15.30

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Nationalrates! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordne­te! Vor allem aber liebe Österreicherinnen und Österreicher! Am 15. Oktober hat Öster­reich, am 15. Oktober haben Sie, liebe Österreicherinnen und Österreicher, eine Rich­tungsentscheidung getroffen. Sie haben sich für Veränderung entschieden, für einen neu­en Weg und damit auch für neue Chancen in unserem Land.

Ich möchte mich heute nochmals für das große Vertrauen bedanken, das uns am 15. Ok­tober geschenkt wurde, und ich möchte mich noch einmal bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie uns Ihre Stimme gegeben haben. Ich verspreche Ihnen, wir werden damit be­hutsam umgehen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich möchte heute aber auch die Gelegenheit nutzen, mich ganz herzlich bei Bundes­präsident Alexander Van der Bellen dafür zu bedanken, dass er die Regierungsver­handlungen der letzten beiden Monate stets gut begleitet hat und mit Rat und Tat und da und dort auch mit Anregungen zur Verfügung gestanden ist, vor allem aber auch dafür, dass er uns am Ende sein Vertrauen geschenkt hat. – Vielen Dank, Herr Bun­despräsident! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ganz besonders möchte ich mich heute aber auch bei den Mitgliedern der bisherigen Bundesregierung bedanken, bei all jenen, die in den letzten vier Jahren in Österreich Verantwortung getragen haben, bei all jenen, die in der Regierung ihren Beitrag ge­leistet haben. Stellvertretend für alle anderen Mitglieder der Bundesregierung möchte ich Christian Kern und Wolfgang Brandstetter herausstreichen und allen Danke für die professionelle Übergabe sagen, die in den letzten Tagen in den Ministerien stattgefun­den hat. – Vielen Dank! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Veränderung schafft Hoffnung. Sie macht manchmal auch Reibung notwendig. Veränderung schafft Chancen, und sie schafft mancherorts auch Unsicherheit. Veränderung ist etwas, über das man immer unterschiedlicher Mei­nung sein kann, aber Veränderung ist nichts, was sich aufhalten lässt. Die Welt hat sich massiv verändert. Wir betreten heute ein völlig neues Spielfeld mit neuen Spielern in aller Welt, mit neuen Regeln und vor allem auch mit neuen Geschwindigkeiten. Ins­besondere Globalisierung, Digitalisierung und Mobilität haben unser Österreich nicht nur verändert, sie werden unser Land auch immer stärker verändern.

Als Bundesregierung verfolgen wir daher gemeinsam ein klares Ziel: Wir wollen auf diesem neuen Spielfeld Österreich wieder einen Platz an der Spitze ermöglichen. Wir wollen ein Comeback für Österreich schaffen, auf das wir gemeinsam stolz sein kön­nen und von dem alle in unserem Land profitieren. Wir glauben an unser Österreich. Wir glauben vor allem auch an die Menschen in unserem Land, und wir glauben daran, dass eine positive Zukunft vor uns liegt.

Österreich und seine Menschen haben in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass wir oft mehr können, als man uns zutraut, und manchmal haben wir sogar bewie­sen, dass wir mehr können, als wir uns selbst zutrauen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Nach 1945 haben unsere Vorfahren aus den Trüm­mern dieser Republik unser Land wieder aufgebaut. In den Siebzigerjahren ist es ge­lungen, einen Sozialstaat zu schaffen, um den wir in aller Welt beneidet werden. In den 2000er-Jahren ist es uns gelungen, dass in Deutschland viele der Meinung waren, Österreich sei das bessere Deutschland. Zu jedem Zeitpunkt war es nicht nur die Poli­tik, waren es nicht nur die Politiker, die Visionen vorgegeben haben, Ziele vorgelegt ha­ben und sich engagiert und eingebracht haben, es waren vor allem die Menschen in unserem Land, die durch harte Arbeit ihren Beitrag geleistet haben und die unser Land dorthin gebracht haben, wo es heute steht. Als Vertreter der jüngeren Generation möch­te ich heute all jenen Danke sagen, die in unserer Geschichte einen Beitrag dazu ge­leistet haben, dass wir so dastehen, wie es heute der Fall ist. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Die Politik hat vor allem aber die Verantwortung, Richtungsentscheidungen zu treffen, nicht falsch abzubiegen und alles dafür zu tun, dass die Entwicklung auch in Zukunft eine positive ist. Gerade in den letzten Jahren waren Entwicklungen in unserem Land nicht immer zum Positiven, und die eine oder andere Entscheidung hat nichts Gutes für unser Land gebracht. Gerade die Flüchtlings- und Migrationskrise hat dazu geführt, dass sich die Sicherheitssituation, aber auch das Zusammenleben in Österreich zum Negati­ven entwickelt hat.

So stehen wir heute hier als neu gewählte Bundesregierung und bitten Sie, liebe Öster­reicherinnen und Österreicher, vor allem um eines, nämlich um Ihr Vertrauen, diesen neuen Weg gemeinsam mit uns zu gehen. Darauf freuen wir uns und darum bitten wir Sie. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Dem Vertrauen, um das wir Sie ersuchen, möchte ich als Bundeskanzler vor allem auch mit einem Versprechen begegnen: Ich verspreche Ihnen, unseren Weg werden wir als Bundesregierung nicht beendet haben, bevor Österreich nicht noch besser dasteht als heute. Wir werden alles tun, um Chancen, die sich uns bieten, zu nutzen und um vor allem bei Fehlentwicklungen gegenzusteuern. Ich verspreche Ihnen, unseren Weg nicht beendet zu haben, bevor arbeitenden Menschen in Österreich nicht wieder mehr zum Leben bleibt.

Daher ist es unser Ziel, die Steuer- und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent zu sen­ken, damit die Menschen, die arbeiten gehen, nicht die Dummen in unserem Land sind. Wir haben uns vorgenommen, da ganz besonders bei den niedrigen und mittleren Ein­kommen anzusetzen. Die erste Maßnahme wird die Entlastung der Niedrigverdiener in unserem Land sein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Unser Weg wird aber auch nicht beendet sein, bevor unsere Sozialsysteme nicht wie­der wirklich treffsicher sind. Wir streben eine Veränderung bei der Mindestsicherung an, um Ungerechtigkeiten im System zu beenden.

Unser Weg wird auch nicht beendet sein, bevor es nicht wieder mehr Ordnung und Si­cherheit in unserem Land gibt. Unser klares Ziel ist der ordentliche Schutz der Außen­grenzen auf europäischer Ebene und der Kampf gegen die illegale Migration. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich verspreche Ihnen auch, dass wir alles unternehmen werden, um eine Veränderung im Bildungsbereich zustande zu bringen, dass junge Menschen die Schule erst verlas­sen können, wenn sie ordentlich lesen, schreiben und rechnen können und nicht, wenn sie die Schulpflicht abgesessen haben. Nur so können wir sicherstellen, dass junge Men­schen auch alle Chancen am Arbeitsmarkt haben.

Und ich verspreche Ihnen, dass wir alles tun werden, um gut vorbereitet zu sein, um die Chancen der Digitalisierung für unser Land bestmöglich zu nutzen. Wir wollen die öffentliche Verwaltung ins digitale Zeitalter bringen, und wir wollen vor allem unseren Fokus auf die Einführung von 5G-Mobilfunk legen.

Sehr geehrte Damen und Herren! All das können wir tun, und all das werden wir auch tun. Als Basis dafür haben wir in den vergangenen zwei Monaten ein Regierungspro­gramm ausgearbeitet, in dem auf 180 Seiten unsere Ideen und Ambitionen zusammen­gefasst sind.

An dieser Stelle möchte ich ganz besonders Heinz-Christian Strache und der Freiheitli­chen Partei für die konstruktiven Verhandlungen danken, denn neben den Visionen, den Zielen und den eigenen Ideen braucht es auch einen Partner, um diese umzusetzen. Vielen Dank für die guten Verhandlungen und dafür, dass wir gemeinsam zu einem Er­gebnis gekommen sind! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Jedes Programm, das auf den Boden gebracht werden soll, braucht vor allem eines, nämlich ein Team, das bereit ist, die Arbeit zu leisten. Bevor Heinz-Christian Strache die Minister der FPÖ vorstellen wird, möchte ich die Möglichkeit nutzen, die Ministerin­nen und Minister der Volkspartei vorzustellen. (Abg. Schieder: Können sie sich nicht selber vorstellen?!)

Unser Team ist ein breiter Mix aus Erfahrung in der Politik und Erfahrung in Wissen­schaft und Forschung und in der Wirtschaft. Es ist ein breites Team aus Männern und Frauen, aus Jüngeren und Junggebliebenen, ein Team, das bereit ist, für unser Land zu arbeiten.

Mit Elisabeth Köstinger hat das Hohe Haus heute eine Präsidentin verloren, aber wir als Bundesregierung haben eine starke Ministerin gewonnen. Elisabeth Köstinger wird das Ressort Nachhaltigkeit und Tourismus übernehmen, in dem erstmals die Umwelt- und die Energieagenden zusammengeführt sind. Das bedeutet eine große Chance, um unsere Ziele im Kampf gegen den Klimawandel auch wirklich zu erreichen. – Liebe Eli­sabeth, ich freue mich auf die Zusammenarbeit! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Mit Universitätsprofessor Heinz Faßmann haben wir den ehemaligen Vizerektor der Universität Wien, einen anerkannten Wissenschaftler, den Chef des Expertenrats für Integration und jemanden gewinnen können, der ein sehr umsichtig agierender Mensch ist. Ich glaube, dass du alle Voraussetzungen mitbringst, um dieses so wichtige Res­sort mit ruhiger Hand zu führen. Wir haben zum ersten Mal ein Ressort geschaffen, in dem die Bildung vom Kindergarten bis zu den Universitäten in einem Haus gebündelt ist, um auch den gesamten Bogen der Bildung, den wir in unserem Land anbieten kön­nen, unter einem Blick zu sehen. – Vielen Dank für deine Bereitschaft, diese Aufgabe zu übernehmen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Mit Margarete Schramböck haben wir eine erfahrene Managerin aus Österreich gewin­nen können, die in zahlreichen österreichischen Unternehmen tätig war und vor allem im Bereich der Digitalisierung über eine extrem hohe Expertise verfügt. Wir schaffen erstmals nicht nur ein Wirtschafts-, sondern vor allem ein Digitalressort, mit dem Ziel, die Verwaltung digitaler zu gestalten, aber auch mit dem Ziel, die österreichischen Un­ternehmen bestmöglich in dieser Zeit des Wandels zu begleiten. – Liebe Margarete, vielen Dank für deine Bereitschaft! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Josef Moser ist den meisten in diesem Haus wohlbekannt durch seine Tätigkeit als Rechnungshofpräsident. All jenen, die in der Vergangenheit Regierungsverantwortung hatten, ist er nicht immer nur positiv aufgefallen, weil er stets eingemahnt hat, einen spar­samen Umgang mit dem Steuergeld zu pflegen, und auch immer ein Treiber für Re­form und Veränderung in unserem Land war. Ich freue mich sehr, dass du bereit bist, das Ministerium für Verfassung, Reform, Deregulierung und Justiz zu übernehmen, und bin voller Freude, mit dir gemeinsam die eine oder andere notwendige Veränderung in diesem Land einleiten zu können. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Hartwig Löger ist jemand, der für Verlässlichkeit steht. Er war Vorstandsvorsitzender der Uniqa Österreich und ist in Zukunft bereit, als Finanzminister auf das Steuergeld der Österreicherinnen und Österreicher aufzupassen. Gerade der sparsame Umgang mit Steuergeld ist eines der ganz großen Ziele unserer Bundesregierung. – Vielen Dank für deine Bereitschaft! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Juliane Bogner-Strauß ist nicht nur dreifache Mutter, sondern vor allem auch eine er­folgreiche Universitätsprofessorin, und das noch dazu an der TU in Graz. Sie hat es geschafft, sich in einer Männerdomäne durchzuboxen. – Vielen Dank für die Bereit­schaft, als Ministerin für Frauen, Familie und Jugend in dieser Bundesregierung einen Beitrag zu leisten! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Abg. Strolz.)

Gernot Blümel hat auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene politische Erfah­rung gesammelt, kennt das Regierungsgeschäft durch seine Mitarbeitertätigkeit im Par­lament, aber auch in diversen Regierungsbüros. Er wird nicht nur die Regierungskoor­dination ausüben, sondern übernimmt auch die Agenden für Kunst und Kultur, Medien und die europäischen Angelegenheiten. – Willkommen im Team! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Mit Karoline Edtstadler haben wir eine erfolgreiche Juristin gewinnen können, die als Staatssekretärin im Innenministerium einen Beitrag leisten wird. Sie ist Oberstaatsan­wältin und war zuletzt am Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg tätig. – Vielen Dank für die Bereitschaft, diese Bundesregierung zu verstärken! (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben ein starkes Team mit vielen unterschiedli­chen Charakteren, aber lassen Sie mich vor allem eines festhalten: Aus meiner Sicht ist die entscheidende Frage nicht, woher jemand kommt oder in welchen Bereichen er bisher tätig war, sondern die entscheidende Frage ist, ob eine Regierung gute Arbeit für die Österreicherinnen und Österreicher leistet, ob eine Regierung Positives für die Menschen beitragen kann, für die Familien, die Unternehmer und Arbeitnehmer und vor allem auch für alle Generationen in unserem Land. Wir wollen eine Politik machen, die den Menschen wieder dient, anstatt sie zu bevormunden. Das ist unser Versprechen an die Bevölkerung in Österreich, das ist die Veränderung, die wir zustande bringen wollen.

Bei allem Willen und Mut zur Veränderung sind es vor allem drei zentrale Bekennt­nisse, die uns auf diesem Weg Halt geben werden: ein Bekenntnis zu unserer Vergan­genheit, ein Bekenntnis zur Europäischen Union und ein Bekenntnis zu einem neuen Stil. Präsident Sobotka hat zuvor schon darüber berichtet, dass 2018 das bedeutsame Jahr sein wird, in dem wir viele Jubiläen gemeinsam feiern werden und in dem wir an­lässlich vieler anderer Jubiläen auch gemeinsam in Trauer zurückblicken werden.

Unsere Republik feiert ihr 100-jähriges Bestehen, aber wir werden uns auch der be­schämenden und traurigen Ereignisse rund um den März 1938 erinnern. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Bundespräsident außer Dienst Dr. Heinz Fi­scher dafür bedanken, dass er bereit ist, die Vorbereitungen, aber auch die Abwicklung des Gedenkjahres 2018 zu übernehmen. – Vielen Dank, Herr Bundespräsident! (Allge­meiner Beifall.)

Gerade im Jahr 2018 ist es unsere Pflicht, uns auch an die dunklen Seiten unserer Geschichte zurückzuerinnern, und wir müssen die Erinnerung an den Horror des Zwei­ten Weltkriegs vor allem auch dafür verwenden, davor zu warnen und uns immer wie­der ins Bewusstsein zu rufen, dass so etwas nie wieder geschehen darf. Ich selbst ha­be in meiner Schulzeit das erste Mal in Ansätzen das Ausmaß des Terrors des Natio­nalsozialismus verstanden, im Gespräch mit Holocaustüberlebenden. Und erst einige Jahre später, während meiner Tätigkeit als Staatssekretär und danach als Außenminis­ter, ist mir bewusst geworden, dass ich wahrscheinlich zu einer der letzten Generatio­nen gehöre, die überhaupt noch die Möglichkeit gehabt hat, diese Gespräche zu füh­ren.

Für uns ist eines ganz klar: Antisemitismus hat in Österreich und in Europa keinen Platz. Wir werden mit aller Entschlossenheit gegen alle Formen des Antisemitismus an­kämpfen, gegen den noch immer bestehenden, aber auch gegen den neu importierten. Das wird eine wesentliche Aufgabe unserer Bundesregierung sein. (Allgemeiner Beifall.)

Neben der Gründung der Ersten Republik und den Anfängen des Zweiten Weltkriegs sind es auch andere Ereignisse, derer wir im nächsten Jahr gedenken werden: 1848 wollten die Menschen in ganz Europa die Fesseln von Absolutismus und Diktatur ab­streifen, 1948 wurde die immens wichtige Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gemeinsam beschlossen, und 1968 kämpften die Bürgerinnen und Bürger in der dama­ligen Tschechoslowakei für Selbstbestimmung, Demokratie und Meinungsfreiheit. All das, wofür die Menschen im Zuge dieser Ereignisse gekämpft haben, wird heute durch die Europäische Union abgesichert und garantiert. Gerade das Gedenkjahr 2018 zeigt uns, wie wichtig das Friedensprojekt der Europäischen Union ist und wie wichtig es ist, unsere europäischen Werte hochzuhalten.

Auch wenn die Europäische Union, und ich gebe das gerne zu, für meine Generation mittlerweile Selbstverständlichkeit geworden ist, so ist es notwendig, dass wir uns be­wusst machen, dass die Europäische Union keine Selbstverständlichkeit ist. Und es ist noch notwendiger, uns bewusst zu machen, dass es unsere Aufgabe ist, daran zu ar­beiten, dass sich unsere Europäische Union auch in Zukunft zum Positiven entwickelt. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich habe immer klar gesagt, dass diese Regierung eine proeuropäische sein wird, und das Programm, welches wir heute vorlegen, unterstreicht das auch. Ich habe in den ersten 48 Stunden meiner Amtszeit die drei Präsidenten des Rats, des Parlaments und der Kommission in Brüssel treffen dürfen und bereits erste Gespräche geführt, wie wir den Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2018 anlegen werden.

Wir haben im zweiten Halbjahr 2018 eine große Verantwortung, nicht nur für Öster­reich, sondern vor allem für unsere Europäische Union. Und wir haben die Chance, das Prinzip der Subsidiarität auf europäischer Ebene stärker zu verankern, sicherzu­stellen, dass die Europäische Union in den großen Fragen stärker wird und sich gleich­zeitig in kleinen Fragen zurücknimmt, über die Nationalstaaten oder Regionen besser alleine entscheiden können.

Wir haben auch die Pflicht, während unseres Ratsvorsitzes bei Fehlentwicklungen ge­genzusteuern. Wir haben die Pflicht, dagegen anzukämpfen, dass die Schlepper ent­scheiden, wer nach Europa zuwandern darf, und nicht wir als Europäerinnen und Euro­päer. Wir haben die Pflicht, hinzusehen und nicht zu schweigen, wenn Rechtsstaatlich­keit und Demokratie in manchen europäischen Ländern gefährdet sind. Und wir haben auch die Pflicht, als Österreich, ein Land im Herzen Europas, Brückenbauer zu sein, wenn die Spannungen zwischen Ost und West mehr und mehr werden.

Wir haben die Verantwortung, klar im Umgang mit unseren Nachbarn zu sein. Das be­deutet, die Staaten am Westbalkan auf ihrem Weg in die Europäische Union zu unter­stützen, aber gleichzeitig auch klar zu sagen, dass die Fehlentwicklungen in der Türkei dazu führen, dass die Türkei sicherlich keine Zukunft in der Europäischen Union haben wird. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Liebe Österreicherinnen und Österreicher! Wir geben heute das Versprechen ab, dass wir nicht nur proeuropäisch agieren werden, sondern dass wir uns aktiv auf europäi­scher Ebene zum Wohle Österreichs und zum Wohle der Europäischen Union einbrin­gen werden.

Unser drittes Bekenntnis, sehr geehrte Damen und Herren, das wir als Bundesregie­rung abgeben wollen, ist ein Bekenntnis zu einem neuen Stil und auch zu Werten, die unsere Arbeit prägen sollen. So neu die Herausforderungen sind, die auf unser Land in den nächsten fünf Jahren zukommen werden, so zeitlos sind die Werte, auf die wir bau­en wollen: Respekt, Anstand und auch Hausverstand.

Lassen Sie mich ein paar Worte zum Respekt sagen: Als ich Staatssekretär für Inte­gration wurde, habe ich mir zum Vorsatz gemacht, mit eigenen Ideen zu überzeugen und nicht andere anzupatzen oder schlechtzumachen. Als Bundesregierung haben wir schon bei den Verhandlungen einen guten Umgang miteinander gefunden und wollen diesen auch in Zukunft leben. Ich bin mir bewusst, dass es die Aufgabe der Opposition ist, zu kontrollieren, zu fordern und da und dort natürlich auch zu kritisieren. Das ist nicht nur ihre Aufgabe, sondern auch ihre demokratische Pflicht. Ich respektiere auch, dass das Regierungsprogramm nicht jedem gefallen kann, dass Sie wahrscheinlich auch nicht damit einverstanden sein werden; aber bitte respektieren Sie als Opposition auch, dass das Regierungsprogramm einzig und allein eines ist, nämlich die Umset­zung von Versprechen, die wir im Wahlkampf getätigt haben und für die wir auch ge­wählt wurden! Das Regierungsprogramm beinhaltet keine Überraschungen, sondern beinhaltet die Forderungen, für die beide Parteien gewählt wurden. (Lang anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Ich freue mich darauf, mit der Opposition in den nächsten fünf Jahren unsere Vor­stellungen für Österreich zu diskutieren. Ich freue mich auf den Diskurs und die Debat­te. Ich bitte aber auch darum, dass wir einen Weg finden, respektvoll miteinander um­zugehen, und diese Diskussion stets in einem ordentlichen Ton und mit würdigen Aus­sagen in diesem Haus durchführen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Das bringt mich zu einem zweiten wichtigen Wert, der Basis für unsere Arbeit sein soll, nämlich Anstand. Ich bin mir bewusst, dass wir als Regierung in Zukunft viele Entschei­dungen zu treffen haben werden. Und Anstand beim Treffen von Entscheidungen be­deutet für mich vor allem, mit geliehener Macht sorgsam umzugehen. Das bedeutet, ein Bewusstsein dafür zu haben, dass man nicht jede Entscheidung wird richtig treffen können, das bedeutet aber auch, ein Bewusstsein dafür zu haben, dass man es sich nicht leicht machen darf.

Ich verspreche Ihnen heute, dass wir uns bei den Entscheidungen, die wir zu treffen haben, stets bemühen werden, möglichst viele Meinungen anzuhören, und dass wir es uns nicht leicht machen werden, die notwendigen Entscheidungen für unser Land zu treffen. Ich verspreche Ihnen auch, dass wir stets das Wohl unseres Landes in den Mit­telpunkt stellen werden und das Beste für Österreich geben werden. Und ich verspre­che Ihnen vor allem, dass Anstand für uns auch bedeutet, einen ordentlichen Umgang mit Steuergeld zu pflegen. Nur wenn wir es schaffen, im System zu sparen, kann es uns gelingen, dass den Menschen wieder mehr zum Leben überbleibt. Nur eine Regie­rung, die ordentlich mit Steuergeld umgeht, verhält sich auch anständig gegenüber den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern unseres Landes. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Zu guter Letzt, sehr geehrte Damen und Herren, braucht es neben dem Respekt und dem Anstand, so denke ich, auch Hausverstand. Wir leben in einer Zeit, in der es eine Flut an Regulierung, an Gesetzen, Beschlüssen, Vorgaben und Verordnungen gibt. Wir regeln das Leben der Menschen bis ins kleinste Detail. Ich glaube, dass es wichtig ist, und das ist ein Ziel dieser Bundesregierung, dass wir es gemeinsam schaffen, wieder weniger an Regulierung zu produzieren und wieder mehr Eigenverantwortung zuzulas­sen. Der gesunde Hausverstand wird stets auch ein Kompass für unsere Politik sein. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Sehr geehrte Österreicherinnen und Österreicher! Die Herausforderungen, die vor uns liegen, sind vielfältig. Man könnte fast sagen, es gibt Arbeit, wohin man schaut. Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir uns als Bundesregierung auf unsere Tätigkeit freuen, dass wir uns anstrengen werden, und ich kann Ihnen eines sagen: Wenn wir ein Come­back für Österreich zustande bringen wollen, dann wird uns das allen nur gemeinsam gelingen. Daran werden wir arbeiten, darauf freuen wir uns, und ich danke Ihnen noch­mals für Ihr Vertrauen. (Lang anhaltender Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

15.57

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich danke Herrn Bundeskanzler Sebastian Kurz für seine Ausführungen und übergebe das Wort an Vizekanzler Heinz-Christian Stra­che. – Bitte.