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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka (den Vorsitz übernehmend): Hohes Haus! Herr Bundeskanzler! Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Mitglieder der Bundesregierung! Sehr geehrte Abgeordnete! Werte Gäste, insbesondere Herr Altpräsident Khol und alle an­deren Präsidenten! Werte Gäste hier und zu Hause vor den Fernsehgeräten! Werte Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter der Parlamentsdirektion! Ich möchte meine erste Rede als Präsident dieses Hauses mit einem Dankeschön beginnen – mit einem Dankeschön an all jene, die mir das Vertrauen geschenkt haben. Es ist eine hohe Verantwortung und ich bin mir dieser Verantwortung sehr, sehr bewusst. Ich werde alles daransetzen, diese hohen Erwartungen, die in mich gesetzt wurden, auch zu erfüllen.

Ich verspreche aber auch jenen, die mich heute nicht gewählt haben, dass ich alles tun werde, um auch sie zu überzeugen, dass dieses Amt eines ist, das Äquidistanz er­fordert und sie auch lebt. Und ich bedanke mich sehr, sehr herzlich bei all jenen, die für die Vorbereitung dieser Sitzung und auch für meine Einführung sehr, sehr viel getan haben: bei der Parlamentsdirektion und all ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die für den wirklich reibungslosen Ablauf verantwortlich waren.

In Artikel 1 unserer Bundesverfassung – Sie alle kennen ihn – heißt es: Österreich ist eine demokratische Republik. Das Recht geht vom Volk aus. (Die Abgeordneten Noll und Zinggl: Ihr Recht!) – Ihr Recht geht vom Volk aus. Danke für die Korrektur. – Darin ist eigentlich alles enthalten, was die Stellung, was das Wesen der Demokratie und des Parlaments ausmachen. An der vornehmsten Stelle in der Verfassung steht das Parla­ment. Und ich denke, so wie die Meinungen in der Bevölkerung vielfältig, die Diskus­sionen wechselhaft sind, so sind auch hier in unserem Haus verschiedenste Meinun­gen sehr pointiert, sehr vielfältig und sehr lebendig vertreten. Das halte ich für gut, das ist notwendig, um auch nach außen ein Bild dieses lebendigen Parlamentarismus zu zeigen.

Zu diesem lebendigen Parlamentarismus gehört aber das, was das Parlament braucht, nämlich Gesetze zu beschließen, Gesetze zu beraten und zu diskutieren, und das auch in Partnerschaft mit der Bundesregierung. Dazu gehört auch die Kontrolle der Bundes­regierung, und es wird notwendig sein, hier in einem fairen Miteinander für das Staats­ganze auch die Verantwortung mitzutragen und mitzuübernehmen.

Die Präsidenten vor mir haben stets ein Ziel gehabt: das Parlament zu öffnen, das Parlament zu einem Ort des Dialogs zu machen, das Parlament für alle Bürgerinnen und Bürger zu einer Stätte der Begegnung zu machen. Ich möchte das fortsetzen und weiterführen, einladen zu den Dialogen mit Wissenschaftern und Künstlern – mit die­sen beiden deshalb, weil sie oftmals viel früher als die Politik oder auch andere in der Gesellschaft Entwicklungen schon sehen, Entwicklungen vorahnen und eine besonde­re Sensibilität aufweisen. Der Dialog mit der Kunst und der Wissenschaft soll ja auch für uns ein ganz wesentlicher sein.

Der Dialog mit der Bürgergesellschaft ist etwas ganz Wichtiges: Parlamentarismus spielt sich nicht nur hier ab, sondern in den Wahlkreisen draußen bei den Menschen. Und die Menschen erwarten von uns, dass wir diesen Dialog nicht nur vor Wahlen, sondern permanent führen. Gerade das österreichische Parlament mit seiner langen Tradition hat viele Möglichkeiten, sich auch im internationalen Feld einzubringen, bei jungen Demokratien. Viele Parlamentarier haben schon in der Vergangenheit hier wert­volle Arbeit geleistet. Viele Parlamentarier haben sich in internationalen Organisationen und Vereinigungen eingebracht. Das fortzusetzen sollte für uns eine sehr vornehme Auf­gabe sein.

Es ist, glaube ich, auch ganz entscheidend, dass wir die Jugend ansprechen. Mit der Demokratiewerkstatt haben wir ein ideales Instrument, das es auszubauen gilt, wo die Parlamentarier selbst, aber auch alle, an die sich dieses Angebot richtet, eingeladen sind, an diesem Gedankenaustausch, an diesem Prozess mitzuwirken und mitzuge­stalten.

Für den Präsidenten ist durch die Geschäftsordnung in den §§ 13 und 14 eine Fülle von Aufgaben vorgesehen. Zentrales wie die Würde des Hauses und die Rechte des Nationalrates werden zu Recht im ersten Absatz genannt, weil sie als solche auch das Rückgrat des Parlamentarismus bilden, aber es sind viele Ausführungen, die sich dann daran anschließen und vom Präsidenten eines verlangen – das habe ich schon ein­gangs betont –: eine Äquidistanz zu allen in der Führung dieses Amtes. In der Führung dieses Amtes ist es unerheblich, wie stark Fraktionen sind, wie groß oder klein, welche ideologische Haltung sie einnehmen. Im Parlamentarismus haben grundsätzlich alle zusammenzuwirken, um auch mit den gleichen Möglichkeiten, den gleichen Rechten ausgestattet zu sein.

Ich möchte die gute Usance, gemeinsam in der Präsidiale, mit Frau Präsidentin Bures und der dann noch zu wählenden Präsidentin und mit den Klubobleuten, auch die Sit­zungsordnung festzulegen – das, was für die Präsidiale als begleitendes, beratendes Gre­mium auch vorgesehen ist –, auch weiterführen. Ich halte gerade das für ganz wesent­lich, dass es immer wieder auch einen Grundkonsens geben muss.

Mit drei Überlegungen, die mir persönlich sehr, sehr wichtig sind, möchte ich auch schon zum Schluss kommen.

Wir haben jetzt schon und speziell im Jahre 2018 eine Zeit vor uns, die wir als Gedenk- oder auch Bedenkjahr sehen sollten. Wir haben vor wenigen Tagen die 150-Jahr-Feier des Staatsgrundgesetzes begangen. Dieses ist am 22. Dezember 1867 erlassen wor­den, und es ist die Grundlage auch unseres heutigen Parlamentarismus, wenn er auch in der Geschichte ganz andere Zeiten erlebt hat, und es gilt auch da, diesen Bogen zu spannen.

Wir werden gleich beginnen, indem wir den Gedenktag des Holocaust – und ich freue mich, dass Abgeordneter Engelberg hiefür schon viele Vorbereitungen getroffen und Vorarbeiten geleistet hat –, diesen Gedenktag anlässlich des Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, hier im Parlament begehen werden. Es ist not­wendig, dieses Kapitel unserer Geschichte immer wieder auch unseren jungen Gene­rationen klar als etwas, das in unserer Verantwortung ganz weit vorne steht, vor Augen zu halten. Wir werden die Gedenktage des März begehen, des 5. März 1933 – das ist jetzt 85 Jahre her –, des 12. und 13. März 1938, dieser ganzen Situation, wo auf der einen Seite der Parlamentarismus ausgeschaltet wurde, durch Polizeikräfte verhindert wurde, dass das Parlament noch einmal zusammentritt, und wo Österreich im Jah­re 1938 von der Landkarte verschwunden ist und letzten Endes die Eigenstaatlichkeit verloren gegangen ist, die man erst 1945 wiedergewinnen konnte.

Schlussendlich gipfelten die im Hinblick auf dieses Gedenkjahr gesetzten Initiativen darin, dass die Bundesregierung den Präsidenten außer Dienst Dr. Heinz Fischer be­auftragt hat, für die 100-Jahr-Feier alle Vorbereitungen zu treffen, denn das Jahr 2018 im Bogen zu 1918 zeigt, wie sich eine moderne Demokratie entwickelt hat, insbeson­dere in den Zeiten vom 21. Oktober 1918 bis zum 6. Februar 1919, in welcher Abfolge von Entscheidungen die Provisorische Nationalversammlung darum gerungen hat, aus diesem Deutschösterreich schlussendlich ein Österreich zu machen, auch wenn das ganz wesentlich von den Verträgen, insbesondere jenem von Saint Germain, beein­flusst wurde. Aber dieses Österreich ist unser Fundament, und dessen sollten wir uns bewusst sein. Auch das Jahr 2019 hat mit 100 Jahre Frauenrecht – und da ist Öster­reich ganz an vorderster Stelle unter den europäischen Ländern zu sehen – ein ganz besonderes Jubiläum zu begehen.

Ich glaube, es steht uns gut an, diese Arbeit unserer Vorgängerinnen und Vorgänger auch mit Würde und mit dem nötigen Respekt gegenüber der Vergangenheit so zu fei­ern und so zu begehen, dass wir daraus auch den Auftrag für das 21. Jahrhundert ab­leiten.

Das Zweite, das ich hier ansprechen will, ist das Bild des Abgeordneten. Wir haben es immer wieder in der Diskussion mit der Bevölkerung erlebt: Wir brauchen ein korrektes Bild des Abgeordneten. Kaum jemand macht sich einen Begriff, wie der Tagesplan ei­nes Abgeordneten aussieht, welche Arbeit er erledigt in der Gesetzgebung, in der Rolle als Vertreter einer Regierungspartei oder auch als Vertreter einer Oppositionspartei, wie das Ringen um die Beschlüsse stattfindet, welche Möglichkeiten er hat, sich einzu­bringen – und nicht nur bei Feierlichkeiten anwesend zu sein – durch die viele Klein­arbeit, das hohe Wissen, das in den 183 Abgeordneten gebündelt ist und das letzten Endes zum Nutzen und zum Wohle unserer gesamten Bevölkerung eingebracht wird.

Schlussendlich geht es auch um die Arbeitsbedingungen, um die Arbeitsbedingungen in diesem Hohen Haus, was die personelle Ausstattung betrifft, was die Infrastruktur betrifft, auch in der derzeitigen Situation im Ausweichquartier, und insbesondere um Les­barkeit der Gesetze. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt: dass wir Fließ­texte haben, um das, was hier beschlossen wird, auch entsprechend schnell rezipieren zu können und uns auch unsere Meinung zu bilden.

Daher lade ich abschließend alle ein zum Miteinander, zum Mitdiskutieren, zum Mitar­beiten und zum Mitgestalten. Auf dieses gemeinsame Bild, das wir abgeben, sollen und dürfen alle Österreicherinnen und Österreicher stolz sein. Die Demokratie ist nicht geschenkt, die Demokratie ist eines der höchsten Güter, die es zu schützen gilt – in allen Fragen. Manche auf der Welt können davon nur träumen. Wir sollten uns dessen bewusst sein und sollten uns vor Augen halten, dass es daher auch notwendig ist, die­se Demokratie durch Wahlbeteiligung, aber auch durch einen ehrlichen und offenen Dis­kussionsprozess immer wieder zu beleben.

In diesem Sinne darf ich Sie alle zu einem gemeinsamen Miteinander zum Wohle Ös­terreichs ermuntern. (Allgemeiner Beifall.)

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