ÖVP ein sicherheitspolitisches Thema auf die Tagesordnung setzt, ist ja immer, ob wir einen ernsthaften Diskurs führen und uns überlegen, wie wir es schaffen, mehr Sicherheit schaffen zu können, ohne unsere grund­legenden Freiheiten aufzugeben, oder ob es dann am Schluss doch wieder eher so eine populistische Symbolpolitikdebatte ist.

Ich muss Ihnen zugestehen, dass Teile der Redebeiträge vonseiten der ÖVP schon seriöse Ansätze hatten, aber am Schluss haben Sie das geschafft, was Sie in der De­batte fast immer schaffen – und da muss ich Ihnen gratulieren, dass Sie sich treu geblieben sind, im Gegensatz zum Rauchverbot, wo Sie ja jetzt offensichtlich umfal­len –, und haben aus einer Sicherheitsdebatte doch wieder eine Rechtsstaats- und Freiheitsdebatte gemacht, denn bei circa 90 Prozent Ihrer Vorschläge muss man immer Angst um den Rechtsstaat in Österreich und Angst um unsere Freiheitsrechte haben.

Weil das Polizeiliche Staatsschutzgesetz schon angesprochen wurde – sowohl von Kollegen Amon als auch von Frau Kollegin Lueger als auch von Kollegen Jarolim, den ich übrigens als Oppositionsabgeordneten spannender finde als als Abgeordneten einer Regierungsfraktion, denn da ist die Grundrechtssensibilität eher da – und gesagt wurde, der Verfassungsgerichtshof habe das ja als verfassungskonform bestätigt: Das ist richtig, man muss halt auch immer das gesamte Erkenntnis lesen. Er sagt auch sehr explizit, dass diese Ermittlungsmethoden nur dann verfassungskonform sind, wenn sie besonders eng ausgelegt werden. Das heißt, Sie, SPÖ und ÖVP gemeinsam, haben ein Gesetz beschlossen, das wir weitaus strenger auslegen müssen, als der Geset­zes­text eigentlich ist, damit der VfGH sagt, es ist gerade noch verfassungskonform. Das muss man halt immer dazusagen.

Und zusätzlich ist es deswegen lustig, wenn Sie sich jetzt quasi dafür feiern, dass Sie einmal ein verfassungskonformes Gesetz in diesem Zusammenhang haben, weil es sonst ja eigentlich der Fall ist, dass der VfGH Ihnen alles zurückschmeißt. Wir erinnern an die Vorratsdatenspeicherung: Die ÖVP wollte diese groß einführen, dringend, im Kampf gegen den Terrorismus – verwendet haben Sie sie für ganz andere Dinge; wir erinnern an Anfragen: keine einzige Abfrage der Vorratsdaten wegen einer terroris­tischen Straftat, sondern wegen allem anderen. Jetzt haben Sie halt einmal ein Gesetz, das doch verfassungskonform ist – ich gratuliere Ihnen. Wichtig ist, dass wir nicht wieder lauter schwachsinnige Gesetze beschließen, die am Schluss eben nicht verfas­sungskonform sind.

Herr Bundesminister, wenn Sie den Bundestrojaner ansprechen: Sie wissen ja, dass das nicht gehen wird, weil es technisch nicht möglich ist, so auf das Handy zuzu­greifen, dass Sie nicht auf das gesamte Handy zugreifen.

Ich hoffe da ganz inständig auf die FPÖ. Herr Kollege Rosenkranz, Ihnen sei ganz persönlich ins Stammbuch geschrieben, auch Kollegen Stefan: Bleiben Sie bei Ihrer Linie, schauen Sie, dass Sie hier Grundrechte beschützen! Auf die ÖVP hoffe ich da gar nicht, weil ich weiß, dass das denen in diesem Zusammenhang ziemlich egal ist. (Abg. Rosenkranz: Nein, das stimmt so nicht! – Zwischenruf bei der ÖVP.) Es liegt einzig und alleine an Ihnen, und daran werden Sie auch gemessen werden, ob Sie jetzt beim Bundestrojaner einknicken und dann doch mit der Überwachungspartei ÖVP mitspielen oder es mit den Grundrechten ernst gemeint haben. Ich hoffe da wirklich auf Sie und hoffe, dass Sie da stehenbleiben.

Wichtig ist, dass wir Freiheit und Rechtsstaat weiterhin als etwas Wichtiges wahr­nehmen und nicht irgendwie als problematische, lästige Hindernisse – das ist das, was ich bei der ÖVP immer ein wenig sehe; es sind immer diese Hindernisse –, und wir müssen in diesem Zusammenhang schauen – und das ist ja das Schwierige an solchen Maßnahmen, die Sie manchmal vorschlagen –, dass die wichtigen sicher­heits­politischen Fragen nicht auf der Strecke bleiben.

Ich gebe Ihnen recht, dass Sie das heute angesprochen haben. Es geht ganz massiv um Prävention, da haben Sie vollkommen recht, und da sind auch die Maßnahmen wichtig; und es geht ganz massiv darum, und auch das unterstütze ich, dass wir hier der Polizei weitaus mehr Ressourcen zur Verfügung stellen, denn klar ist auch, dass nicht mehr Gesetze Verbrecher fangen, sondern mehr Polizisten.

Wir wissen, dass die Polizei aufgrund des Überstundenmarathons in letzter Zeit in ihrer Arbeit massiv beeinträchtigt wurde, und es ist gut, dass wir da Maßnahmen gesetzt haben. Es geht um mehr Personalressourcen, es geht um bessere Ausstattung, und es geht um Prävention.

Zum Abschluss noch eines, weil wir ja vor zwei Tagen 150 Jahre Staatsgrundgesetz gefeiert haben und einen sehr beeindruckenden Vortrag von Herrn Professor Stourzh gehört haben: Er hat gesagt, dass es jetzt, gerade in Zeiten von Viktor Orbán, der quasi die illiberale Demokratie in Ungarn ausgerufen hat, mehr denn je wichtig ist, dass man gegen diese illiberale Demokratie auftritt. Er hat gesagt, dass der Liberalismus­begriff vielleicht ein bisschen zu breit ist, und deswegen hat er den Begriff der Grundrechtsdemokratie hier in den Raum gestellt.

Er sagt, Österreich ist eine solche Grundrechtsdemokratie, und ich bin überzeugt davon, dass Österreich eine solche Grundrechtsdemokratie bleiben muss, und des­wegen appelliere ich hier an Sie, insbesondere von ÖVP und FPÖ, dass Sie sich auch ganz klar dazu bekennen, dass wir in Österreich weiterhin die Freiheit und die Grund­rechte schützen und sie nicht am Altar des Populismus opfern.

Mir ist es ganz ehrlich gesagt ziemlich egal, ob H.-C. Strache der bessere Freund von Viktor Orbán ist oder Sebastian Kurz; ich erwarte von ihnen beiden, dass sie sich nicht ein Vorbild an Viktor Orbán nehmen, sondern dass für uns alle in Österreich klar ist, das es nicht die illiberale Demokratie ist, die wir haben wollen, sondern eine starke und wehrhafte Grundrechtsdemokratie. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von SPÖ und Liste Pilz.)

11.15

Präsidentin Elisabeth Köstinger: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeord­neter Noll. – Bitte.