11.27

Abgeordneter Mag. Christian Kern (SPÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wie Sie wissen, ist die aktuelle Tagespolitik dadurch bestimmt, dass wir mitten in der Bildung einer neuen Bundesregierung sind. Diese neue Bundesregierung wird ein Programm vorlegen, und wir werden sie an den Taten messen, wir werden ganz genau hinschauen. Wir werden sie aber auch an den Ver­sprechungen und an den Erwartungshaltungen messen, die geweckt worden sind. Auch wenn man Zeitungsberichterstattung nicht überbewerten mag, scheint es ein absolutes Wettrennen um einen Rekord zu geben, wie man möglichst gründlich und rasch die angekündigten Versprechungen bricht. Was wir erleben, ist ein Rodeo der Rückschritte.

Einer unserer wichtigsten Punkte in der vergangenen Legislaturperiode war, dass wir versucht haben, die Wirtschaftspolitik zu verändern, indem wir versuchen, dort aktiv dagegenzuhalten, wo es notwendig ist, und insbesondere den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit aufzunehmen. Unter diesem Prätext ist die Aktion 20 000 entstanden. Der Hintergrund der Aktion 20 000 ist, dass Österreich über ein herausragendes Wirt­schaftswachstum verfügt. Es ist so gut wie schon seit einer Dekade nicht. Die OECD hat uns jüngst 3 Prozent Wirtschaftswachstum für das Jahr 2017 angekündigt und auch für die Folgejahre einen positiven Ausblick gegeben.

Einer der positiven Aspekte, die damit verbunden sind, ist, dass die Arbeitslosigkeit entgegen den Prognosen damit deutlich zurückgegangen ist. Wir haben aber gesehen, dass im Verlauf des vergangenen Jahres die Arbeitslosigkeit im Segment der Men­schen über 50 Jahre lange Zeit nicht zurückgegangen ist. In den letzten zwei Monaten haben wir auch bei dieser Zielgruppe eine Trendwende geschafft, das erste Mal seit Jahren geht die Arbeitslosigkeit der über 50-Jährigen zurück.

Was ist der Grund für diese Entwicklung? – Da gibt es mehrere Erklärungen: Natürlich sind es die positiven Exportmärkte, natürlich sind es die tüchtigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, und natürlich sind es auch die tüchtigen Unternehmer. Es ist aber auch so, dass die aktive Wirtschaftspolitik, zu der wir uns entschlossen haben, einen wesentlichen Anteil daran hatte. Wir haben im heurigen Jahr ganz konsequent Inves­titionen auf ein Rekordniveau von über 5 Milliarden Euro ausgebaut, wir haben ganz konsequent Innovationen gefördert, uns aber auch ganz konsequent um die Bekämp­fung der Arbeitslosigkeit gekümmert. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich kann Ihnen auch sagen, warum wir das getan haben: weil es uns wichtig war, nicht zuzuschauen, wo der Markt versagt. Ich kann Ihnen sagen, es gibt eine Art von Arbeitslosigkeit in Österreich, die regeln die Unternehmer nicht, die regelt der Markt nicht. Das betrifft meistens ältere Menschen, die möglicherweise in der einen oder anderen Form auch noch eine gesundheitliche Einschränkung haben. Zu warten, dass sie von den Unternehmen aufgenommen werden, ist eine Illusion, das funktioniert in einem Europa offener Grenzen und Arbeitnehmerfreizügigkeit natürlich nicht, das ist erwiesen.

Deshalb ist es so wichtig, dass es diese Aktion gibt, deshalb ist uns auch die Fortsetzung so wichtig, und zwar nicht nur, weil wir darüber reden, die Statistiken zu verbessern, nein, uns geht es um die Schicksale dahinter. Wir haben uns entschlos­sen, 20 000 Menschen wieder eine Zukunftsperspektive zu geben, nicht nur ein Ein­kommen. Es geht um 20 000 Mal Respekt, es geht um 20 000 Mal Würde, und es geht um 20 000 Mal Zukunftsperspektiven. (Beifall bei der SPÖ.) Es wäre im höchsten Maße schädlich und herzlos, wenn wir diesen Menschen die Tür vor der Nase zuschla­gen und sagen: Schau, wo du bleibst!

Das ist auch nicht notwendig, denn die OECD und das Wifo haben uns erst jüngst vorgerechnet, wie die Wirtschaftsentwicklung in Österreich ausschauen wird. Wenn die nächste Bundesregierung gar nichts angreift, was man sich vielleicht da oder dort wünschen würde, dann werden wir 2019 bereits einen Budgetüberschuss haben. Wir werden erleben, dass die Steuer- und Abgabenquote in der Folge zurückgeht, und wir werden erleben, dass die Staatsverschuldung deutlich unter die bislang vermuteten Hori­zonte zurückgeht und unter das Niveau von 70 Prozent sinken wird. (Abg. Wöginger: Wunderbar!)

Das ist erfreulich, und das bedeutet, dass die nächste Bundesregierung sich in ein gemachtes Bett legen wird. Um eine bekannte Journalistin zu zitieren: Sie hat gemeint, das sind für eine fantasievolle und seriöse Bundesregierung ideale Voraussetzungen, um das Land zu gestalten.

Wir wissen aus den Medien, sehen aber auch anhand der Präsenz hier im Hohen Haus, dass auch in diesen Stunden gerade wieder Verhandlungen über die nächste Bundesregierung stattfinden. Ein „Konklave“ findet statt, habe ich in der heutigen Zeitung gelesen. Ein Konklave endet üblicherweise mit weißem Rauch, wir wissen, dieses Konklave wird mit blauem Rauch enden. (Beifall bei der SPÖ.)

ÖVP und FPÖ sind allen Ernstes im Begriff, das Rauchverbot zu kippen. Ich kann nur sagen, Kurt Kuch, ein auch in diesem Kreis bekannter Journalist, der an Lungenkrebs gestorben ist, hat einmal formuliert: „Rauchen tötet. Es war die schlechteste Ent­scheidung meines Lebens, mit dem Rauchen zu beginnen.“ Er hat eine Aktion begonnen, um das Nichtrauchergebot durchzusetzen, und hat dabei viel politische Unterstützung erfahren, auch aus dem Kreis der ÖVP. Auch der Bundesobmann der ÖVP war einer der Unterstützer, Sebastian Kurz hat sich in die Öffentlichkeit gestellt und sich zu diesen Anliegen bekannt.

Es ist enttäuschend, dass das jetzt in einem Zickzackkurs, der zulasten der Gesundheit der Österreicher und Österreicherinnen geht, zurückgenommen wird. 13 000 Men­schen sterben an den Auswirkungen des Tabakkonsums, jeder Lungenfacharzt kann Ihnen durchrechnen und vorrechnen, welches Leid das über die Mehrheit der Menschen bringt. Es ist enttäuschend, dass man sich da hinter die Lobbys gestellt hat hinter die Interessen der Tabakindustrie, hinter die Interessen der Wirte  und nicht auf den Arbeitnehmerschutz geachtet hat. (Zwischenruf des Abg. Rosenkranz.)

Ich finde es bemerkenswert, dass eine zukünftige Bundesregierung hier mit einer Politik antritt, die offensichtlich unvernünftig und gegen die Interessen der Österreicher und Österreicherinnen ist. Ich finde es überaus erfreulich und sehr ermutigend, dass sich die Zivilgesellschaft bereits formiert. Mit heute Vormittag hält die Petition gegen diese Vorgangsweise bei 165 000 Unterschriften. (Beifall bei der SPÖ.) Ich bin davon überzeugt, dass es noch viele, viele mehr werden. Ich muss ehrlich sagen, langsam kann ich der Idee, die direkte Demokratie auszubauen, Volksbegehren zu verstärken, vieles abgewinnen. Ich bin davon überzeugt, eines der ersten Volksbegehren, das Sie ernten werden, wird eines der Zivilgesellschaft gegen das Aufheben des Rauchverbots sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von ÖVP und FPÖ, wir werden uns in der nächsten Woche noch intensiv mit Ihrem Programm und Ihren Vorschlägen, die uns zurück in die Vergangenheit führen, auseinandersetzen. Ich kann Ihnen nur zum jetzigen Zeitpunkt schon sagen, wir werden hier in diesem Haus Widerstand leisten, und der heutige Tag ist die Bestätigung dafür. Es wird nicht nur in diesem Haus hier passieren, auch die Menschen in Österreich, die Zivilgesellschaft, werden sich das nicht bieten lassen. (Beifall bei der SPÖ.)

11.34

Präsidentin Elisabeth Köstinger: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Nehammer, für 4 Minuten. – Bitte.